Deutsche Bibelgesellschaft

(erstellt: Dezember 2010)

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1. Quellen

Zahlreiche manichäische Originalschriften geben heute Einblick in Manis Leben und die von ihm gegründete Religion. Zunächst war der Manichäismus vor allem aus arabischen Quellen (z.B. Kitāb al-Fihrist des Ibn an Nadīm [10. Jh.]) sowie aus den Schriften der christlichen Gegner bekannt. Diese haben in ihren Widerlegungen aus manichäischen Quellen zitiert und sie so mit überliefert (z.B. Acta Archelai des Hegemonius [4. Jh.], Kirchenväter wie z.B. → Augustin, → Johannes Chrysostomus, Ephraem oder das Scholienbuch des Theodor bar Konai). Das diesen antimanichäischen Schriften inhärente negative Bild vom Manichäismus als christlicher → Häresie bestimmte für lange Zeit die Forschung; der Begriff „Manichäismus“ avancierte zum Synonym für jede Art von Dualismus bzw. für jede abweichende Meinung; auch Luther wird in Quellen der Gegenreformation als „Manichäer“ und damit als Ketzer gebrandmarkt. Eine objektive religionsgeschichtliche Darlegung des manichäischen Systems erfolgte im Wesentlichen erst im 19. Jh. (z.B. F.Chr. Baur; siehe aber in Ansätzen bereits M. Beausobre [1734-1739]) und ging einher mit der Aufarbeitung orientalischer Quellen (z.B. G. Flügel / K. Kessler), was insgesamt gesehen zu einem Paradigmenwechsel führte: Man begann, den Manichäismus nicht mehr als christliche Häresie, sondern als religiöses System mit eigenem Recht wahrzunehmen. Diese neue Perspektive und die Entdeckung zahlreicher Originalquellen eröffneten eine neue Epoche der Manichäismusforschung: Im Verlauf der Turfanexpeditionen (1898-1916[1902-1914]) und weiterer Ausgrabungen Anfang des 20. Jh.s fand man vor allem in Turfan und Dun-huang Schriftenfragmente aus dem Spätstadium des Manichäismus (6.-10. Jh.), die in mehreren, zum Teil bis dahin unbekannten Dialekten und Sprachen abgefasst sind (z.B. iranische Sprachen [soghdisch, mittelpersisch, parthisch], uighurisch [alttürkisch], chinesisch). Unter diesen Schriften befinden sich zum Beispiel Manis Šābuhragān („Buch der zwei Prinzipien“), weiter der Laienbeichtspiegel Xuāstvānīft, die „chinesische Hymnenrolle“ sowie der parthische Hymnenzyklus Huyadagmān, der auch ins Sogdhische übersetzt wurde und zum Teil auch in der „Chinesischen Hymnenrolle“ („Die letzte Abteilung manichäischer Hymnen“) überliefert ist. Die manichäische Seelenlehre entfalten der „Sermon von Licht-Nous“ und der „Sermon von der Seele“. Einen Einblick in das Spätstadium des Manichäismus und seine Inkulturation in den Buddhismus eröffnet die chinesische Literatur aus der Tang-Zeit (618-907 n. Chr.), die auf iranischen Quellen basiert („Kompendium der Lehren und Regeln Manis, des Buddhas des Lichts“ oder „der Traktat“ [„Unvollständige Heilige Schrift einer persischen Religion]“).

Weitere Funde wie der lateinische Tebessakodex (Algerien; 1918) schlossen sich an. Eine wichtige Etappe in der Manichäismusforschung war indes der umfangreiche Fund koptisch-manichäischer Schriften bei Medinet Madi: 1929 / 30 entdeckte Carl Schmidt dort zahlreiche Texte, die vermutlich aus dem oberägyptischen Lykopolis stammen. Sie können um 400 n. Chr. datiert werden und geben somit Aufschluss über das Frühstadium des Manichäismus. Wichtig sind vor allem die manichäischen Lehrvorträge, die „Kephalaia“, die zum Teil auch in den Fragmenten aus Dakhleh und Turfan erhalten sind. Diese als Gespräche Manis mit seinen Jüngern stilisierten Vorträge bieten eine Zusammenfassung der manichäischen Lehre und bestehen aus zwei unterschiedlichen Sammlungen: Die „Kephalaia des Lehrers“ (heute in Berlin) erklären den Zusammenhang von Mikro- und Makrokosmos. Mnemotechnische Strategien, Zahlenentsprechungen, → Gleichnisse und Bildersprache prägen diese „Verarbeitung des Mythos im Lehrvortrag“ (A. Böhlig). Die „Kephalaia der Weisheit meines Herrn Manichaios“ (heute Dublin / London), die zum Teil große Entsprechungen zu den Turfan-Texten aufweisen, sind dagegen in einen lockeren Handlungsrahmen eingebunden, nämlich die manichäische Mission am persischen Hof. Weiter befindet sich unter den Schriften aus Medinet Madi ein „Koptisch-Manichäisches Psalmenbuch“ mit verschiedenen Hymnengruppen (Bemapsalmen, Aufstiegspsalmen, Sarakōtōnpsalmen [Psalmen der Wanderer], Herakleidespsalmen, Thomaspsalmen). Vier Homilien aus dem Schülerkreis Manis beinhalten einen Lobpreis Manis, eine eschatologische Schilderung des großen Krieges, eine legendarisch eingefärbte Darstellung der Verfolgung der Manichäer und des Märtyrertodes Manis.

1970 wurde schließlich der aus dem 4. / 5. Jh. stammende griechische Kölner Mani-Kodex („Vom Werden seines Leibes“ [peri tēs gennēs tou somātos autou]) aus der Kölner Papyrussammlung bekannt, der die Lebensgeschichte und authentische Aussprüche Manis überliefert. Er geht vermutlich auf eine syrische Vorlage zurück. Mit seinem Umfang von 3,5 mal 4,5 cm gilt er als das kleinste Buch der Antike. Weitere manichäische Texte liturgisch-hymnischen Inhalts, die zum Teil Entsprechungen zum „Koptisch-Manichäischen Psalmenbuch“ haben, wurden 1991 im oberägyptischen Kellis (Dakhleh-Oase) aufgefunden. Weiter entdeckte man der Dakhleh-Oase Briefe, ein Rechnungsbuch und syrisch-koptische Lexika mit manichäischer Begrifflichkeit. Neben den manichäischen Originalschriften und islamischen bzw. christlichen Quellen existieren weitere Darstellungen des Manichäismus wie z.B. das zoroastrische Sammelwerk Škand-Gumānīg-Wizār. Die Herausgabe und Auswertung der zahlreichen Quellen dauert bis heute an.

Trotz der guten Quellenlage ist die Rekonstruktion von Manis Leben unter historisch-kritischen Gesichtspunkten schwierig. Die Quellen beinhalten mancherlei Widersprüche (Überlieferung des Namens „Mani“, Missionsrouten Manis etc.). Viele manichäische Originalschriften sind hagiographisch ausgerichtet, mit Legendenmotiven angehäuft und um eine Parallelisierung des Lebens Manis mit dem Leben Jesu bemüht (z.B. Manichäische Homilien, Kölner Mani-Kodex); andere Quellen wiederum verfolgen eine dezidiert antimanichäische Zielrichtung (z.B. Acta Archelai), was zu polemischen Verzeichnungen von Personen und Ereignissen führt.

Vor allem aber stammen die manichäischen Quellen aus unterschiedlichen Zeiten und geographischen Gebieten und sind allein deswegen für die Rekonstruktion der Vita Manis von unterschiedlicher Qualität. Am wertvollsten sind Manis eigene Schriften, die er unter anderem deswegen geschrieben hat, um seine Lehre vor Verfälschungen zu schützen. Er verfasste neben dem Šābuhragān, das in Fragmenten vorliegt, sieben Werke, die als manichäischer → Kanon gelten (siehe die Auflistungen z.B. in Kephalaia 5,23-26; 148; Bemapsalmen 46,21-32; 139,54-140,16; Homilien 25, 2-6 u.ö.; chinesisches Kompendium b. 14-223): 1) das lebendige → Evangelium (Evangelium des Mani oder „großes Evangelium“), 2.) der Schatz des Lebens, 3.) die Pragmateia, 4.) das Buch der Mysterien, 5.) das Buch der Giganten, 6.) die Briefe und 7.) die Psalmen und Gebete. Darüber hinaus schuf Mani mit dem Ārdahang (gr. Eikon) eine bildliche Darstellung der manichäischen Lehre, die den Anfang der berühmten manichäischen Buch- und Bildkunst darstellt. Manis eigene Schriften sind jedoch nur fragmentarisch erhalten, so dass man weitgehend auf andere Quellen zurückgreifen muss. Aus der ersten Jüngergeneration stammt der Kölner Mani-Kodex. Seine Entdeckung revolutionierte die Erforschung der Mani-Vita, da man vorher vor allem auf jüngere arabische Quellen angewiesen war (z.B. Kitāb al-Fihrist des Ibn an Nadīm [10. Jh. n. Chr.], „Die verbliebenen Denkmäler der vergangenen Generationen“ bzw. „Chronologie“ des Al-Biruni [10. / 11. Jh. n. Chr.]). Obwohl auch der Kölner Mani-Kodex kein historischer Bericht ist, sondern starke legendarische Züge trägt, konnten die alten Quellen nun in vielerlei Hinsicht ergänzt und korrigiert werden: So identifizierte man in der älteren Forschung die Täufer, in deren Gemeinschaft Mani aufwuchs, als (nichtchristliche) Mandäer, aus den Angaben des Kölner Mani-Kodex geht nun aber hervor, dass es sich um die judenchristliche Täufersekte der Elkesaiten handelt – eine Erkenntnis, die weitreichende Folgen für die Rolle des Christentums in Manis religiöser Entwicklung und Theologie hat. Eine wichtige Rolle für die Rekonstruktion von Manis Leben spielen weiter die koptischen Quellen aus dem Frühstadium des Manichäismus, allen voran die Homilien, aber auch einzelne Informationen aus den Kephalaia (z.B. 15,34-16,2) und aus dem „Koptisch-Manichäischen Psalmenbuch“ (z.B. 19,12-13). Das einer späteren Phase des Manichäismus zugehörige „Chinesische Kompendium“ und vergleichbare Quellen haben dagegen einen ausgeprägt legendarischen Charakter. Viele Schriften wie die Memoiren (Apomnēmoneumata; kopt. prpmeue) sind weitgehend verloren bzw. liegen nur in Zitaten vor.

2. Leben

Mani ist der Stifter einer nach ihm benannten synkretistisch-dualistischen Religion, des Manichäismus. Der Name Mani (aram. mny; gr. Man[n]ichaios [=kopt.]; Manēs; lat. Manes/Man[n]ichaeus; chin. mo-ni; pers. m’ny; m’nyy; m’n’; sanskr. Māneya[sya]) wurde unterschiedlich ausgedeutet. Zunächst ist Mānēs ein verbreiteter Eigenname, vor allem bei Sklaven. Einige Quellen fassen Mani aber auch als Kurzform von Man[n]ichaios und nicht als Eigennamen auf (nach Acta Archelai war dieser Corbicius / Curbic[i]us). Die z.T. höchst spekulativen bzw. tendenziösen etymologischen Herleitungen von Mani / Manichaios gehen dabei in ganz unterschiedliche Richtungen. Manis Gegner Augustin stellte z.B. eine Verbindung zum lateinischen Wort mania / maneis (Wahnsinn / wahnsinnig) her; andere Erklärungen verweisen auf das aramäische Wort mānā („Gefäß“ [sc. des Heiligen Geistes] oder – polemisch gewendet - mānā [dbīštā] = Gefäß [des Bösen]), die himmlische Nahrung „Manna“ oder die aramäische Wendung mānī hayyā (Mani der Lebendige bzw. „lebendiges Gefäß [sc. des Heiligen Geistes]“).

Geboren wurde Mani am 14. April 216 bei Seleukia-Ktesiphon im Irak, in der Nähe von Bagdad. Seine Mutter – die Überlieferung ihres Namens variiert; eine verbreitete Lesart ist Maryam – gilt der Legende nach als Frau arsakidischer Abstammung und als Adelige aus einem parthischen Königsgeschlecht; Manis Vater Pattak / Pattik / Patēg (gr. Pattikos; lat. Patecius) spielt in der Mani-Biographie eine weitaus größere Rolle als seine Mutter. Er war Mitglied in der asketisch ausgerichteten judenchristlichen Täufersekte der Elkesaiten, in deren Gemeinschaft auch Mani seit seinem vierten Lebensjahr aufwuchs und in der er seine religiöse Prägung erfuhr. Im Alter von 12 Jahren (vgl. den 12jährigen Jesus im Tempel!) empfing Mani die erste Offenbarung seines himmlischen „Zwillings“ (gr. syzygos; syr. tamā; aram. tōmā; kopt. saiš; mittelpers. nar(-jamiq); parth. yamag), der ihn über die himmlischen Geheimnisse aufklärte und zu seinem ständigen Begleiter, gewissermaßen zum himmlischen Über-Ich und Doppelgänger, wurde. Durch diese erste Vision mit prophetischem Sendungsbewusstsein erfüllt entwickelte Mani eine universale Heilslehre, auf deren Grundlage er die Täufersekte reformieren wollte. Ein entscheidender Unterschied war, dass Mani Taufen und Waschungen ablehnte, weil dadurch die im Wasser befindlichen Lichtanteile geschädigt würden (→ Ethik). Mani zählte sich zu einer Reihe religiöser Offenbarer wie → Seth, → Noah, → Enosch, Henoch, Sem, → Abraham, Zoroaster, Buddha, → Jesus, → Paulus und Elkesai, in denen er seine Vorläufer erkannte. Sich selbst verstand er als Vollender der Offenbarung, als „Apostel des Lichtes“ und als der von Jesus verheißene → Paraklet (z.B. Joh 14,26).

Als eine Reform der Täufersekte nicht gelang, kam es zum Bruch und Mani trennte sich von den Elkesaiten. Mehrere Anhänger, darunter auch sein Vater, folgten ihm. Nachdem er als 24 jähriger durch eine zweite Offenbarung seines himmlischen Zwillings als „Apostel des Lichts“ bestätigt und ausgesandt wurde, brach Mani zu Missionsreisen zunächst nach Ktesiphon, dann nach Indien auf (240 / 41). Im Zusammenhang mit den Missionsreisen Manis überliefern die manichäischen Schriften zahlreiche → Wundertaten Manis, wie z.B. → Heilungen, eine Luftreise und die Bekehrung eines Königs. Im Jahre 242 kehrte Mani nach Persien zurück, wo inzwischen der Perserkönig Šapur I. (242-273) an die Macht gelangt war. Mani widmete Šapur I. eine auf Persisch abgefasste Missionsschrift, die einen Abriss der manichäischen Lehre und Manis Biographie enthielt (Šābuhragān). Šapur I. versprach sich von Manis Einheitsreligion politische Vorteile für seine Reichsideologie und stand dem Manichäismus deswegen positiv gegenüber. Mit seiner Billigung und Unterstützung – Šapur I. stellte Mani zum Schutz Geleitbriefe für die reibungslose Mission im Sassanidenreich aus - breitete sich der Manichäismus sowohl innerhalb als auch außerhalb des Irans im Osten und Westen aus; sogar zwei Brüder des Königs sollen sich der Legende nach bekehrt haben. Mani leitete und erweiterte seine religiöse Gemeinschaft auf vielfältige Weise: Er brach selbst zu Missionsreisen auf, versandte Briefe in missionierte Gebiete und schickte Missionare aus. Ein wichtiger Missionar in der manichäischen Kirche war Addai / Adimantus, der wie seine Mitjünger Papos und Thomas in Ägypten (und nach Augustin auch in Nordafrika) wirkte. Eine ebenfalls herausragende Rolle spielte Mar Amo, der dem Manichäismus im ostiranisch-parthischen Raum und im Kushan-Reich zum Erfolg verhalf. Auch der Nachfolger von Šapur I., Hormizd I. (273 / 274), blieb der manichäischen Lehre wohlgesonnen. Das Schicksal Manis und der Manichäer änderte sich jedoch unter der Herrschaft von Bahram I. (274-276 / 7), der Mani unter anderem das Reisen und damit die Mission untersagte. Eine Verfolgung des Manichäismus begann. Treibende Kraft hinter der nun einsetzenden Repression des Manichäismus war indes die zoroastrische Priesterschaft, allen voran der auf Stärkung und Neuorganisation der zoroastrischen Religion bedachte Obermagier Kardēr / Kartīr. Die zwischen den beiden konkurrierenden Religionen schon lange schwelenden Konflikte führten schließlich zur Verhaftung und zum Tod Manis: Nach 26 Tagen Gefängnis erlitt er als Folge der Kerkerhaft den Märtyrertod in Gundešapur; das genaue Todesdatum ist umstritten (14. Februar 276 oder 26. Februar 277). Die Legende erzählt, dass Mani nach seinem Tod direkt ins Lichtreich aufstieg. Seinen Leichnam, der als Ketzerleichnam verstümmelt wurde, stellte man zur Schau. Manis Anhänger deuteten seinen Tod als → „Kreuzigung“ (staurosis), womit Mani mit Jesus parallel gesetzt wurde (siehe z.B. Koptisch-Manichäische Homilien). Verfolgungen der Manichäer schlossen sich an; viele starben wie Mani den Märtyrertod oder wanderten im Lauf der Zeit in den Nordosten Irans und von da aus über Zentralasien nach China aus, wo der Manichäismus zu neuer Blüte gelangte. Im Römischen Reich kam es im Jahre 297 durch ein Edikt Diocletians zum Verbot des Manichäismus, das unter Theodosius I. und Justian I. verschärft wurde; die manichäische Religion galt als crimen publicum und die Manichäer wurden von Staat und Kirche verfolgt.

3. Lehre

Mani war sowohl ein Prophet mit hohem Sendungsbewusstsein als auch ein Theologe, der ein eigenes religiöses System geschaffen hatte. Manis Religion ist nach dem Prinzip eines gezielten Synkretismus gebaut, der mehrere Religionen in sich vereint und aus ihnen eine umfassende Heilslehre konstruiert. Einflüsse des Christentums (Rolle Jesu, Bedeutung des Neuen Testaments), der jüdisch-christlichen Täufersekte der Elkesaiten (Mission, zyklische Wiederkehr der Propheten, Weltgericht, → true), der → Gnosis (vor allem Bardaisan und → Markion), des zoroastrisch-iranischen Dualismus (absoluter Dualismus, Drei-Zeiten-Lehre, „großer Krieg“) und später auch des Buddhismus (Seelenwanderung, Spaltung der Kirche in „Erwählte“ und „Hörer“) sind vorhanden.

Kern der manichäischen Lehre ist der Dualismus zwischen den Urprinzipien Licht bzw. Geist und Finsternis bzw. Materie. Deren Kampf entfaltet ein mehrstufiger Kunstmythos, der je nach religiös-kulturellem Raum im Hinblick auf die Terminologie und Mythologie variiert und aufgrund seiner Komplexität auch zum Gegenstand gegnerischen Spottes wurde (z.B. Augustin). Das Reich des Lichtes und das Reich der Finsternis stehen einander als feindliche Mächte gegenüber, die je für sich immer neue Kräfte und Emanationen generieren. Der Kampf zwischen diesen beiden Reichen führt zu einer Einteilung der Zeit in drei Phasen. In der ersten Phase „vor der Vermischung“ kommt es zu einem Angriff der Finsternis auf das Licht, in dessen Verlauf Teile des Lichts in der Finsternis / Materie gefangen werden bzw. sich aus taktischen Gründen fangen lassen, um subversiv den Sieg des Lichtreiches zu erwirken. Die zweite Phase „während der Vermischung“ ist dadurch geprägt, dass das Licht in der Finsternis gefangen ist. Das gefangene Licht befindet sich im Unterschied zu gnostischen Vorstellungen nicht nur im Menschen (=→ Seele / Lichtfunke), sondern auch in der Vegetation, im Tier- und Erdreich sowie in der anorganischen Materie. Ziel der manichäischen Religion ist die Entmischung von Licht und Finsternis durch die Läuterung und Befreiung des Lichts. Hierzu ist es notwendig, die Wahrheit über das gefangene Licht zu erfahren, welche die „Apostel des Lichts“ der Welt geoffenbart haben. Im Besitz dieses Wissens ist jeder Mensch auf seine Art dazu aufgerufen, das Licht einerseits vor Schädigung zu bewahren (→ Ethik), andererseits aktiv an seiner Befreiung mitzuwirken (→ Kult; „Seelendienst“). Am Ende der Zeiten beginnt die Phase „nach der Vermischung“: Das Licht wird in einem apokalyptischen Endkampf („großer Krieg“), einem 1468 Jahre andauernden Weltenbrand und dem Endgericht mit der Wiederkunft Christi als Richter (vgl. Mt 24-25) befreit. Die Rolle Jesu im Manichäismus ist dabei komplex und in den einzelnen kulturell-geographischen Spielarten unterschiedlich akzentuiert: Vor allem im nordafrikanischen Manichäismus fungiert der leidende Jesus (Jesus patibilis) als christologisches Symbol für das in der Materie gefesselte Licht (siehe auch „Lichtkreuz“ oder auch „lebendige Seele“); weiter ist Jesus der transzendente Erleuchter der Menschen und bringt die Erkenntnis (Jesus-Glanz), und schließlich gilt er als ein Vorläufer Manis (historischer Jesus).

4. Ethik

Aus der Vorstellung, dass in jeder Form von Materie – sei sie organisch, sei sie anorganisch - Licht gefangen ist, resultiert ein umfassendes „kosmisches Verantwortungsgefühl“ (Rudolph, 362). Das Mitgefühl mit der „gemischten Erde (Kephalaia 17,18)“ und der Respekt vor „dem Leben und dem Licht, das in allen Dingen ist (Kephalaia 54,17f)“, führt zu einer Ethik der Enthaltsamkeit, die sich in zahlreichen Geboten und Verboten niederschlägt. Im alltäglichen Leben muss immer darauf geachtet werden, die Lichtteile nicht zu schädigen und zugleich an der Ausläuterung des Lichtes und der Ausbreitung des Manichäismus mitzuwirken. Dies gelingt durch die spezifische Ekklesiologie des Manichäismus, dessen institutionelle Gestalt den Charakter einer Doppelorganisation hat. Die manichäische → Kirche besteht aus zwei Gruppen, den „Auserwählten“ (electi) und den „Hörern“ (auditores / Katechumenen). Für die „Auserwählten“ gilt eine rigide Ethik, die sich in der Lehre von den „drei Siegeln“ (tria signacula) manifestiert: Das Siegel der Hände (signaculum manuum) bedeutet, keine Lichtteile durch Arbeit (Handarbeit, Ackerbau etc.) zu schädigen; das Siegel des Schoßes (signaculum sinus) bedeutet sexuelle Enthaltung, da durch Sexualität und Fortpflanzung die Ausläuterung des Lichtes verzögert wird; das Siegel des Mundes (signaculum oris) beinhaltet das Verbot von Lügen und von Fleisch- und Weingenuss. Die „Auserwählten“ haben die Aufgabe, die Welt zu missionieren und sie wie Sauerteig zu durchziehen. Weiter arbeiteten sie beim kultischen Mahl an der Ausläuterung des Lichtes mit und vergeben den „Hörern“ ihre Sünden. Die „Hörer“ indes müssen die „Auserwählten“ mit Almosen versorgen („Seelendienst“); durch die dafür unausweichliche Arbeit sündigen sie immerfort und müssen in einem späteren Leben als „Auserwählte“ wiedergeboren werden (Seelenwanderung). Die „Auserwählten“ wiederum steigen nach ihrem Tod direkt in das Lichtreich auf. Als hermeneutische Metapher für die spezifische Rollenverteilung zwischen „Auserwählten“ und „Hörern“ gilt die lukanische Geschichte von → „Maria und Martha“ (Lk 10,38-42; vgl. z.B. Fragmenta Tabestina).

5. Kult

Die Erkenntnis, das Licht mit seinen „zehn schlangenköpfigen Fingern und zweiundreißig Zähnen (Xuāstvānīft)“ immerfort schädigen zu müssen, erzeugt ein hohes Sündenbewusstsein, was sich in zahlreichen Beichtspiegeln (z.B. Xuāstvānīft) und Bußpsalmen sowie in festgelegten Fastenzeiten und -tagen niederschlägt. Darüber hinaus findet sich im Manichäismus insgesamt ein reiches kultisches Leben, wovon die umfangreichen manichäischen Hymnensammlungen zeugen (z.B. „Koptisch-Manichäisches Psalmenbuch“, „chinesische Hymnenrolle“, parthischer Hymnenzyklus Huyadagmān). Aus all den rituellen Gruß -und Segenshandlungen tritt neben der Totenmesse besonders das Mahl zur Lichtläuterung hervor. Die „Auserwählten“ reinigen in einem kultischen Akt das Licht. Die „Hörer“ bringen Almosen und erhalten im Gegenzug dafür Sündenvergebung. Der jährliche Höhepunkt ist das „Bemafest“. Es wird im Gedenken am Manis Tod im Februar / März gefeiert: Ein Bild Manis wird auf das Bema (Katheder / Tribunal) gestellt und mit Psalmen angerufen.

6. Wirkung

Der Tod Manis und die Verfolgung der Manichäer im Iran war nicht das Ende der manichäischen Religion; durch Auswanderungen und Vertreibungen kam es sogar zum Wachsen des Manichäismus in Ost und West. Manis Religion entwickelte sich im Lauf der Jahrhunderte zu einer Weltreligion, die den Erdkreis vom Westen (Gallien / Spanien) bis zum Osten (Indien / China) umfasste und im Westen eine ernstzunehmende Konkurrenz für das Christentum darstellte. Beispielsweise war der Kirchenvater Augustin als Rhetoriklehrer in Karthago neun Jahre lang manichäischer „Hörer“ und berichtet darüber unter anderem in seinen „Konfessionen“. Im Westen war der Manichäismus durch staatliche und kirchliche Verfolgungen seit dem 6 Jh. am Schwinden; im Osten wurde er ab dem 8. Jh. zunehmend durch den Islam verdrängt, wohingegen im Süden Chinas manichäische Gemeinden bis zum 16. / 17. Jh. bestanden. Zum Zentrum des Manichäismus entwickelte sich indes Zentralasien (Turkestan): Bei den türkischen Uighuren war Manis Religion unter Bügül Khan sogar Staatsreligion (8. / 9. Jh.). In der Religionsgeschichte hat man immer wieder Spuren des Manichäismus ausgemacht, so bei den Bogomilen (Balkan), den Katharern (Italien / Südfrankreich) oder im tibetischen Lamaismus.

Der Erfolg von Manis Religion hat viele Gründe. Zum einen ist die institutionelle Gestalt des Manichäismus zu nennen. Mani schuf eine streng hierarchisch organisierte Kirche: An der Spitze stand Mani bzw. sein Nachfolger (Archegos) wie zum Beispiel Innaios / Sisinnos, dann folgten zwölf Lehrer (Apostel), 72 Bischöfe und 360 Presbyter; die übrigen Gläubigen teilten sich in „Auserwählte“ und „Hörer“. Diese Organisation gab dem Manichäismus jene Stabilität, die anderen gnostischen Religionen der Spätantike weitgehend fehlte. Zum anderen sorgte die aktive Missionsarbeit für eine weite Verbreitung. Dabei spielte vor allem die Fähigkeit, sich anderen Religionssystemen anzupassen und in vielen Kulturen sprachfähig zu sein, eine entscheidende Rolle. Ausgehend von Manis gezieltem Synkretismus ließ sich der Manichäismus auf andere Religionen mit ihrer Sprache und Mythologie ein und verschmolz mitunter mit ihnen: In Indien galt er als rechte Form des Buddhismus; in China hat er als getarnter Taoismus lange überlebt. Weltgeschichtliche Umwälzungen wie das Erstarken neuer politischer (z.B. Mongolensturm) bzw. religiöser Kräfte (z.B. Islam) sowie innere Gründe wie die dem Manichäismus inhärente elitäre Ethik einer Zweiklassenreligion und die negative Weltsicht führten dennoch weltweit zum Aussterben der Religion Manis.

Literaturverzeichnis

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