Wächter
(erstellt: April 2007)
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1. Begriff
Unter einem „Wächter“ stellt man sich eine Person vor, die jemanden oder etwas bewacht oder beaufsichtigt und so dafür sorgt, dass anvertraute Personen oder Objekte vor Schaden oder Übergriffen bewahrt und/oder gesetzte Ordnungen eingehalten werden, etwa indem Unbefugte keinen Zutritt zu geschützten Örtlichkeiten erhalten. Torwächter, die die Zugänge zu einer befestigten Siedlung kontrollieren, gehören heute ebenso der Vergangenheit an wie Nachtwächter, die die Straßen einer durch Mauern und Tore nach außen abgeriegelten Stadt abschreiten, um die schlafenden Bürger vor Herumtreibern, Dieben und dgl. zu schützen sowie darauf zu achten, dass kein Feuer ausbricht. Heutzutage kennt man noch Museumswächter, Parkhauswächter und vielleicht Sittenwächter. Auch Tiere, insbesondere Hunde, können die Aufgabe eines Wächters übernehmen. Die präventiv-defensive Assoziation des Wortes gewinnt im Vergleich mit dem Begriff „Hüter“ Profil, der stärker das Schützen und Bewahren des Anvertrauten betont (Torhüter; Ordnungshüter).
Im Hebräischen beschreiben mehrere Wörter diesen Vorstellungsbereich: die nominalisierten Partizipien der Verbalstämme צפה ṣph „spähen“, שׁמר šmr „hüten / bewahren“ (nicht zu verwechseln mit רעה r‛h „weiden“ etwa in Ps 23,1
Die genannten hebräischen Wörter werden in der Regel auf Menschen angewendet, שׁמר šmr „hüten / bewahren“ und נצר nṣr „bewachen / behüten“ gelegentlich auch auf Gott. Aus exegetischer Sicht können auch mythische Wesen als Wächter verstanden werden, obwohl der hebräische Text sie nicht so bezeichnet. Die → Keruben
2. Menschen als Wächter im Alltag
1. Ein Torwächter (שׁוֹעֵר šô‛er) versieht seinen Dienst zunächst am Stadttor (2Sam 18,26
Die Aufmerksamkeit der šômrîm-Wächter gilt unterschiedlichen Personen oder Objekten innerhalb der Stadt, die sie vor Schaden oder Übergriffen zu bewahren haben: dem König (1Sam 28,2
2. Der noṣer-Wächter befindet sich dagegen auf einem Außenposten in exponierter Stellung auf einem Turm (2Kön 17,9
3. Ein „Späher“ (ṣofæh) begibt sich an einen Aussichtspunkt, um von dieser Position aus gezielt Beobachtungen zu machen und diese dann mitzuteilen: → Balak
3. Metaphorischer und theologischer Gebrauch
3.1. Gott als Wächter
Bildhaft kann auch Gott – in späten Texten alttestamentlicher Literatur – mit den nominalisierten Partizipien šômer und noṣer als „Wächter“ bezeichnet werden. Drei Mal ist davon die Rede, dass JHWH über Menschen wacht: Gott behütet Israel (Jes 27,3
3.2. Propheten als Wächter
Als Eigentümlichkeit fällt auf, dass צפה ṣph „spähen“ im verbalen Gebrauch vor allem als nominalisiertes Partizip im Qal und Pi‘el, für die Tätigkeit von Propheten verwendet wird. Besonders deutlich tritt dies im Ezechielbuch hervor, wo der Gedanke, dass Gott den Propheten zum Wächter über sein Volk einsetzt (Ez 3,17
In diese Ausführungen über die Aufgabe des Wächters fließt in Ez 33,4-6
Die Stelle in Ez 33 führt breit aus, was Jer 6,17
Weitere Belege in schriftprophetischen Passagen verwenden Pi‘el-Formen. In Hab 2,1
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
- Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Stuttgart 1973-2000
- Theologisches Handwörterbuch zum Alten Testament, 5. Aufl., München / Zürich 1994-1995
2. Weitere Literatur
- Lohmann, P., 1913, Das Wächterlied Jes 21,11.12, ZAW 33, 20-29
- Reventlow, H. Graf, 1962, Wächter über Israel. Ezechiel und seine Tradition (BZAW 82), Berlin
- Eichrodt, W., 1963, Das prophetische Wächteramt. Zur Exegese von Hes 33, in: E. Würthwein / O. Kaiser (Hgg.), Tradition und Situation, Göttingen, 31-41
- Auvray, P., 1964, Le Prophète comme guetteur, RB 71, 191-205
- Rüthy, A.E., 1965, Wächter und Späher im Alten Testament, ThZ 21, 300-309
- Brownlee, W., 1978, Ezekiel’s Parable of the Watchman and the Editing of Ezekiel, VT 28, 392-408
- Schöpflin, K., 2002, Theologie als Biographie im Ezechielbuch (FAT 36), Tübingen
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