(erstellt: Januar 2009)
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1. Das hebräische Wortfeld „Weg“
Das deutsche Substantiv „Weg“ gibt in den Übersetzungen des Alten Testaments normalerweise das hebräische Substantiv dærækh wieder, manchmal auch eines der anderen Weg-Substantive der hebräischen Bibel. Diese sind, nach Häufigkeit geordnet: ’orach (53 sichere Belege), məsillāh (27), nātîv / nətîvāh (25), ma‛gāl (13), mahǎlākh (5), šûq (4), šəvîl (2), miš‛ôl (1). dærækh „Weg“ ist mit 706 Belegen (die genaue Zahl variiert je nach Ein- oder Ausschluss einiger umstrittener Fälle) eines der wichtigsten Substantive im Alten Testament. Vermutlich ist dieses zu den theologischen Kernbegriffen des Alten Testaments gehörende Nomen abgeleitet vom vergleichsweise seltenen Verb drk „treten“.
Das Bedeutungsfeld von dærækh umfasst nicht weniger als etwa 60 verschiedene Bedeutungsfärbungen; diese lassen sich in vier Hauptklassen untergliedern: 1. Die räumlich-statischen Verwendungsweisen mit der Kernbedeutung „bestimmter Weg“ (mit oder ohne Lokalisationsangabe); 2. die räumlich-dynamischen Verwendungsweisen; 3. die Handlungs-bezogenen Verwendungsweisen; 4. die Ergehens-bezogenen Verwendungsweisen. Die Hauptklassen lassen sich wiederum in feinere Unterklassen unterteilen; es gibt auch Bedeutungsfärbungen, denen eine Scharnierfunktion zwischen den Hauptklassen zukommt.
2. Reale Wege
Von realen Wegen ist im Alten Testament an zahlreichen Stellen die Rede. Neben der Hauptbedeutung eines im räumlich-statischen Sinn verstandenen Wegs (z.B. Gen 38,14
Schon in einem Übergangsbereich zwischen wörtlicher Kernbedeutung und metaphorischen Verwendungsweisen liegen diejenigen Belege des hebräischen Hauptsubstantivs für „Weg“, die sich auf die Fortbewegung auf dem Weg beziehen. Hier bedeutet „Weg“ soviel wie „Reise“ (z.B. Num 9,10
Geht der Fokus von der Bewegung auf einem Weg über zu der mit dieser Bewegung verbundenen Handlung, wird die Grenze zum metaphorischen Bereich endgültig überschritten.
3. Metaphorische Wege
3.1. Weg im Sinn von „Unternehmung“
Innerhalb des metaphorischen Bereichs ist zunächst die Verwendung von „Weg“ zur Bezeichnung einer „Unternehmung“ (im neutralen Sinn) zu nennen. Verschiedentlich werden dabei Unternehmungen erwähnt, denen durch das Mitwirken Gottes Erfolg beschieden ist (s. z.B. 1Sam 18,14
3.2. Weg im Sinn von „Lebenswandel“
Innerhalb der metaphorischen Verwendungsweisen der alttestamentlichen Weg-Substantive kommt statistisch gesehen dem Gebrauch der Weg-Nomina zur Bezeichnung des „Lebenswandels“ (bzw. auch des „von Gott gebotenen Lebenswandels“; zusammen über ein Drittel aller Belege von dærækh) das größte Gewicht zu. Der semantische Fokus liegt hier auf dem Handlungsaspekt, verbunden mit einer moralischen bzw. religiösen Wertung. Die meisten der in dieser Gruppe verwendeten Weg-Metaphern sind allerdings konventionell, d.h. ihre Lebendigkeit bzw. suggestive Kraft ist gering und es ist dementsprechend einfach, sie durch Ein-Wort-Umschreibungen (wie eben „Lebenswandel“) in nicht-bildliche Redeweise zu übersetzen. Besonders häufig sind solche Metaphern in den Büchern Jeremia, Ezechiel und Sprüche anzutreffen. Auffällig ist, wie oft solche Metaphern negative Verhaltensweisen im Blick haben: In drei von vier Fällen geht es um einen Lebenswandel, der von den biblischen Autoren negativ beurteilt wird.
Grundvoraussetzung der Bewertung des Lebenswandels ist die vor allem in der Weisheitsliteratur (→ Weisheit
3.2.1. Der negative Lebenswandel
Qualifizierungen des negativen Lebenswandels erfolgen besonders mit den Adjektiven qāšæh „hart“ und ra‛ „böse“, dem negativen substantivierten Adjektiv rəšā‛îm „Böse“, oder mit dem neutralen Substantiv ’āv „Vater“ bzw, mit einem Personennamen, besonders häufig dem → Jerobeams
In den historischen Büchern von Josua bis 2Könige und 1/2Chronik ist es einerseits der Lebenswandel des Volkes Israel, vor allem aber der einzelner Könige, der negativ qualifiziert wird. Dabei stehen kultische Vergehen im Vordergrund (s. z.B. 2Kön 16,3-4
An fast allen Stellen, an denen von einem schlechten Lebenswandel bzw. vom Abfall vom gottgefälligen Lebenswandel die Rede ist, wird auf die damit verbundenen negativen Folgen hingewiesen. Allerdings lässt sich auch eine andere Tendenz feststellen: An manchen Stellen in verschiedenen literarischen Schichten des Alten Testaments wird festgehalten, dass die direkten Folgen verdorbener Wege auch ausbleiben können. So lässt sich JHWH in Ex 32
3.2.2. Der positive Lebenswandel
Auf der anderen Seite steht der positive Lebenswandel, der mit dem von Gott gebotenen Lebenswandel identisch ist; nur in Teilen der Weisheitsliteratur wird der positive Lebenswandel nicht direkt mit der Entsprechung zu den Weisungen Gottes, sondern mit der Konformität zur Weisheit in Beziehung gesetzt (s. z.B. Spr 2
Inhaltlich ist der positive, gottgefällige Lebenswandel nichts Anderes als die Umkehrung des schlechten Lebenswandels (wie umgekehrt der negative Lebenswandel nichts Anderes ist als der Abfall von dem von Gott gebotenen Weg). In den historischen Büchern wird der positive Lebenswandel u.a. beschrieben als Wandel in den Geboten, Satzungen und Rechten JHWHs (s. 1Kön 8,58
Daraus, dass der rechte Wandel weitgehend mit dem Einhalten des Weges JHWHs gleichgesetzt wird, ergibt sich, dass der Mensch nicht von sich aus versteht, das Rechte zu tun, sondern dazu der Anleitung durch Gott bedarf.
Nicht nur Fragen der Erkenntnis des rechten Lebenswandels, sondern auch solche seiner Ausführung werden im Alten Testament behandelt. Der gute Wandel ist etwas, wofür der Mensch einerseits selber die Verantwortung trägt; er erfordert die eigene Anstrengung und Ausdauer des Menschen (s. z.B. Hi 17,9
Dem positiven Wandel entspricht in zahlreichen Fällen ein positives Ergehen, allerdings nur ganz am Rand als faktische Feststellung, sondern meist als Verheißung oder als subjektive Gewissheit. Insgesamt ergibt sich aber ein komplexeres Bild, da an einigen Stellen davon die Rede ist, dass die, deren Wandel Gottes Willen entspricht, nicht unbedingt mit einem guten Ergehen zu rechnen haben (s. Ps 37,14
Das gute Ergehen als Belohnung eines gottgefälligen Lebenswandels bildet eines der Hauptmotive, die Menschen dazu bewegen sollen, dem von Gott gebotenen Lebenswandel zu folgen oder den schlechten Wandel zu meiden. Weitere Motive sind: die erhabene Stellung und die Ehre Gottes, die ihm das Recht geben, vom Menschen einen gottgemäßen Lebenswandel einzufordern (s. z.B. Dtn 10,12-15
3.2.3. Die Umkehr vom schlechten Weg
Häufig begegnet im Alten Testament die Ermahnung, auf den Lebenswandel achtzuhaben – und noch häufiger der Ruf, vom schlechten Weg umzukehren. Dieser Ruf richtet sich besonders oft an die führenden Schichten des Volkes Israel. Wenigstens soweit sich der Umkehrruf auf den mit Weg-Substantiven bezeichneten Lebenswandel bezieht und soweit er nicht bloß den kultischen Bereich (z.B. die rechte Verehrung eines bestimmten Gottes) im Blick hat, steht dieses Phänomen ohne vergleichbare Parallele im Umfeld des alten Israel da, wo es nach den vorliegenden Zeugnissen zu einem solchen Maß an Selbst- und Führungskritik nicht gekommen ist. Besonders prominent ist der Umkehrruf im → Jesaja
An den meisten Stellen, an denen der Ruf zur Umkehr vom falschen Weg begegnet, wird unmittelbar anschließend auf die positiven Folgen der Umkehr hingewiesen. Als Motive der Umkehr dienen – neben der Erwähnung der positiven Folgen einer Umkehr – insbesondere Hinweise auf das Unheil, das Gott über das sündige Volk oder über sündige Einzelne gebracht hat oder bringen wird (s. z.B. Jer 15,7ff
3.3. Weg im Sinn von „Lebensweg / Ergehen“
Die Bedeutungsfärbungen „Lebensweg“ und „Ergehen“ finden sich besonders in den Psalmen und im Sprüchebuch, aber mit etwa einem Dutzend Belegstellen längst nicht in einem Umfang, der an denjenigen der Wegmetapher „Lebenswandel“ heranreicht. Hinzu kommen einige Stellen, an denen „Weg“ den Doppelsinn von „Lebenswandel“ und „Lebensweg (/ Ergehen)“ in sich trägt, mit Schwerpunkt wiederum in den Psalmen und im Sprüchebuch. Diese Stellen sind deshalb von besonderem Interesse, weil an ihnen in terminologischer Verdichtung der → Tun-Ergehen-Zusammenhang
Die im Bereich von „Lebensweg“ und „Ergehen“ verwendeten Wegmetaphern sind lebendig bzw. mit hoher suggestiver Kraft versehen und dementsprechend schwer mit einem angemessenen und einfachen nicht-metaphorischen Ausdruck zu umschreiben (s. z.B. Hi 22,28
3.3.1. Lebensweg und Ergehen der Frommen
Die Frommen dürfen nach dem Zeugnis zahlreicher Stellen insbesondere in den Psalmen mit einem gelingenden Lebensweg und einem positiven Ergehen rechnen (s. z.B. Ps 91,11-12
Zusammenfassend ergibt sich folgendes Bild: Der Fromme bzw. der Weise darf mit einem guten Ergehen rechnen, weil da, wo die in der Weisung Gottes oder in der Weisheit ausgedrückte Zielvorgabe und das menschliche Tun zusammenstimmen, sich Erfolg einstellt. Die Zusage der Bewahrung des Lebenswegs und der Gewährung eines guten Ergehens bedeuten aber nicht, dass der Fromme auf seinem Weg vor notvollen Erfahrungen verschont bleibt, sondern nur, dass er von Gott aus solchen Erfahrungen wieder hinausgeführt wird. Entsprechend wird die Bewahrung auf dem Lebensweg häufig beschrieben als Rettung aus einer Not heraus. Dem sich in der Not Befindenden wird zugesagt, dass Gott um sein Ergehen weiß. Zum anderen wird er ermahnt, trotz dunkler Erfahrungen die Hoffnung auf Gott nicht fahrenzulassen. Die Erfahrung des Leidens der Frommen zeigt, dass die einfache Gleichung „guter Wandel = gutes Ergehen“ nicht aufgeht. Vor Wegen der Not werden Menschen, die zu Gott gehören, nicht verschont; aber es wird daran festgehalten, dass Gott auch auf solchen Wegen als lebendiges Gegenüber ansprechbar bleibt, um den Seinen neue Hoffnung zu geben.
Die Unergründlichkeit des Lebensweges, die sich aus der Durchbrechung eines strikten Tun-Ergehen-Zusammenhangs ergibt, kann zur Anfechtung für den Frommen werden, wie das besonders im → Hiobbuch
3.3.2. Lebensweg und Ergehen der Frevler
Dem Lebensweg der Frommen steht der Lebensweg der Frevler gegenüber, der ein negatives Gefälle aufweist, in ein dunkles Schicksal mündend. Im Blick auf Einzelne ist von diesem Weg vor allem in den Psalmen und im Sprüchebuch die Rede (s. z.B. Ps 49,14-15
3.4. Gegenüberstellung der zwei Wege
Vor allem in der Weisheitsliteratur (→ Weisheit
Als Fazit ergibt sich: Das Thema der Gegenüberstellung von gutem und schlechtem Weg findet sich relativ häufig im Alten Testament, besonders in der Weisheitsliteratur. Anders verhält es sich mit dem Schema der freien Wahl zwischen gutem und schlechtem Weg: Dieses findet sich prominent etwa in der griechischen Philosophie und in der nachbiblisch-jüdischen, altchristlichen und spätmittelalterlichen Theologie, dagegen nicht im Alten Testament.
4. Wege Gottes
Das Substantiv „Weg“ zur Bezeichnung eines Handelns oder eines – als Verstetigung des Handelns zu begreifenden – Wandels wird nicht nur mit Bezug auf Menschen verwendet, sondern auch mit Bezug auf Gott. Dabei kann es sowohl Gottes Wirken im Allgemeinen (s. z.B. Hi 36,23
Wo unter Verwendung eines Weg-Substantivs vom Wirken Gottes im Allgemeinen gesprochen wird, d.h. von seinem auf die Schöpfung und Erhaltung der Welt wie auf die Regierung der Geschichte bezogenen Handeln, wird stets betont, dass Gott in diesem Handeln über allen menschlichen Kategorien steht; Gottes Handeln unterliegt keinen menschlichen Vorschriften und Begrenzungen, und in seiner letzten Tiefe bleibt es dem menschlichen Verstehen entzogen (s. z.B. Jes 40,14
Mit den „Wegen“ Gottes können auch seine Weisungen gemeint sein; die betreffenden Belege der Weg-Substantive entsprechen dann der Bedeutungsfärbung „von Gott gebotener Lebenswandel“.
Anders als in akkadischen, ägyptischen und ugaritischen Texten, in denen mit den Weg-Substantiven nicht selten auch eine räumliche – häufig astrale – Fortbewegung eines Gottes bezeichnet wird, beziehen sich die Weg-Substantive des Alten Testaments nur ganz selten auf ein Gehen Gottes. Wo tatsächlich von Gottes Gehen die Rede ist (v.a. Nah 1,3
5. Weg als Bezeichnung für die Konzepte „Ethik“ und „Geschichte“
Für das Verständnis des Alten Testaments ist bedeutsam, dass „Weg“ (primär in der Form von dærækh) faktisch als Bezeichnung für die modernen Konzepte „Ethik“ und „Geschichte“ dient.
Dass „Ethik“ mit „Weg“ umschrieben wird, weist darauf hin, dass für das ethische Verhalten und seine Beurteilung nicht Absichten und Motive oder Tugenden, sondern konkrete, im Raum sich vollziehende Handlungen und die Permanenz solcher Handlungen, die sich zu einem Weg mit bestimmter Richtung verstetigen, im Vordergrund stehen. Charakteristisch – und im historischen Kontext einmalig – ist, mit welcher Konsequenz dabei in breiten Schichten des Alten Testaments die Ethik in den Rahmen des Bundesverhältnisses zwischen JHWH und Israel gestellt wird (→ Bund
In Bezug auf den Bereich „Geschichte“ lässt die Verwendung der Weg-Substantive zur Umschreibung der alttestamentlichen Geschichtskonzeption primär auf ein dynamisches und teleologisches Verständnis von Geschichte schließen. Ein solches Verständnis hebt sich ab von Konzeptionen von Geschichte im Umfeld Israels, die zwar nicht durchgängig, aber doch in mancherlei Hinsicht als „statisch“ und „zyklisch“ umschrieben werden können. Eine direkte Analogie zur Beschreibung der Geschichte unter dem Stichwort „Weg“ findet sich denn auch im Umfeld Israels nicht. Ebenfalls findet sich dort keine Entsprechung zur ausdrücklichen Einbeziehung der ganzen Völkerwelt – unter Wahrung ihrer eigenständigen Existenz neben Israel – in das eschatologische Ziel der Geschichtswege Gottes.
6. Vergleich mit Israels Umfeld
In den (vorwiegend aus dem assyrisch-babylonischen Raum stammenden) akkadischen Texten finden sich 28 verschiedene Weg-Substantive (die wichtigsten sind alaktu und chārranu); damit ist deutlich, dass die Wegterminologie im Akkadischen breiter ausgebildet ist als im biblischen Hebräisch. Verschiedene Weg-Substantive werden häufig mit Bezug auf Gänge in der Leber und damit den Bereich der Hepatoskopie (Leberschau) und auf weitere Omina-Phänomene verwendet (→ Divination
In ägyptischen Texten finden sich 16 Weg-Substantive (die wichtigsten sind w3.t und mṯn). Hier sticht besonders die häufige Verwendung von Weg-Substantiven mit Bezug auf den Bereich des Jenseits hervor, sowohl zur Bezeichnung räumlicher Wege in der stark ausgeprägten Jenseits-Geographie als auch zur Bezeichnung der Bewegungen der Götter und der seligen Toten im Jenseits.
Die hier zutage tretenden semantischen Unterschiede der Verwendung der Weg-Substantive lassen auch kulturelle und theologische Differenzen erkennen. So spiegelt sich in der unterschiedlichen Verwendung der Weg-Substantive im hebräisch-akkadischen Vergleich etwa die Ablehnung der Mantik im Alten Testament, möglicherweise auch das relative Zurücktreten des militärischen und merkantilen Bereichs (hier können die feststellbaren lexikalischen Unterschiede allerdings auch mit der unterschiedlichen Art des Quellenmaterials zusammenhängen); im hebräisch-ägyptischen Vergleich die Unempfänglichkeit des Alten Testaments gegenüber breit ausgestalteten Jenseitsvorstellung der Umwelt; und sowohl im hebräisch-akkadischen wie im hebräisch-ägyptischen Vergleich die Zurückhaltung des Alten Testaments gegenüber kosmischen Spekulationen.
Die Verwendung von Weg-Substantiven zur Bezeichnung des Lebenswandels oder des Ergehens ist auch dem Umfeld Israels geläufig, doch fällt die inhaltliche Näherbestimmung des Lebenswandels oder Ergehens in alttestamentlichen Texten wesentlich differenzierter aus als vor allem in akkadischen Texten. Ähnliches gilt für die Vorstellung von der Beurteilung der Qualität eines Lebenswandels durch Gott. Dieser Gedanke ist zwar auch dem Umfeld Israels nicht fremd; er wird dort aber nicht mit der gleichen Strenge durchgehalten, da die eigene Beurteilung und die Beurteilung Dritter eine größere Rolle spielen und da es Techniken gibt, die das Urteil der Götter beeinflussen können.
Im Blick auf die Verwendung von Web-Substantiven zur Bezeichnung der „schicksalhaften Lebensführung“ fällt die für das Alte Testament typische strenge und ausschließliche Rückbindung an Gott auf. Während im Umfeld Israels gemäß der dominierenden Weltsicht auch die Götter einem über ihnen stehenden Schicksal unterworfen sind und der Mensch versuchen muss, durch mantische Praktiken ein für ihn günstiges Schicksal zu erwirken, entspringen für die Verfasser des Alten Testaments alle – oft undurchsichtigen – „Wege“ im Sinne von Fügungen des Schicksals der Hand JHWHs. Das Schicksal ist damit jeder menschlichen bzw. „technischen“ Verfügbarkeit entzogen; zugleich aber stellt das Wissen darum, dass es in der Hand Gottes ruht, für den Frommen einen Grund zu Trost und Gelassenheit dar.
Ohne direkte Parallele ist die dem Alten Testament geläufige umfassende Interpretation der ganzen Existenz des Einzelnen als „Weg“, und zwar als Weg unter dem persönlichen Mit-Gehen JHWHs. Es ist zu fragen, inwieweit sich hier Traditionen über die (halb)nomadische Existenz der Väter (und der Wanderungen der Exoduszeit) niederschlagen. Indem dieses Mit-Gehen Gottes nicht nur – wie meist im Umfeld Israels – vom König, sondern von jedem (frommen) Glied des Volkes ausgesagt wird, lässt sich hier die auch in anderen Bereichen feststellbare Tendenz der „Demokratisierung“ des JHWH-Glaubens im Vergleich zu den religiösen Systemen des Umfelds, in denen oft dem König eine herausragende Rolle zukam, beobachten.
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
- Biblisch-historisches Handwörterbuch, Göttingen 1962-1979
- Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Stuttgart 1973ff
- Theologisches Handwörterbuch zum Alten Testament, 5. Aufl., München / Zürich 1994-1995
- Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001
- The Anchor Bible Dictionary, New York 1992
- Lexikon für Theologie und Kirche, 3. Aufl., Freiburg i.Br. 1993-2001
- Bibeltheologisches Wörterbuch, Graz 1994
- New International Dictionary of Old Testament Theology and Exegesis, Grand Rapids 1997
- Eerdmans Dictionary of the Bible, Grand Rapids 2000
- Calwer Bibellexikon, Stuttgart 2003
- Handbuch theologischer Grundbegriffe zum Alten und Neuen Testament, Darmstadt 2006
2. Weitere Literatur
- Aitken, J.K., 1998, דֶּרֶךְ, in: T. Muraoka (Hg.), Semantics of Ancient Hebrew (Abr-n.S 6), Louvain, 11-33
- Dorsey, D.A., 1991, The Roads and Highways of Ancient Israel (ASOR Library of Biblical and Near Eastern Archeology), Baltimore / London
- Zehnder, M., 1999, Wegmetaphorik im Alten Testament (BZAW 268), Berlin / New York
- Zehnder, M., 1997, Zentrale Aspekte der Semantik der hebräischen Weg-Lexeme, in: A. Wagner (Hg.), Studien zur hebräischen Grammatik (OBO 156), Fribourg / Göttingen, 155-170
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