Universalismus / Partikularismus (AT)
(erstellt: September 2020; letzte Änderung: September 2022)
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1. Universalismus und Partikularismus als prägende Größen alttestamentlicher Theologie
Als universalistisch wird eine Sichtweise bezeichnet, in der das Ganze und Allgemeine gegenüber dem Besonderen und Einzelnen betont wird, während sich eine Orientierung an einem Teil, dem vom anderen geschiedenen Besonderen, als partikularistisch auszeichnet. Das Alte Testament insgesamt ist ein Buch, dessen → Theologie
Die Verknüpfung des Weltgottes Jhwh mit seinem eigenen Volk zeigt besonders prägnant ein außerbiblisches Beispiel aus der israelitischen Religionsgeschichte. Die Inschrift 1 aus Chirbet Bēt Lajj (Koordinaten: 1430.1080; N 31° 33' 50'', E 34° 55' 42''
Jhwh (ist) der Gott der ganzen Erde (יהוה אלהי כל הארץ)
Die Berge Judas (sind) dem Gott Jerusalems (הרי יהודה לאלהי ירשׁלם)
Partikularismus und Universalismus greifen in dieser Inschrift eng ineinander. Der Gott der ganzen Welt ist der Gott Jerusalems und herrscht somit im judäischen Bergland, also gerade dort, wo die Verfasser der Inschrift sich befinden. Der persönliche Bezug steht hier zwischen der traditionellen Orientierung an Jerusalem (→ Zion / Zionstheologie
Das Nebeneinander von universalen und partikularen Perspektiven zeigt sich im Alten Testament – kanonisch gelesen – von Anfang an. So wird im ersten Schöpfungsbericht (Gen 1,1-2,4a
Nicht nur innerhalb des Alten Testaments wird dieses Wechselverhältnis in verschiedenen Zeiten und theologischen Strömungen unterschiedlich bestimmt, auch die Forschungsgeschichte offenbart Schwankungen in der Einordnung. Rudolph Smend konnte etwa den „ständigen Bedeutungszuwachs“ des Partikularismus in der alttestamentlichen Exegese des 19. Jh.s aufzeigen: „Am Anfang zu eliminierende Nebensache (Gabler), dann Symbol der universalistischen Hauptsache (de Wette), dann in der Dialektik der Geschichte zusammen mit dem Universalismus entwickelt und eigentlich dessen Rückhalt (Vatke), und schließlich Prinzip und Inbegriff der israelitischen Religion und Geschichte, vom Universalismus nie außer Kraft gesetzt.“ (Smend, 125). Entscheidend für diese wechselvolle Geschichte war nicht zuletzt die verwendete Methodik (kanonische oder entstehungsgeschichtlich orientierte Lektüre) und Rekonstruktion der Geschichte Israels und der Literaturgeschichte. Bis in die Gegenwart wurde der Partikularismus – verbunden mit den Stichworten Bund und Erwählung – immer wieder als Hauptmerkmal des Judentums betrachtet und – oft abwertend – einem christlichen Universalismus gegenübergestellt (→ Antijudaismus
2. Schöpfung
Als Schöpfer des Menschen (Jer 1,5
Anders als die nichtpriesterliche Urgeschichte in Gen 2,4b-25
Auf den priesterschriftlichen Schöpfungsbericht in Gen 1 bereits reagierend, verbindet der in nachexilischer Zeit verfasste Text Dtn 4,16-20
Auch für → Deuterojesaja
Das Motiv der , die die universale Wirkungsmacht Jhwhs zeigt, wird auch im → Psalter
3. Erwählung
3.1. Erwählung aus der Gesamtheit (für die Gesamtheit)
Auf den ersten Blick scheint → Erwählung
4Ihr habt gesehen, was ich an den Ägyptern getan habe und wie ich euch getragen habe auf Adlerflügeln und euch zu mir gebracht. 5Werdet ihr nun meiner Stimme gehorchen und meinen Bund halten, so sollt ihr mein Eigentum sein vor allen Völkern; denn die ganze Erde ist mein. 6Und ihr sollt mir ein Königreich von Priestern und ein heiliges Volk sein. Das sind die Worte, die du den Israeliten sagen sollst.
Verbunden mit der Erwählung ist hier mit der Forderung des Bundesgehorsams (→ Bund
Wie die Schöpfung betont auch die Erwählung des Volkes das souveräne Handeln Gottes, da dieser keine Leistung vorausgeht. So fasst Matthias Köckert zu → Deuterojesaja
Mit einer universalen Perspektivausweitung werden bisweilen Aspekte einer Demokratisierung verbunden. Nicht allein der König, sondern jeder Mensch ist das Bild Gottes (→ Ebenbildlichkeit
3.2. Partikulare Erwählung als Beauftragung
Im Gegensatz zum Grund der Erwählung, der keine Leistung voraussetzt, resultiert aus dieser aber unmittelbar eine Verhaltensforderung. Das Partikulare der Erwählung besteht somit nicht in einer durch Leistungen eines Teils verdienten Auszeichnung, die die Erwählten von den anderen abhebt. Die Verhältnisbestimmung verpflichtet vielmehr den ausgewählten Teil zu Taten, sodass eine besondere Verantwortung entsteht, für die auch Rechenschaft abzulegen ist. Hier zeigen sich Analogien zum Motiv der Berufung, deren Folgen sich ebenfalls in der Rolle, die die Berufenen für das Volk einnehmen, manifestieren (→ Berufung / Berufungsbericht
4. Heilsgeschichte
Die israelitische → Heilsgeschichte
4.1. Die Völker als Forum für die israelitische Heilsgeschichte
Die Völker dienen in unterschiedlicher Weise als universales Forum, vor dem Gottes Handeln an Israel sichtbar wird. Eher nicht mit einer spezifisch reflektierten universalistischen Sicht verbunden ist die in den Psalmen oft belegte Aufforderung zum Preisen Jhwhs unter den Völkern (Ps 18,50
4.2. Heil für die Völker – (k)ein Heilsuniversalismus
Steht Israel in den zuletzt genannten Texten den anderen Völkern in einem universalen Setting gegenüber, wird in einer anderen theologischen Linie die Möglichkeit des Heils für die Völker in Verbindung mit Israel betont.
Auffällig ist die den Texten gemeinsame Orientierung auf die nähere oder weitere Zukunft (→ Eschatologie
Das größte Maß an Universalismus wird in dieser Linie erneut durch die jüngeren Konzeptionen des Jesajabuchs gezeigt. So betont Jes 45,6
Auch im → Zwölfprophetenbuch
Durch die Betonung der universalen göttlichen Macht kann zugleich vor der zu starken Betonung der partikularen Heilsgeschichte Israels gewarnt werden, um im Kontext der Strafandrohungen gegen eine Heilssicherheit vorzugehen. So betont Am 9,7
Die frühe alttestamentliche Textgeschichte zeigt, als wie heikel eine solche Übertragung der eigenen identitätsstiftenden Traditionen (Exodus, Erwählung) auf andere Völker angesehen wurde. So bezeichnet Ps 47,10
4.3. Integration von Fremden und Individualisierung von Heil und Unheil
In die zuvor genannte Kategorie der kultischen Ausweitung bis hin zu einem religiösen oder kultischen Universalismus, der auch durch die Einhaltung des Gesetzes geprägt sein kann (Altmann; Schreiner, 114-116), fallen mit unterschiedlicher Stoßrichtung auch Jer 16,19-21
Einige moralische Grundverpflichtungen sind universaler als die für Israel geltende → Tora
Die Einordnung als gottesfürchtig sprengt die Grenzen Israels, doch auch Wege der Integration in die israelitische Gemeinschaft werden skizziert. Neben der Verhältnisbestimmung zu den Völkern steht die Integration Einzelner (Haarmann). Besonders greifbar wird dieser Mechanismus an der → Beschneidung
Gegenüber zum universalen Heil ist auch das universale Gericht, bzw. allgemeiner die Verantwortung vor Gott, Teil der Ausweitung auf die Gesamtheit der Völkerwelt. So kündet etwa Ps 7,9
Standen in den vorherigen Ausführungen Israel und die Völker stärker im Mittelpunkt, ist das Wechselverhältnis zwischen Universalismus und Partikularismus doch auch innerhalb und außerhalb Israels in Bezug auf den Einzelnen und das ganze Volk erkennbar. Dies zeigt sich auf eine Weise an den Figuren der Erzelterngeschichten, die als Einzelne Grunderfahrungen machen, die für das auf sie zurückgeführte Volk, bzw. die Völker, entscheidend sind. Als Repräsentanten dienen die Protagonisten damit der Verarbeitung der politischen Geschichte und der Einordnung in die Völkerwelt, wie etwa die Jakob-Esau-Geschichten zeigen, die das Verhältnis zwischen Israel und Edom reflektieren. Die politische Geschichte wird als Familiengeschichte erzählt. Steht in dieser Weise auch im Deuteronomium der als „Du“ angesprochene Einzelne für das ganze Kollektiv, wird in der israelitischen Religionsgeschichte zunehmend der Einzelne als religiöse Größe entscheidend und eine interne Grenze zwischen den Frommen und Frevlern gezogen (Ps 145,20
Literaturverzeichnis
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