Erzählende Gattungen / Textsorten (NT)
(erstellt: Dezember 2008)
Permanenter Link zum Artikel: https://bibelwissenschaft.de/stichwort/46452/
1. Definition
1.1. Gattung und Textsorte
Gattungen bezeichnen neutestamentliche Erzähl- und Argumentationsmuster, Formen deren individuelle Ausprägung im Kontext eines neutestamentlichen Buches und in dessen Traditionen. Der klassische, literaturwissenschaftliche Begriff Gattung wurde in der linguistischen Wende der 70er Jahre von dem texttheoretischen Begriff Textsorte ersetzt (Gülich / Raible 1972). Die Anforderungen an beide Begriffe sind ähnlich. Die Gattung kann zum einen die drei „Naturformen der Poesie“ (Goethe) als Grund-Gattungen bezeichnen: Epik, Lyrik, Drama, zum andern „Dichtarten im einzelnen“ als Einzelgattungen (Wilpert, 279f). Deren Einteilung erfolgt nach formalen und inhaltlichen Gesichtspunkten, die die Einzelsprachen übergreifen. Auch die Textsorte ist eine „Teilmenge von Texten, die sich durch bestimmte relevante gemeinsame Merkmale beschreiben und von anderen Teilmengen von Texten abgrenzen lassen“ (Stammerjohann, 496).
Der Unterschied besteht darin, dass der klassische Gattungsbegriff auf Dichtung und innere Form fokussiert ist, − „jede schematische Abgrenzung und Systematisierung…verkennt somit ihr Wesen“ (Wilpert, 280) −, der Textsorten-Begriff dagegen jede Form von Sprechen, also Dichtung, Gebrauchsliteratur und Alltagskommunikation erfasst und sprachübergreifend beschreibt. Nun hatten bereits Anfang des 20. Jh.s die Volkstumforschung und die biblische Formgeschichte die mündliche und schriftliche Gebrauchs- und Alltagsliteratur zum Gegenstand der Gattungs-Klassifikation gemacht. Die Definitionsgeschichte biblischer Gattungen strebt daher zunehmend wie die linguistische Definition von Textsorten objektive Differenzierungskriterien an (Richter).
Da andererseits die Textlinguistik noch nicht eindeutige Kriterien liefern kann, mit denen sich „intuitiv gegebene Textsorten vollständig beschreiben und differenzieren“ lassen (Gülich / Raible 1972, 5), kann die Definition von Textsorten zurückgestellt werden (Wienold, 208-211). In der Exegese können daher Gattung und Textsorte synonym gebraucht werden, wenn beiden Begriffen empirisch überprüfbare Differenzierungskriterien abverlangt werden.
Die natürlichen Grundgattungen Epik, Lyrik, Drama lassen sich auf die pragmatischen Sprechhaltungen Erzählen (Epos, Prosa) und Besprechen (Lyrik, Drama) zurückführen. Weinrich teilt die Tempora einer Sprache in 2 Gruppen ein: Tempus I (Praesens, Perfekt, Futur) als besprechendes und Tempus II (Imperfekt / Präteritum, Plusquamperfekt) als erzählendes Tempus (Weinrich1971, 18-20). Zu den Tempora treten als zweites Kriterium die grammatischen Personen des Verbs hinzu. Ich / Wir als Sender, Du / Ihr als Empfänger und die 3. Person als Restkategorie, als besprochene oder erzählte Welt, erzeugen die sprachliche Kommunikation (Weinrich 1976, 45-53). In einer Sprech-Lesesituation geschieht die Leserlenkung zum einen durch die Syntax, d.i. die Form, zum andern durch die Multivalenz der Semantik, die den Leser anleitet, aus den begrenzten Bedeutungsangeboten selbständig eine eigene Wahl zu treffen und dem Text eine subjektive Bedeutung zu geben, zum dritten durch die direkten und indirekten Anreden der Pragmatik, d.i. die Wirkung des Textes als Modell auf den Leser.
1.2. Erzählen
Eine Erzählung unterscheidet sich vom Besprechen darin, daß 1. aktive Handlungsträger auftreten, 2. eine Ereignis- oder Handlungsfolge notwendig ist, 3. das Erzählen die Vergangenheit bevorzugt, das Besprechen die Gegenwart (Stammerjohann,113; Dormeyer 1979, 94-99).
Die kleinste Einheit der Ereignisfolge bildet die Sequenz. Sie besteht aus 3 Phasen: 1. Zustand in Virtualität ohne oder mit beginnender Veränderung des Zustands, 2. Gegenaktion als Aktionsaktivierung oder Aktionswechsel, 3. Neuer Zustand (Bremond, 200-201;Todorov, 60; Davidsen, 34-45).
Die entscheidenden Kategorien, die eine Veränderung von Handlung ermöglichen und sichtbar machen, sind Zeit, Raum und Umstände (Kahrmann, 146 ff.) Sie bilden eine Welt, die von der Erzählung als Faktualität oder Fiktion hergestellt wird (Dormeyer 1993, 59-62; Backhaus / Häfner). Weitere Elemente sind Handlungsbereich-Rollen (Aktanten) (Propp, 79 ff.) und semantische Felder (Eco 1972, 89).
Jesus verwendet nach dem NT nur mündliche Gattungen der Erzähl- und Argumentationssprache. Formen und Gattungen unterliegen dem Traditionsprozess und bilden zugleich das Kontinuum zum vorösterlichen Jesus.
In den späteren schriftlichen Großgattungen bleiben die Gattungen weitgehend erhalten, während die Formen der Gattung vom Autor autonom umgestaltet werden.
Die Perikopeneinteilung von Aland / Nestle (26. Aufl.) lässt sich mit Elementarsequenzen (Bremond, 200 f) oder Basissequenzen der neutestamentlichen Erzählbücher weitgehend gleichsetzen, da den Perikopen die erkennbar bleibenden Abgrenzungen der Klein-Gattungen zugrundegelegt worden sind (Davidsen, 375 ff).
Eine Erzählung bildet eine Hierarchie von Kommunikationsebenen.
Die erste Ebene der Kommunikation wird aufgrund des bekannten Axioms gebildet, daß bei jedem Kommunikationsakt ein Sprecher S1 einem Hörer H1 den Text mitteilt (Gülich / Heger / Raible, 81).
Metakommunikative Sätze gliedern den Text, insbesondere bei Erzählbüchern die Eröffnung und den Schluß (Eisen 2005). Sie schaffen so die metakommunikative Ebene 0 zwischen Sprecher und Hörer. Die Handlung der im Text dargestellten Personen bildet die Ebene 1. Da das Modell sprachlicher Kommunikation im Text wieder abgebildet werden kann, entsteht die neue Ebene 2 der direkten und indirekten Rede (Genette, 163); denn jetzt übermittelt der Erzähler nicht mehr die Handlung direkt dem Hörer, sondern die erzählten Figuren beeinflussen und deuten durch Rede ihre mitgeteilten Handlungen. Eine Übereinstimmung mit der textexternen Ebene besteht nicht; d.h. der Autor identifiziert sich nicht automatisch mit dem Handeln und den metasprachlichen Überlegungen der erzählten Figuren und bildet auch nicht die textexterne Welt ungebrochen ab. Erzählsequenzen selektieren, komprimieren, erweitern und fingieren Neues bei der Wiedergabe textexterne Ereignisse sowohl bei intendierter wahrheitsgemäßer Wiedergabe als auch bei poetischer freier Gestaltung (Dijk).
Der Leser wiederum kann sich mit einzelnen Rollen und mit der Autorperspektive identifizieren. Beim Erzähltext in den Erzählwerken und Briefen spricht der allwissende oder verdeckte Autor über den impliziten Leser, der die Antizipation des Lesers durch den Autor ist, den realen Leser an. Der implizite Autor schafft und lenkt die Erzähl-Rollen in „allwissender“ oder in „verdeckter“ Weise (Zwick, 42-53). Die literarische Gestaltung der Rollen lässt Rückschlüsse auf die Intentionen des realen Autors zu. Will er die Charaktere gut oder böse, komplex oder flach darstellen? Andererseits überprüft der reale Leser als impliziter Autor, wie der reale Autor die Erzählrollen mit den Erfahrungen des realen Lesers verknüpft hat. Handelt es sich um eine reale oder irreale/phantastische Geschichte für die Erfahrungswelt des realen Lesers (Todorov, 25ff.), um eine erfahrungsferne oder eine erfahrungsnahe Christologie?
Die Identifikation mit den Erzählrollen investiert durch Konnotationen reale Lebenserfahrung in den Text und lässt umgekehrt die Textwelt auf reale Rollen-Erfahrungen einwirken (Ricoeur). Der Leser soll seine Lebenserfahrung bestätigen, erweitern und verändern, „umkehren“ (Apg 2,38
2. Mündliche jesuanische und apostolische Erzähl- Gattungen / Textsorten
2.1. Jesuanische Gleichnisse
Ausgearbeitete Gleichniserzählungen sind im AT selten (2Sam 12,1-15
Jesus gehört zu der ersten Generation der jüdischen Schriftgelehrten, die aus diesen Traditionssträngen Gleichnisse schufen, die in den Schatz der Weltliteratur eingegangen sind. Es sind Parabeln und Allegorien / Allegoresen zu unterscheiden, während die weitere Unterteilung der Parabeln nach Jülicher (1899) in Gleichnisse im engeren Sinne und Beispielgeschichten problematisch ist (Jülicher, 1,111f.). Die Beispielerzählung bildet nach neuerem Konsens keine eigene Gattung; sie gehört nicht zum griechischen historischen Exemplum, sondern ist der fiktiven Parabel zuzurechnen (Berger, 1114; Harnisch, 84-97; Rau; Dormeyer 1993, 146f.; Zimmermann 2007). Das Gleichnis im engeren Sinn wiederum lässt sich nicht auf eine typische, sich immer wiederholende Handlungsfolge aus dem Alltagsleben oder der Natur mit dem Präsens und Futur als Tempus und die Parabel auf einen Einzelfall exakt festlegen (Jülicher, 2,2). Daher wird neuerdings gegen Jülicher mit der anglo-amerikanischen Parabelforschung auf die Untergattung „Gleichnis im engeren Sinne“ verzichtet (Donahue; Zimmermann 2007, 19-23). Allegoresen lösen das Erzählgerüst in eine Aneinanderreihung von Einzelübertragungen auf; sie gehören zu den Auslegungsmethoden und sind als sekundäre Bearbeitungen jesuanischer Gleichnisse der nachösterlichen Zeit zuzurechnen. Auch die Allegorie ist keine eigene Untergattung, sondern gehört zum Stil und kann als „durchgehende Anwendung von Metaphern“ (Quintillian, Institutiones 8,6,44) ein ursprünglicher Bestandteil von Erzählungen sein (Klauck, 32-132); Parabeln sind Erzählungen mit allegorischen Anteilen (Erlemann, 85-94). „Bildfeldtradition“ ersetzt gegenwärtig den weiten antiken Begriff „Allegorie“ und ermöglicht es, die joh Bildworte und -reden in die Parabel-Auslegung miteinzubeziehen (Busse, 273-403; Zimmermann 2007; Dormeyer 2008, 422-425; Poplutz, 73-81).
Jesu Gleichnisse lassen sich in eine „Bildhälfte“ und eine „Sachhälfte“ unterscheiden. Der Leser hat die springenden Punkte in der Bildhälfte zu finden und in die theologische Sachhälfte der Verkündigung Jesu zu übertragen. Gleichzeitig symbolisieren viele Gleichnisse in ihrer Erzählgestalt eine Realisierungsmöglichkeit der Gottesherrschaft, so dass der Leser auf eine textimmanente Lektüre verwiesen wird. Textimmanenz und Erzählsituation stehen in Wechselbeziehung.
2.2. Apophthegma / Chrie
Das Gespräch wurde im Alten Testament in unterschiedlichen Formen wiedergegeben. Das Schema der neutestamentlichen Tradition zeigt aber auffallende Ähnlichkeit zur knappen griechischen Chrie. Auch die frührabbinischen Gespräche haben sich der Chrie angeglichen (Robbins). Unter formalem und semantischem Gesichtspunkt lassen sich drei Gruppen von Apophthegmen unterscheiden:
1. Das Streitgespräch zwischen Jesus als apokalyptischem, prophetischem Weisheitslehrer und seinen Gegnern; 2. das Schulgespräch zwischen Jesus und seinen Anhängern; 3. das biographische Apophthegma von Jesus und anderen bedeutenden Personen wie Johannes dem Täufer und den Aposteln (Bultmann, 39-73).
Ob sich die Intention der Chrie auf den vorösterlichen Jesus zurückführen läßt, muß im Einzelfall immer geprüft werden. Kürze und Länge der neutestamenlichen Apophthegmen entsprechen der Formenbreite der griechischen Chrien (Mack/ Robbins, 6f).
2.3. Symposion-Gespräche / Reden
Apophthegmen und Reden können auch im Rahmen eines Gastmahl stattfinden. Eine knappe Exposition nennt den Gastgeber, die Annahme der Einladung und die Situation. Eine Beobachtung, ein Zwischenfall oder eine kritische Frage initiieren das Tischgespräch. Die personelle Rangordnung wird umgekehrt. Nicht der Hausherr, sondern Jesus leitet die Diskussion (Prostmeier, 96). Nur bei den Herrenmahldarstellungen ist Jesus beides, Hausherr und Gesprächsleiter (Mk 14,18-25
2.4. Wundergeschichten
Wundergeschichten sind besonders in der alttestamentlichen Exodus-Tradition und in den alttestamentlichen Erzählzyklen zu den Propheten Elija-Elisa enthalten (1Kön 17,1-2 Kön 14,21). Die dort berichteten Wunder wirken auf die neutestamentlichen, griechischen Wundergeschichten ein, die unter anderem auf den Stelen des Asklepiosheiligtums in Epidauros belegt sind (Herzog).
Nach den Tätigkeitsbereichen des Wundertäters lassen sich die Wunder unterscheiden in Therapien, Exorzismen und Naturwunder, die sich wiederum als Rettungswunder und Geschenkwunder differenzieren (Theißen 1974, 90-126). Die Wundergeschichten sind nachösterliche Bildungen, die ihren Haftpunkt in der charismatischen Therapie- und Exorzismustätigkeit des vorösterlichen Jesus haben (Weiser). Seine Heilungen und Dämonenaustreibungen symbolisieren den Anbruch der Gottesherrschaft, die die Macht der Dämonen bricht, welche Besessenheit und Krankheit verursachen: „Wenn ich aber die Dämonen durch den Finger Gottes austreibe, dann ist die Gottesherrschaft zu euch gekommen“ (Ich-Wort Lk 11,20
Die befreiende Erinnerung an Jesu Heiltätigkeit wird nach Ostern um den Grenzbereich des Todes und der auf die Menschen einwirkenden Naturmächte erweitert. Von Erweckungen aus dem Tod, dem mächtigsten Dämon, wird aber nur dreimal erzählt; der Wundervorgang in den Naturereignissen bleibt knapp und unanschaulich. Diese Geschichten übertragen die Macht des Auferstandenen über Tod und Kosmos auf den irdischen Jesus zurück. Als Träger des Geistes Gottes und endzeitlicher Christus überragt er die anderen jüd. und hell. Wundertäter. Die Brechung der Dämonenmacht erfaßt den gesamten Kosmos und ermöglicht eine einmalig neue, ganzheitliche, unwiderrufbare Heilung von Mensch und Welt. Die Fähigkeit zu Wunderheilungen geht nach Ostern auf einzelne Charismatiker der Gemeinde über (1Kor 12,9
2.5. Passionsgeschichten
Die Passionsgeschichten der Ev. stehen in der Linie der frühjüd. Martyrien (Martyrium Jesajas; 2Makk 6
2.6. Angelophanien, Theophanien, Christophanien
Angelophanien (Engelserscheinungen) und Theophanien (Gottesescheinungen) finden sich besonders in den frühen Überlieferungen der Schrift (Gen, Ex, Ri), in den Prophetenbiographien und in der späten Apokalyptik (Dan). Gott bringt sich in diesen Texten durch einen Engel oder durch ein Naturereignis zur Erfahrung (Bösen 1999). In den neutestamentlichen Geburtsankündigungen wirkt das Formschema der alttestamentlichen Geburtsankündigung besondes deutlich nach: 1. Ansage von Schwangerschaft und Geburt, 2. Auftrag der Namensgebung, 3. Begründung (Gen 16,7-16; Ri 13,2-24 u.ö.)(Beck). Die Angelophanie dient außerdem der Gestaltung der Tradition vom Gang der Frauen zum Grab Jesu (Mk 16,1-8 parr. Bösen 2006, 177-182).
Theophanien sind auch dem Hellenismus bekannt. Aber die Form der neutestamentlichen Erscheinungen weist deutlich auf die atl. Vorbilder zurück. Es geht um zentrale Offenbarung des Heilshandelns Gottes an Jesus von Nazaret. Taufe und Verklärung werden daher als Gotteserscheinungen dargestellt. Auf die Auferstehungsexistenz Jesu wird folgerichtig die Epiphaniegattung übertragen, so daß Christophanien entstehen. Die fiktionale Gestaltung der Erscheinungsgeschichten ermöglicht es, Auferstehungskerygma und und Interaktionserfahrungen wie Grablege, Erinnerung, Lehre und Herrenmahl miteinander zu verschränken im Gang der drei Frauen zum leeren Grab (Mk 16, 1-8 parr.), in der Erscheinung Jesu vor Frauen (Mt 28,9-10; Joh 20,11-18), vor den beiden Emmausjüngern (Lk 24, 13-35) und vor dem Jüngerkreis (Lk 24, 36-53; Mt 28,16-20; Joh 20,19-29; 21,1-23).
2.7. Geburtsgeschichten und Verfolgung des Thronprätendenten
Erst spät kommen in der mündlichen Traditionsbildung die Kindheitsgeschichten auf. Anregung geben die Geburtsankündigungen und –verkündigungen der Schrift, aber auch die Kindheitsgeschichten des Hellenismus. Am Mose-Roman des Josephus (Antiquitates 2,9) zeigt sich die Einwirkung hell. Biographieschreibung auf die Ausgestaltung der biblischen Tradition. Die Verfolgung des Thronprätendenten und das wunderbare Sternzeichen bei der Geburt weisen in Mt 2 deutliche Parallelen zur antiken Biographie auf (Luz). In der lk. Kindheitsgeschichte (Lk 2,1-20) ist die Parallele zur Proklamation des kaiserlichen Geburtstages ebenfalls deutlich, wie die Inschrift von Priene oder die 4. Ekloge von Vergil sie vornehmen. Die Beziehung zur Schrift bleibt durch das Hirtenmilieu und die Kindheitsgeschichte des Johannes des Täufers gewahrt (Lk 1,5-25; 57-80), zu der in überbietender Parallelität die Kindheitsgeschichte Jesu hinzukomponiert ist (Lk 1,26-38; 39-56; 2,1-20; 21-40). Diese späten Erzählgattungen schufen Raum, die nachösterlichen Hoheitstitel Christus und Sohn Gottes auf den Zeitpunkt der Empfängnis und Geburt des irdischen Jesus zurückzudatieren. Späteres Schicksal und universale Bedeutung Jesu Christi wurden prologartig, der hell. Biographie entsprechend, den Traditionen vom öffentlichen Auftreten vorangestellt.
2.8. Itinerar
Die Aneinanderreihung von Stationsangaben und Reisenotizen zu einem Itinerar ist als mündliche Traditionsvorlage der Paulusreisen im „Wir“-Stil in der Apg (Apg 16-21
2.9. Sammelberichte und Summarien
Sammelberichte sind Zusammenfassungen und Typisierungen der Tätigkeiten von Hauptpersonen in episodischen und iterativen Formen. Diese Gattung ist besonders geeignet, Intentionen und Kommentare eines Buchautors und eines Erzählers der Tradition zu bündeln (Mk 1,32-34
3. Schriftliche neutestamentliche Literatur
3.1. Evangelium
3.2.1. Das Spruch-Evangelium
Das Spruch-Evangelium Q ist im apostolischen Viererkanon von den Erzähl-Evangelien MtEv und LkEv aufgesogen worden. Gegenüber der lockeren Sammlung von Herrenworten stellt Q eine literarische und theologische Konzeption dar. Es handelt sich um ein weisheitliches Spruchbuch bzw. Spruch-Evangelium, in das prophetische Worte und Handlungen, apokalyptische Partien und Menschensohn-Worte eingefügt sind. Die Aussagen von Passion und Tod fehlen.
3.2.2. Das Erzähl-Evangelium
Für die Entstehung des Erzähl-Evangeliums sind sondersprachliche Eigenentwicklungen und zugleich analoge Einflüsse benachbarter Literaturgattungen bestimmend. Das Zusammenwachsen der Jesus-Traditionen zu einer Rahmenhandlung, die beim Mk-Ev mit der Einsetzung zum Sohn Gottes beginnt und mit der Auferweckung abschließt, bildet einen biographischen Spannungsbogen. Göttliches Offenbarungshandeln und die Interaktionen zwischen den menschlichen Akteuren stehen zueinander in Wechselbeziehungen. Analogien sind in den alttestamenlichen Prophetenbiographien und in den hell. Biographien zu finden.
3.2. Geschichtsschreibung
Mit der Apg greift das Lk-Ev die pathetische Geschichtsschreibung in Parallele zu 2 Makk auf. Apg stellt in idealtypischer Weise die Ausbreitung des Logos von Jesu Worten und Taten von der Urgemeinde in Jerusalem bis zur Reichshauptstadt Rom vor. Besonders Paulus steht als Werkzeug, Zeuge und Apostel des Auferstandenen im Mittelpunkt der Heidenmission (Apg 13-28
3.3. Apokalypsen
Die Wurzeln der Apokalyptik reichen in die Prophetie und Weisheit der Schrift (Dan) zurück, nehmen aber auch außerjüdische Einflüsse auf wie die babylonische Astrologie, den iranischen Dualismus, die hellenistische Orakelliteratur. In den synoptischen Evangelien finden sich lange apokalyptische Reden Jesu: Mk 13
4. Zusammenfassung
Die mündlichen und schriftlichen biblischen Gattungen nahmen die Reichhaltigkeit der hell. Prosa-Literatur auf und schmolzen sie in die biblische Sprachwelt ein. Sie schufen einen theologischen und literarischen Kosmos, der sich in Konkurrenz zur hell. Literatur etablieren und behaupten konnte. Zugleich wirkten sie mit ihren Veränderungen auf die hell. Literaturwelt ein.
Literaturverzeichnis
Einzelstudien
- Albertz, M., 1921, Die synoptischen Streitgespräche. Ein Beitrag zur Formengeschichte des Urchristentums, Berlin
- Backhaus, K. / Häfner, G. (Hg.), 2007, Historiographie und fiktionales Erzählen, Neukirchen
- Beck, E., 2.Aufl. 1979, Gottes Sohn kam in die Welt, Sachbuch zu den Weihnachtstexten, Stuttgart
- Berger, K., 1984, Hellenistische Gattungen im Neuen Testament, in: ANRW II 25.2,1031-1432, 1231-1245
- Bösen, W., 1999, In Bethlehem geboren. Die Kindheitsgeschichten der Evangelien, Freiburg
- Bösen, W., 2006, Auferweckt gemäß der Schrift, Freiburg
- Bremond, C., Die Erzählnachricht (frz. 1964), in: J. Ihwe (Hg.), Literaturwissenschaft und Linguistik, Bd. 3, Frankfurt 1972, 177 - 218
- Bultmann, R., 10. Aufl. 1975, Die Geschichte der synoptischen Tradition, Göttingen
- Buschmann, G.1994, Martyrium Polycarpi − Eine formkritische Studie. Ein Beitrag zur Frage nach der Entstehung der Gattung Märtyrerakte (BZNW 70), Berlin / New York
- Busse, U., 2002, Das Johannesevangelium. Bildlichkeit, Diskurs und Ritual. Mit einer Bibliographie über den Zeitraum 1986-1998, Leuven 2002
- Conzelmann, H. / Lindemann, A., 11.Aufl. 1995, Arbeitsbuch zum Neuen Testament (UTB 52), Tübingen
- Davidsen, O., 1993, The Narrative Jesus. A Semiotic Reading of Mark's Gospel, Aarhus
- Deißmann, A., 4. Aufl. 1923, Licht vom Osten. Das Neue Testament und die neuentdeckten Texte der hellenistisch-römischen Welt, Tübingen
- Dibelius, M., 3. Aufl. 1959, Die Formgeschichte des Evangeliums, Tübingen
- Dibelius, M., 1953, Aufsätze zur Apostelgeschichte, Göttingen
- Dijk, T. A. van, 1980, Textwissenschaft. Eine interdisziplinäre Einführung (niederl. 1978; dtv Wissenschaft 4364), München
- Donahue, J.R., 1988, The Gospel in Parable: Metaphor, Narrative and theology in the Synoptic Gospel, Philadelphia
- Dormeyer, D., 1974, Die Passion Jesu als Verhaltensmodell. Literarische und theologische Analyse der Traditions- und Redaktionsgeschichte der Markuspassion (NTA 11), Münster
- Dormeyer, D., 1979, Der Sinn des Leidens Jesu. Historisch-kritische und textpragmatische Analysen zur Markuspassion (SBS 96), Stuttgart
- Dormeyer, D., 1993, Das Neue Testament im Rahmen der antiken Literaturgeschichte. Eine Einführung, Darmstadt
- Dormeyer, D., 2. Aufl. 2002, Das Markusevangelium als Idealbiographie von Jesus Christus, dem Nazarener (SBB 43), Stuttgart
- Dormeyer, D., Gleichnisse als narrative und metaphorische Konstrukte - sprachliche und handlungsorientierte Aspekte, in: R. Zimmermann / G. Kern (Hgg.), Hermeneutik der Gleichnisse Jesu (WUNT 231), Tübingen 2008, 420-438
- Dormeyer, D., 2009, Die Gattung der Apostelgeschichte, in: J. Frey / C. K. Rothschild / J. Schröter: Die Apostelgeschichte im Kontext antiker und frühchristlicher Historiographie (BZNW), Berlin, 26 MS.
- Ebner, M. / Schreiber, S. (Hgg.), 2008, Einleitung in das Neue Testament. Stuttgart
- Eco, U.,1972, Einführung in die Semiotik (ital. 1968; UTB 105), München
- Eco, U., 3. Aufl. 1998, Lector in fabula, München
- Eisen, U., 2005, The Narratological Fabric of the Gospels, in: J. C. Meister / T. Kindt / W. Schernus (Hgg.): Narratology beyond Literary Criticism, Mediality, Disciplinarity, Berlin, 195-213
- Genette, G., 1994, Die Erzählung (UTB für die Wissenschaft), München
- Erlemann, K., 1999, Gleichnisauslegung. Ein Lehr- und Arbeitsbuch (UTB 2093), Tübingen / Basel
- Gülich, E. / Raible, W., 1972, Textsorten. Differenzierungskriterien aus linguistischer Sicht, Frankfurt a. M.
- Gülich, E. / Raible, W., 1973, Linguistische Textmodelle. Grundlagen und Möglichkeiten (UTB 130), Stuttgart
- Gülich, E. / Heger, K. / Raible, W., 1979, Linguistische Textanalyse. Überlegungen zur Gliederung von Texten, Hamburg
- Harnisch, W., 1985, Die Gleichniserzählungen Jesu (UTB 1343), Göttingen
- Herzog, R., Die Wunderheilungen von Epidauros, Leipzig 1931
- Hoffmann, P. / Heil, C. (Hgg.), 2002, Die Spruchquelle Q. Studienausgabe, Darmstadt
- Holtz, G., 1996, Der Herrscher und der Weise im Gespräch. Studien zu Form, Funktion und Situation der neutestamentlichen Verhörgespräche und der Gespräche zwischen jüdischen Weisen und Fremdherrschern (ANTZ 6), Berlin
- Jülicher, A., 1976, Die Gleichnisreden Jesu, Bde I-II, Darmstadt
- Kahrmann, C. u.a., 1977, Erzähltextanalyse. Eine Einführung in Grundlagen und Verfahren (2 Bde.), Frankfurt
- Kelber, W.H., 1992, Die Anfangsprozesse der Verschriftlichung im Frühchristentum, ANRW II 26,1, 3-62
- Klauck, H.J., 1978, Allegorie und Allegorese in synoptischen Gleichnistexten (NTA NF 13), Münster
- Kertelge, K. (Hg.), 1988, Der Prozeß gegen Jesus. Historische Rückfrage und theologische Deutung (QD 112), Freiburg u. a. 1988.
- Knoch, O., 1986, Dem, der glaubt, ist alles möglich. Die Botschaft der Wundererzählungen der Evangelien, Stuttgart
- Koch, D.A., 1975, Die Bedeutung der Wundererzählungen für die Christologie des Markusevangeliums (BZNW 42), Berlin
- Kollmann, B., 1996, Jesus und die Christen als Wundertäter (FRLANT 170), Göttingen
- Kunath, S., 1977, Antike Parallelen zu den Wundergeschichten im Neuen Testament (Göttinger Quellenhefte 4), Göttingen
- Küchler, M., 1979, Frühjüdische Weisheitstraditionen. Zum Fortgang weisheitlichen Denkens im Bereich des frühjüdischen Jahweglaubens (OBO 26), Göttingen
- Kügler, J., 1997, Pharao und Christus? Religionsgeschichtliche Untersuchung zur Frage einer Verbindung zwischen alltägyptischer Königstheologie und neutestamentlicher Christologie im Lukasevangelium (BBB 113), Bodenheim
- Leipoldt, J. / Grundmann, W., 1965-1967, Umwelt des Urchristentums, 3 Bde., Berlin
- Luz, U., Das Evangelium nach Matthäus (EKK I 1), Zürich/ Braunschweig 1985
- Mack, B.L., 1988, A Myth of Innocence. Mark and Christian Origins, Philadelphia
- Mack, B.L. / Robbins, V. K., 1989, Patterns of Persuasion in the Gospels, Sonoma
- Mohr, T.A., 1982, Markus- und Johannespassion. Redaktions- und traditionsgeschichtliche Untersuchung der markinischen und johanneischen Passionstradition (AThANT 70), Zürich
- Mommsen, Th., 2. Aufl. 1995, Römisches Strafrecht (1899), Darmstadt
- Müri, W. (Hg.), 1986, Der Arzt im Altertum, München / Zürich
- Musurillo, H.A., 1954, The Acts of the Pagan Martyrs. Acta Alexandrinorum, Oxford
- Myllykoski, M., 1991, Die letzten Tage Jesu. Markus und Johannes, ihre Traditionen und die historische Frage, Bd. 1 (Annales Academiae Scientarum Fennicae B 256), Helsinki
- Onuki T., 1997, Sammelbericht als Kommunikation. Studien zur Erzählkunst der Evangelien (WMANT 73), Neukirchen
- Pesch, R. (Hg.), 1981, Zur Theologie der Kindheitsgeschichten. Der heutige Stand der Exegese, München / Zürich
- E. Plümacher, 1972, Lukas als hellenistischer Schriftsteller. Studien zur Apostelgeschichte (SUNT 9), Göttingen
- Pokorný, P / Heckel, U., 2007, Einleitung in das Neue Testament. Seine Literatur und Theologie im Überblick (UTB 2798), Tübingen
- Poplutz, U., 2008 , Parabelauslegung im Kompendium der Gleichnisse Jesu. Reflexion der Methodenschritte und exemplarische Exegese von Joh 3,29f., in: R. Zimmermann / G. Kern (Hgg.), Hermeneutik der Gleichnisse Jesu (WUNT 231), Tübingen, 64-87
- Propp, W., 1975, Morphologie des Märchens (russ. 1. Aufl. 1928, 2. Aufl. 1969), München
- Prostmeier, F.R., 2008, „Symposion - Begegnung -Rettung. Lukas und seine narrative Theologie“, in: L. Hauser / F. R. Prostmeier / C. Georg-Zöller (Hgg.), Jesus als Bote des Heils. Heilsverkündigung und Heilserfahrung in frühchristlicher Zeit (FS. D. Dormeyer; SBB 60), Stuttgart, 95-122
- Rau, E., 1990, Reden in Vollmacht. Hintergrund, Form und Anliegen der Gleichnisse Jesu (FRLANT 149), Göttingen
- Reiser, M., 2001, Sprache und literarische Formen des Neuen Testaments (UTB 2197), Paderborn
- Reitzenstein, R., 2. Aufl. 1963, Hellenistische Wundergeschichten, Darmstadt
- Richter, W.,1971, Exegese als Literaturwissenschaft, Göttingen
- Ricoeur, P., Erzählung, Metapher und Interpretationstheorie, ZThK 84, 232-254
- Robbins, V.K., 1984, Jesus the Teacher. A Socio-Rhetorical Interpretation of Mark, Philadelphia
- Roloff, J., 1995, Einführung in das Neue Testament (reclam 9413), Stuttgart
- Roloff, J., 7. Aufl. 1999, Neues Testament, Neukirchen
- Schröter, J., 1997, Erinnerung an Jesu Worte. Studien zur Rezeption der Logienüberlieferung in Markus,
- Snodgras, K., 2008, Stories with Intent: A Comprehensive Guide to the Parables of Jesus, Grand Rapids
- Söding, T., 1998, Wege der Schriftauslegung
- Stammerjohann, H. (Hg.), 1975, Handbuch der Linguistik, Darmstadt
- Strecker, G., 1992, Literaturgeschichte des Neuen Testaments (UTB 1682), Göttingen
- Suhl, A. (Hg.), 1980, Der Wunderbegriff im Neuen Testament (Wege der Forschung 295), Darmstadt
- Surkau, H.W., 1938, Martyrien in jüdischer und frühchristlicher Zeit (FRLANT 54), Göttingen
- Tannehill, R.C., 1984, Types and Functions of Apophthegms in the Synoptic Gospels, ANRW 25,2, 1792 - 1829.
- Theissen, G.,1974, Urchristliche Wundergeschichten (StNT 8), Gütersloh
- Theissen, G. / März, A., 1996, Der historische Jesus
- Theissen, G., 2007, Die Entstehung des Neuen Testaments als literaturgeschichtliches Problem, Heidelberg
- Todorov, T., 1972, Die Grammatik der Erzählung (frz. 1971), in: H. Gallas (Hg.): Strukturalismus als interpretatives Verfahren, Darmstadt, 57 - 73
- Todorov, T., 1975, Einführung in die fantastische Literatur [frz. 1970], München
- Trummer, P., 1991, Die blutende Frau. Wunderheilung im Neuen Testament, Freiburg u. a.
- Vielhauer, P., 1975, Geschichte der synoptischen Literatur
- Weinreich, O., 1969, Antike Heilungswunder. Untersuchungen zum Wunderglauben der Griechen und Römer, (Gießen 1909) Nachdruck Berlin
- Weinrich, H., 2. Aufl. 1971, Tempus. Besprochene und erzählte Welt, Stuttgart u. a.
- Weinrich, H., 1976, Sprache in Texten, Stuttgart
- Weiser, A., 1975, Was die Bibel Wunder nennt, Stuttgart
- Weiß, W., 1989, Eine neue Lehre in Vollmacht. Die Streit- und Schulgespräche des Markus-Evangeliums (BZNW 52), BerlinWienold, G., 1972, Semiotik der Literatur, Frankfurt a. M.
- Wilpert, G. von, 51969, Sachwörterbuch der Literatur, Stuttgart
- Zimmermann, R., 2007, Die Gleichnisse Jesu, in R. Zimmermann u. a. (Hgg.), Kompendium der Gleichnisse Jesu, Gütersloh, 3-49
- Zimmermann, R. / Kern, G., (Hgg.), Hermeneutik der Gleichnisse Jesu (WUNT 231), Tübingen
- Zwick, R., 1989, Montage im Markusevangelium. Studien zur narrativen Organisation der ältesten Jesuserzählung (SBB 18), Stuttgart
PDF-Archiv
Alle Fassungen dieses Artikels ab Oktober 2017 als PDF-Archiv zum Download:
Abbildungen
Unser besonderer Dank gilt allen Personen und Institutionen, die für WiBiLex Abbildungen zur Verfügung gestellt bzw. deren Verwendung in WiBiLex gestattet haben, insbesondere der Stiftung BIBEL+ORIENT (Freiburg/Schweiz)