Töpferorakel
(erstellt: April 2009)
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1. Überlieferung
Als „Töpferorakel“ bezeichnet man ein literarisches Werk, das auf insgesamt fünf fragmentarischen griechischen Papyri aus dem 2. Jh. v. sowie dem 2. und 3. Jh. n. Chr. überliefert ist und im Kolophon eines dieser Manuskripte als „Verteidigungsrede (apologia) des Töpfers vor dem König Amenophis“ bezeichnet wird. Demselben Kolophon zufolge soll es sich um eine Übersetzung aus dem Ägyptischen handeln. Auch wenn sich der Wahrheitsgehalt dieser Angabe nicht zwingend erweisen lässt, so machen es die Grammatik des Textes und ein Zitat aus dem demotisch erhaltenen „Lamm des Bokchoris“ (→ Orakel des Lammes
Die Fassungen weichen alle mehr oder weniger stark voneinander ab und gehören zumindest zwei verschiedenen Rezensionen an.
2. Inhalt
2.1. Einleitung (Rahmenerzählung)
Zunächst wird in einer Rahmenerzählung vom Anlass der „Verteidigungsrede“ berichtet: Demnach betreibt der Töpfer auf der „Insel des Helios (= des Sonnengottes; = ägyptisch Re)“, auf der sich auch ein Isis- und Osiristempel befindet, einen Brennofen, was den Leuten blasphemisch vorkommt. Der Töpfer beruft sich zwar darauf, nach Weisung des Gottes Hermes (= ägyptisch Thot) zu handeln, doch man hält den Töpfer für verrückt und räumt seinen Ofen aus. Der Töpfer verteidigt sich vor dem König.
2.2. Verteidigungsrede mit Unheils- und Heilsprophezeiung
Dabei verkündet der Töpfer die Zukunft Ägyptens: Typhonier, also Anhänger des Gottes des Chaos, Typhon (= ägyptisch Seth), werden über Ägypten herrschen, was Unrecht, Krieg, Unwetterkatastrophen, Unfruchtbarkeit und Hoffnungslosigkeit mit sich bringen wird. Doch die auch „Gürtelträger“ genannten Fremdherrscher werden sich selbst gegenseitig vernichten, ihre Stadt wird veröden und die ägyptischen Götter werden wieder Memphis zur Hauptstadt eines neu gedeihenden Ägyptens machen.
2.3. Ende (Rahmenerzählung)
Dann stirbt der Töpfer. Der König hatte die Rede aufschreiben lassen, legt die Schriftrolle in seinem Schatzhaus nieder, macht sie allen Menschen zugänglich und lässt den Töpfer in Heliopolis bestatten.
3. Deutung
In der Forschung ist umstritten, auf welche Ereignisse die apokalyptische Voraussage und die Ankündigung der Heilszeit zu beziehen sind. Sicher dürfte ein Zusammenhang mit der griechischen Herrschaft über Ägypten bestehen, denn als Sitz der Typhonier spielt die „im Bau befindliche Stadt“ (= Alexandria?; vgl. die ägyptische Bezeichnung ra-qed „Baustelle“), die untergehen wird, eine Rolle und die Griechen selbst werden Unglück erleiden. Das Kernproblem besteht in der Identifizierung der Herrscher „von zwei“ bzw. „von 55 Jahren“. Letzterer ist der Heilskönig der Prophezeiung. Man hat in ihm schon Ptolemaios VIII. sehen wollen, doch regierte er nur 54 Jahre (170-116 v. Chr.). Andere haben an Psammetich I. (664-610 v. Chr.) gedacht. Dann müsste man in der fraglichen Stadt wohl Naukratis sehen. Wenn die an anderer Stelle erwähnte „Stadt am Meer“ mit der „im Bau befindlichen Stadt“ identisch ist, scheidet diese Möglichkeit aber wohl aus. Freilich ist denkbar, dass der Text im Laufe der Zeit und vielleicht auch je nach Interessen immer wieder neue Deutungen erfahren hat.
4. Nachwirken
Beziehungen zur Elias-Apokalypse sind vermutet worden (→ Pseudepigraphen
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
- Lexikon der Ägyptologie, Wiesbaden 1975-1992 (s. auch III Sp. 705 s.v. Koptische Literatur)
- Der Neue Pauly, Stuttgart / Weimar 1996-2003
2. Weitere Literatur
- Hoffmann, F. / Quack, J.F., 2007, Anthologie der demotischen Literatur (Einführungen und Quellentexte zur Ägyptologie 4), Berlin, 192-193 u. 354-355
- Koenen, L., 2002, Die Apologie des Töpfers an König Amenophis oder das Töpferorakel, in: A. Blasius / B.U. Schipper (Hgg.), Apokalyptik und Ägypten. Eine kritische Analyse der relevanten Texte aus dem griechisch-römischen Ägypten (OLA 107), Leuven / Paris / Sterling, 139-187
- Quack, J.F., 2005, Einführung in die altägyptische Literaturgeschichte III. Die demotische und gräko-ägyptische Literatur (Einführungen und Quellentexte zur Ägyptologie 3), Münster, 152-154
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