Zwillinge
(erstellt: März 2008)
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1. Terminologie und biblischer Befund
1.1. Hebräische Bibel
In der Hebräischen Bibel wird der Begriff „Zwilling“ für die Zwillingspaare Esau und Jakob sowie Perez und Serach (→ Genesis
(1) Die erste Form lautet תְּאוֹמִים tə’ômîm, und bezeichnet die Zwillinge Perez und Serach, die Söhne von Tamar und ihrem Schwiegervater Juda (Gen 38,27
Die Kurzform ohne das Aleph (א) bei Rebekka wird vom Midrasch Bereschit Rabba (Par. 85 zu Gen 38,27
(2) Die zweite Form lautet תּוֹאֲמִם tô’ǎmim, und bezeichnet in Ex 26,24
Dass es sich bei den unterschiedlichen Schreibungen (1) und (2) nur um Formvarianten handelt, zeigt der Befund im Hohenlied: Dort wird die Metapher „Zwillinge der Gazelle“ zwei Mal für das Ebenmaß der Brüste der Geliebten verwendet, einmal in dieser, einmal in jener Variante: Hhld 4,5
1.2. Griechische Bibel
Die griechische Bibel (→ Septuaginta
1.3. Neues Testament
Im Neuen Testament wird der Apostelname Thomas mit dem griechischen Wort didymos „Zwilling“ verbunden (Joh 11,16
2. Die narrative Funktion der Zwillinge
2.1. Genesis
2.1.1. Jakob und Esau
Gen 25,19
Die Zwillingsgeburt selbst (Gen 25,24-26
Zwillingsbrüder repräsentieren die engste denkbare Blutsverwandtschaft. Wenn nun Jakob und Esau für die Völker → Israel
2.1.2. Perez und Serach
Das Motiv der Zwillingsgeburt aus Gen 25,24
Die Geburt von Perez und Serach wird ähnlich dramatisch geschildert wie die von Esau und Jakob: Serach streckt als erster seine Hand heraus und bekommt von der Hebamme einen roten Faden umgebunden. Dann aber kommt doch Perez zuerst heraus. Diese Umstände werden als Namenserklärungen verwendet (Ebach, 153): Perez von hebr. פֶּרֶץ pæræṣ „Riss / Durchbruch“ (womöglich ein Dammriss bei der Mutter), Serach von hebr. זרח zrḥ „strahlen“ (im Blick auf den strahlend roten Faden). Auch hier rivalisieren Zwillinge um die Erstgeburt, ein klares Motiv aus der Toledot Isaak (Esau-Jakob-Geschichte). Die Geschichte geht mit dem Zwilling Perez weiter, der in der Rut-Genealogie (Rut 4,18-22
2.2. Exodus
Die Baubeschreibungen des Zeltheiligtums (→ Stiftshütte
2.3. Hoheslied
Im → Hohenlied
In Hhld 4,2
2.4. Thomas, der Zwilling im Neuen Testament
In Joh 11,16
Der Beiname „Zwilling“ gibt in der apokryphen Literatur Anstoß zu spekulativem Weiterdenken. In den „Thomasakten“ (Drijvers 1997, 291), die zu Beginn des 3. Jh. n. Chr. in Ostsyrien als apokryphe Apostelgeschichte in syrischer Sprache entstanden sind, wird der Apostel „Judas Thomas, Judas der Zwilling“ genannt. Im ostsyrischen Bereich (Osrhoëne und Edessa) wurde offenbar Judas, der Bruder des Herrenbruders Jakobus, mit Judas „nicht dem Iskariot“ identifiziert und als Zwillingsbruder Jesu betrachtet, den man als Thomas Didymos aus dem Johannesevangelium kannte. So gilt in den Thomasakten „Judas Thomas“ als Zwillingsbruder Jesu, dem er in Aussehen, Schicksal und Werk gleicht, z.B. Thomasakten 39: „Zwillingsbruder des Christus, Apostel des Höchsten und miteingeweiht in das verborgene Wort des Christus, der du seine verborgenen Aussprüche empfängst, Mitarbeiter des Sohnes Gottes …“. Dieses Zwillingsmotiv war offenbar ein konstituierender Faktor für die Form des Christentums, die sich im ostsyrischen Raum, einem Teil Parthiens, entwickelte. Eusebius (Historia ecclesiastica III, 1,1; Bibliothek der Kirchenväter
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
- Biblisch-historisches Handwörterbuch, Göttingen 1962-1979
- Theologische Realenzyklopädie, Berlin / New York 1977-2004
- Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001
- The Anchor Bible Dictionary, New York 1992: Esau (Person), Jacob Narrative, Perez, Rebekah (Person), Tamar (Person), Thomas (Person)
- Exegetisches Wörterbuch zum Neuen Testament, 2. Aufl., Stuttgart u.a. 1992
- Religion in Geschichte und Gegenwart, 4. Aufl., Tübingen 1998-2007
- Calwer Bibellexikon, Stuttgart 2003
- Wörterbuch zum Neuen Testament (Walter Bauer), 6. völlig neu bearbeitete Auflage von Kurt und Barbara Aland, Berlin/New York 1988
2. Weitere Literatur
- Dohmen, C., 2004, Exodus 19-40 (HThKAT), Freiburg i.Br.
- Drijvers, H.J.W., 1997, Thomasakten, in: Schneemelcher, W., Neutestamentliche Apokryphen. II. Apostolisches, Apokalypsen und Verwandtes, 6. Aufl., Tübingen, 289-367
- Ebach, J., 2007, Genesis 37-50 (HThKAT), Freiburg. i.Br.
- Goldin, J., 1977, The Youngest Son or Where Does Genesis 38 Belong, in: Journal of Biblical Literature 96, 27-44
- Greenspahn, F.E., 1994, When Brothers Dwell Together. The Preeminence of Younger Siblings in the Bible, Oxford
- Hieke, T., 2003, Die Genealogien der Genesis (HBS 39), Freiburg i.Br.
- Jacob, B., 1934, Das erste Buch der Tora. Genesis, Berlin (ND Stuttgart 2000)
- Midrasch Bereschit Rabba, 1881, übersetzt von August Wünsche, Leipzig
- Noth, M., 1988, Das zweite Buch Mose. Exodus (ATD 5), 8. Aufl., Göttingen
- Weippert, M., 1982, Edom und Israel, in: Theologische Realenzyklopädie 9, 291-299
- Zakovitch, Y., 2004, Das Hohelied (HThKAT), Freiburg i.Br.
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