Wermut
(erstellt: September 2014)
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1. Begriff
Wermut ist ein krautartig wachsender Korbblütler (artemisium absithium), der in Palästina wohl als Weißer Wermut (artemisia herba alba, vgl. Zohary 1986, 194) vorkam. Die wild wachsende Pflanze mit ihren grau behaarten Blättern und ihren kleinen Blütenköpfen verströmt einen starken, aromatischen Duft und verursacht bei Genuss einen lange nachwirkenden, äußerst bitteren Geschmack. In der Regel wird angenommen, dass das hebräische Wort לַעֲנָה la‘ănāh diese Pflanze bezeichnet, doch ist dies keineswegs sicher. לַעֲנָה la‘ănāh dürfte mit arabisch la‘ana „verfluchen“ sowie mit nabatäisch l‘n / l‘nh „verfluchen / Fluch“ (vgl. DNWSI 579) verwandt sein, ohne dass die Etymologie klar wäre. לַעֲנָה la‘ănāh entspricht in der → Septuaginta
In den biblischen Belegen ist mit לַעֲנָה la‘ănāh „Wermut“ weniger die Pflanze materialiter gemeint, sondern eher, übertragen, ihre Bitterkeit, zuweilen aber auch oszillierend ihre „Giftigkeit“. Man kann drei Verwendungszusammenhänge unterscheiden: Erstens kann Wermut wie Gift Verderben bringen, zweitens kann Recht und Gerechtigkeit in Wermut umgestürzt werden und drittens kann Wermut in der Klage einen psychischen Zustand charakterisieren.
2. Verwendungszusammenhänge
2.1. In der Parallele mit „Gift“ – Verderben durch Abkehr von der göttlichen Weisung
Mehrere Male steht לַעֲנָה la‘ănāh in Parallele zu רֹאשׁ rô’š „Gift“. In diesen Fällen ist offenkundig, dass der Begriff Verderben impliziert. Das Verderben kann dabei entweder vom Menschen (Dtn 29,17
Dtn 29,17
Jer 9,14
Die Septuaginta weicht im → Jeremiabuch
Zweimal erscheint in den → Klageliedern Jeremias
2.2. Wermut als Gegenteil von Recht und Gerechtigkeit
Die metaphorische Bedeutung von Wermut in der Bibel kommt gut zum Ausdruck, wenn sie die Umkehrung von מִשְׁפָּט mišpāṭ „Recht“ und צְדָקָה ṣədāqāh „Gerechtigkeit“ in לַעֲנָה la‘ănāh „Wermut“ und רֹאשׁ rô’š „Gift“ thematisiert. Am 5,7
3. ἄψινθος – „Wermut“ in Apk 8,11
„Wermut“ begegnet auch in Apk 8,11
4. Zusammenfassung
Es ist nicht sicher, dass לַעֲנָה la‘ănāh wirklich „Wermut“ bedeutet, es muss sich jedoch um eine bittere, und auch als giftig oder gesundheitsschädlich erachtete Pflanze handeln. An keiner der acht Belegstellen meint לַעֲנָה la‘ănāh materialiter die Pflanze selbst, sondern viel eher metaphorisch „Bitterkeit“ (Fischer 2005, 358). An vier von diesen acht Stellen erscheint es in der Parallele mit רֹאשׁ rô’š „Gift“. Das Wort ist durchgängig negativ konnotiert, steht es doch ständig im Kontext von Rechtsverletzung, Klage und Gericht durch göttlichen Zorn. Als solches findet dieses Element auch Eingang ins Neue Testament und wird Bestandteil einer eschatologisch-universalen Gerichtsvision.
Literaturverzeichnis
- Beale, G. K., 1999, The Book of Revelation (NIGTC), Grand Rapids
- Fischer, G., 2005, Jeremia 1-25 (HThKAT), Freiburg
- Giesen, H., 1997, Die Offenbarung des Johannes (RNT), Regensburg
- Lang, M., 2004, Gott und Gewalt in der Amosschrift (FzB 102), Würzburg
- Zohary, M., 2. Aufl. 1986, Pflanzen der Bibel: vollständiges Handbuch, Stuttgart
Abbildungsverzeichnis
- Weißer Wermut. Aus: Wikimedia Commons; © Abalg, Wikimedia Commons, lizenziert unter CreativeCommons-Lizenz cc-by-sa 3.0; Zugriff 23.9.2014
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