Mani
(erstellt: Dezember 2010)
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1. Quellen
Zahlreiche manichäische Originalschriften geben heute Einblick in Manis Leben und die von ihm gegründete Religion. Zunächst war der Manichäismus vor allem aus arabischen Quellen (z.B. Kitāb al-Fihrist des Ibn an Nadīm [10. Jh.]) sowie aus den Schriften der christlichen Gegner bekannt. Diese haben in ihren Widerlegungen aus manichäischen Quellen zitiert und sie so mit überliefert (z.B. Acta Archelai des Hegemonius [4. Jh.], Kirchenväter wie z.B. → Augustin
Weitere Funde wie der lateinische Tebessakodex (Algerien; 1918) schlossen sich an. Eine wichtige Etappe in der Manichäismusforschung war indes der umfangreiche Fund koptisch-manichäischer Schriften bei Medinet Madi: 1929 / 30 entdeckte Carl Schmidt dort zahlreiche Texte, die vermutlich aus dem oberägyptischen Lykopolis stammen. Sie können um 400 n. Chr. datiert werden und geben somit Aufschluss über das Frühstadium des Manichäismus. Wichtig sind vor allem die manichäischen Lehrvorträge, die „Kephalaia“, die zum Teil auch in den Fragmenten aus Dakhleh und Turfan erhalten sind. Diese als Gespräche Manis mit seinen Jüngern stilisierten Vorträge bieten eine Zusammenfassung der manichäischen Lehre und bestehen aus zwei unterschiedlichen Sammlungen: Die „Kephalaia des Lehrers“ (heute in Berlin) erklären den Zusammenhang von Mikro- und Makrokosmos. Mnemotechnische Strategien, Zahlenentsprechungen, → Gleichnisse
1970 wurde schließlich der aus dem 4. / 5. Jh. stammende griechische Kölner Mani-Kodex („Vom Werden seines Leibes“ [peri tēs gennēs tou somātos autou]) aus der Kölner Papyrussammlung bekannt, der die Lebensgeschichte und authentische Aussprüche Manis überliefert. Er geht vermutlich auf eine syrische Vorlage zurück. Mit seinem Umfang von 3,5 mal 4,5 cm gilt er als das kleinste Buch der Antike. Weitere manichäische Texte liturgisch-hymnischen Inhalts, die zum Teil Entsprechungen zum „Koptisch-Manichäischen Psalmenbuch“ haben, wurden 1991 im oberägyptischen Kellis (Dakhleh-Oase) aufgefunden. Weiter entdeckte man der Dakhleh-Oase Briefe, ein Rechnungsbuch und syrisch-koptische Lexika mit manichäischer Begrifflichkeit. Neben den manichäischen Originalschriften und islamischen bzw. christlichen Quellen existieren weitere Darstellungen des Manichäismus wie z.B. das zoroastrische Sammelwerk Škand-Gumānīg-Wizār. Die Herausgabe und Auswertung der zahlreichen Quellen dauert bis heute an.
Trotz der guten Quellenlage ist die Rekonstruktion von Manis Leben unter historisch-kritischen Gesichtspunkten schwierig. Die Quellen beinhalten mancherlei Widersprüche (Überlieferung des Namens „Mani“, Missionsrouten Manis etc.). Viele manichäische Originalschriften sind hagiographisch ausgerichtet, mit Legendenmotiven angehäuft und um eine Parallelisierung des Lebens Manis mit dem Leben Jesu bemüht (z.B. Manichäische Homilien, Kölner Mani-Kodex); andere Quellen wiederum verfolgen eine dezidiert antimanichäische Zielrichtung (z.B. Acta Archelai), was zu polemischen Verzeichnungen von Personen und Ereignissen führt.
Vor allem aber stammen die manichäischen Quellen aus unterschiedlichen Zeiten und geographischen Gebieten und sind allein deswegen für die Rekonstruktion der Vita Manis von unterschiedlicher Qualität. Am wertvollsten sind Manis eigene Schriften, die er unter anderem deswegen geschrieben hat, um seine Lehre vor Verfälschungen zu schützen. Er verfasste neben dem Šābuhragān, das in Fragmenten vorliegt, sieben Werke, die als manichäischer → Kanon
2. Leben
Mani ist der Stifter einer nach ihm benannten synkretistisch-dualistischen Religion, des Manichäismus. Der Name Mani (aram. mny; gr. Man[n]ichaios [=kopt.]; Manēs; lat. Manes/Man[n]ichaeus; chin. mo-ni; pers. m’ny; m’nyy; m’n’; sanskr. Māneya[sya]) wurde unterschiedlich ausgedeutet. Zunächst ist Mānēs ein verbreiteter Eigenname, vor allem bei Sklaven. Einige Quellen fassen Mani aber auch als Kurzform von Man[n]ichaios und nicht als Eigennamen auf (nach Acta Archelai war dieser Corbicius / Curbic[i]us). Die z.T. höchst spekulativen bzw. tendenziösen etymologischen Herleitungen von Mani / Manichaios gehen dabei in ganz unterschiedliche Richtungen. Manis Gegner Augustin stellte z.B. eine Verbindung zum lateinischen Wort mania / maneis (Wahnsinn / wahnsinnig) her; andere Erklärungen verweisen auf das aramäische Wort mānā („Gefäß“ [sc. des Heiligen Geistes] oder – polemisch gewendet - mānā [dbīštā] = Gefäß [des Bösen]), die himmlische Nahrung „Manna“ oder die aramäische Wendung mānī hayyā (Mani der Lebendige bzw. „lebendiges Gefäß [sc. des Heiligen Geistes]“).
Geboren wurde Mani am 14. April 216 bei Seleukia-Ktesiphon im Irak, in der Nähe von Bagdad. Seine Mutter – die Überlieferung ihres Namens variiert; eine verbreitete Lesart ist Maryam – gilt der Legende nach als Frau arsakidischer Abstammung und als Adelige aus einem parthischen Königsgeschlecht; Manis Vater Pattak / Pattik / Patēg (gr. Pattikos; lat. Patecius) spielt in der Mani-Biographie eine weitaus größere Rolle als seine Mutter. Er war Mitglied in der asketisch ausgerichteten judenchristlichen Täufersekte der Elkesaiten, in deren Gemeinschaft auch Mani seit seinem vierten Lebensjahr aufwuchs und in der er seine religiöse Prägung erfuhr. Im Alter von 12 Jahren (vgl. den 12jährigen Jesus im Tempel!) empfing Mani die erste Offenbarung seines himmlischen „Zwillings“ (gr. syzygos; syr. tamā; aram. tōmā; kopt. saiš; mittelpers. nar(-jamiq); parth. yamag), der ihn über die himmlischen Geheimnisse aufklärte und zu seinem ständigen Begleiter, gewissermaßen zum himmlischen Über-Ich und Doppelgänger, wurde. Durch diese erste Vision mit prophetischem Sendungsbewusstsein erfüllt entwickelte Mani eine universale Heilslehre, auf deren Grundlage er die Täufersekte reformieren wollte. Ein entscheidender Unterschied war, dass Mani Taufen und Waschungen ablehnte, weil dadurch die im Wasser befindlichen Lichtanteile geschädigt würden (→ Ethik). Mani zählte sich zu einer Reihe religiöser Offenbarer wie → Seth
Als eine Reform der Täufersekte nicht gelang, kam es zum Bruch und Mani trennte sich von den Elkesaiten. Mehrere Anhänger, darunter auch sein Vater, folgten ihm. Nachdem er als 24 jähriger durch eine zweite Offenbarung seines himmlischen Zwillings als „Apostel des Lichts“ bestätigt und ausgesandt wurde, brach Mani zu Missionsreisen zunächst nach Ktesiphon, dann nach Indien auf (240 / 41). Im Zusammenhang mit den Missionsreisen Manis überliefern die manichäischen Schriften zahlreiche → Wundertaten
3. Lehre
Mani war sowohl ein Prophet mit hohem Sendungsbewusstsein als auch ein Theologe, der ein eigenes religiöses System geschaffen hatte. Manis Religion ist nach dem Prinzip eines gezielten Synkretismus gebaut, der mehrere Religionen in sich vereint und aus ihnen eine umfassende Heilslehre konstruiert. Einflüsse des Christentums (Rolle Jesu, Bedeutung des Neuen Testaments), der jüdisch-christlichen Täufersekte der Elkesaiten (Mission, zyklische Wiederkehr der Propheten, Weltgericht, → true), der → Gnosis
Kern der manichäischen Lehre ist der Dualismus zwischen den Urprinzipien Licht bzw. Geist und Finsternis bzw. Materie. Deren Kampf entfaltet ein mehrstufiger Kunstmythos, der je nach religiös-kulturellem Raum im Hinblick auf die Terminologie und Mythologie variiert und aufgrund seiner Komplexität auch zum Gegenstand gegnerischen Spottes wurde (z.B. Augustin). Das Reich des Lichtes und das Reich der Finsternis stehen einander als feindliche Mächte gegenüber, die je für sich immer neue Kräfte und Emanationen generieren. Der Kampf zwischen diesen beiden Reichen führt zu einer Einteilung der Zeit in drei Phasen. In der ersten Phase „vor der Vermischung“ kommt es zu einem Angriff der Finsternis auf das Licht, in dessen Verlauf Teile des Lichts in der Finsternis / Materie gefangen werden bzw. sich aus taktischen Gründen fangen lassen, um subversiv den Sieg des Lichtreiches zu erwirken. Die zweite Phase „während der Vermischung“ ist dadurch geprägt, dass das Licht in der Finsternis gefangen ist. Das gefangene Licht befindet sich im Unterschied zu gnostischen Vorstellungen nicht nur im Menschen (=→ Seele
4. Ethik
Aus der Vorstellung, dass in jeder Form von Materie – sei sie organisch, sei sie anorganisch - Licht gefangen ist, resultiert ein umfassendes „kosmisches Verantwortungsgefühl“ (Rudolph, 362). Das Mitgefühl mit der „gemischten Erde (Kephalaia 17,18)“ und der Respekt vor „dem Leben und dem Licht, das in allen Dingen ist (Kephalaia 54,17f)“, führt zu einer Ethik der Enthaltsamkeit, die sich in zahlreichen Geboten und Verboten niederschlägt. Im alltäglichen Leben muss immer darauf geachtet werden, die Lichtteile nicht zu schädigen und zugleich an der Ausläuterung des Lichtes und der Ausbreitung des Manichäismus mitzuwirken. Dies gelingt durch die spezifische Ekklesiologie des Manichäismus, dessen institutionelle Gestalt den Charakter einer Doppelorganisation hat. Die manichäische → Kirche
5. Kult
Die Erkenntnis, das Licht mit seinen „zehn schlangenköpfigen Fingern und zweiundreißig Zähnen (Xuāstvānīft)“ immerfort schädigen zu müssen, erzeugt ein hohes Sündenbewusstsein, was sich in zahlreichen Beichtspiegeln (z.B. Xuāstvānīft) und Bußpsalmen sowie in festgelegten Fastenzeiten und -tagen niederschlägt. Darüber hinaus findet sich im Manichäismus insgesamt ein reiches kultisches Leben, wovon die umfangreichen manichäischen Hymnensammlungen zeugen (z.B. „Koptisch-Manichäisches Psalmenbuch“, „chinesische Hymnenrolle“, parthischer Hymnenzyklus Huyadagmān). Aus all den rituellen Gruß -und Segenshandlungen tritt neben der Totenmesse besonders das Mahl zur Lichtläuterung hervor. Die „Auserwählten“ reinigen in einem kultischen Akt das Licht. Die „Hörer“ bringen Almosen und erhalten im Gegenzug dafür Sündenvergebung. Der jährliche Höhepunkt ist das „Bemafest“. Es wird im Gedenken am Manis Tod im Februar / März gefeiert: Ein Bild Manis wird auf das Bema (Katheder / Tribunal) gestellt und mit Psalmen angerufen.
6. Wirkung
Der Tod Manis und die Verfolgung der Manichäer im Iran war nicht das Ende der manichäischen Religion; durch Auswanderungen und Vertreibungen kam es sogar zum Wachsen des Manichäismus in Ost und West. Manis Religion entwickelte sich im Lauf der Jahrhunderte zu einer Weltreligion, die den Erdkreis vom Westen (Gallien / Spanien) bis zum Osten (Indien / China) umfasste und im Westen eine ernstzunehmende Konkurrenz für das Christentum darstellte. Beispielsweise war der Kirchenvater Augustin als Rhetoriklehrer in Karthago neun Jahre lang manichäischer „Hörer“ und berichtet darüber unter anderem in seinen „Konfessionen“. Im Westen war der Manichäismus durch staatliche und kirchliche Verfolgungen seit dem 6 Jh. am Schwinden; im Osten wurde er ab dem 8. Jh. zunehmend durch den Islam verdrängt, wohingegen im Süden Chinas manichäische Gemeinden bis zum 16. / 17. Jh. bestanden. Zum Zentrum des Manichäismus entwickelte sich indes Zentralasien (Turkestan): Bei den türkischen Uighuren war Manis Religion unter Bügül Khan sogar Staatsreligion (8. / 9. Jh.). In der Religionsgeschichte hat man immer wieder Spuren des Manichäismus ausgemacht, so bei den Bogomilen (Balkan), den Katharern (Italien / Südfrankreich) oder im tibetischen Lamaismus.
Der Erfolg von Manis Religion hat viele Gründe. Zum einen ist die institutionelle Gestalt des Manichäismus zu nennen. Mani schuf eine streng hierarchisch organisierte Kirche: An der Spitze stand Mani bzw. sein Nachfolger (Archegos) wie zum Beispiel Innaios / Sisinnos, dann folgten zwölf Lehrer (Apostel), 72 Bischöfe und 360 Presbyter; die übrigen Gläubigen teilten sich in „Auserwählte“ und „Hörer“. Diese Organisation gab dem Manichäismus jene Stabilität, die anderen gnostischen Religionen der Spätantike weitgehend fehlte. Zum anderen sorgte die aktive Missionsarbeit für eine weite Verbreitung. Dabei spielte vor allem die Fähigkeit, sich anderen Religionssystemen anzupassen und in vielen Kulturen sprachfähig zu sein, eine entscheidende Rolle. Ausgehend von Manis gezieltem Synkretismus ließ sich der Manichäismus auf andere Religionen mit ihrer Sprache und Mythologie ein und verschmolz mitunter mit ihnen: In Indien galt er als rechte Form des Buddhismus; in China hat er als getarnter Taoismus lange überlebt. Weltgeschichtliche Umwälzungen wie das Erstarken neuer politischer (z.B. Mongolensturm) bzw. religiöser Kräfte (z.B. Islam) sowie innere Gründe wie die dem Manichäismus inhärente elitäre Ethik einer Zweiklassenreligion und die negative Weltsicht führten dennoch weltweit zum Aussterben der Religion Manis.
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4. Links zum Manichäismus
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