Fest (NT)
(erstellt: Mai 2009)
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1. Grundsätzliches
1.1. Fest / Feste im Neuen Testament
Das Neue Testament setzt den Festrhythmus des antiken Judentums als selbstverständlich voraus und nutzt ihn vor allem zur Koordinierung und Datierung.
Der Allgemeinbegriff für „Fest“ (griechisch ἑορτή) ist bereits in der Septuaginta für hebräisch chåg verwendet. ἑορτή „Fest“: Mt 26,5
Die wichtigsten jüdischen Feste werden genannt: Passa, das Fest der ungesäuerten Brote, Wochenfest bzw. Pfingsten, Laubhüttenfest und Tempelweihfest.
Die Verbindung von Passa und Passion Jesu ist historisch gegeben. In den Passionserzählungen der Evangelien wird diese Korrelation aufgenommen, um Gefangennahme, Hinrichtung und Auferstehung Jesu mit den Bedeutungsdimensionen des Passafestes zu verbinden. Das Passafest steht im Mittelpunkt der zeitlichen Ordnung der Passionserzählungen. Aus ihm werden zudem einige wichtige Erzählmotive der Passionserzählung entwickelt: Pilgerfest, Passamahl und Passaamnestie.
Während sich das frühe Christentum mit dem Sabbat (→ Sabbat
Der Bedeutungshintergrund der Festterminologie ist überwiegend im jüdischen Bereich zu suchen, nur für Gal 4,10
1.2. „Fest“ als identitäre Inszenierung
Feste sind komplexe soziale, kulturelle und religiöse Institutionen, die sozialen Gemeinschaften die Möglichkeit geben, sich im Modus des Außeralltäglichen wahrzunehmen, indem sie in Festen ihre soziale Hierarchie und ihre symbolische Ordnung inszenieren (Sennet, Bourdieu). Da es in den antiken Kulturen keine mit der neuzeitlichen Situation vergleichbare Trennung von Religion und gemeinschaftlicher Ordnung gab (Feil), verstanden sich Feste einer antiken sozialen Gemeinschaft als Feste einer sakralen Gemeinschaft (Fustel de Coulanges), d.h. sie inszenierten und kommunizierten auf der Basis eines religiösen Zeichensystems (Geertz). Eine einseitige Konzentration auf die „Heiligkeit“ bzw. „Sakralität“ des Festes und eine Interpretation, die wesentlich auf der Opposition sakral versus profan (Eliade) beruht, verliert jedoch leicht die sozialen und politischen Funktionen des Festes aus dem Blick.
Gerade weil Feste in einem hohen Maße Identität vermitteln und durch Inszenierung und Repräsentanz soziale Hierarchien bestätigen, sind sie bevorzugter Gegenstand identitärer Manipulationen. Die Fragen, wer, wann und mit wem etwas tut, wo er sich dabei in einer sinn- und bedeutungsdominierten Raumkonfiguration platziert (Löw), und wie die durch Handeln und Platzierung konstituierte Raumkonfiguration des Festes in Beziehung zu den althergebrachten Traditionen, gr. πάτριοι νόμοι, „väterliche Gesetze“, steht, bildet den Diskurs- und Konfliktraum, der mit dem Sach- und Sprachzusammenhang „Fest“ gegeben ist.
2. Das Urchristentum und die Festkultur der Umwelt
2.1. Feste in der Umwelt des Urchristentums
In der Inszenierung von Festen konstituieren die sozialen Eliten in der Interaktion mit den übrigen Gruppen der Gesellschaft die symbolische Ordnung, die als gemeinsames Orientierungssystem das Funktionieren der Gesellschaft sichern soll. Die Gemeinden des Urchristentums hatten keinen Einfluss auf die Festdiskurse und Festkonflikte der jüdischen, römischen oder hellenistischen Gemeinschaften (ἔθνος „Volk“, πόλις bzw. civitas „Staat“) in ihrer Umwelt. Für sie stellte sich nur die Frage, ob sie partizipieren oder ob sie sich verweigern wollten. So provozierte etwa die Festkultur der römischen Loyalitätsreligion (Caesarenverehrung, Kaiserkult, Kaisereid) Konflikte, die sich bereits in den Texten des Neuen Testaments ankündigen (Apk 13,4
Der wichtigste Bezugsrahmen für die urchristlichen Gemeinden war zunächst das Judentum in dem Gebiet, das durch die Grenzen der späteren römischen Provinz Palästina umschrieben ist. Im Zentrum der jüdischen (Jerusalemer) Festtradition in der Zeit des Zweiten Tempels (515 v.Chr. - 70 n.Chr.) stand der Jerusalemer Tempel und das priesterliche Kultpersonal (Hohepriester, Priesterklassen). Diese Festtradition entwickelte sich in einer Zeit, in der den jüdischen Eliten jeweils nichtjüdische Herrscher übergeordnet waren. Diese nichtjüdischen politischen Spitzen (Perser, Ptolemäer, Seleukiden und Römer) konnten kein Bestandteil dieser Festtradition sein und blieben in einer spannungsvollen Distanz zur jüdischen Festkultur. Diese Besonderheit der jüdischen Festtradition, ihre Distanz zum politischen Machtzentrum, erklärt auch, warum gerade in einer Phase relativ hoher politischer Selbständigkeit des Judentums, in der Hasmonäerzeit, verschärfte innerjüdische Elitenkonflikte um die Dominanz in der Festkultur entstanden (bes. um das Amt des Hohepriesters) und sich in der Folge theologisch und kultisch hochqualifizierte Dissidenten von der Jerusalemer Festkultur lossagten, wie etwa der Lehrer der Gerechtigkeit und der yahad „Gemeinschaft“ (→ Qumrantexte
2.2. Das Lukasevangelium
Im Neuen Testament spiegelt sich die jüdische Festkultur besonders deutlich im → Lukasevangelium
2.3. Das Johannesevangelium
Auch in der Narration des → Johannesevangeliums
2.4. Passa und Passion (Mk und Mt)
Eine solch intensive Aufnahme des jüdischen Festkalenders wie bei Lk und Joh findet sich in den übrigen Texten des Neuen Testaments nicht. Mk und Mt beschränken sich auf das Passafest als Ziel und Endpunkt der Wanderungen Jesu.
Die Identifizierung des Abschiedsmahles Jesu mit dem Passamahl mag historisch zutreffend sein (Mt 26,17
Die Passionserzählung wird durch den Festrhythmus bestimmt. In der markinischen Passionserzählung ist ein Acht-Tage-Schema erkennbar, das die Ereignisse an die Zeit- und Bedeutungsdimension des Passa anlehnt (Mk 11,1
2.5. Paulus und die Apostelgeschichte
→ Paulus
Paulus teilt den Korinthern mit, er bleibe bis Pfingsten (1Kor 16,8
Paulus nutzt neben der Kult- auch gelegentlich die Festterminologie metaphorisch, etwa wenn er in 1Kor 5,6-8
3. Der Festkalender im Neuen Testament
Der vorausgesetzte Festkalender, wie er sich aus dem Neuen Testament rekonstruieren lässt, enthält folgende Feste:
3.1. Passa
→ Passa
3.2. Mazzot
Fest der ungesäuerten Brote, griechisch ἡ ἑορτὴ τῶν ἀζύμων (Mt 26,17
3.3. Schavuot
→ Wochenfest
3.4. Sukkot
→ Laubhüttenfest
3.5. Chanukka
→ Tempelweihefest
Literaturverzeichnis
- Bormann, Lukas, 2001, Recht, Gerechtigkeit und Religion im Lukasevangelium (StUNT 24), Göttingen
- Bourdieu, Pierre, 2003, Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft, [Orig.: La distinction. Critique sociale du jugement, 1979], Frankfurt a.M.
- Egelhaaf-Gaiser, Ulrike, 2002, Kulträume im römischen Alltag. Das Isisbuch des Apuleius und der Ort von Religion im kaiserzeitlichen Rom (Potsdamer altertumswissenschaftliche Beiträge 2), Stuttgart
- Eliade, Mircea, 1998, Das Heilige und das Profane. Vom Wesen des Religiösen, Frankfurt
- Feil, Ernst, 1986, Religio. Die Geschichte eines neuzeitlichen Grundbegriffs vom Frühchristentum bis zur Reformation (Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte 36), Göttingen
- Fustel de Coulanges, Numa Denis, 1981, Der antike Staat. Kult, Recht und Institutionen Griechenlands und Roms, [Orig.: Cité antique, 1864], Stuttgart
- Geertz, Clifford, 1987, Dichte Beschreibung. Beiträge zum Verstehen kultureller Systeme, [Orig. The Interpretation of Cultures, 1973], Farnkfurt a.M.
- Kippenberg, Hans Gerhard, 1971, Garizim und Synagoge (RVV 30), Berlin / New York
- Löw, Martina, 2004, Die topologischen Dimensionen der Kultur, in: Handbuch der Kulturwissenschaften, Bd. 1. Grundlagen und Schlüsselbegriffe, Stuttgart, 46-59
- Lührmann, Dieter, 1987, Das Markusevangelium (HNT 3), Tübingen
- Reinbold, Wolfgang, 1994, Der älteste Bericht über den Tod Jesu. Literarische Analyse und historische Kritik der Passionsdarstellungen der Evangelien (BZNW 69), Berlin / New York
- Rüpke, Jörg, 2006, Zeit und Fest. Eine Kulturgeschichte des Kalenders, München
- Rüpke, Jörg (Hg.), 2008, Festrituale in der römischen Kaiserzeit (Studien und Texte zu Antike und Christentum 48), Tübingen
- Sennett, Richard, 1997, Fleisch und Stein. Der Körper und die Stadt in der westlichen Zivilisation, Frankfurt a. M. [Orig.: Flesh and stone; 1994]
- Wengst, Klaus, 2000, Das Johannesevangelium 1 (Theologischer Kommentar zum Neuen Testament 4,1), Stuttgart
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