Barnabas
(erstellt: Juni 2021)
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1. Die historische Person
Die Rekonstruktion von Person und Wirken des Barnabas ist trotz der zahlreichen Erwähnungen im Neuen Testament durchaus schwierig: Einerseits wird er in den Paulusbriefen nur schlaglichtartig anlässlich einzelner Begebenheiten genannt, andererseits steht er in der Apostelgeschichte erzählerisch zum größten Teil im Schatten des Apostels Paulus. Überdies lassen sich aus späteren Überlieferungen keine weiteren historischen Details erheben.
1.1. Namen und Herkunft des Barnabas
In Apg 4,36
1.1.1. Der Name „Barnabas“
Nach Apg 4,36
1) Laut Apg 4,36
2) In der Antike sind zahlreiche ähnliche Namensformen von Barnabas überliefert: Barnabo, Barnabus, Barnebus, Barnabion und Barnabis. Alle diese Namen verweisen auf die populäre babylonische Gottheit Nabu (vgl. Jes 46,1
3) „Bar-Nabas“ könnte auf den Vater des Joseph verweisen, der dann Nabas geheißen hätte („Sohn des Nabas“). Das würde dem antiken Sprachgebrauch sehr gut entsprechen. Die Übersetzung in Apg 4,36
4) Der Name könnte auf den Ort Nob in der Nähe Jerusalems verweisen. Er wird von Josephus „Naba“ genannt (Antiquitates judaicae 6,242.254.260). Barnabas wäre somit als „Sohn des (Ortes) Nob“ bezeichnet worden. Dazu würde passen, dass Barnabas Grundbesitz verkaufte, um die Gemeinde zu unterstützen (Apg 4,37
1.1.2. Die Herkunft
Als Mitglied des Stammes Levi hatte Barnabas ein gewisses Sozialprestige innerhalb des Jerusalemer Judentums. Da er aber als Zypriote aus der Diaspora stammte, ist es unwahrscheinlich, dass er selbst beim Tempelkult mitwirkte. Seiner Zugehörigkeit zu den nach Jerusalem zurückgekehrten Diasporajuden verdankte er wahrscheinlich gute Kenntnisse des Griechischen, eine bessere ökonomische Stellung und die Teilhabe an zwei Kulturen: der jüdisch-palästinischen, die auch in seinem Namen Joseph präsent ist, wie der hellenistischen. Man kann ihn daher auch als Gräcopalästiner bezeichnen.
1.2. Barnabas als Mitglied der Jerusalemer Gemeinde
Laut Apg 4,37
Umstritten ist, ob die Informationen der Apg, wonach Barnabas einerseits Paulus in die Jerusalemer Gemeinde einführte (Apg 9,26-30
Laut Apg 11,27-30
1.3. Barnabas in Antiochien
1.3.1. Die Wirksamkeit in Antiochien
Sowohl Paulus (Gal 2,11-14
Laut der Liste von Funktionsträgern in Apg 13,1
1.3.2. Der Konflikt in Antiochien (Gal 2,11-14)
In Gal 2,11-14
Die Auseinandersetzung hatte zur Folge, dass Paulus die antiochenische Gemeinde nicht mehr besuchte. Eine grundsätzliche Ablehnung der Wirksamkeit von Petrus und Barnabas durch Paulus ist aber unwahrscheinlich, da beide im 1. Korintherbrief, der nach diesem Konflikt entstand, positiv gewürdigt werden (vgl. 1Kor 3,22
1.4. Barnabas beim Apostelkonvent
Nach einem Konflikt über die die Beschneidung von Nicht-Juden (Apg 15,1f
Die Angabe in der Apostelgeschichte, Barnabas und Paulus hätten das sogenannte Aposteldekret verbreitet (Apg 15,23-29
1.5. Barnabas und die Verkündigung des Evangeliums
Neben der kurzen Notiz über die Verkündigung in Antiochien (Apg 11,26
Abgesehen von der These, dass diese Reise insgesamt eine Konstruktion des Verfassers der Apostelgeschichte war, ist ihre chronologische Einordnung umstritten: Häufig wird sie entsprechend dem Ablauf der Apostelgeschichte vor dem Apostelkonvent (Apg 15
Ausgehend von Antiochien soll es auf der Insel Zypern Barnabas und Paulus, die hier auch von Johannes Markus begleitet wurden, gelungen sein, den dortigen Statthalter Zyperns Sergius Paullus (sic) für das Evangelium zu begeistern (Apg 13,6-12
1) Laut einer Inschrift (IGRR III 935 = SEG 20,302) war ein Quintus Serg-[ius Paullus] unter Tiberius (14-37 n. Chr.) oder Caligula (37-41 n. Chr.) Statthalter. Dann hätte die Reise vor 41 stattgefunden. Allerdings bricht die Inschrift nach „Serg-“ ab und die Ergänzung ist sehr unsicher.
2) Ein Lucius Sergius Paullus (CIL VI 31545) ist für die Zeit des Claudius (41-54 n. Chr.) aus Rom überliefert und könnte später Statthalter auf Zypern gewesen sein. Dann wäre eine Datierung der Reise auf das Jahr 47 n. Chr. möglich.
Nach dem Aufenthalt auf Zypern setzten Barnabas und Paulus – ohne Johannes Markus – auf das kleinasiatische Festland über und reisten in das pisidische Antiochien, eine römische Kolonie im Landesinneren (Apg 13,14-52
Auf den Stationen dieser Reise gelang es, kleine Gemeinden zu gründen, die aus Nicht-Juden bestanden. Sie blieben in der Folge mit Barnabas und Paulus sowie der antiochenischen Gemeinde verbunden. Möglicherweise war an sie auch der Galaterbrief gerichtet. Die Darstellung in Apg 13-14
Auf die gemeinsame Verkündigung mit Barnabas spielt auch Paulus in 1Kor 9,1-6
1.6. Barnabas und Johannes Markus
Laut Apg 15,36-40
Die historische Auswertung dieser Erzählung wird unterschiedlich vorgenommen: Einerseits wird sie als Erklärung der Apg dafür interpretiert, dass Paulus nach dem Konflikt über die Tischgemeinschaft in Antiochien nicht mehr mit Barnabas zusammenarbeiten wollte (s.o.). An die Stelle einer inhaltlichen Auseinandersetzung wäre dann vom Verfasser der Apostelgeschichte eine Personaldebatte gestellt worden, um die ideologischen Differenzen zu überdecken.
Andererseits wird der Erzählung auch historisches Gewicht zugemessen, da sie zum einen gut erklärt, warum Paulus nicht mehr mit Barnabas zusammenarbeite, und zum anderen auch zu den Angaben über Johannes Markus in Kol 4,10
1.7. Das Wirken des Barnabas im frühen Christentum
Mit der Person des Barnabas begegnen wir einem Mittler zwischen den prägenden Gemeinden von Jerusalem und Antiochien samt ihren jeweils unterschiedlichen Ausrichtungen in Fragen der Einhaltung des Gesetzes und der Verkündigung. Seine starke Verankerung in Jerusalem, seine prägende Wirkung in Antiochien sowie in der Verkündigung unter den Völkern gehörten zu seinen Verdiensten, wenngleich er in den Quellen weniger bedeutend erscheint: Während Paulus die Rolle des Barnabas beim Treffen zur Lösung der Beschneidungsfrage durchaus würdigt, stellt er ihn nach dem Konflikt über die Speisen- und Tischgemeinschaft als nachgiebig hin. Die Apostelgeschichte hingegen rückt Barnabas mehr und mehr in den Schatten ihres Helden Paulus (s.u.).
2. Die Darstellung in der Apostelgeschichte
Wie für Petrus und Paulus zeichnet der Verfasser der Apostelgeschichte auch von Barnabas ein differenziertes Portrait.
Die Reihenfolge der Namensnennungen von Barnabas und Paulus (Saulus) in der Apostelgeschichte ist auffällig. Sie ist wahrscheinlich ein Hinweis darauf, dass der Verfasser dadurch die Bedeutung dieser beiden Personen in den berichteten Ereignissen hervorheben wollte. In Apg 11,30
Nach der Verkündigung auf Zypern bezeichnet der Verfasser die Reisenden als „die um Paulus“ (Apg 13,13
Rund um den Apostelkonvent wechselt die Reihenfolge immer wieder: Während Paulus bei den Streitigkeiten in Antiochien an erster Stelle geführt wird (Apg 15,2
In die Apostelgeschichte wird Barnabas als Wohltäter der Jerusalemer Gemeinde eingeführt (Apg 4,36f
Auf die besonderen Qualitäten des Barnabas, der als ein „guter Mann, voll des Heiligen Geistes und des Glaubens“ beschrieben wird (Apg 11,24
Entsprechend dieser Darstellung ist es nur folgerichtig, dass Barnabas an der Spitze eines Gremiums von fünf Personen in Antiochien steht, die als Propheten und Lehrer wirken (Apg 13,1
Die Begegnung mit dem Statthalter Sergius Paulus (in den ntl. Handschriften durchgehend nur mit einem L) bringt den Umschwung im Verhältnis von Barnabas und Paulus (Apg 13,4-13a
Die Bedeutung des Barnabas wird in der Apostelgeschichte noch einmal im Kontext des Treffens der Gesandten der antiochenischen Versammlung mit der Gemeinde von Jerusalem hervorgehoben (Apg 15
Erst in Apg 15,36-40
So entsteht in der Apostelgeschichte ein vielschichtiges Bild des Barnabas, das von seiner Wohltätigkeit in Jerusalem über den Aufbau der Gemeinde in Antiochien und die Verkündigung unter den Völkern bis zur Aushandlung der Beschneidungsfreiheit reicht. Auch wenn Barnabas in der Erzählung immer weiter in den Schatten des Paulus gerückt wir, hat er in der Apostelgeschichte dennoch einen wichtigen Platz inne.
3. Die Rezeption
3.1. Barnabas und die Briefliteratur
Auf Tertullian (gest. nach 220) geht die Ansicht zurück, Barnabas hätte den Hebräerbrief verfasst (De pudicitia 20). Als Schüler des Paulus, dem der Hebräerbrief traditionell zugeschrieben wurde, habe er dessen Ansichten festgehalten. Diese Auffassung scheint weit verbreitet gewesen zu sein, zumindest in montanistischen Kreisen. Noch Hieronymus (gest. 420) nennt diese Möglichkeit (De viris illustribus 5). Historisch weist auf diese Überlegung allerdings nichts hin: Die Annahme, seine levitische Herkunft passe gut zur Bedeutung des Tempels im Hebräerbrief, ist doch sehr vage, zumal sich der Verfasser nicht auf aktuelle Vertrautheit mit dem Tempelkult stützt, sondern auf entsprechende Schrifttexte der Septuaginta.
Der Barnabasbrief, der Teil des Corpus der Apostolischen Väter ist, trägt ebenfalls keinen Verfassernamen. Dennoch setzt schon Clemens von Alexandrien voraus, dass Barnabas der Verfasser des Schreibens sei (Stromata II 20,116,3 u.v.m.). Auch die älteste Handschrift des Briefes, der Codex Sinaiticus aus dem 4. Jh., benennt den Brief als jenen des Barnabas. Im Text selbst gibt es keinen Hinweis darauf. Im Gegenteil spricht einiges dagegen, u.a. die Datierung: Barn 16,3f. bezieht sich auf einen geplanten Tempelbau des Hadrian in Jerusalem, der einer der Auslöser für den zweiten Judäischen Aufstand war (132-135 n. Chr.). Dementsprechend muss der Text zwischen 130 und 132 n. Chr. entstanden sein. Barnabas war zu diesem Zeitpunkt sicherlich nicht mehr am Leben. Die spätere Zuschreibung an Barnabas hängt vielleicht mit einer Entstehung des anonymen Schreibens in Alexandrien zusammen, wo Johannes Markus traditionell besonders verehrt wurde.
3.2. Die Barnabasakten
Als fiktiver Verfasser der Barnabasakten erzählt Johannes Markus vor allem von dem Wirken des Barnabas nach der Trennung von Paulus. Nach einem kurzen Aufenthalt in Pamphylien (Kleinasien) spielt die Geschichte ausschließlich auf Zypern. Die Akten berichten über Verkündigung, Wundertätigkeit, Konfrontationen mit paganen und jüdischen Gegnern und vom gewaltsamen Tod des Apostels. Seine Asche wird zusammen mit einem wundermächtigen Exemplar des Matthäusevangeliums in einer Höhle bei Salamis bestattet.
Diese Heiligenvita stammt aus dem 5. Jahrhundert und ist eine erzählerische Ergänzung zu einem Bericht über Kaiser Zeno (474-491), in dessen Regierungszeit diese Höhle entdeckt worden sein soll. Gemeinsam mit der späteren Lobrede auf Barnabas durch den Mönch Alexander (6. Jh.), in der zahlreiche weitere Phasen des Lebens des Barnabas beschrieben werden, erfüllen die Barnabasakten damit auch die Funktion der Etablierung einer apostolischen Herkunft der zypriotischen Kirche.
3.3. Das Barnabasevangelium
Das Barnabasevangelium ist in verschiedenen Sprachen überliefert (Italienisch mit arabischen Bemerkungen sowie in Spanisch), die Handschriften stammen aus dem 17. Jahrhundert. Bereits in einer Liste apokrypher Texte, dem sg. Decretum Gelasianum (6. Jh.), wird ein Barnabasevangelium erwähnt. Sehr wahrscheinlich ist damit aber nicht der heute erhaltene Text gemeint.
Es handelt sich beim Evangelium des Barnabas um eine Schrift, die die wahre Geschichte und Botschaft des Propheten Jesus von Nazareth erzählen will. Diese sei in den klassischen Evangelien falsch berichtet worden. Barnabas selbst tritt als Jünger Jesu auf, dem besondere Einsichten gewährt werden. Inhaltlich geht es in dem Evangelium u.a. darum zu zeigen, dass Jesus sich selbst nicht als Messias verstand, sondern den Propheten Mohammed als diesen ankündigte. Im Hinblick auf Mohammed übernimmt Jesus damit dieselbe Rolle wie Johannes der Täufer in den kanonischen Evangelien, der im Barnabasevangelium als Figur nicht vorkommt. Während der Gedanke der Gottessohnschaft explizit abgelehnt wird, gilt die Beschneidung als unerlässlich. Auch sei nicht Jesus, sondern Judas gekreuzigt worden (vgl. Koran Sure 4,157f.).
Der ursprünglich wohl spanische Text entstand im späten 16. oder frühen 17. Jahrhundert. Der Verfasser stammte vermutlich aus dem Milieu spanischer Muslime (Morisken), die zwangsgetauft und später aus Spanien ausgewiesen wurden. Dieser Einordnung entspricht u.a. die Mischung aus klassischen islamischen Traditionen und christlichen Elementen, wie z.B. die Titulierung Mohammeds als „Messias“. Bis in die Gegenwart wird von muslimischer Seite die Echtheit des Textes immer wieder behauptet, um die Verfälschung der Botschaft Jesu durch das Christentum zu demonstrieren. Historisch ist das allerdings nicht plausibel nachzuweisen.
3.4. Barnabas in weiteren altkirchlichen Zeugnissen
Barnabas galt in der Alten Kirche häufig als einer der siebzig Jünger, die Jesus aussandte (vgl. Lk 10,1
Literaturverzeichnis
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- Pilhofer, Philipp, Das frühe Christentum im kilikisch-isaurischen Bergland. Die Christen der Kalykadnos-Region in den ersten fünf Jahrhunderten, TU 184, Berlin / Boston 2018
- Prostmeier, Ferdinand R., Der Barnabasbrief, KAV 8, Göttingen 1999
- Schnelle, Udo, Die ersten 100 Jahre des Christentums 30-130 n. Chr. Die Entstehungsgeschichte einer Weltreligion, Göttingen 3. Aufl 2019
- Weiß, Alexander, Sergius Paullus, Statthalter von Zypern, ZPE 169, 2009, 188-192
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