Deutsche Bibelgesellschaft

(erstellt: Februar 2006)

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Die Tobiaden waren eine bedeutende, hellenistisch orientierte Familie der jüdischen Oberschicht zur Zeit des Zweiten Tempels.

Wenn der im Alten Testament erwähnte Tobija, der persischer Statthalter von Ammon im Ostjordanland war (Neh 2,10.19; Neh 4,1; Neh 6; Neh 7,62 par. Esr 2,60; Neh 13), bereits als Vertreter und vielleicht sogar Stammvater der Tobiaden gelten kann, sind diese bereits im 5. Jh. v. Chr. bezeugt (vgl. Sach 6,10-14). Dabei muss offen bleiben, ob Tobija seiner Herkunft nach Ammoniter oder Jude mit engen ammonitischen Beziehungen war.

Aus den Zenon-Papyri geht hervor, dass der Tobia, der zur Zeit der Abfassung der Papyri 261-252 v. Chr. das Oberhaupt der Tobiaden-Familie war, in der ostjordanischen Ammanitis als Kommandant einer ptolemäischen Militärkolonie fungierte. Die Familie hatte ihren Stammsitz in Tyrus, dem heutigen ‘Iraq al-Emīr (25 km westlich von Amman), hatte aber zugleich einen Sitz in Jerusalem (Josephus, Antiquitates XII, 160; Text gr. und lat. Autoren).

Mit Tobias Sohn Josef (2. Hälfte 3. Jh.) begann der Aufstieg der Tobiaden. Angesichts der Erfolge der → Seleukiden während des 3. Syrischen Krieges (246-241 v. Chr.) hatte der Hohepriester Onias II. einen Machtwechsel erwartet und die Tributzahlungen an den ägyptischen König Ptolemaios III. eingestellt. Doch Ptolemaios blieb an der Macht und entzog Onias die Prostasia, die politische Vertretung der Provinz Juda am königlichen Hof, und übertrug sie Josef (vgl. Josephus, Antiquitates Judaicae XII, 158-173). Onias behielt damit zwar die religiöse Führung, verlor aber die politische. Josef ersteigerte sich zudem die Generalsteuerpacht für das Gebiet ganz Syrien und Phönizien und trieb dort von 239 bis 217 v. Chr. für die Ptolemäer die Steuern ein (vgl. Josephus, Antiquitates Judaicae XII, 160.224, der den Tobiaden Josef allerdings stark in die Nähe des biblischen Josef in Ägypten rückt).

Noch zu Lebzeiten Josefs lähmte der Nachfolgestreit unter seinen Söhnen die Familie, so dass sie beispielsweise die Prostasia wieder verlor. Während die älteren Söhne in Jerusalem blieben und für die Seleukiden Partei ergriffen, zog sich der jüngste Sohn, Hyrkanos, ins ostjordanische Tyrus zurück und blieb bei seiner proptolemäischen Einstellung. Dass er dort einen Konkurrenztempel zu Jerusalem gebaut hat, ist unwahrscheinlich und archäologisch nicht nachweisbar. Als der seleukidische König → Antiochos IV. den Thron bestieg (evtl. aber auch erst, als Antiochos IV. 169 v. Chr. in Jerusalem einmarschierte), tötete sich Hyrkanos selbst, worauf der König seinen Besitz einzog.

Der in Jerusalem ansässige Zweig der Tobiaden kämpfte dort um politischen Einfluss, indem er immer wieder versuchte, den → Oniaden die Hohepriesterwürde streitig zu machen. So verbarg sich hinter den Summen, die Jason 175 v. Chr. Antiochos IV. für das Amt des Hohenpriesters bot, wahrscheinlich auch Geld der Tobiaden. Das gilt wohl auch für das Geld, mit dem Menelaos drei Jahre später Jason beim seleukidischen König überbot. Ziel der Tobiaden war vermutlich zum einen ihren eigenen Einfluss zu sichern, zum anderen durch eine zunehmende Hellenisierung politisch, wirtschaftlich und kulturell Anschluss an die herrschende griechische Klasse zu gewinnen. Im Zuge des Makkabäeraufstandes verschwinden die Tobiaden jedoch von der politischen Bühne.

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • The New Encyclopedia of Archaeological Excavations in the Holy Land, Jerusalem 1993 (Iraq el-Emir)
  • The Oxford Encyclopedia of Archaeology in the Near East, Oxford / New York 1997 (Iraq el-Emir)
  • Religion in Geschichte und Gegenwart, 4. Aufl., Tübingen 1998ff. (auch Art. Tyrus)
  • Calwer Bibellexikon, Stuttgart 2003

2. Weitere Literatur

  • Büchler, Adolf, Die Tobiaden und die Oniaden, Hildesheim / New York 1975 [Wien 1899]
  • Gehrke, Hans-Joachim, Geschichte des Hellenismus, München 2. Aufl. 1995
  • Haag, Ernst, Das hellenistische Zeitalter. Israel und die Bibel im 4. bis 1. Jahrhundert v. Chr. (BE 9), Stuttgart 2003
  • Hengel, Martin, Judentum und Hellenismus. Studien zu ihrer Begegnung unter besonderer Berücksichtigung Palästinas bis zur Mitte des 2. Jh. v.Chr., Tübingen 3. Aufl. 1988
  • Sasse, Markus, Geschichte Israels in der Zeit des Zweiten Tempels. Historische Ereignisse – Archäologie – Sozialgeschichte – Religions- und Geistesgeschichte, Neukirchen-Vluyn 2004 (Lit.!)

Abbildungsverzeichnis

  • Eingang einer Wohnhöhle mit der Inschrift טוביה „Tobia“ in ‘Iraq al-Emīr. © Siegfried Kreuzer
  • Der ptolemäische Festungspalast in Tyrus (‘Iraq al-Emīr) © Wolfgang Zwickel
  • Der ptolemäische Festungspalast in Tyrus (‘Iraq al-Emīr; Rekonstruktion). Aus: H. Gressmann, Altorientalische Bilder zum Alten Testament, Berlin / Leipzig 2. Aufl. 1927, Abb. 517

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