Gethsemane
Andere Schreibweise: Getsemane; Gethsemani; Getsemani
(erstellt: April 2016)
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1. Name
Der Name „Gethsemane“ wird im Neuen Testament nur ein einziges Mal genannt: im Zusammenhang jenes Gebetskampfes Jesu vor seiner Verhaftung (Mk 14,32
Die ursprüngliche Form scheint Γεθσαμανεί / Gethsamanei gewesen zu sein. Dahinter steht offensichtlich eine hebr. / aram. Wortbildung, auch wenn sich dafür kein unabhängiger Beleg erhalten hat. Am wahrscheinlichsten ist die Deutung auf „gat schemanim = Kelter / Presse von Ölen“ (Dalman 1924, 340; Küchler 2007, 811). Das passt auch gut zu den zahlreichen Olivenbäumen vor Ort, denen der Ölberg im Ganzen seinen Namen verdankt.
In den Handschriften am häufigsten anzutreffen ist die Form Γεθσημανί / Gethsemani. Darin könnte das griech. “σημείον / sēmeion (Zeichen)” anklingen, das als Lehnwort „seman“ längst schon in die aram. Alltagssprache eingegangen war. Einen solchen Zusammenhang belegen etwa die paläst.-aram. und syr. Übersetzungen von Mt 26,36
Eine dritte Form schreibt Γεσσαμανεί / Gessamanei, was → Eusebius
2. Lage
Wenn am „Ölberg“ die Ölbäume wuchsen, wurden die Oliven vermutlich auch gleich an Ort und Stelle verarbeitet. Grundstücke mit Ölpressen wird es hier wohl in größerer Zahl gegeben haben. Mk 14,32
Überhaupt erweist sich der Ölberg während der letzten Phase der Jesusgeschichte als ein bedeutungsvoller Ort. Vom Ölberg aus beginnt der Einzug nach → Jerusalem
Wo genau jenes Landgut bzw. jener Garten namens „Gethsemane“ zu suchen ist, bleibt offen. Vom 4. Jh. an werden dafür in der Pilgerliteratur verschiedene Orte vorgeschlagen. Sicher ist nur das eine: Gethsemane befand sich am Abhang des Ölbergs gegenüber der Stadt, als bevorzugter Rückzugsort wohl auch abseits der Wege und um der kürzeren Distanz willen eher am Fuße des Berges. Von einer Grotte oder einer Bebauung sagen die Texte nichts. Die Gethsemane-Perikope schildert ein Geschehen unter freiem Himmel, auch wenn gerade im Frühjahr die Nächte noch sehr kalt sein können. Dass man später Gethsemane zu identifizieren suchte, liegt nahe. Der Ort, der heute den Touristen gezeigt wird, hätte jedenfalls besser kaum erfunden werden können.
Die Lage von Gethsemane ist für die letzte, einsame Entscheidung Jesu erzählerisch plausibel gewählt. Über den Ölberg hinweg lag der Fluchtweg nach Osten im Bedarfsfall offen. Zurück in die Stadt führte der Weg in den zu erwartenden Konflikt. Da Jesus die Chance zur Flucht ausschlägt, holt ihn sein gewaltsames Geschick noch am Ort der Entscheidung ein.
3. Gethsemane-Perikope
Im Rahmen der → Passionsgeschichte
→ Markus
Der Schlaf der Schüler wird von den Evangelisten paränetisch genutzt. Bei Markus / Matthäus schlafen ausdrücklich nur die drei (Petrus, Jakobus und Johannes), doch die dreimalige Wiederholung steigert ihr Versagen. Ganz anders verfährt Lukas, der die Schüler und ganz besonders Petrus zu entlasten versucht: Bei ihm bleiben alle zusammen und schlafen auch nur einmal, wobei ihr Schlaf zusätzlich mit ihrer „Traurigkeit“ entschuldigt wird. Entscheidend ist jedoch der Kontrast zwischen dem → Lehrer
Gethsemane wird schließlich auch zum Ort der Verhaftung Jesu. Nach Joh 18,2
Spekulativ bleiben alle literarkritischen Versuche, in der Gethsemane-Perikope zwei oder gar drei verschiedene Quellenschichten zu isolieren (Kuhn 1952 / 53, Lescow 1967). Die vermeintlichen Brüche lassen sich viel leichter unter narrativen Gesichtspunkten erklären. Als gute Erzähler haben Markus / Matthäus die Szene zu dramatisieren versucht; Lukas hat sie um der Entlastung der Schüler Jesu willen heruntergestimmt. Das Bemühen, in historisierender Weise nach den Augenzeugen oder Tradenten der Szene zu fahnden (Saunderson 1989), verfehlt deren Intention und verliert sich in gewagten, fruchtlosen Konstruktionen.
Die Überlieferung eines Gebetskampfes Jesu klingt auch außerhalb der synoptischen Tradition an. Hebr 5,7
Theologisch hat diese Perikope von der frühen Väterexegese an große Probleme bereitet (Madigan 1995). Diese Probleme deuten sich bereits in der Redaktion der synoptischen Evangelien sowie im Hebräerbrief und bei Johannes an – in Gestalt einer zunehmenden Entschärfung jener Anstöße, die der Markus-Text bietet. Den Angstschweiß Jesu, seine Verzweiflung und sein Ringen mit Gott vermochte man nur noch mühsam mit der Hoheit des inkarnierten → Logos
Eine ganz eigene Faszination hat sich die Stimmung der Gethsemane-Erzählung bewahrt. Der Berg, die Dunkelheit der Nacht, die Verteilung der Gruppe auf dem kleinen Landgut, das Durcheinander bei der Verhaftung Jesu – das alles regte seit dem 4. Jh. die Phantasie der Pilger an, nun ganz konkret nach den Orten dieser Szene zu suchen und sie für die fromme Andacht späterer Generationen zu markieren.
4. Liturgisches Ensemble
Das Gelände am Ölberg, an dem der Name Gethsemane haftet, hat vom 3. / 4. Jh. an eine komplizierte und nur schwer zu entwirrende Geschichte erlebt (vgl. ausführlich Kopp 1959, 387-399; Küchler 2007, 810-830). Hier siedelte sich ein ganzes Ensemble liturgisch motivierter Erinnerungsorte an, über die vor allem die Pilgerliteratur Auskunft gibt. Aufgrund der spärlichen, oft auch widersprüchlichen Angaben bleiben jedoch viele Unklarheiten bestehen.
Grundsätzlich unterscheidet man bei der Lokalisierung von Gethsemane – nach dem Vorbild der Synoptiker – den Ort des Gebetes bzw. der Agonie Jesu vom Ort des Verrates bzw. der Verhaftung. Beide fügen sich in ein größeres Areal am Westhang des Ölbergs ein, auf dem verschiedene Kirchen und Kapellen zu finden sind: die Himmelfahrtskirche („Imbomon“; spätes 4. Jh.) und die Eleona-Kirche (ursprünglich Gedächtnisort der Himmelfahrt, später dann der Lehre Jesu, daher auch “Vater-unser-Kirche”; frühes 4. Jh.), die Kapelle Dominus Flevit (nach Lk 19,41
Besonders aufschlussreich ist, was die Pilgerin Egeria (381-384) berichtet (Itinerarium 36): vom Imbomon, dem Ort der Himmelfahrt, sei man unter Gesang hinuntergestiegen zu dem Ort, „wo der Herr gebetet hat“; dort aber sei eine „herrliche Kirche“ (ecclesia elegans) gewesen; von da aus habe der Weg weiter den Berg hinunter „nach Gessamani“ geführt, wo die Schar unter lautem Klagen der Gefangennahme Jesu gedachte. Demnach bestimmte man am Ende des 4. Jh.s Gethsemane auf doppelte Weise: a. als jenen Ort, wo sich Jesus mit seinen Schülern aufzuhalten pflegte, im unteren Bereich des Abhanges, und b. den mit einer Kirche markierten Ort seines Gebetes weiter bergauf. Die „herrliche Kirche“ der Egeria (also die eigentliche Gethsemane-Kirche, die an Jesu Gebetskampf und den Schlaf seiner drei engsten Vertrauten erinnert) befand sich an dem Ort, an dem heute die (1919-1924 errichtete) „Kirche der Nationen“ steht; hier wurden 1920 bei Grabungen die Reste zweier Vorgängerbauten entdeckt. Zentraler Punkt dieser Kirche war ein heiliger Felsen, den man als Ort der Agonie Jesu verehrte. Der Kirche gegenüber, ca. 100 m in nördlicher Richtung, befindet sich die „Verratsgrotte“. Zwischen der Gethsemane-Kirche und der Verratsgrotte liegt ein Garten, der mit seinen alten, knorrigen Olivenbäumen dem ganzen Gelände sein besonderes Flair gibt. Die Gethsemane-Kirche / ecclesia elegans / „Kirche der Nationen“ ist als Ort der Agonie Jesu im Laufe ihrer langen Geschichte immer wieder einmal in Frage gestellt worden. Unangefochten hingegen haftete der Name Gethsemane vor allem an der Grotte als dem Ort des Aufenthaltes Jesu und des Verrates des Judas sowie an dem angrenzenden „Garten Gethsemane“.
Die Evangelisten skizzieren auf der Erzählebene eine konkrete Örtlichkeit, an der sie den Beginn der Passionsereignisse platzieren. Wie viel sich dabei eigener Anschauung und wie viel sich überlieferter, bereits narrativ überformter Information verdankt, bleibt offen. Heute lässt sich diese topographische Situation nur noch bedingt nachvollziehen. Die Bebauung des Geländes hat eine Eigendynamik gewonnen und – ähnlich wie die Via Dolorosa den Weg – hier nun den Raum nach liturgischen und spirituellen Bedürfnissen neu gestaltet.
Literaturverzeichnis
- Dalman, G., 1924, Orte und Wege Jesu, Gütersloh, 331-346 (= XVIII. Der Abendmahlssaal und Gethsemane)
- Dibelius, M. 1953, Gethsemane, in: Botschaft und Geschichte 1, Tübingen, 258-271
- Egeria, Itinerarium. Reisebericht, 1995, übersetzt und eingeleitet von Georg Röwekamp, Fontes Christiani 20, Freiburg u.a.
- Frey, J., 2002, Leidenskampf und Himmelsreise. Das Berliner Evangelienfragment (Papyrus Berolinensis 22220) und die Gethsemane-Tradition, BZ 46 / 1, 71-96
- Hirschberg, P., 2011, Israel und die palästinensischen Gebiete, EVAs Biblische Reiseführer, Leipzig, 266-269
- Kopp, C., 1959, Die Heiligen Stätten der Evangelien, Regensburg, 387-399
- Kroll, G., 81980, Auf den Spuren Jesu, Leipzig, 425-432
- Küchler, M., 2007, Jerusalem. Ein Handbuch und Studienführer zur Heiligen Stadt, Orte und Landschaften der Bibel IV / 2, Göttingen, 810-830
- Kuhn, K. G., 1952 / 53, Jesus in Gethsemane, EvTh 12, 260-285
- Lescow, T., 1967, Jesus in Gethsemane bei Lk und im Hebr, ZNW 58, 215-239
- Madigan, K., 1995, Ancient and High-Medieval Interpretations of Jesus in Gethsemane. Some Reflections on Tradition and Continuity in Christian Thought, HThR 88, 157-173
- Murphy-O’Connor, J., 41998,The Holy Land. An Oxford Archaeological Guide from Earliest Times to 1700, Oxford, 121-135
- Saunderson, B., 1989, Gethsemane. The Missing witness, Biblica 70, 224-233
- Taylor, J. E., 1995, The Garden of Gethsemane. Not the Place of Jesus’ Arrest, BArR 21 / 4, 26-35. 62
Abbildungsverzeichnis
- Gelände im Umfeld von Gethsemane, Mitte 19. Jh. Foto: Bruno Hentschel, Gustaf-Dalman-Sammlung Greifswald, Signatur: B+VII+2.
- Topographische Situation. Karte aus: Gerhard Kroll, Auf den Spuren Jesu, Leipzig 81980, 426 (Abb. 243).
- Gethsemane-Kirche / “Kirche der Nationen”. Foto: Stephan Rehm, 2016.
- Garten Gethsemane mit Ölbäumen. Bild aus: Palästina in Bild und Wort, nebst der Sinaihalbinsel und dem Lande Gosen, nach dem Englischen herausgegeben von Georg Ebers und Hermann Guthe, Bd. 1, Stuttgart / Leipzig 1883, 93.
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