Zunge (AT)
(erstellt: April 2013)
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→ Körper
1. Körperteil des Menschen
1.1. Bezeichnung
Das hebräische Wort לָשׁוֹן lāšôn bezeichnet zunächst die Zunge als Körperteil des Menschen ebenso wie des Tieres. Weit häufiger wird es aber zur Bezeichnung der Funktion des Körperteils benutzt. Da die Zunge des Menschen das Organ ist, das hauptsächlich für die Spracherzeugung zuständig ist, kann לָשׁוֹן lāšôn den Sprechakt, Worte in einem bestimmten Zusammenhang und die Sprache an sich meinen und für die Sprachgewandtheit eines Menschen stehen. Übertragen kann „Zunge“ auch die Lebensart eines Menschen bezeichnen, weil im Alten Orient die Art und Weise des Redens eines Menschen als „Ausdruck seiner Charaktereigenschaften“ (Kedar-Kopfstein, 601) galt.
Daneben wird der Begriff auch für Dinge verwendet, die an eine Zunge erinnern (z.B. Meereszunge in Jos 15,5
1.2. Körperaspekt und Gesten
Die Zunge befindet sich in der Mundhöhle (Hi 33,2
Bei großem Durst trocknet die Zunge aus. Ez 3,26
Die Hauptaufgabe der Zunge ist die Erzeugung der Sprache. Man kann daher mit seiner Zunge einerseits z.B. Rechtes sprechen (z.B. Ps 35,28
Auch über die Zunge der Tiere berichtet das Alte Testament: Die Otter tötet mit ihrer Zunge (Hi 20,16
2. Übertragene Bedeutung
2.1. Sprachfähigkeit
Die Zunge kann als Sprachorgan auch für die Redegewandtheit und Sprachfähigkeit eines Menschen stehen. Wer einen schweren Mund und eine schwere Zunge hat (Ex 4,10
In Jes 45,23
2.2. Redeweise und Lebenswandel
Das hebräische Wort לָשׁוֹן lāšôn kann auch für die Worte stehen, die in einem bestimmten Kontext hervorgebracht werden. So meint der Ausdruck „glatte Zunge der Fremden“ in Spr 6,24
Da die Art zu reden, die ein Mensch regelmäßig an den Tag legt, seinen Charakter offenbart, steht Zunge in Verbindung mit bestimmten Qualifikationen im Alten Testament für die Lebensweise eines Menschen. So ist in Ps 52,6
Positiv steht z.B. die Recht sprechende Zunge in Ps 37,30
Es ist also nur aus dem jeweiligen Kontext ersichtlich, ob mit לָשׁוֹן lāšôn in Verbindung mit bestimmten Qualifikationen eine einmalige bestimmte Redeweise oder die Lebenshaltung des Menschen gemeint ist (Kedar-Kopfstein, 601).
2.3. Die Macht der Zunge und ihre eigentliche Bestimmung
Bezogen auf die Redeweise und Lebenshaltung unterliegt לָשׁוֹן lāšôn natürlich einer religiös-ethischen Bewertung, v.a. in der → Weisheit
Die לָשׁוֹן lāšôn ist nach alttestamentlicher Vorstellung mit dem Denken und Handeln eines Menschen eng verknüpft. Daher warnen die → Psalmen
Aufgrund dieser Gefährlichkeit der Zunge bittet der Psalmbeter Gott um Schutz vor der trügerischen Zunge (Ps 120,2
Der Gerechte weiß dagegen, dass er seine Zunge hüten (Spr 21,23
Die Zunge soll eigentlich der heilvollen Kommunikation zwischen den Menschen und zwischen Mensch und Gott dienen (Kedar-Kopfstein, 605). So sorgt die weise Zunge für Einsicht (Spr 15,2
2.4. Sprachen
לָשׁוֹן lāšôn bezeichnet als Organ des Sprechens auch die verschiedenen Sprachen (vgl. z.B. Gen 10,5
Daher kann לָשׁוֹן lāšôn als Sprache auch pars pro toto für die Nationen stehen (Jes 66,8
3. Die Zunge Gottes
לָשׁוֹן lāšôn wird nie in direkter Verbindung mit Jahwe, „Gott“ oder „Herr“ verwendet, aber es gibt zwei Belege für die Zunge Gottes, bei denen der Bezug klar aus dem Kontext folgt. Hier steht לָשׁוֹן lāšôn erneut für Sprache:
Jes 28,11
Auch in Jes 30,27
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
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