Evangelium nach Philippus
(erstellt: September 2011)
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1. Bezeugung und Überlieferung
Erstmals erwähnt Epiphanius, der → Bischof
Von den 1945/46 in der Nähe des oberägyptischen Ortes Nag Hammadi entdeckten Papyrus-Kodices (NHC) enthält Kodex II eine Schrift (NHC II,3 p. 51,29-86,19), welcher der Titel „das Evangelium nach Philippus“ (p. 86,18f) angefügt ist. Die Handschriften sind vermutlich in der zweiten Hälfte des vierten Jahrhunderts oder im fünften Jahrhundert angefertigt worden, die koptischen Texte sind mit großer Wahrscheinlichkeit Übersetzungen älterer griechischer Originale. Das von Epiphanius zitierte Stück findet sich im koptischen EvPhil nicht, lediglich das im Epiphaniuszitat vorausgesetzte Motiv von der Himmelsreise der Seele ist in NHC II p. 86,4-12 belegt (auch p. 65, 27-35; p. 70,5-9; p. 76,22-31).
2. Gattung und Inhalt
Das EvPhil ist kein „Evangelium“ (Evangelium) in der Art der kanonischen (→ Kanon
In populären Jesus-Dokumentationen hat das Textstück p. 63,33-36 einige Berühmtheit erlangt, und zwar in der ergänzten Übersetzung: „Der [Heiland liebte] Maria Magdalena mehr als [alle] Jünger, und er küsste sie [oft]mals auf ihren [Mund]“ (Übers. Schenke). Auch wenn man diesen Vorschlag, die Textlücken zu füllen, als plausibel ansieht, so ist an dieser Stelle keine Aussage über die Lebensverhältnisse Jesu beabsichtigt. Der Verfasser des EvPhil zeigt sich am irdischen Jesus nicht interessiert. Wenn er aus den kanonischen Evangelien bekannte Begebenheiten streift, wie etwa die → Jungfrauengeburt
Möglicherweise geht die Bezeichnung „Evangelium“ nicht auf die griechische Textvorlage zurück, sondern ist vom Schreiber der Handschrift nachträglich eingefügt (M. L. Turner, 9-10), oder ein ursprünglicher kürzerer Titel, „(Buch) nach Philippus“, wurde, evtl in Anlehnung an das in Kodex II unmittelbar vorausgehende „Evangelium nach Thomas“ (NHC II, 2), um den Begriff „Evangelium“ in p. 86,18 ergänzt (Nagel, 104-111).
Der Text NHC II, 3 lässt sich keiner bekannten Textgattung zuordnen. Er ist offensichtlich eine Kompilation älterer Quellen und wird daher oft als „Florilegium“ (Schenke, 27) oder „Materialsammlung“ (Turner, 257-261) angesehen. Möglicherweise wurden andere Werke im Hinblick auf einen Lehrvortrag bzw. eine Predigt exzerpiert (Thomassen 1997, 252-253), oder aber es handelt sich um die Mitschrift eines Zuhörers (Van Os 2007, 149).
H.-M. Schenke hat bereits 1960 nach inhaltlichen Kriterien 127 Sinneinheiten abgegrenzt, die er in seinem großen Kommentar von 1997 auf 208 Abschnitte erweitert hat. Da die Nummerierung der 127 Einheiten in Teilen der Forschungsliteratur bereits etabliert war, wurde die zusätzliche Gliederung durch die Beifügung von Kleinbuchstaben (# 3a, # 3b, # 3c) vorgenommen. Bei diesen Abschnitten handelt es sich nach Ansicht Schenkes um Exzerpte verlorener → „Philippus-Akten
Eine gewisse Strukturierung des Textes ist jedoch erkennbar. So beginnt das EvPhil mit Aussagen zu → „Proselyten
3. Einordnung
Das EvPhil kann aufgrund einer Reihe von typischen Motiven, darunter das Wort vom himmlischen „Brautgemach“, als valentinianischer Text angesehen werden (Thomassen 1997, Schenke). Es ist allerdings keiner der bekannten Varianten des Valentinianismus eindeutig zuzuordnen. E. Thomassen (2006, 279) denkt an den orientalischen Zweig, B. van Os (2007, 192-196.209), an die westliche, italische Richtung. Von einigen Forschern wird die Zuordnung zum Valentinianismus aber abgelehnt (z. B. Bos; Lundhaug).
Ein Großteil der Bearbeiter stimmt der in der älteren Forschung (Isenberg, Sevrin, Gaffron) formulierten These zu, das EvPhil sei ein Text über die Heil vermittelnden Rituale (→ „Sakramente
4. Ort und Zeit
Vor allem aufgrund einiger im Text als „syrisch“ ausgewiesener Begriffe (p. 56, 8; 63, 22) wird vermutet, das hypothetisch griechische Original des EvPhil könnte im syrischen Raum entstanden sein, entweder im zweisprachig syrisch-griechischen Westsyrien um Edessa (Schenke, 5) oder im Gebiet um Antiochien (Gaffron, 66). Die Gründe für die Lokalisierung in Syrien sind allerdings nicht ausreichend (Van Os 2006).
Für die Entstehung des griechischen Originals kommt der Zeitraum vom Ende des zweiten (Van Os 2007, 205-207) bis zum vierten Jahrhundert (Isenberg 348-349) in Frage. Geht man davon aus, dass das EvPhil ein valentinianischer Text ist, so bietet das Auftreten der valentinianischen Lehrer in der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts einen terminus post quem. H. Lundhaug (393) nimmt im EvPhil Reflexe der arianischen Kontroverse an. Da das verlorene Original nur hypothetisch erschlossen werden könne und insbesondere mit Sakramenten befasste Texte als „living literature“ (Lundhaug, 13; 162; 414) wohl mehrfach überarbeitet worden seien, schlägt er vor, das EvPhil als koptischen Text des vierten oder fünften Jahrhunderts zu lesen.
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
2. Textausgaben
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- Übers. v. H.-M. Schenke, in: H.-M. Schenke u. a. (Hgg.), Nag Hammadi Deutsch. Studienausgabe, 2. überarbeitete Auflage, Berlin/New York 2010, 140-163.
3. Monographien und Aufsätze
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