Tür / Türpfosten (AT)
(erstellt: Mai 2007)
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1. Öffnung (פתח)
1.1. Begriff
Ganz allgemein bezeichnet der Ausdruck פתח pætach bzw. פתח בית pætach bajit „(Haus-)Öffnung“ die Türöffnung eines Hauses (Gen 19,6a
1.2. Gebrauch
Die Öffnung eines Hauses ermöglicht den Eintritt in den privaten Raum und darf nicht unaufgefordert überschritten werden (Gen 43,19
Theologische Tiefendimensionen erhält der Begriff פתח pætach in Hos 2,17
Zum Ort der Gottesbegegnung wird in 1Kön 19,13
Während sich die oben genannten profanen Wortbedeutungen auch in Qumran finden, wird die Vorstellung der Tempeltüren als Ort der Gottesbegegnung hier wegen der Distanzierung vom Jerusalemer Tempel nicht übernommen (Hieke, 2001, 929).
2. Tür (דלת)
2.1. Begriff
Die Tür wird hebräisch mit dem Wort דלת dælæt bezeichnet. Es handelt sich hierbei um ein zweiradikaliges Wort mit femininer Endung (vgl. akkadisch daltu; ugaritisch, phönizisch, punisch dlt). Bei der Vokalisation wird die eigentliche Femininendung als Wurzelbestandteil behandelt. Seltener kommt die maskuline Form דל dal vor (auch phönizisch und punisch, vgl. Baumann, 1977, 244). Das hebräische Buchstabenzeichen ד stellt ideographisch ursprünglich wohl eine Tür dar, die sich in ihren Angeln dreht.
Der Begriff דלת dælæt bzw. דל dal hat konkret (zwei) Türflügel im Blick, die die Eingänge von Stadtmauern, Tempeln oder Privathäusern verschließen. In 2Kön 12,10
2.2. Gebrauch
Das Wort דלת dælæt bzw. דל dal betont besonders die Verschließbarkeit einer Tür durch die Türflügel. Darauf verweist erstens das Wortfeld, in dem sich der Begriff findet (סגר sgr „verschließen“; פתח ptch „öffnen“; נעל n‘a „verriegeln“; שׁבר šbr „aufbrechen“; בריח bərîach bzw. מנעול man‘ûl „Riegel“; חומה chômā „Mauer“). Zweitens zeigt der Gebrauch des Begriffs deutlich, dass Türflügel besonders für das Abschließen eines Hauses wichtig sind, so besonders eindrücklich in Gen 19,6
Die Türen im Stadttor garantieren den Schutz einer Stadt (Dtn 3,5
Auch die Türen des Tempels (1Sam 3,15
Privathäuser werden ebenfalls nachts abgeschlossen (Ri 19,27
Auch im übertragenen Sinne betont die Verwendung von דלת dælæt den verschließend-schützenden Charakter des Wortes: Hi 38,8
2.3. Archäologische Zeugnisse
Die Eingänge der Vierraum- bzw. Dreiraumhäuser führten in der Regel in einen zentralen Raum ohne Dach, den Hof des Hauses (→ Haus / Hausbau
Hinweise auf das Aussehen von Türen in Israel / Palästina geben aber Funde von Schwellensteinen und Angellöchern: Die Türen lagerten auf hölzernen Pfosten, die sich in runden Löchern oben und unten am Türsturz drehen konnten (Abb. 1; vgl. Spr 26,14
3. Türpfosten (מזוזה)
3.1. Begriff
Der Türsturz bzw. die Oberschwelle eines Hauses wird mit dem Wort משׁקוף mašqôf (Ex 12,7
Das Wort wird später außerhalb des Alten Testaments auch auf ein am Türrahmen befestigtes Röhrchen übertragen, in dem sich ein Pergament befindet (Abb. 3; s.u. 3.2).
3.2. Gebrauch
Der Türpfosten markiert die Grenze zum gesicherten Eigentum bzw. zum geschützten Raum, den nicht jede/r betreten darf (1Sam 1,9
Türpfosten gelten zudem als Grenzmarkierung zwischen der Sicherheit des Hauses und der gefährlichen Außenwelt. Die Bedeutung der Grenzmarkierung von Innen und Außen zeigt sich u.a. im auch heute noch geübten jüdischen Brauch, die am rechten Türpfosten angebrachte → Mesusa
Flavius Josephus bezeugt die weite Verbreitung der Sitte (Antiquitates II 213; Text gr. und lat. Autoren
Der Brauch, die Pfosten der Türen zu markieren und so zur ständigen Erinnerung an JHWH zu machen, hat seinen Ursprung wohl in der Auffassung, dass Türschwellen als Grenzen mit magischen Hilfsmitteln geschützt werden müssen (vgl. Raschi, Babylonischer Talmud, Traktat Menachot 32b; Text Talmud 2
Auf diesem Hintergrund ist auch das Ritual in Ex 12 zu verstehen: Der Passaritus in Ex 12,21-23
Nach Ez 45,19-20
Dass gerade der Eingang des Tempels besonderen Schutzes bedarf, zeigt auch das Amt der „Tempelwächter“ (שׁמרי הסף šomrej hassaf, wörtl. „Hüter der Schwelle“), die nach 2Kön 25,18
3.3. Archäologische Zeugnisse
Bereits in der historischen Frühzeit wurden Häuser durch verschiedene Symbole gekennzeichnet, um die Eigentumsverhältnisse zu klären. Chalkolithische Ossuarien (Knochenkästen) in Hausform zeigen Werkzeuge über den Eingängen, die vielleicht auf den Beruf des Besitzers hinweisen sollten. Mesopotamische Tempel wurden durch Siegel über den Eingängen den jeweiligen Gottheiten zugewiesen, ebenso wie Grabinschriften in Ägypten und Byblos an Oberschwellen bzw. Türpfosten die Identifizierung der Begrabenen ermöglichten (Milgrom, 1984, 802).
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
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- Biblisch-historisches Handwörterbuch, Göttingen 1962-1979
- Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Stuttgart u.a. 1973ff
- Biblisches Reallexikon, 2. Aufl., Tübingen 1977
- Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001
- The Anchor Bible Dictionary, New York 1992
- Calwer Bibellexikon, Stuttgart 2003
2. Weitere Literatur
- Bartelmus, Rüdiger, Art. פָּתַח pātach, in: ThWAT 6, 1989, 831-852.
- Baumann, A., Art. דֶּלֶת dælæt, in: ThWAT 2, 1977, 244-248.
- Brunner, Hellmut, 1982/1988, Die Rolle von Tür und Tor im Alten Ägypten, in: Röllig, Wolfgang, (Hg.), Das hörende Herz. Kleine Schriften zur Religions- und Geistesgeschichte Ägyptens (Orbis biblicus et orientalis 80), Freiburg (Schweiz) / Göttingen 248-270.
- Fritz, Volkmar, Die Stadt im alten Israel (Beck's archäologische Bibliothek), München 1990.
- Galling, Kurt / Rösel, Hartmut, Art. Tür, in: BRL; Tübingen 1977, 348f.
- Geller, Markam J., Forerunners to UDUG-HUL. Sumerian Exorcistic Incantations (FAOS 12), Stuttgart 1985.
- Hieke, Thomas, Art. Tür, in: NBL III, Zürich u.a. 2001, 928f.
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- Maul, Stefan M., Der Kneipenbesuch als Heilverfahren, in: Charpin, Dominique u.a. (Hgg.), La circulation des biens, des personnes et des idées dans le Proche-Orient ancien. Actes de la XXXVIIIème Rencontre Assyriologique Internationale (Paris, 8-10 juillet 1991) (Ed. Recherche sur les Civilisations), Paris 1992, 389-396.
- Maul, Stefan M., Zukunftsbewältigung. Eine Untersuchung altorientalischen Denkens anhand der babylonisch-assyrischen Löserituale (Namburbi) (Baghdader Forschungen 18), Mainz am Rhein 1994.
- Milgrom, Jacob, Art. מְזוּזָה mezûzāh, in: ThWAT 4, 1984, 801-804.
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- Vieweger, Dieter, Archäologie der biblischen Welt (UTB 2394), Göttingen 2003.
Abbildungsverzeichnis
- Türschwelle (in Qazrin). © public domain (Foto: Klaus Koenen, 1999)
- Einfacher Türriegel eines Privathauses. © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
- Mesusa an einem New Yorker Wohnhaus. © public domain (Foto: Klaus Anthes, 2007)
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