Adam (NT)
(erstellt: Mai 2010)
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1. Voraussetzungen im AT und im Frühjudentum
Dass die neutestamentlichen Adamaussagen ihr Fundament in Gen 1-5
Auffallend ist freilich, dass die Überlieferung von Adam und Eva im sonstigen Alten Testament kaum einen Anklang gefunden hat. Erst an der Wende vom 3. zum 2. Jhd. v. Chr., mit dem Übergang von der alttestamentlichen in die frühjüdische Epoche, treten die „Ureltern“ der Menschheit ins Zentrum der theologischen Reflexion (vgl. Levison 1988). Hier brechen Fragen auf, die dann auch die neutestamentliche Beschäftigung mit der Urgeschichte prägen. Welche Folgen hatte die in Gen 3
In diesem Prozess wurden manche Lücken „geschlossen“, welche die alttestamentlichen Berichte offen ließen (vgl. Knittel). Man mutmaßte über die Herkunft der Schlange, welche in Gen 3
Innerhalb der vielfach verzweigten Rezeptionsgeschichte der alttestamentlichen Adam-und-Eva-Überlieferung ist es heute nicht mehr möglich, exakt zwischen frühjüdischen und späteren christlichen Überlieferungen zu trennen. Gleichwohl kann man davon ausgehen, dass die neutestamentlichen Aussagen über Adam und Eva schon einen jüdischen Kernbestand an Interpretationen der Genesis voraussetzen. Dazu zählt die Idee das „Sündenfalls“, wonach die gesamte Schöpfung in verhängnisvoller Weise von dem Fehltritt der ersten Menschen betroffen ist. Dazu zählen auch die Identifikation von Teufel und Schlange, welche eine Antwort auf den Ursprung der Sünde zu geben versucht, und die Hoffnung auf die Wiederherstellung des Paradieses am Ende der Zeit.
Man sollte daher die Wurzeln der neutestamentlichen Adamaussagen nicht allein im Alten Testament, sondern zugleich in der seit ca. 200 v. Chr. einsetzenden frühjüdischen Adam-und-Eva-Literatur suchen. Letztere ist durch ihre fortschreibende Interpretation des alttestamentlichen Textes äußerst einflussreich gewesen und hat nicht nur die Autoren des Neuen Testaments, sondern auch die Schriften der Kirchenväter im 2.-5. Jhd. n. Chr. geprägt.
2. Adamaussagen im NT: Überblick
Der wortstatistische Befund ergibt 7 Belegstellen im NT, wo der Name Adam vorkommt (z.T. mit Mehrfachnennung, sodass der Name insgesamt neunmal vorkommt): Lk 3,38
In quantitativer Hinsicht ist der Befund also eher spärlich. Das sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Anknüpfung an alttestamentliche und frühjüdische Adam-und-Eva-Überlieferungen im Neuen Testament sachlich einen hohen Stellenwert hat. Denn es ist auffällig, dass die Adamrezeption im Neuen Testament gerade in den zentralen Bereichen Sünde und Erlösung ihren Ort hat. Die folgende, nach systematischen Kriterien geordnete Analyse der einzelnen Stellen wird dies deutlich herausstellen.
3. Neutestamentliche Bilder von Adam
In Anknüpfung an Klaus Berger (LThK3 1, 135f) lassen sich die neutestamentlichen Aussagen über Adam (bzw. indirekte Anspielungen auf Adam) in drei Gruppen einteilen: die genealogische, ätiologische und die typologische.
3.1. Adam als erster Mensch (Genealogie)
Anders als im Matthäusevangelium wird der Stammbaum Jesu durch den Evangelisten Lukas bis zu Adam zurückverfolgt (und darüber hinaus: zu Gott, Lk 3,38
3.2. Adam als normative Instanz (Ätiologie)
Adam wird im Neuen Testament aber nicht nur als „Stammvater“ der Menschheit beschrieben. Seine Geschichte fungiert zugleich auch als Begründung gegenwärtiger Lebensverhältnisse (→ Ätiologie
Zu nennen ist schließlich auch das Verständnis der Geschlechterrollen im Neuen Testament, welches an manchen Stellen ebenfalls ätiologisch auf Adam und Eva zurückgeführt wird. Dies geschieht beispielsweise in 1Kor 11,8f
Die Ätiologie kann also durchaus sachlich Verschiedenes begründen: das Scheidungsverbot, das Todesschicksal des Menschen oder auch die Nachrangigkeit der Frau. Verbindend ist aber der Grundzug: Die Geschichte Adams und Evas dient gewissermaßen als Norm für die späteren Generationen.
3.3. Adam als Urbild (Typologie)
Eine dritte Linie der neutestamentlichen Adamrezeption stellt sodann die typologische Auslegung dar. Hier wird Adam gewissermaßen als Vorbild verstanden, und zwar sowohl in positiver Hinsicht als auch in negativer. Allerdings ist der Bezug auf Adam dabei eher indirekt zu erschließen, als dass er ausdrücklich genannt wäre. In diesem Sinne könnte man Röm 1,23
Erscheint Adam hier eher implizit als Urbild des Sünders, so wird er ausdrücklich als solcher in Röm 5,12
Von da ausgehend ist der Blick nun auf die andere Seite des Urbildgedankens zu richten. Adam verkörpert nämlich zugleich das Ursprungsideal menschlichen Daseins. Der Adam „vor dem Fall“ ist der von Gott intendierte Mensch, der sich vertrauensvoll auf den Schöpfer verlässt und im Frieden mit seinen Mitgeschöpfen lebt. In diesem Licht erscheint Jesus als der „neue Adam“. Anspielungen darauf findet man im NT etwa in Mk 1,13
4. Wirkungsgeschichte
Wirkungsgeschichtlich bedeutsam wurde unter den neutestamentlichen Adamaussagen vor allem die paulinische Gegenüberstellung von Adam und Christus. Namentlich → Augustinus
Man kann dieses Verständnis aber so bei Paulus noch nicht finden. Röm 5,12
Literaturverzeichnis
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- Anderson, G.A., 2001, The Genesis of Perfection. Adam and Eve in Jewish and Christian Imagination, Leiden u.a.
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- Ernst, M., 1999, Adam. Zur Relecture eines alttestamentlichen Motivs in neutestamentlichen Texten, in: M. Öhler (Hg.), Alttestamentliche Gestalten im Neuen Testament. Beiträge zur Biblischen Theologie, Darmstadt, 27-39
- Flasch, K., 2004, Eva und Adam. Wandlungen eines Mythos, München
- Frishman, J. / Rompay, L. van (Hgg.), 1997, The Book of Genesis in Jewish and Oriental Christian Interpretation. A Collection of Essays, Leuven
- Knittel, T., 2002, Das griechische „Leben Adams und Evas". Studien zu einer narrativen Anthropologie im frühen Judentum (TSAJ 88), Tübingen
- Levison, J.R., 1988, Portraits of Adam in Early Judaism: from Sirach to 2 Baruch (JSPE), Sheffield, 1
- Levison, J.R., 2004, Adam and Eve in Romans 1.18-25 and the Greek „Life of Adam and Eve", NTS 50, 519-534
- Meiser, M., 2002, Die paulinischen Adamaussagen im Kontext frühjüdischer und frühchristlicher Literatur, in: H. Lichtenberger / G. Oegema (Hg.), Jüdische Schriften in ihrem antik-jüdischen und urchristlichen Kontext, Gütersloh, 376-401
- Stone, M.E., 1992, A History of the Literature of Adam and Eve (SBL.EJL 3), Atlanta
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