Väterverheißungen
(erstellt: Februar 2012)
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1. Die Väterverheißungen
Als sog. Väterverheißungen (oder Erzelternverheißungen [→ Erzeltern
Die Verheißungen ergehen stets in Gestalt einer Gottes- oder Botenrede (bzw. in ihrer Rezitation, vgl. Gen 32,10-13
2. Bibelkunde (Überblick)
Die Väterverheißungen verknüpfen vor allem die Abraham- und die Jakoberzählungen miteinander, zwischen denen die Isaaküberlieferung als literarische Brücke fungiert.
2.1. Die Abrahamerzählungen
Die strukturbildende Funktion der Verheißungstexte wird gleich am Anfang der Abrahamgeschichte sichtbar (→ Abraham
Dabei steht in den ersten Kapiteln die Gabe des Landes im Vordergrund, die nach der Trennung Abrahams von → Lot
Neben der Hauptlinie der Nachkommen Abrahams, die über Isaak verläuft, gibt es eine Seitenlinie über → Ismael
2.2. Die Isaaküberlieferung
Eine eigenständige Isaaküberlieferung (→ Isaak
Die einzige Isaakerzählung im engeren Sinne ist die → Abimelech
2.3. Die Jakoberzählungen
Die Zusage von Landbesitz, zahlreichen Nachkommen und göttlichem Segen (bzw. Geleit) legt sich im vorliegenden Text wie ein Rahmen um die Erzählungen von → Jakobs
Noch zur Jakobüberlieferung sind die Belege für die Väterverheißung in der → Josefsgeschichte
2.4. Weitere Belege
Wo im Alten Testament außerhalb der Genesis auf die Väterverheißungen zurückgeblickt wird, steht der Landbesitz prominent im Vordergrund. Die Zusage des Landes wird dabei häufig mit dem Motiv des Gottesschwurs verbunden (vgl. bereits Gen 24,7
Neben Stellen, an denen die Trias der Erzväter ausdrücklich als Adressat der Eidesleistung erwähnt wird (vgl. Ex 32,13
Erst in priesterlichen (und jüngeren) Texten wird das Motiv der Väterverheißung bundestheologisch rezipiert (vgl. Gen 17,1-7
Ob der Rückgriff auf den Namen des Ahnvaters Jakob für Israel bei → Deuterojesaja
3. Forschungsgeschichte
Lange Zeit war der genuin literarische Charakter der Väterverheißungen unstrittig. Dabei galten sie entweder als redaktionelle Ergänzungen der älteren Pentateuchquellen oder sie wurden als kompositorische Verbindungsstücke der Quellenschriften selbst angesehen (vgl. Wellhausen, 1963, 15-29; Galling, 1928). Erst mit den sozial- und religionsgeschichtlichen Studien von → A. Alt
Gegenüber dieser Hochschätzung der Väterreligion der nomadischen Frühzeit Israels sind in den letzten Jahrzehnten jedoch grundlegende Bedenken geäußert worden. Weder der Religionstyp der Väterreligion, noch der nomadische Ursprung Israels können historisch verifiziert werden (vgl. Albertz, 1992, 47-68). Zwar ist für die Frühzeit Israels mit nomadischen Elementen zu rechnen, diese gehören jedoch zum Typ der Kulturlandnomaden (→ Nomaden
Die gegenwärtige Forschungsdiskussion wird vor allem vom Paradigmenwechsel in der → Pentateuchforschung
Ungeachtet dieser Differenzen wird allgemein angenommen, dass die ältere Form der Verheißungen in den priesterlichen (vgl. Gen 17,1-8
4. Die Geschichte der Väterverheißungen
4.1. Die Sohnesverheißung in der älteren Abrahamüberlieferung
Die Rekonstruktion der Literaturgeschichte der → Genesis
4.2. Die Väterverheißungen als redaktionelle Programmtexte einer vorpriesterlichen Pentateucherzählung
Die Väterverheißungen sind literarisch unselbstständige Kompositionselemente, die den fortlaufenden Erzählfaden der Vätergeschichte konstituieren, der an den Motiven der Volkwerdung (vgl. Verheißung von Nachkommenschaft) und des Landbesitzes orientiert ist. Zwar variiert die sprachliche Gestalt der Verheißungsreden je nach ihrer literarischen Einbindung in den Erzählverlauf, sie stellen jedoch eine konzeptionelle Einheit dar.
Der Programmtext Gen 12,1-9
Die häufig vertretene Annahme einer sekundären Demokratisierung königsideologischer Motive in Gen 12,2f
Bereits das Itinerar in Gen 12,6-8
Auf der gleichen literarischen Ebene liegt die Wiederaufnahme des Motivs in Jakobs Traum von der → Himmelstreppe
Dagegen scheint die Einfügung des Verheißungsmotivs in die Isaaküberlieferung (vgl. Gen 26,2-5
Beide Themen, Landbesitz und Nachkommenschaft, rekurrieren einerseits auf den literarischen Nahkontext der Jakoberzählungen und knüpfen hier an vorgegebene Überlieferungen an, andererseits verweisen sie auf die Volkwerdung Israels in Ägypten und seine Rückkehr in das Land → Kanaan
Erst in Exodusgeschehen und Landgabe erfüllt sich die Verheißung an die Erzväter, wie dies auch in der späteren Rezeption des Motivs vorausgesetzt ist (vgl. Ex 32,11-13
4.3. Die Väterverheißungen als Bund und Eid in der priesterlichen Pentateuchüberlieferung
In den priesterlichen Passagen werden die Zusagen von Land und Nachkommenschaft als eidliche Selbstverpflichtung (בְּרִית „Bund“) Gottes interpretiert (vgl. Gen 17,1-8
Im Akt der Selbstverpflichtung Gottes spricht sich dessen erwählendes Handeln aus (vgl. auch Ps 105,8-11
4.4. Die Väterverheißungen als Schwur
Das Schwurmotiv (→ Eid
War bereits in der priesterlichen Bundeskonzeption das Motiv der eidlichen Versicherung angeklungen (vgl. Ex 6,2
Gleiches gilt vermutlich für die redaktionellen Fortschreibungen in Gen 50,24f
Seltener wird das Schwurmotiv mit dem Bundesgedanken verknüpft. Die wenigen Belege im Deuteronomium beziehen sich sämtlich auf den Horebbund (→ Sinai
Ohne das Schwurmotiv wird der Bundesgedanke in 2Kön 13,23
Das Alter der Bundeszeremonie in Gen 15
Abraham als Erinnerungsfigur zur Vergewisserung der Wiederherstellung Israels in seinem Land begegnet schließlich in späterer Zeit vereinzelt bei Deuterojesaja (vgl. Jes 51,2
5. Die Väterverheißungen im Judentum, Christentum und Islam
Vor allem die Prädikation Abrahams als „Vater vieler Völker“ (vgl. Gen 17,5
5.1. Dabei sind in der jüdischen Traditionsliteratur gegenläufige Tendenzen festzustellen, die auf unterschiedliche politische und religiöse Frontstellungen zurückgeführt werden können. Das → Jubiläenbuch
In dem Klagegebet Asarjas in den griechischen „Zusätzen zu → Daniel
5.2. Im Neuen Testament steht neben dem „Glauben Abrahams“ (vgl. Gen 15,6
An dieser Stelle setzt der Apostel noch einmal neu an. Er interpretiert die Verheißung nun in den Kategorien des Erbrechts. Die Verheißung gilt Abraham und seinem Nachkommen (Sg.!): Dieser ist der Christus, Jesus (vgl. Gen 22,18
5.3. Im Koran begegnet Abraham vorrangig als kerygmatische Figur, als paradigmatischer Muslim, so dass die wahre und ursprüngliche Religion, die der Islam in Erinnerung ruft, als millat Ibrahim bezeichnet werden kann. Die Väterverheißungen spielen dagegen in den einzelnen Suren keine selbstständige Rolle.
Die Ankündigung der wundersamen Geburt eines Sohnes (vgl. Gen 18,10-14
Die programmatische Eröffnung der Abrahamerzählungen in Gen 12,1-3
Literaturverzeichnis
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- Westermann, C., 1976, Die Verheißungen an die Väter. Studien zur Vätergeschichte (FRLANT 116), Göttingen
Abbildungsverzeichnis
- Abraham als der Empfangende (Wiener Genesis; 6. Jh.).
- Menschen in Abrahams Schoß (Souvigny-Bibel; 12. Jh.).
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