Deutsche Bibelgesellschaft

(erstellt: Mai 2009)

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1. Definitionen

Unter Fürbitte wird „das Eintreten vor Gott für jemanden oder für etwas“ verstanden („on behalf of others“; Wiles, 18.21.293).

In der Regel – aber nicht notwendig – handelt es sich um einen Verbalakt zugunsten anderer. Das Fürbittengebet ist weder in den Ursprachen der → Bibel noch in den Übersetzungen an den Gebrauch einer bestimmten Terminologie gebunden. Eine Eingrenzung der Fürbitte auf die Verwendung der Wörter „beten für“ ([προσ]εύχομαι περί) oder „bitten für“ (δέομαι περί) ließe eine Reihe von Phänomenen unberücksichtigt, bei denen ohne Verwendung eines bestimmten Begriffs ein Eintreten vor Gott für andere bezeichnet wird.

Adressaten der Fürbitte sind Gott oder der erhöhte Christus (Apg 7,60). Innerbiblisch handelt es sich bei der „Fürbitte“ meist nicht um eine eigenständige und eindeutig abgrenzbare Kategorie, sondern Fürbitten sind eingebunden in die vielfältige Kommunikation zwischen Gott und Menschen.

Eine nähere Bestimmung des Fürbittengebetes ist abhängig von der Definition für „Gebet“. Würden z.B. Dialoge zwischen Gott und Menschen nicht als Gebete betrachtet (so Newman, 6f.), dann wäre u.a. die Zwischenüberschrift der Lutherbibel zu Gen 18,16-32: „Abrahams Fürbitte für Sodom“ zu überdenken.

Im vorliegenden Artikel wird der Gebetsbegriff weit gefasst und Gebet als Form der Kommunikation zwischen Mensch und Gott oder Christus bestimmt (vgl. Ostmeyer, Kommunikation). Damit gelten nicht nur die Verhandlung Abrahams mit Gott über die Menschen in Sodom (Gen 18,16-32) als „Fürbitte“, sondern auch nonverbale Formen eines an Gott adressierten Eintretens für andere.

2. Fürbitte und Lobgebet – Gegensatz oder zwei Seiten einer Medaille?

Wie im Lob Gottes die → Liebe zu Gott zur Sprache kommt, so findet die Nächstenliebe in der Fürbitte ihren Ausdruck. Dabei wird die Fürbitte, die Menschen und Schöpfung in den Blick nimmt, nicht selten den Dankgebeten und hymnischen Stücken entgegengestellt, die sich primär an Gott richten. Eine strikte Entgegensetzung lässt sich jedoch nicht aufrechterhalten: Bei Preisungen Gottes als des barmherzigen Schöpfers handelt es sich zugleich implizit um die (Für-)Bitte für die Bewahrung der Schöpfung. Wenn im Magnifikat (Lk 1,46-55) Gott als der gepriesen wird, der die Mächtigen vom Thron stößt (Lk 1,52) und die Hungrigen mit Gütern füllt (Lk 1,53), dann handelt es sich dabei implizit um die Fürbitte, Gott möge sein gnädiges Wirken allen Erniedrigten und Hungernden zukommen lassen.

So verstanden enthält jedes Lob Gottes fürbittende Aspekte. Zugleich setzt jede Fürbitte Vertrauen in den liebenden Gott und Dank für die Möglichkeit der Hinwendung voraus. Nimmt man den einen Aspekt in den Blick, so ist der andere immer mitbeteiligt und wirksam (vgl. Kol 1,3), vergleichbar den beiden Brennpunkten einer Ellipse.

Damit konkretisiert sich in der Fürbitte das Doppelgebot der Liebe („Du sollst den Herrn, Deinen Gott lieben von ganzem Herzen und von ganzer Seele und mit allen Deinen Kräften. Das andere ist dies: Du sollst Deinen Nächsten lieben wie Dich selbst“; Mk 12,30f.). Was ein Gebet zur Fürbitte macht, ist der intendierte oder empfundene Akzent auf dem Nächsten.

Die Fürbitte ist (wie auch das Lob Gottes) nicht auf bestimmte Zeiten und Akte beschränkt. Vielmehr ist die einzelne Fürbitte das Explizitwerden einer den Menschen und Gott zugewandten Grundhaltung des Betenden. Es geht um diese fürbittende Haltung, wenn im Neuen Testament von einem dauernden Beten die Rede ist (2Thess 1,11 „Wir beten allezeit für euch“).

Liegt der Akzent des Fürbittens auf dem Eintreten für andere und auf der sich darin ausdrückenden Gottesbeziehung, dann tritt der Aspekt der Erfüllung der konkreten Gebetsanliegen in den Hintergrund. Auch beim (scheinbaren) Ausbleiben des Erbetenen sind sich Betende der Erhörung durch Gott gewiss.

3. Formen der Fürbitte im Neuen Testament

Die konkrete Gestalt des Eintretens vor Gott zugunsten anderer variiert in den Schriften des → Neuen Testamentes und ist abhängig von seinen Autoren. Die Fürbitte ist – wie das Gebet im Allgemeinen – ein Spiegel der jeweiligen Theologie und Christologie der Betenden. Wird Gebet als Akt und Ausdruck der Kommunikation der Betenden mit Gott verstanden, dann bedeutet die Fürbitte die Hineinnahme des anderen in die eigene Beziehung zu Gott. Das Beten für die Verfolger (Mt 5,44; Lk 6,28) ist damit der am Weitesten gehende Ausdruck der Feindesliebe (Lk 23,34; Apg 7,60). Die synonyme Rede vom Beten für die Beleidiger und vom Segnen der Verfolger in Lk 6,28 verdeutlicht, dass es sich bei der → Segnung um eine Kurzform der Fürbitte handelt (vgl. Röm 12,12c.14; 1Petr 3,9). Im Urchristentum beförderte das Fürbittengebet für Nichtchristen die Tolerierung der Christen in einer feindlichen Umwelt und hatte nicht zuletzt auch missionarische Funktion (1Tim 2,2.8).

Ein Aspekt der Fürbitte, der im Deutschen hinter dem Verständnis des Betens für andere zurücktritt, ist das Beten anstelle von anderen. Häufig sind beide Aspekte – das Beten zugunsten von und das Beten anstelle von – nicht voneinander abzuheben. Zu nennen sind Stellen, an denen Menschen die unmittelbare Begegnung mit Gott scheuen und stattdessen andere um Vermittlung bitten (Mose in Ex 20,19; Num 21,7; Dtn 5,25-27; vgl. Jer 37,3c; Apg 8,24) oder nicht wissen, „wie und was sie beten sollen“ (Röm 8,26-27). Im letztgenannten Fall tritt der Geist als Mittler ein. Im johanneischen Schrifttum verheißt Jesus (Joh 14-16) das Kommen des → Parakleten (ό παράκλητος), der den Gläubigen nach seinem Weggang beisteht und für sie eintritt (1Joh 2,1).

Paulus betet für die Gemeinde (Phil 1,4; 1Thess 1,2; vgl. Kol 1,3.9; 2Thess 1,11), und er bittet die Gemeinde, für ihn zu beten (1Thess 5,25; vgl. Kol 4,3.12; 2Thess 3,1). Paulus behandelt die Fürbitte nicht als ein besonderes Charisma. Die im Glauben an Christus für jede und jeden offene Gebetsbeziehung kennt keine Abstufungen. Die Fürbitte eines Gemeindegliedes steht der Fürbitte eines Apostels in nichts nach (allgemeines Priestertum aller Gläubigen).

In den Evangelien bittet Jesus seine Jünger, in der Zeit der Angst mit ihm zu beten (Mk 14,34.38 par.). Er selbst betet für die, die ihm angehören (Lk 22,31-32; Joh 17,9.20) und für seine Verfolger (Lk 23,34).

Literaturverzeichnis

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  • Hamman, A.G., 1959, La Prière. I. Le Nouveau Testament (BT.B), Tournai
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  • Kranemann, B., 1992, Liturgisches Beten zu Christus? Zur Theozentrik und Christozentrik liturgischen Betens, in: KuI 7, 45-60
  • Newman, J.H., 1999, Praying by the Book. The Scripturalization of Prayer in Second Temple Judaism (SBL. Early Judaism and Its Literature 14), Atlanta (Ga)
  • Ostmeyer, K.-H., 2002, Das immerwährende Gebet bei Paulus, ThBeitr 33, 274-289
  • Ostmeyer, K.-H., 2006, Kommunikation mit Gott und Christus. Sprache und Theologie des Gebetes im Neuen Testament (WUNT 197), Tübingen
  • Ostmeyer, K.-H., 2004, Das Vaterunser. Gründe für seine Durchsetzung als ‚Urgebet‘ der Christenheit (NTS 50), 320-336
  • Pulleyn, S., 1997, Prayer in Greek Religion. Oxford Classical Monographs, Oxford
  • Wiles, G. P., 1974, Paul’s Intercessory Prayers. The Significance of the Intercessory Prayer Passages in the Letters of St Paul (MSSNTS 24), Cambridge

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