Zins / Zinsverbot
(erstellt: Januar 2009)
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1. Das Wesen des Zinses
1.1. Der volkswirtschaftliche Hintergrund
Historisch gesehen ist Zins sehr viel älter als die Wirtschaftsform des Kapitalismus, ja sogar älter als die allgemeine Verbreitung der Geldwirtschaft. Zins wird verlangt für die zeitweise Überlassung von Sach- oder Geldmitteln. Der Empfänger dieser Mittel ist als Schuldner dem Überlasser als dem Gläubiger gegenüber außer zur Rückzahlung der überlassenen Mittel zur Zahlung eines bestimmten Aufschlags verpflichtet. Dabei ist nicht unbedingt vorausgesetzt, dass der Schuldner mit dem Entliehenen einen Gewinn macht, aus dem er die Zinsen begleichen kann. Hat er oder sie andere Einnahmen, können die Zinsen auch aus diesen beglichen werden (z.B. heutzutage bei einem Hauskauf auf Kredit, wenn die Zinsen aus dem Gehalt bezahlt werden). Heinsohn und Steiger definieren deshalb: „Zins gibt es … für den Verzicht auf die Eigentumsprämie“ (203).
1.2. Die deutsche Gegenwartssprache
Das deutsche Wort „Zins“ leitet sich von lat. census „Schätzung“ ab. Im älteren Deutsch wurde dafür das Wort → „Wucher
1.3. Der Sprachgebrauch der Hebräischen Bibel
In der Hebräischen Bibel gibt es erwartungsgemäß keine Definition von „Zins“. Es wird aber vorausgesetzt, dass es Zins nicht nur auf Geld, sondern auch auf Lebensmittel gibt. Besonders prägnant ist die Formulierung in Dtn 23,20
Im Hebräischen werden zwei verschiedene Ausdrücke für Zins verwendet, nämlich næšæk und tarbît bzw. marbît. Aufgrund von Lev 25,37
2. Zinsverbot und Zinskritik
Zinsen sind ein auffällig häufiges Thema in der Hebräischen Bibel. Sie kommen in allen drei Teilen des alttestamentlichen → Kanons
2.1. Das Zinsverbot der Tora
So wie die Zinsen Thema in allen drei Teilen des Kanons sind, so kommt das Zinsverbot in allen drei der Tora zugrunde liegenden Gesetzeskorpora vor.
1. Bundesbuch. Die älteste Fassung enthält das → Bundesbuch
2. Heiligkeitsgesetz. Zur Fassung des Zinsverbots im → Heiligkeitsgesetz
3) Deuteronomisches Gesetz. Das deuteronomische Gesetz (→ Deuteronomium
2.2. Zinskritik
Neben dem Zinsverbot der Tora gibt es andere Stellen, die das Zinsnehmen kritisieren – und damit zugleich belegen, dass das Zinsverbot keineswegs selbstverständlich beachtet wurde. Ez 18,8
Diese Tendenz wird noch deutlicher bei zwei weiteren Stellen, die die Ächtung des Zinsennehmens mit dem Motiv der Habgier begründen, die dahinter steht. Hab 2,6
Ähnlich liegen die Dinge in dem einzigen Spruch der Spruchweisheit, der sich kritisch mit dem Zinsnehmen auseinandersetzt. Spr 28,8
Sowohl Hab 2,6
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
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2. Weitere Literatur
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- Weber, Max, 1921, Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie III. Das antike Judentum, Tübingen
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