Totenkult (Israel)
(erstellt: November 2011)
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→ Auferstehung (AT)
1. Zum Begriff „Totenkult“
Der Begriff „Totenkult“ wird in der Regel selten genauer definiert, sondern für verschiedene Aspekte des Umgangs mit den Toten verwendet mit der Gefahr der Nivellierung eines facettenreichen sozialen und kultischen Umgangs mit den Toten. So kann er sich auf die Versorgung und Ausstattung eines Verstorbenen im Rahmen der → Bestattung
2. Die Stellung der Toten im Alten Orient und im Alten Israel
2.1. Alter Orient
Der Toten- und Ahnenkult stellte eine anthropologische Grundkomponente in den altorientalischen Gesellschaften dar und war fester Bestandteil der altorientalischen Familienreligion. Angesichts der in den altorientalischen Kulturen vorherrschenden trostlosen Perspektive der postmortalen Existenzweise der Toten, die als Totengeist in der Unterwelt in qualitativ stark reduzierter Weise weiterexistierten, verwundert eine Fürsorge für die bedürftigen Toten nicht. Gleichzeitig übten die Toten einen nicht geringen Einfluss auf die Gemeinschaft der Lebenden aus. Lebende und Tote waren in direkter gegenseitiger Abhängigkeit miteinander verbunden. Die Familien banden sich über die Toten an ihre Vergangenheit und Herkunft zurück. Ein angemessenes Totengedächtnis, das eine Versorgung des Toten und eine bleibende Erinnerung seiner Person durch Aufrechterhaltung seines Namens beinhaltete, garantierte zudem den guten Fortbestand der Familie, während infolge einer Vernachlässigung dieser Pflicht die Rache des Totengeistes befürchtet werden musste.
2.2. Wandelnde Einstellungen zu Tod und Toten im Alten Israel
Die Ergebnisse der religionsgeschichtlichen Untersuchungen haben in den letzten Jahrzehnten entscheidend dazu beigetragen, dem Umgang mit den Toten auch in Israel einen wichtigen Stellenwert in der Familienreligion zuzuerkennen. Die Texte des Alten Testaments liefern allerdings kaum Hinweise dazu, weil den alttestamentlichen Autoren an einem konkurrenzlosen JHWH-Kult gelegen war und sie deshalb versuchten, die bedeutende Stellung der Toten und ihre Fürsorge antiken Israel herunter zu spielen. Vor dem religionsgeschichtlichen Hintergrund ergibt sich aus den spärlichen Hinweisen im Alten Testament ein differenzierteres Bild.
Wandelnde Einstellungen zu → Tod
2.2.1. Totenkult als Teil der Familienreligion
Für die vorexilische Zeit geht man von einer etablierten Ahnenverehrung aus, die die Struktur der Familienreligion wesentlich mitbestimmt hat und als solche eine soziale und religiöse Autoritätsinstanz darstellte. Diese berührte sich zunächst nicht sonderlich mit der mit dem Königshaus und seinen Mitgliedern verbundenen offiziellen JHWH-Verehrung als einer Religion auf staatlicher Ebene bzw. einer dynastischen Religion. Erst aufgrund theologischer Ambitionen einer Durchsetzung der JHWH-Verehrung als allein verbindliche und anerkannte Religion musste die Familienreligion in Misskredit geraten, weil sie zu solchen Forderungen im Widerspruch stand. Die priesterlichen und deuteronomistischen Ge- und Verbote, die bestimmte Praktiken im Umgang mit den Toten massiv kritisieren und unter Verbot stellen, erklären sich vornehmlich aus diesem theologischen Interesse (z.B. Lev 20,6
Erste gezielte religionspolitische Maßnahmen gegen die Familienreligion und der ihr zugehörigen Ahnenverehrung werden in der Forschung zeitlich unterschiedlich angesetzt und begründet. So macht Lang vor dem Hintergrund seiner These einer prophetischen „Jahwe-allein-Bewegung“ als Antwort auf die sogenannte „assyrische Krise“ die ersten Versuche eines Verbots der Ahnenverehrung und des Totenkultes bereits im 8./7. Jh. v. Chr. im Rahmen einer angenommenen Kult- und Gesetzesreform unter → Hiskia
Die Kenntnis darüber, inwieweit die diversen religionspolitischen Maßnahmen fruchteten oder nicht, basiert notgedrungen weitgehend auf Spekulation. Späte Texte des erweiterten alttestamentlichen Kanons (Tob 4,17
Insgesamt wird sowohl in den mehr religionsgeschichtlich als auch in den mehr exegetisch-theologisch ausgerichteten Studien zunehmend deutlicher, dass die verschiedenen Entwicklungsphasen im Umgang mit Tod und Toten nicht streng voneinander abzugrenzen sind, sondern zum Teil noch zeitgleich nebeneinander bestanden. Die Einteilung in „Phasen“ stellt deshalb letztlich nur ein sehr grobes Hilfsmodell zum Verständnis der sich wandelnden Einstellungen zu → Tod
2.2.2. Integration der Toten in die JHWH-Religion
In Verbindung mit den verschiedenen Maßnahmen zur Unterbindung des Totenkultes und der Ahnenverehrung und den Versuchen, eine Alleinverehrung JHWHs durchzusetzen, ging gleichfalls eine „sukzessive Integration der Toten in die JHWH-Verehrung“ (Bieberstein 1998) einher. Diese Integration war Teil eines komplexen Prozesses der Macht- bzw. Kompetenzerweiterung JHWHs im Rahmen der Herausbildung des Monotheismus. Anzeichen einer sich entwickelnden Beziehung zwischen JHWH und den Toten werden im Alten Testament v.a. in den Klageliedern des Einzelnen und einigen nachexilisch bearbeiteten Psalmen greifbar, die die Hoffnung auf eine diesseitige Errettung aus einer dem Tod gleichkommenden Krankheit bzw. Not zum Ausdruck bringen. Auf dieser Basis entwickelte sich im weisheitlichen Denken zunächst die Vorstellung einer über den Tod hinaus bestehenden Gottesbeziehung. Die neue Form des Daseins ist deswegen noch nicht als eine Hoffnung auf Auferstehung vom Tod im eigentlichen Sinne zu bezeichnen, allerdings sind die Übergänge zu solch einer Vorstellung bereits als fließend zu bezeichnen. Auch die Berichte über → Entrückungen
3. Aspekte des Totenkultes im Alten Testament
3.1. Die Aufrechterhaltung des Namens
Im Alten Testament waren zwei Dinge für die Zeit nach dem Tod wichtig: In Frieden im Verband der Ahnen ruhen zu können und von den Lebenden nicht vergessen zu werden. Die Aufrechterhaltung ihres Namens gewährleistete die eine fortdauernde Integration der Toten in die Gemeinschaft der Lebenden. Der → Name
Die Namensanrufung der toten Eltern war altorientalische Sohnespflicht. Die in der mesopotamischen Totenbeopferung bekannten Rituale verwenden die Formel šuma zakāru „den Namen anrufen“ bei der Totenevokation. Aus dem syrischen Raum ist die Evokation des Totengeistes des sam’alischen (→ Sendschirli
3.2. Bestattung als Ausdruck familiärer Solidarität mit den Toten
Eine ordnungsgemäße Bestattung war nach Auskunft der alttestamentlichen Texte die größte Sorge im Hinblick auf den unausweichlichen Tod. Sie war unbedingte Voraussetzung für die Verstorbenen, in Frieden ruhen zu können und im Jenseits mit den verstorbenen Familienangehörigen vereint zu werden. Dieser Aspekt ist in allen altorientalischen Kulturen belegt. Ein fehlendes Begräbnis und / oder ein Vernichten des Leichnams und der Gebeine werden als totale Vernichtung und schlimmste Bestrafung des Verstorbenen selbst angesehen, der deshalb nie seine Ruhe findet und dessen Totengeist ruhelos umherirren muss. Durch den fehlenden Leichnam bzw. den fehlenden Ort dieses Leichnams, dem Grab, war kein Haftpunkt für ein bleibendes Andenken unter den lebenden Hinterbliebenen mehr gegeben. Ausschluss aus dem diesseitigen und dem jenseitigen Familienverband bedeuteten den endgültigen Ausschluss aus der sozialen Gemeinschaft und damit den eigentlichen Tod.
3.3. Errichtung von Grabdenkmälern
Die persönliche Erinnerung der Toten durch die Hinterbliebenen war allenfalls über 3-4 Generationen gesichert, eine dauerhafte Erinnerung erforderte weitergehende Maßnahmen wie die „Verräumlichung des Toten“ (Jan Assmann) durch Ahnenfiguren oder durch Grabaufbauten mit Memorialcharakter. Ein Totengedenken in Verbindung mit einem räumlichen Haftpunkt, sei es ein → Grab
3.4. Totenopfer
Das Totengedenken beschränkte sich nicht nur auf die bleibende Repräsentation der Verstorbenen, sondern setzte sich auch in einer bleibenden Beziehung im Sinne eines sozialen Handelns an den Toten fort. Das bekannteste Handeln für die Toten ist neben dem Akt der Bestattung wohl ihre Versorgung mit Speisen und Getränken (→ Bestattung
3.5. Minderungsriten als Ausdruck der Trauer
Als Minderungsriten werden solche Riten verstanden, durch welchen den Toten gewisse Vitalenergien der Lebenden übertragen werden sollten (→ Trauer
3.6. Totenmahl
Für das antike Israel lässt sich ein Mahl im Kontext von Tod und Sterben aufgrund von Jer 16,1-9
1Sam 20
3.7. Ahnenbilder
In den Texten des Alten Testaments gibt es nur spärliche Hinweise auf Ahnenbilder, die unabhängig von einem Grabkontext Verstorbene im familiären Bereich oder auch in den Ortsheiligtümern repräsentierten. Diese Ahnenbilder bzw. Ahnenstatuetten werden in den alttestamentlichen Texten als „Terafim“ (tərāfîm) bezeichnet (→ Hausgott
Die Texte des Alten Testaments nennen die Terafim vor allem in Zusammenhang mit divinatorischen Praktiken (1Sam 15,23
3.8. Die Refaim
Die Terafim als Statuetten oder Figurinen repräsentierten wichtige Ahnen und stellten wahrscheinlich das bildhafte Äquivalent zu den als Refaim bekannten Ahnengeistern dar (van der Toorn).
3.8.1. Vor allem außerbiblisch sind uns aus → Ugarit
In den fragmentarischen sog. rāpi’ūma-Texten KTU 1.20-22 folgen die rāpi’ūma einer Einladung zu einem königlichen Bankett (im Rahmen einer Bestattung?), indem sie auf einer Drei-Tage-Reise aus der Unterwelt anreisen. In KTU 1.108 segnet der Anführer der rāpi’ūma den amtierenden König im Rahmen eines Bankettes (für den verstorbenen Vorgänger des Königs?). In KTU 1.15 und KTU 1.124 wird deutlich, dass die rāpi’ūma als zuständig für den Fortbestand der Dynastie betrachtet wurden.
Auch noch in den Fluchteilen der phönizischen Sarkophaginschriften der sidonischen Könige Tabnit (KAI 13,8) und Eschmunazor (KAI 14,8) werden die Refaim als Totengeister der Unterwelt erwähnt. Grabschändern soll die Ruhestätte bei den Refaim verwehrt sein.
3.8.2. Im Alten Testament ist der Terminus rəfā’îm 25-mal belegt. Er begegnet in poetischen und narrativen Textreihen in zwei unterschiedlichen Bedeutungen, die aber vielleicht auf einen Ursprung zurückzuverfolgen sind. Der königliche Charakter der Refaim ist auch im Alten Testament noch erhalten, so in Jes 14,9
3.9. Königlicher Totenkult
Einen Hinweis auf einen königlichen Totenkult in Verbindungen mit Memorialbildern der verstorbenen Könige gibt im Alten Testament möglicherweise Ez 43,7-9
3.10. Totenbeschwörung (Nekromantie)
Der aufgrund der deutlich ausgesprochenen Verbote wohl bekannteste Aspekt des Totenkultes im Alten Testament ist die Totenbeschwörung und Totenbefragung (Nekromantie) gewesen (grundlegend Tropper 1989; → Divination in Israel
Literaturverzeichnis
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