Tritojesaja / Tritojesajabuch
Andere Schreibweise: Trito-Jesaja; Tritoisaiah (engl.); Third Isaiah (engl.)
(erstellt: Juli 2005; letzte Änderung: März 2009)
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1. Name
Tritojesaja („Dritter Jesaja“) bezeichnet den Textbereich Jes 56-66 sowie – als Kunstname – den Verfasser, dem man den Textbereich zumindest in seinem Grundbestand zuschreibt. Die Bezeichnung wurde 1892 von Bernhard → Duhm
2. Aufbau und Inhalt
1) Die Überschrift Jes 56,1 knüpft an Deuterojesaja an. Sie verbindet dessen Zusage, dass das Heil bald kommen wird, mit der Mahnung, Gerechtigkeit zu üben. Die unbedingte Heilsankündigung Deuterojesajas wird aufgenommen, erhält aber einen ethischen Akzent. Weil das Heil bald kommt, soll man Gerechtigkeit üben, um an ihm zu partizipieren.
2) Der erste Teil Jes 56,2-57,21 wird durch drei kurze, weisheitlich geprägte Texte verklammert. Jes 56,2
3) Der zweite Teil Jes 58,1-63,6 wird ebenfalls von drei Klammertexten zusammengehalten (Jes 58,1
4) Der dritte Teil Jes 63,7-66,24 besteht aus einer Volksklage und deren Beantwortung. In dem Klagelied erinnert das Volk Gott an dessen frühere Heilstaten und bittet ihn, auch in der gegenwärtigen Not zu helfen. Die Antwort wird in mehreren Durchgängen formuliert. Sie bildet den Zielpunkt des Tritojesajabuchs. Hier wird deutlich, von welcher Brisanz die Gegenüberstellungen von Gerechten und Ungerechten sowie von (einer Gruppe in) Israel und dem Brudervolk Edom in den beiden ersten Teilen des Buches sind. Im Anschluss an das Bild von einem Traubenbüschel, das guten Saft enthält, aber nicht als Ganzes gut ist, werden zwei Gruppen in schroffen Antithesen einander gegenübergestellt: Die Frommen werden Heil erfahren, die Angeredeten dagegen Unheil (Jes 65,8
3. Entstehung und Datierung
Jes 56-66 sind in nachexilischer Zeit entstanden (anders nur Koole). Fraglich ist, ob das Werk einmal für sich existierte oder von vornherein als Fortschreibung von Deutero- (Koenen) und auch Protojesaja (Steck) verfasst worden ist. Die Frage entscheidet sich an der Beurteilung der sprachlichen und sachlichen Verbindungen zu den voran stehenden Teilen des Jesajabuches. Können sie eine Buchverbindung belegen oder handelt es sich nur um traditionsgeschichtliche Parallelen? Da Jes 56-66 auch Verbindungen zu anderen Büchern des Alten Testaments aufweisen, lassen sich die Verbindungen zu den voran stehenden Teilen des Jesajabuchs nicht eindeutig als Belege für eine Fortschreibungshypothese anführen.
Bei der Frage nach der Schichtung stehen sich in der Forschung drei Modelle gegenüber: 1. die Einheitshypothese (Koole), 2. die Fragmentenhypothese, die das Tritojesajabuch als Sammlung von Einzeltexten verschiedener Verfasser betrachtet (Sekine), und 3. die Ergänzungshypothese, die das Buch für das Ergebnis eines mehr oder weniger langen Fortschreibungsprozesses hält. Letztere hat sich durchgesetzt, jedoch findet sie sich in sehr verschiedenen Varianten. Sie unterscheiden sich im Blick auf die Zahl, den Umfang und die Datierung der Schichten. Nach Steck hat es weder ein selbständiges Tritojesajabuch noch einen Propheten Tritojesaja gegeben, da schon die älteste Schicht von Jes 56-66 als Redaktionsschicht und damit als Auslegung älterer Texte zu verstehen sei. Bei Jes 60-62 handele es sich um eine Fortschreibung des Deuterojesajabuchs, bei dem Rest von Jes 56-66 um mehrere, bis ins 3. Jh. reichende Fortschreibungsschichten, die das ganze Jesajabuch betreffen und durchziehen. Nach Koenen und Smith besteht das Tritojesajabuch im Wesentlichen aus zwei Schichten, dem Werk des Propheten Tritojesaja und einer Redaktionsschicht. Ruszkowski findet demgegenüber eine Fülle je eigenständiger Fortschreibungstexte.
4. Theologische Aussage
1) Tritojesaja. Die Grundschicht des Buches umfasst folgende, jeweils selbständige Texte: Jes 57,14-19*; Jes 58,3-12; Jes 59,1-15a*; Jes 60,1-18*; Jes 61,1-4.5-6; Jes 62,1-7.8-9*.10-12; Jes 65,16b-24; Jes 66,1-2.7-9.10-14a. Sie stammt von Tritojesaja, den man angesichts der Aufnahmen von Jes 40-55 als Schüler Deuterojesajas bezeichnen kann. Zwischen 520 und 515 v. Chr. gibt er in Jerusalem auf die drängende Frage, wann das von Deuterojesaja angekündigte Heil endlich kommt, die Antwort: Die Heilszeit wird gewiss kommen! Voraussetzung ist aber – gegen Haggai und Sacharja – nicht der Bau des Tempels (Jes 66,1-2
2) Der Redaktor. In der zweiten Hälfte des 5. Jh.s hat ein Redaktor die Gedanken Tritojesajas im Stil schriftgelehrter Prophetie zu einer Fortsetzung des Deuterojesajabuchs umfangreich bearbeitet (Jes 56,1.2.3-8.11aβ.b; Jes 57,1f.3-13a*.13b.17-18aα.20-21; Jes 58,1-2.13-14; Jes 59,13a.15b-20*; Jes 60,6bβ.7b.9b.10b.13b.21; Jes 61,10-11; Jes 62,9aβ.bβ; Jes 63,1-6; Jes 65,1-7*.8-15*.16a*; Jes 66,3-4.5-6.14b-17*.18-22*). Dabei hat er auch ältere Texte, Jes 56,9-12
3) Tritojesaja und der Redaktor. Beide betonen, dass das rechte Handeln des Menschen eine Voraussetzung des Heils ist. Tritojesaja antwortet in einer Zeit der Not auf die ungeduldige Frage, wann das von Deuterojesaja verkündete Heil endlich komme, dass man alles Unrecht erst ausrotten müsse. Der Redaktor antwortet in einer Zeit der Gemeindespaltung auf die Frage, wem das von Tritojesaja verkündete Heil zuteil werde, dass alle Frevler vernichtet, aber alle treuen Gerechten – ob Jude, ob Heide – das Heil sehen werden.
5. Rezeption im Neuen Testament
Das Tritojesajabuch wird im Neuen Testament relativ häufig zitiert:
1. Nach Lk 4,16-28
2. Die Erzählung von der Reinigung des Tempels in Mk 11,15-19
3. Die Stephanusrede der Apostelgeschichte stellt in einem Durchgang durch die Geschichte Israels dem Heilshandeln Gottes die Verfehlungen des Volkes gegenüber. In dem Zusammenhang wertet Apg 7,47-50
4. Jes 65,17
Schließlich gibt es eine Reihe von kurzen Zitaten: Mk 9,47f
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
- Theologische Realenzyklopädie, Berlin / New York 1977-2004
- Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1988–2001
- The Anchor Bible Dictionary, New York 1992 (Isaiah, Book of [Third Isaiah])
2. Kommentare
- Beuken, W.A.M., 1989, Jesaja deel III (De Prediking van het Oude Testament), Nijkerk
- Duhm, B., 1892, Das Buch Jesaja (HK III/1), Göttingen
- Höffken, P., 1998, Das Buch Jesaja. 2. Kapitel 40 - 66 (NSK.AT), Stuttgart
- Koole, J.L., 2001, Isaiah. Part III, Vol. 3: Isaiah Chapters 56-66 (HCOT), Kampen
3. Weitere Literatur
- Goldenstein, J., 2001, Das Gebet der Gottesknechte. Jesaja 63,7-64,11 im Jesajabuch (WMANT 92), Neukirchen-Vluyn,
- Koenen, K., 1990, Ethik und Eschatologie im Tritojesajabuch. Eine literarkritische und redaktionsgeschichtliche Studie (WMANT 62), Neukirchen-Vluyn
- Lau, W., 1994, Schriftgelehrte Prophetie in Jes 56-66. Eine Untersuchung zu den literarischen Bezügen in den letzten elf Kapiteln des Jesajabuches (BZAW 225), Berlin / New York
- Ruszkowski, L., 2000, Volk und Gemeinde im Wandel. Eine Untersuchung zu Jesaja 56-66 (FRLANT 191), Göttingen
- Schramm, B., 1995, The Opponents of Third Isaiah. Reconstructing the Cultic History of the Restoration (JSOT.S 193), Sheffield
- Sekine, S., 1989, Die tritojesajanische Sammlung (Jes 56-66) redaktionsgeschichtlich untersucht (BZAW 175), Berlin / New York
- Smith, P.A., 1995, Rhetoric and Redaction in Tritio-Isaiah (VT.S 62), Leiden
- Steck, O.H., 1985, Bereitete Heimkehr. Jesaja 35 als redaktionelle Brücke zwischen dem Ersten und dem Zweiten Jesaja (SBS 121), Stuttgart
- Steck, O.H., 1991, Studien zu Tritojesaja (BZAW 203), Berlin / New York
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