Deutsche Bibelgesellschaft

Andere Schreibweise: Elkesaiten / Elchesaiten

(erstellt: September 2011)

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Begriff und Geschichte der Elchasaiten

Elchasaiten ist eine moderne Bezeichnung für frühchristliche Juden, die der Botschaft des → apokryphen Offenbarungsbuches des → Elchasai Glauben schenkten. Die ältesten Quellen für unsere Kenntnis der Elchasaiten sind die Refutatio des Hippolytus von Rom und die Kirchengeschichte des → Eusebius von Caesarea. In Ref IX 13-17 berichtet Hippolytus über das Auftreten eines gewissen Alkibiades, der kurz zuvor aus Apamea in Syrien nach → Rom gekommen war. Offensichtlich war er der Anführer einer Gruppe von Missionaren. Über das Auftreten verwandter Missionare spricht auch → Origenes in einer Predigt (zwischen 240 und 250 in Caesarea), die fragmentarisch von Eusebius in seiner Kirchengeschichte (h.e. VI 38) wiedergegeben wird.

Alkibiades forderte die Christen in Rom auf, sich beschneiden (→ Beschneidung) zu lassen und nach dem mosaischen → Gesetz zu leben. Außerdem lasen laut Origenes die Missionare in Palästina das Alte Testament ebenso wie die → Evangelien selektiv und verwarfen den Apostel → Paulus ganz. Diese Berichte zeigen, dass die Missionare christliche Juden (“Judenchristen”) waren. Hippolytus gibt der Gruppe des Alkibiades keinen Namen, Origenes jedoch nannte die Missionare in Palästina “Helkesaiten”. Die moderne Bezeichnung “Elchasaiten” ist abgeleitet von dem Namen “Elchasai”, den Hippolytus erwähnt. Er schreibt, dass Elchasai nach Alkibiades das Offenbarungsbuch irgendwo in Parthien empfangen hatte. Weil die Missionare in Palästina dem Bericht des Origenes zufolge behaupteten, dass ihr Buch aus dem Himmel gefallen war, ist es möglich, dass Alkibiades meinte, Elchasai habe das komplette Buch direkt aus der Hand eines riesigen Offenbarungsengels empfangen.

Wichtig ist weiter, dass Alkibiades nach Hippolytus erzählte, dass Elchasai das Buch “einem Sobiai” übergeben habe (Ref IX 13,2). Hippolytus hat Alkibiades hier vielleicht falsch verstanden. Möglicherweise meinte Alkibiades, dass es den Sobia – ein aramäisch-syrisches Wort für Täufer – übergeben worden war. Wenn dies zutrifft, liegt es auf der Hand, die Wasserbäder, die Alkibiades für allerhand Krankheiten vorschrieb (Ref IX 15,1-16,1; verg. X 29,3), auf die christlich-jüdische Täufersekte zurückzuführen, der er angehörte. Auch seine Ideen über wiederholte Inkarnationen Christi (Ref IX 14,1; vgl. X 29,2) können wir auf Alkibiades zurückführen. Jedenfalls gibt es keine Gründe zu vermuten, dass diese Teile seiner Lehre aus dem Offenbarungsbuch herrühren. In anderen Berichten über christlich-jüdische Täufer in syrischen und trans-jordanischen Gebieten begegnen wir vergleichbaren Ideen und Riten.

Die Missionare in Rom und in Palästina verkündigten, dass die → Sünden derjenigen, die auf das Offenbarungsbuch hörten und es glaubten, vergeben würden. Nur Hippolytus berichtet, dass diese Sündenvergebung auch für Gläubige galt, die eine schwere Sünde begangen hatten, unter der Bedingung, dass sie sich, nachdem sie das Buch gehört hatten, (nochmals) taufen ließen. Die zweite → Taufe für christliche Sünder betrachtet Hippolytus als den verwerflichsten Aspekt der von Alkibiades verkündigten Häresie. Er fügt hinzu, dass diese Idee des Alkibiades auf einen Lehrsatz des Bischofs Callistus zurückging, seines Rivalen auf dem Bischofsthron Roms (Ref IX 13,4-5). Callistus und seine “Schule” werden in dem vorangehenden Teil der Refutatio besprochen (IX 12,11-26). Faktisch ist die Verwerfung des Alkibiades wenig mehr als ein Appendix zu der sehr scharfen Polemik gegen die nach Hippolytus lasche Haltung des Bischofs Callistus christlichen Sündern gegenüber. Wahrscheinlich hat die damalige Unsicherheit in Rom über die Lage christlicher Sünder Alkibiades dazu gebracht zu verkündigen, dass selbst für schwere Sünder Vergebung möglich sei, wenn sie bereit wären, das von dem Buch vorgeschriebene Gelöbnis sieben Zeugen gegenüber auszusprechen und sich danach (zum zweiten Male) taufen zu lassen (Ref. IX 15,3). In den Berichten des Eusebius und Epiphanius finden sich keine Angaben über eine zweite Taufe.

Epiphanius zufolge war “Elxai” nicht nur der Verfasser des Offenbarungsbuches, sondern auch der Lehrer einer in seiner Zeit (zweite Hälfte des vierten Jahrhunderts) in Gebieten östlich des → Toten Meeres und des → Jordans ansässigen Sekte, die er Elkesäer oder Sampsäer nennt (Pan 53,1,2). Anderswo schreibt Epiphanius, dass er “vermute”, dass Elxai auch weitere Sekten beeinflusst habe, so unter anderen die Ebioniten (Pan 30,3,2 und 30,17,5). Seine Berichte über diese Sekten enthalten allerdings keinen einzigen klaren Hinweis, dass sie mit dem Offenbarungsbuch bekannt waren (oder dass Epiphanius seine Kenntnis des Buches diesen Sekten verdankte). Es ist deshalb sehr zweifelhaft, ob die Elkesäer/Sampsäer und die anderen von Epiphanius genannten transjordanischen Sekten in der oben gegebenen Definition Elchasaiten waren, d.h. christliche Juden, die mit dem genannten Offenbarungsbuch vertraut waren. Wahrscheinlich also hat Epiphanius auf eigene Faust eine Quelle über das Buch Elchasai mit mündlichen Hinweisen über transjordanische Sekten seiner Zeit kombiniert, die sich auf einen Lehrer beriefen, dessen Name ihn an den Namen erinnerte, der mit dem Offenbarungsbuch verbunden war. Offenbar wusste Epiphanius nicht, dass das Offenbarungsbuch in → Mesopotamien geschrieben worden war. Er schreibt aber, dass der Verfasser des Buches ein Jude war, der in der Zeit des Kaisers → Trajan gelebt hatte (Pan 19,1,4-5). Über die Lehre dieses angeblichen trans-jordanischen Lehrers wird weder in den Berichten des Epiphanius noch in irgendeiner anderen Quelle etwas Konkretes gesagt. Alles, was Epiphanius ihm zuschreibt, ist dem Offenbarungsbuch entnommen. Abgesehen von seinem mutmaßlichen Namen wissen wir also nichts von ihm.

Der sogenannte Kölner Mani-Kodex (CMC), eine erst vor einigen Jahren entdeckte Mani-Biographie, die im vierten oder fünften Jahrhundert aus älteren Quellen zusammengestellt wurde, spricht vom Leben des jungen → Mani und seinem Bruch mit – einer klösterlichen Gemeinschaft von christlich-jüdischen Täufern in Süd-Babylonien, in der auch sein Vater Pattikios lebte. Nach diesen Text beriefen die Täufer sich auf einen “Alchasaios” als ihren ehemaligen geistlichen Führer (oder ihren Stifter ἀρχηγός, CMC 94,10-11). Der Mani-Kodex enthält legendarische Geschichten über Alchasaios, die zeigen wollen, dass diese baptistische Autorität sich schon zu manichäischen Erkenntnissen bekehrt hatte (CMC 97-99).

Im Kitab al-Fihrist, einer arabischen Enzyklopädie aus dem zehnten Jahrhundert, wird “al-Hasih” das Haupt von südbabylonischen Täufern genannt. Aber im Mani-Kodex und dem Fihrist heißen die Täufer nicht Elchasaiten oder Elkesäer und ihre Berichte geben keinen Anlass zu vermuten, dass die Täufer durch das Buch, das in patristischen Quellen mit dem Namen des “Elchasai”/“Elxai” verbunden wird, beinflusst waren. Deshalb können sie kaum als Elchasaiten in dem oben genanten Sinne betrachtet werden. Es ist aber möglich, dass es einen historischen Zusammenhang mit der trans-jordanischen Sekte gegeben hat, die sich nach Epiphanius auf einen Lehrer Elxai bezog.

Literaturverzeichnis

  • Brandt, W., 1912 (Neuauflage Amsterdam 1972), Elchasai. Ein Religionsstifter und sein Werk, Leipzig.
  • Jones, F. S., 1996, The Genre of the Book of Elchasai: A Primitive Church Order, Not an Apocalypse, in: A. Özen (Hg.), Historische Wahrheit und theologische Wissenschaft: Gerd Lüdemann zum 50. Geburtstag. Frankfurt, 87-104
  • Koenen, L./ Römer, C., 1988, Der Kölner Mani-Kodex. Über das Werden seines Leibes, Opladen
  • Luttikhuizen, G. P., 1985, The Revelation of Elchasai: Investigations into the Evidence for a Mesopotamian Jewish Apocalypse of the Second Century and its Reception by Judaeo-Christian Propagandists (TSAJ 8), Tübingen
  • Luttikhuizen, G. P., 2005, Elchasaites and their Book, in: A. Marjanen/ P. Luomanen (Eds.), A Companion to Second-Century Christian “Heretics”, Leiden/ Boston, 335-364
  • Luttikhuizen, G. P., 2006, The Baptists of Mani’s Youth and the Elchasaites, in: id., Gnostic Revisions of Genesis Stories and Early Jesus Traditions, Leiden/Boston, 170-184
  • Merkelbach, R., 1988, Die Täufer, bei denen Mani aufwuchs, in: P. Bryder (Hg.), Manichaean Studies. Proceedings of the First International Conference on Manichaeism, Lund, 105-133
  • Strecker, G., 1959, Elkesai, RAC IV, col. 1171-1186

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