Deutsche Bibelgesellschaft

Bileam (NT)

(erstellt: Mai 2016)

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Die drei ausdrücklichen Erwähnungen Bileams (2Petr 2,15-16; Jud 1,11; Apk 2,14) finden sich jeweils im Kontext von „Gegnerpolemiken“; wobei Bileam stets als „Typos“ oder „Vorbild“ innergemeindlicher Kontrahenten erscheint. Obgleich im → Alten Testament noch durchaus ambivalent dargestellt, wird Bileam im NT somit sehr eindeutig als Negativgestalt rezipiert. Dieser Befund kann in gleicher Weise auch auf die Bileam-Rezeption des → hellenistischen Judentums (→ Philo von Alexandria, → Josephus Flavius) und auch diejenige der späteren rabbinischen Tradition übertragen werden.

Das einhellig negative Urteil über die in der Hebräischen Bibel ambivalent gezeichnete Figur des Bileam in den nachbiblischen Traditionen sollte dabei aus moderner Perspektive nicht als einseitige „Verzerrung“ und damit letztlich als „Fehlentwicklung“ (ab-)gewertet werden. Vielmehr ist für eine sachgemäße Bewertung der nachbiblisch-jüdischen Auslegungstraditionen die Beobachtung von grundlegender Bedeutung, dass diese einzelne biblische Texte und Perikopen stets in ihrem kanonischen Kontext und somit als Teil der gesamten Bibel auslegen, d.h. – in moderner Terminologie gesprochen – einem „synchronen“ oder „kanonisch-intertextuellen“ Ansatz (→ Intertextualität) folgen. Bei dieser Herangehensweise an den Bibeltext aber überlagern das eher fragwürdige Bileambild von Num 22,22-35 und die eindeutig negativen Aussagen über Bileam als Anstifter zur Verführung Israels (Num 31,16) bzw. als → Wahrsager und Falschprophet (vgl. Dtn 23,5-6; Jos 13,22; Jos 24,9-10) die positiven Züge, die sich in Num 22,41-24,25 finden lassen – zumal Bileams Segenssprüche über Israel ausdrücklich nicht als seine „Eigenleistung“ dargestellt sind, sondern als Wort → JHWHs, das Bileam verkünden muss, ob er nun will oder nicht.

1. Bileam in Jud 1,11; 2Petr 2,15-16

Die beiden Belegstellen im → Judasbrief und → Zweiten Petrusbrief stehen insofern in engem Zusammenhang, als der Zweiten Petrusbrief den Judasbrief als literarische Vorlage benutzt, seine Vorlage z.T. aber auch deutlich abändert. Diese komplexe Beziehung beider Texte kann auch in Zusammenhang mit den beiden Bileam-Referenzen in Jud 1,11; 2Petr 2,15-16 nachvollzogen werden.

1.1. Jud 1,11

Jud 1,11 ist Teil einer stark auf alttestamentlichen Bezügen aufbauenden Auseinandersetzung mit innergemeindlichen Gegnern (Jud 1,5-16), die sich in drei Argumentationsgängen (V.5-10.11-13.14-16) vollzieht und in V.14-15 in einem „alttestamentlichen“ Zitat aus äthHen 1,9 gipfelt, mit dessen Hilfe die Gerichtsverfallenheit der Gegner auf den Punkt gebracht wird.

Jud 1,11 eröffnet als Weheruf den zweiten Argumentationsgang (V.11-13) der Gegnerpolemik und beklagt, dass die Gegner den Weg → Kains gegangen seien, sich der Verirrung (πλάνη / planē) des Bileam um des Lohnes willen hingegeben hätten und schließlich der Gesetzlosigkeit des → Korach gefolgt seien. Der Weheruf charakterisiert also zunächst das Handeln bzw. die gesamte Lebenseinstellung der Gegner über den Hinweis auf die drei alttestamentlichen Negativvorbilder und legt damit die Grundlage für die Verse Jud 1,12-13, in denen deren „Nutz-“ und Fruchtlosigkeit für das Gemeindeleben, aber auch deren verführerische Gefährlichkeit für die Glieder der Gemeinde festgestellt werden.

Mit Bileam sind in Jud 1,11 zwei Charakteristika verbunden, die πλάνη / planē (‚Verirrung, Irrtum‘) – Bileam ist also weniger der Verführer zum Irrtum, sondern vielmehr der selbst im Irrtum Befindliche –, sowie das Handeln „um Lohnes willen“, also wohl Gewinnsucht und / oder Bestechlichkeit.

In den Bileamtraditionen des AT hat die in Jud 1,11 vorausgesetzte Verbindung beider Anklagepunkte möglicherweise in Num 22,5-35, der ersten großen Szene der Bileamerzählung Num 22,2-24,25 (→ Bileam AT), ihren Anhalt.

Bileam lässt sich hier – nachdem er die Boten → Balaks zunächst fortgeschickt hat (Num 22,8-14) – letztendlich doch darauf ein, der „Einladung“ Balaks nachzukommen und nach → Moab zu reisen (Num 22,13-21). Den ihm angebotenen Lohn (vgl. Num 22,7.17; Num 24,11) aber weist der Seher ausdrücklich zurück (vgl. Num 22,18; Num 24,12-14). Der Darstellung der Hebräischen Bibel zufolge handelt Bileam in Num 22,5-21 zwar stets im Einklang mit dem Willen JHWHs, doch entbrennt – als Bileam sich auf den Weg gemacht hat – dennoch der Zorn JHWHs gegen ihn, so dass sich schließlich der Bote JHWHs dem Seher drei Mal in den Weg stellt, um ihn zu töten (Num 22,21-30). Bileam aber wird nur deshalb gerettet, weil sein Reittier den Boten JHWHs jeweils rechtzeitig erkennt und ihm ausweicht. Im abschließenden Dialog zwischen JHWH und Bileam (Num 22,32-34) bringt JHWH schließlich sein Missfallen über den Weg Bileams zum Ausdruck (vgl. Num 22,32).

Die Rede von der πλάνη / planē des Bileam in Jud 1,11 stützt sich vor diesem Hintergrund wohl auf das Urteil über Bileam in Num 22,(22.)32, das allerdings unter Umgehung gegenläufiger Sinnlinien in der Bileamerzählung zugleich so weit generalisiert wird, dass Bileam nun zum Inbegriff eines Irrenden wird, der (gleichsam notorisch) den Willen Gottes verkennt und folglich gegen diesen handelt. In diese Tendenz passt auch die Charakterisierung des Bileam als geldgierigen und bestechlichen → Propheten, die in den Angeboten des Balak, Bileam reich zu entlohnen (Num 22,7.17; Num 24,11) ihre Grundlage findet. Num 22,18; Num 24,12-14 zufolge lehnt Bileam diese Entlohnung ausdrücklich ab. Der alttestamentliche Bileam ist also auf den ersten Blick gerade nicht bestechlich und geldgierig. Wenn Bileam aber – wie Num 31,16 es andeutet – dem Balak schließlich doch noch einen Weg aufgezeigt hat, → Israel zu schaden, so liegt ausgehend von Num 22,7.17; Num 24,11 auch die Schlussfolgerung nicht mehr allzu fern, dass er dies gegen Bezahlung getan habe.

Auf diesem Weg – also über eine Auslegung, die die Verse Num 22,7.17.20.32; Num 24,11; Num 32,16 miteinander verbindet – gelangt auch → Philo von Alexandria (VitMose 1,268.293ff) zu dem Urteil, Bileam sei ein geldgieriger und bestechlicher Prophet gewesen, der sich letztendlich sogar als Betrüger erweist, da er Balaks Lohn angenommen hat, ohne die versprochene Gegenleistung liefern zu können (vgl. VitMose 1,293). Der Judasbrief aber kann diese auch bei Philo bezeugte Auslegungstradition offensichtlich als so selbstverständlich voraussetzten, dass Jud 1,11 ohne weitere Erklärungen oder zusätzliche Verweise auf die alttestamentliche Bileamtradition „funktionieren“ kann.

1.2. 2Petr 2,15-16

2Petr 2,1-22 nimmt die Gegnerpolemik des Judasbriefes (Jud 1,5-16) sehr weitgehend, wenngleich auch mit einigen Auslassungen und z.T. auch deutlichen Erweiterungen und interessanten Akzentverschiebungen auf. 2Petr 2,15-16 ist dabei unschwer als Aufnahme von Jud 1,11 erkennbar, wobei Bileam als einziges der alttestamentlichen Negativbeispiele übrig bleibt, während Kain und Korach wegfallen. Den Versen 2Petr 2,15-16 geht der Abschnitt V.10-14 voraus, in dem der Lebenswandel der Gegner als verkehrt und prononciert auch als unmoralisch beschrieben wird. 2Petr 2,15 fasst diese ausführliche Gegnerpolemik zusammen und charakterisiert die angegriffenen Gegenspieler in dreifacher Weise: Sie haben den geraden Weg verlassen, sind abgeirrt und folgen nun dem Weg Bileams. Gegenüber Jud 1,11 wird damit die Bezugnahme auf Num 22,5-35 (und besonders auf Num 22,32) zusätzlich intensiviert: Bileam, der den Boten Balaks folgt und sich auf den Weg nach Moab macht, wird zum Inbegriff dessen, der den Willen Gottes verkennt und verfehlt. Diese Interpretation ist – wie auch in Jud 1,11 – erneut mit dem aus Num 22,7.17; Num 24,11; Num 31,16 abgeleiteten Vorwurf der Bestechlichkeit / Geldgier des Bileam verbunden. Bileam habe – so 2Petr 2,15 – den Lohn der Ungerechtigkeit geliebt.

Zuletzt aber wird die aus Jud 1,11 aufgenommene Charakterisierung des Bileam in 2Petr 2,16 um eine ausdrückliche Bezugnahme auf die „Eselinnen-Szene“ in Num 22,21-35 erweitert. Konkret verweist 2Petr 2,16 dabei auf die Rede der Eselin in Num 22,28 und deutet diese als eine demütigende Zurechtweisung des Propheten, die dessen ‚Gesetzwidrigkeit‘ (παρανομία / paranomia) und dessen ‚Irrsinn‘ (παραφρονία / paraphronia) gleichermaßen bloßstellt.

Im engeren Kontext ist eine Verbindung zwischen 2Petr 2,16 und 2Petr 2,12 erkennbar. Im zuletzt genannten Vers werden die Gegner mit ‚vernunftlosen Tieren‘ verglichen, was in V.16 insofern noch gesteigert wird, als Bileam, das „große Vorbild“ der Gegner, eben durch ein „vernunftloses Tier“ – noch dazu wegen seines ‚Irrsinns‘ – zurechtgewiesen wird.

1.3. Fazit

In der Zusammenschau wird Bileam in Jud 1,11; 2Petr 2,15-16 – jeweils unter Bezugnahme v.a. auf Num 22,5-35 – als eine in jeder Hinsicht disqualifizierte Gestalt konturiert, die in sich eine Fülle negativster Eigenschaften – Gesetzlosigkeit, Irrtum, Irrsinn, Gewinn- und Eigensucht – bündelt und die ausgehend davon zum Vehikel einer massiven und überaus polemischen Abwertung der nach dem Bild des Bileam gezeichneten innergemeindlichen Gegner werden kann.

2. Bileam in Apk 2,14

In der → Offenbarung des Johannes wird Bileam im Kontext der sieben Sendschreiben [Apk 1,9-20;] Apk 2,1-3,22) bzw. genauer im dritten Sendschreiben (Apk 2,12-17), das an die Gemeinde von → Pergamon gerichtet ist, erwähnt. Der Hinweis auf Bileam findet sich hier im ersten Teil des Briefkorpus, der narratio (Apk 2,13-15), die die Situation der Gemeinde beschreibt und so den zweiten Teil des Korpus, die dispositio (Apk 2,16), einleitet, in der sich Aufforderungen Christi an die Gemeinde finden, die aus der Analyse der Gemeindesituation abgeleitet sind.

Die narratio (Apk 2,13-15) formuliert nach einer grundsätzlich positiven Evaluation der Gemeinde, die deren Standhaftigkeit in schwieriger Situation lobend hervorhebt (vgl. V.13), zwei Kritikpunkte: So finden sich innerhalb der Gemeinde solche, die an der Lehre Bileams (V.14) sowie an der Lehre der → Nikolaiten (V.15) festhalten. Während die Lehre der Nikolaiten (V.15) nicht näher erklärt wird, werden in Apk 2,14 zwei wesentliche Inhalte der „Lehre Bileams“ angeführt. So habe dieser seinerzeit Balak, dem König von Moab, nahegelegt, die Israeliten zum Verzehr von → Götzenopferfleisch und zu → Unzucht zu verführen.

Der alttestamentliche Basistext des Bileambildes von Apk 2,14 ist somit Num 31,16. In diesem Vers wird Bileam als der eigentliche „Ideengeber“ vorgestellt, der hinter der in Num 25,1-5 geschilderten Verführung Israels zur Verehrung des Baal Pegor durch moabitische (→ Moab) und midiantitische Frauen steht. Die – Num 31,16 gemäß auf Bileams Ratschlag zurückgehenden – Verfehlungen der Israeliten aber sind Num 25,1-2 das „Huren“ mit den moabitischen Frauen (Num 25,1), die Teilnahme an Opfermahlzeiten der Moabiter (Num 25,2a) und – in der Folge der zuerst genannten Verfehlungen – schließlich auch die Verehrung der moabitischen Götter, insbesondere des Baal Pegor (Num 25,2b).

Innerhalb des alttestamentlichen Kontexts nimmt Num 25,1-2 auf Ex 34,15-16 Bezug. In diesem Text werden Kontakte mit nichtisraelitischen Frauen und auch die Teilnahme an heidnischen Feiern v.a. deshalb als problematisch angesehen und verboten, weil sie Israel in Kontakt mit fremden Göttern bringen, so dass das Volk letztendlich in Gefahr gerät, das „Hauptgebot“ der alleinigen Verehrung JHWHs zu übertreten. Das strikte Verbot von Mischehen (bzw. überhaupt sexuellen Kontakten) und auch von sonstigen, alltäglichen Begegnungen zwischen Israeliten und Nichtisraeliten ist somit als eine Art „Schutzzaun“ angelegt, der die zentralen Forderungen JHWHs an sein Volk „im Vorfeld“ absichern soll.

Interessant ist nun, dass in Num 25,1-2 nicht nur die beiden in Apk 2,14 genannten Teilaspekte der Lehre Bileams, Unzucht treiben und Götzenopferfleisch essen, belegt sind, sondern auch, dass Bileam v.a. mit der Übertretung von „Abgrenzungsgeboten“, die den eigentlichen Kern der Gottesbeziehung absichern sollen, in Verbindung gebracht wird.

Im historischen und literarischen Kontext der Johannesoffenbarung verbirgt sich hinter dem Vorwurf, Götzenopferfleisch zu essen, wohl weniger die bewusste Ausübung heidnischer Kulte. Vielmehr sind Feiern und andere öffentliche Anlässe im Blick, an denen Christen teilnehmen und dabei während der Festmahlzeit Fleisch vorgesetzt bekommen, das mit heidnischen Opfern in Verbindung gebracht werden kann. Der Vorwurf der ‚Unzucht‘ aber ist einerseits im wörtlichen Sinne verstehbar, könnte also als unstatthaft empfundene sexuelle Kontakte zwischen Christen und Nichtchristen bezeichnen. Daneben aber kann das Verb „Unzucht treiben“ – wie schon im Alten Testament (vgl. Ri 2,17; Ri 8,27.33; Hos 2,7; Hos 4,10-19; u.a.) – auch in einem übertragenen Sinne gebraucht sein. Im Kontext der Johannesoffenbarung kann dabei v.a. auf die Umschreibung → Roms als „Hure Babylon“ in Apk 18 verwiesen werden, in der die Weltmacht angesichts ihrer politischen und ökonomischen Macht und Strahlkraft als eine auf vielen Ebenen verführerische Größe vorgestellt wird. So stehen das Unzucht treiben und der Verzehr von Götzenopferfleisch wohl für eine zu weitgehende Teilhabe von Christen am öffentlichen Leben ihrer Stadt bzw. generell an der heidnisch geprägten Alltagskultur, die aus Sicht der Johannesoffenbarung mit einem authentisch christlichen Lebenswandel nicht vereinbar ist und letztlich – wie in Num 25,1-2 – zum „Götzendienst“ führen muss. „Bileam“ steht in der Johannesoffenbarung somit für die Verführung, eine zu große Nähe zum heidnischen Umfeld zu wagen bzw. eine zu weitgehende Assimilation in die nicht-christliche Alltagskultur zu praktizieren. Die in Apk 2,14 als Lehre Bileams (dis)qualifizierten Vergehen – Unzucht treiben und Götzenopferfleisch essen – werden im Sendschreiben an die → Gemeinde von Thyatira (Apk 2,18-29) als Lehre einer Prophetin ausgewiesen, die – in Anspielung auf die Frau des alttestamentlichen Königs → Ahab – als „Frau → Isebel“ bezeichnet wird (vgl. Apk 2,20). Vor dem Hintergrund ist zu fragen, ob Bileam – ähnlich wie die „Frau Isebel“ – als Deckname für eine konkrete Person in der Gemeinde von Pergamon steht oder ob die in Apk 2,14 skizzierte Haltung von einer Gruppe der Gemeinde vertreten wird und durch Johannes dadurch disqualifiziert wird, dass er sie mit dem offensichtlich gänzlich negativ konnotierten Bileam und dessen Lehre verbindet.

3. Bileam und die Sterndeuterperikope (Mt 2,1-12)

In der Sterndeuterperikope Mt 2,1-12 sind zahlreiche Anklänge an die Bileamerzählung Num 22,2-24,25 auszumachen. So stammen die Sterndeuter – wie auch Bileam – aus dem Osten (ἀπὸ ἀνατολῶν / apo anatolōn ; vgl. Mt 2,1; Num 23,7 LXX) und kehren zum Abschluss ihres Auftretens – wie dieser – auch wieder dorthin zurück (vgl. Num 24,25; Mt 2,12). Zudem werden sie – wie Bileam – als Nichtisraeliten mit einem aus israelitischer Perspektive zumindest fragwürdigen „Beruf“ (µάγοι / magoi) vorgestellt. Das wohl wichtigste verbindende Element aber ist das Bild des → Sterns. So kündigt Bileam in seinem vierten Orakel (Num 24,15-24) eine aus seiner Perspektive zukünftige Herrschergestalt (vgl. „Zepter aus Israel“, Num 24,17) an, die sich v.a. in Siegen über die Nachbarvölker Moab und → Edom bewährt (Num 24,17-18) und deren Auftreten metaphorisch als Aufgehen eines „Sterns aus → Jakob“ (Num 24,17) beschrieben wird.

Interpretiert man nun den Stern der Weisen aus Mt 2 als einen Reflex auf den Stern in Bileams Weissagung, so ist zunächst eine messianische bzw. christologische Deutung (→ Messias / Christus) des Orakels in Num 24,15-24 anzunehmen: Das neugeborene Jesuskind, dessen Stern die → Weisen folgen, wäre somit der von Bileam angekündigte künftige Herrscher aus → Jakob / Israel. Folgt man diesem Gedankengang weiter, so sind die Weisen einerseits als Repräsentanten der Heidenwelt zu sehen, die hinzutreten, um den jüdischenMessias (vgl. Stern aus dem Haus Jakob) Jesus zu verehren. Andererseits aber bekräftigen sie die bleibende Gültigkeit der Weissagungen und Segenssprüche ihres „Vorgängers“ Bileam und betonten so implizit auch den Vorrang Israels, das ja durch Bileam unwiderruflich gesegnet wurde

Bemerkenswert ist freilich, dass die Verbindung von Mt 2,1-12 mit der Bileamepisode im Text des Mt durch den Erzähler nicht ausdrücklich, etwa durch ein „Erfüllungszitat“, hergestellt wird. So bleibt es dem Leser überlassen – angeleitet durch die sehr wohl bestehenden intertextuellen Bezüge – die nachgezeichneten Zusammenhänge im Lektüreprozess herzustellen und so tiefere Zusammenhänge im Text von Mt 2,1-12 zu erkennen.

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