Grab (NT)
(erstellt: September 2011)
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1. Terminologisches zu Gräbern im Neuen Testament
Das NT kennt drei (griech.) Begrifflichkeiten, um Gräber / Grabmäler zu bezeichnen: mnēmeion, mnēma und taphos.
Dabei ist mnēmeion der mit Abstand am häufigsten begegnende Terminus (ca. 40 Belege – die textkritische Lage ist z.T. unsicher –, alle in den Evv. mit einer Ausnahme: Apg 13,29
Taphos bedeutet ursprünglich (z.B. bei Homer) „Leichenbestattung /
-feier“, im NT werden damit durchgängig Gräber bezeichnet. Die sieben Belege von taphos finden sich – mit einer Ausnahme: Röm 3,13
2. Gräber im Neuen Testament - eine Spurensuche
Überblickt man die neutestamentlichen Passagen, in denen von „Gräbern“ gesprochen wird, dann fällt auf, dass ein Grab natürlich besonders im Mittelpunkt des Interesses der Evangelisten steht: das Grab Jesu (33 von insgesamt 55 Belegen beziehen sich darauf, → Grab Jesu
2.1 Reale Gräber im Neuen Testament und archäologischer Befund
2.1.1 Johannes-Grab und Lazarus-Grab - Grundsätzliches zu Grabformen/-typen
Reale Gräber werden im NT meist nur beiläufig erwähnt, ohne dass nähere Einzelheiten z.B. über die Beschaffenheit explizit ausgeführt werden: Beispielsweise sagt Mk 6,29
Dabei kann es sich um ein Erd- / Boden- bzw. Senkgrab (vgl. fossae- / Erdgrubengrab) handeln, bei dem senkrecht in die Erde gegraben und meist seitlich am Grund dieses Schachtes eine Art Bestattungsnische angelegt wird (vgl. z.B. den Friedhof von → Qumran
Oder wir haben es mit einem Felsen- / Stein- bzw. Höhlen- / Kammergrab zu tun, bei dem entweder natürliche (Höhlengrab) oder künstlich angelegte (Kammergrab) Hohlräume in Felsen bzw. im Boden zu Bestattungszwecken genutzt werden. Von einem Schachtgrab als Spezialfall des Kammergrabes spricht man, wenn der Zugang senkrecht gegraben wird. Höhlen- oder Kammergräber können ganze Grabkammerkomplexe mit mehreren Räumen umfassen. Sie sind oft als Familiengrüfte angelegt und je nach Ausstattung kann man Felsengräber mit – meist hüfthohen – Bänken als Grablege (in späterer Zeit werden die Bänke sogar mit Kopfstützen für die Toten versehen; zum Diwangrab als Spezialform vgl. → Grab
Explizit als eine Höhle (spēlaion), auf bzw. vor (epi) der ein Stein liegt (dieser wird im Vorfeld des Auferweckungswunders entfernt – Joh 11,39
Die Toten werden entweder direkt bzw. in Leinentücher eingewickelt in die Gräber gelegt, praktiziert wird – u.a. abhängig vom sozialen Status sowie der Finanzkraft des Verstorbenen und seiner Hinterbliebenen – auch die Bestattung in Stein- oder Holzkisten bzw. Sarkophagen aus unterschiedlichen Materialien. Oberirdische Grabmonumente sind selten; z.T. sind Gräber mit entsprechenden Inschriften versehen. Bzgl. der Grabformen, Grabbeigaben und der Bestattungsform sind lokale Traditionen von hoher Bedeutung.
2.1.2 Das Öffnen von Gräbern - Biblisch und archäologisch
In den kurzen Notizen Joh 5,28f
Felsengräber dagegen werden mit einer Steintür / -platte oder einem Rollstein verschlossen, sodass sowohl das Öffnen als auch das Herauskommen der wiederbelebten bzw. auferweckten Toten – das Grab wird als „Haus der Toten“ bzw. „Haus der Ewigkeit“ (bet olam / domus aeterna) verstanden – gut praktisch vorstellbar sind. U.U. sind bei allen neutestamentlichen Belegstellen Felsengräber gemeint, so Volp / Zangenberg (Volp / Zangenberg, 125), die das Felsengrab als die in Palästina bekanntere und weiter verbreitete Grabform bestimmen (Gessel, 967 klassifiziert allerdings das „einfache Bodengrab“ als die „häufigste Beisetzungsform“ in der Antike). In Höhlen- oder Kammergräbern werden meist mehrere Personen beigesetzt (Familiengräber); sollten die „Liegeplätze“ alle belegt sein, dann können die Knochen abgeräumt und in einer Grube (Repositorium) gesammelt oder in einem Ossuarium („Knochenkistchen“) zweitbestattet werden.
2.1.3 Der Besessene von Gerasa - Gräber als Aufenthaltsorte
Ein richtiger Grabhöhlen- / Grabkammerkomplex oder vielleicht eine Art Nekropole („Totenstadt“) außerhalb / vor der Stadt ist in der Erzählung vom besessenen → true vorausgesetzt: Der von → Dämonen
Der Besessene hält sich gewissermaßen an einem zu seinem Zustand passenden Ort auf: Gräber gelten gemeinhin als einsam-unheimliche Orte, als Wohnstätte von Dämonen, an denen die Totengeister bzw. die Seelen der Verstorbenen ihr Unwesen treiben. Jüdisches Reinheitsdenken (→ Reinheit
2.1.4 Davidsgrab und Patriarchengrab - Bleibende "Erinnerungsmale"
In Apg 2,29
2.2 Gräber in übertragen-bildlicher Bedeutung im Neuen Testament
2.2.1 Vom Bauen und Schmücken von Gräbern
Ebenfalls um „Erinnerungszeichen“ geht es bei Mt 23,29-36
Durch diese „Grabpflege“ erweisen sich die „Heuchler“ als rechte Söhne ihrer Väter, sie setzen gewissermaßen den Missetaten ihrer Vorfahren ein Denkmal. Dabei kann das Bauen und Schmücken der Gräber durchaus wörtlich gemeint sein; beeindruckende, doch z.T. schwer datierbare Grabmale finden sich in und um → Jerusalem
Zum instruktiven Vergleich: Josephus berichtet, dass König → Herodes
2.2.2 Unkenntliche und übertünchte Gräber
Eindeutig metaphorisch gemeint ist Mt 23,27f
Lk setzt die Kritisierten mit unkenntlich gewordenen mnēmeia gleich, über die die Zeitgenossen hinweggehen, ohne dies überhaupt zu bemerken. Die Unreinheit im Untergrund bleibt verborgen. Dabei ist an Gräber gedacht, die in Vergessenheit geraten und nach außen nicht mehr als Gräber erkennbar sind – zu dieser Vorstellung (vgl. das unbeabsichtigte Darüberlaufen) passt das Erd- / Senkgrab besser als das Felsengrab.
Mt seinerseits spielt auf den Brauch an, taphoi zu weißen / tünchen – damit man gerade nicht aus Versehen darüber läuft und kultisch unrein wird –, wobei dieses oberflächliche Weißmachen (und Markieren) darüber hinwegtäuschen kann, dass das Grab innen mit allerlei Unschönem angefüllt ist. Hier greift die saloppe Redensart: „Außen hui, innen pfui!“ Der äußere schöne Schein verschleiert das kritikwürdige Innenleben. Beide Kritikworte Jesu gegen seine Gegner sind äußerst scharf, beide rufen die Assoziation von Gräbern als unreinen Orten auf, denen man diese Unreinheit aber nicht unbedingt auf den ersten Blick anmerkt – sei es, dass diese unkenntlich sind (Lk 11,44
2.2.3 Das geöffnete Grab - Im übertragenen Sinne
Zu guter Letzt gibt es im Corpus Paulinum einen Beleg für taphos: In Röm 3,13
Damit dürfte erneut der Akzent auf das Grab als Quelle der Unreinheit gelegt sein; ein geöffnetes Grab entlässt so einiges, was besser im Untergrund bliebe. Wenn „Grab“ im NT bildlich verwendet wird, dann steht also der Aspekt „Unreinheit“ im Mittelpunkt; außerdem ist durchweg eine kritische Pointe auszumachen.
Literaturverzeichnis
- Gessel, W. M., 31995, Art. Grab. I. Antike, LThK 4, 967f.
- Kötting, B., 1983, Art. Grab, RAC XII, 366-397
- Michel, O., 1942, Art. mnēma, ThWNT IV, 683f.
- Volp, U./Zangenberg, J., 2011, Begräbnis und Totenpflege, in: J. Zangenberg (Hg.), Neues Testament und Antike Kultur. Band 3: Weltauffassung – Kult – Ethos, Neukirchen-Vluyn, 122-128
- Zangenberg, J., 2003, Zwischen Welt und Unterwelt. Bestattungssitten und Gräber in Palästina zur Zeit Jesu, WUB Nr. 27 (8. Jg., 1/2003), 40-46
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