Deutsche Bibelgesellschaft

(erstellt: Mai 2011)

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1. Inhalt und Datierung

Die Didache ist eher eine Kompilation von älteren Quellen und Traditionen als eine originale Komposition. Sie besteht aus vier einzelnen Blöcken: einer Zwei-Wege-Lehre (Kap. 1-6), einer liturgischen Unterweisung (Kap. 7-10), Anordnungen für die Gemeinde (Kap. 11-15) und einem eschatologischen Schlussabschnitt (Kap. 16). Die Schrift ist wohl etwa um das Jahr 100 n. Chr. für eine oder mehrere christliche Gemeinden in (West-)Syrien zusammengestellt worden, die ihr zugrunde liegenden Quellen aber sind z.T. deutlich älter.

1.1. Die Zwei-Wege-Lehre (Kap. 1-6)

Did. 1-6 bietet eine sogenannte „Zwei-Wege-Lehre“. Zwei Weisen zu leben, ethisch angemessen oder unmoralisch, werden in der Gestalt zweier alternativer Lebenshaltungen einander gegenübergestellt. Dieser Abschnitt geht auf eine jüdische Grundschrift zurück. Diese wurde, als man begann, sie als Katechese zur Vorbereitung der Aufnahme heidnischer Taufbewerber (Katechumenen) in die Didache-Gemeinde zu verwenden, u.a. durch Did 1,3b-2,1 und Did 6,2-3 erweitert.

1.2. Der liturgische Abschnitt (Kap. 7-10)

Der liturgische Abschnitt in Did. 7-10 ist mit dem vorangehenden ethischen Teil durch eine Richtlinie (7,1b) verbunden, die aussagt, dass die in den Kapiteln 1-6 dargestellte Zwei-Wege-Lehre der Hauptinhalt des Unterrichts für Katechumenen ist. Bei der → Taufe wird der Katechumene bevorzugt in kaltes, fließendes Wasser getaucht, jedoch darf auch stehendes Wasser, etwa aus einem Pfuhl oder einer Zisterne verwendet werden. Kapitel 8 bietet eine Version des → Vaterunsers, das die Mitglieder der Gemeinde dreimal täglich beten sollen. In Kapitel 9 und 10 finden sich Gebete und Vorschriften für die Eucharistie. Erstaunlicherweise findet sich hier kein Hinweis auf Tod und Auferstehung Jesu oder auf das letzte Abendmahl. Bemerkenswert ist auch, dass in dem hier bezeugten Ritus das Dankgebet über den Becher dem Brotsegen vorangeht.

Kapitel 11-15 können als Kirchenordnung bezeichnet werden. Diese lässt sich wiederum in zwei Abschnitte (Kap. 11-13 / 14-15) untergliedern:

1.3. Wandernde und sesshafte Gruppen (Kap. 11-13)

Zunächst werden → Apostel erwähnt, die die sesshaften Christen kurze Zeit besuchen (11,4-6). Sie scheinen eine ruhelose und mittellose Wanderexistenz zu führen. Auch die zweite Gruppe, die der Propheten, sind als wandernd gedacht, obgleich offenbar wenigstens einige den Wunsch haben, in der Gemeinde sesshaft zu werden (13,1-2). Im nächsten Kapitel ist der um Aufnahme bittende, reisende Christ überhaupt im Blick (12,1-5). Anders als der Prophet, der ortsansässig wird, muss er seinen Lebensunterhalt selbst verdienen. Für den Propheten gilt, dass er – in gleicher Weise wie der Lehrer (13,1-2) – durch die Gemeinde unterhalten wird. Die Kapitel 11-13 reagieren auf Probleme, die in der Zeit des Didachisten, also der Person, die die Schlussredaktion der Didache vornahm, aufgrund von Auswüchsen in Verbindung mit der Wanderexistenz von Christen entstanden. Diese Kapitel stammen direkt aus seiner Feder, während den Kapiteln 8-10 und 14-15 bereits bestehende, ältere christliche Vorlagen zu Grunde liegen.

1.4. Innergemeindliche Verhältnisse (Kap. 14-15)

Die Kap. 14-15 schließlich interessieren sich für die Verhältnisse innerhalb der Gemeinde. Dabei werden Themen wie Beichte und Versöhnung als Voraussetzung der Reinheit, die Wahl qualifizierter Männern als Bischöfe und Diakone, sowie die Frage brüderlicher Zurechtweisung berührt.

1.5. Eschatologischer Abschluss (Kap. 16)

Die abschließende Passage in Kapitel 16 enthält eine eschatologische Ermahnung, um die Befolgung der vorangehenden Maßnahmen sicherzustellen.

2. Die Absicht der Didache

2.1. Verstärkung der Identität

Die verschiedenen Abschnitte der Didache zeigen ein uneinheitliches, unterschiedliches Verhältnis zum Judentum. Nicht nur die Zwei-Wege-Lehre ist ursprünglich jüdisch; auch der Ritus der Taufe, das Vaterunser und die Mahlfeier sind stark durch Formen des täglichen jüdischen Gottesdienstes beeinflusst. Allerdings zeigen sich in Did 8,1-3; Did 9,4; Did 10,5 und Did 14,1 Gedanken, die die Gesamtschrift klar als nichtjüdisch charakterisieren. So spiegelt der Text der Didache vermutlich verschiedene Verhältnisse wider, die nur diachron erklärt werden können. Traditionelles Material einer ursprünglich noch innerjüdischen Gemeinde würde in späterer Zeit kompiliert, interpretiert und erweitert. In der Zeit der Schlussredaktion der Didache kann von einer innerjüdischen Gemeinde nicht mehr die Rede sein. Der Umgang mit den alten Traditionen hatte sich geändert, und in der Gemeinde lebten schon so viele Nichtjuden, dass man geradezu von einer → heidenchristlichen Gruppe sprechen kann. Die Didache versucht die entstehenden Spannungen zwischen nichtjüdischen und jüdischen Christen innerhalb der Ortsgemeinde zu überwinden, indem sie eine vom damaligen Judentum getrennte Identität kreiert.

2.2. Einschärfung enger Normen zur Gastfreundschaft

Daneben scheint noch ein anderer Grund hinter der Abfassung der Didache erkennbar: Zu der Zeit, da der Didachist selbst schreibt, hatte die Zahl von Wandermissionaren, seien es Apostel, Propheten (Did 11,1-12) oder sonstige reisende Christen (Did 12,1-5), offensichtlich derart zugenommen, dass es zu Missbrauch kam. Die Didache-Gemeinde musste sich gegen Schmarotzer, Betrüger und Schwindler wehren, die die Gutgläubigkeit von Christen missbrauchten und für die Sicherung ihres Lebensunterhaltes ausnutzten. In dieser Situation war es erforderlich, die Regeln der christlichen Gastfreundschaft zu schärfen; so entwickelt die Didache Normen, um die Lebensweise eindringender Wanderprediger zu kontrollieren und so zu überprüfen, ob man es mit echten Aposteln oder Propheten zu tun hatte.

3. Nachwirkung der Didache und der originalen (jüdischen) Zwei-Wege-Lehre

In den ersten fünf Jahrhunderten erhob die Didache Anspruch auf apostolische Autorität und genoss weithin hohes Ansehen. Gerade auch die ursprünglich jüdische Zwei-Wege-Lehre (ohne Did 1,3a-2,1 und Did 6,2-3) blieb lange Zeit einflussreich, diente diese ethische Unterweisung doch bis zum frühen Mittelalter als Modell für den Unterricht von Neophyten und christlichen Gläubigen.

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