Segen / Segnen (NT)
(erstellt: Oktober 2013)
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1. Griechische Äquivalente
1.1. olbizein ktl.
Dem deutschen Begriff „segnen“ kam ursprünglich das griechische Verb olbizein im Sinne von „beglücken, glücklich machen, segnen“ am nächsten, wobei mit dem Adjektiv olbios konkret ein an männlicher Nachkommenschaft reicher (Homer, Il 24,543) sowie vor allem ein materiell reicher Mann (Homer, Il 16,569; 24,536; Od 14,206; 18,19; 17,420; 19,76) bezeichnet war. Nach Homer wird dieser „Segen“ bzw. diese „Segensfülle“ (olbia) ausdrücklich als Gabe der Götter (Od 7,148; 8,413; 24,402) bzw. als deren Tat (Od 13,42; vgl. Od 6,188; 17,354) verstanden. Davon abgeleitet finden sich auch, wenngleich als Hapaxlegomena, die Begriffe „olbiodaimon / gottgesegnet“ und „moiregenés / zum Glück geboren“.
Bei den antiken Dramatikern, bei Herodot sowie bei den Vorsokratikern wird das Wortfeld olbizein ktl. weiter ausgedehnt. Zur Begabung mit Reichtum, Erfolg und Macht kommt nun auch die Vorstellung immaterieller Güter hinzu: Herodot weiß, dass ein „sehr Reicher“ durchaus anolbios sein könne (Hist 1,32,29). Als olbios gilt jetzt derjenige, der glückselig (eudaimon) und leidensfrei (alypos) ist, was letztlich ja nur auf die Götter zutrifft (vgl. die Rede vom olbios Zeus bei Aischylos, Suppl. 526). Dennoch wird das Attribut olbios nach wie vor auch für Menschen verwendet: olbios ist derjenige, der Umgang mit den Göttern pflegt (Euripides, Iphigenie in Aulis 1621), der keinen Feind hat und dessen Ernte viel Frucht bringt (Euripides, Medea 715) oder der sein Leben im Glück beschließt (Aischylos, Agamemnon 928). Die in diesem Zusammenhang verwendeten Gegenbegriffe sind dystyches (nicht in der LXX oder im NT) und dyssebes (vgl. 1Esra 1,40.49 sowie 2Makk 3,11; 6,13; 8,14 und 3Makk 3,1.24; 5,47). Auffällig ist, dass die (automatische) Rückführung des erfahrenen olbos auf die Götter hier im Grunde ausbleibt.
1.2. makarizein ktl.
Schon bei Homer taucht das Adjektiv makar auf (Il 3,182); bei Aristophanes (Weibervolksversammlung, 1129) werden die Begriffe makarios und (tris)olbios parallel verwendet. Seither bezeichnet das Wort vor allem „das überragende Glück eines über Sorge, Arbeit und Tod überlegenen Lebens“ (Hauck, ThWNT 4, 1942, 365, unter Verweis auf Od 5,7) oder benennt den glücklichen Zustand der Götter (vgl. Homer, Il 1,406.599; 4,127; 5,340 u.ö.). Auch im NT wird in 1Tim 1,11
Anders als das Verbum olbizein bezeichnet makarizein indessen nicht ein „segnen“ im Sinne von „glücklich machen“, sondern von „glücklich preisen“ (Lk 1,48
1.3. eulogein ktl.
Erstmals bei Pindar belegt ist ein Wort, das in der jüdischen Literatur der hellenistischen Zeit die Vorstellung vom Segen in besonderer Weise prägt: eulogia (Olympia 5,24; Nemea 4,5; Isthmia 3/4,3; 6,21). Die griechischen Dramatiker kennen zwar olbizein ktl. noch gut, benutzen aber ebenso schon das aus dem griechischen Adverb eu (gut) und dem Verbum legein (reden) gebildete Wortfeld (vgl. Aischylos, Agamemnon 580 u.ö.; Sophokles, Philoktetes 1314 u.ö.; Euripides, Ion 137 u.ö.). Bei Aischylos belegt ist auch das Attribut eulogos im Sinne von „schönklingend, plausibel, vernünftig“, das vor allem in philosophischen Argumentationen gerne verwendet wird (allein bei Aristoteles 300x).
Unter eulogia wird ursprünglich eine Lob- und Preisrede verstanden; entsprechend bedeutet eulogein zunächst „rühmen, preisen“ (Belege bei Heckel, 14). Bei Euripides taucht der Begriff auch in einem theologischen Kontext auf: In Suppl 925 heißt es, dass die Götter einen Menschen ehren, während umgekehrt in Ion 1614 mit diesem Begriff der Lobpreis Gottes bezeichnet wird.
1.4. Von olbizein ktl. zu eulogein ktl.
Auffälliger Weise ist das Wortfeld olbizein im jüdischen Schrifttum der hellenistischen Zeit (und damit auch in der LXX und im NT) nicht belegt. Vermutlich haben hellenistische Juden „bewusst einen Begriff gewählt, der bisher kaum in einem religiösen Kontext gebraucht wurde und mit einer neuen Prägung versehen werden konnte“ (Heckel, 16). Ausgangspunkt war dafür die Preisrede, die auf Gott bezogen und von daher zum terminus technicus für das Gotteslob werden konnte. Insofern eignete sich der Begriff auch am besten für die Übersetzung des hebräischen Wortes brk. Weil brk im AT jedoch ebenso für den von Gott ausgehenden Segen verwendet wurde, hat auch eulogein „diesen zweiten, in der früheren paganen Gräzität noch nicht nachweisbaren Bedeutungsaspekt in der Septuaginta neu hinzugewonnen“ (Heckel, 16). Beide Aspekte hätte man auch mit der Vokabel olbizein ktl. abdecken können. Für die Favorisierung von eulogein gibt es allerdings noch einen weiteren Grund: Offenbar war der Bezug des Wortfelds von olbizein zum heidnischen Götterglauben so stark, dass man diesen Begriff beiseite ließ. Gab es doch neben dem literarischen Niederschlag eines „Zeus olbios“ (Aischylos, Suppl, 526) in Kilikien ein im 3.-1. Jahrhundert monumental ausgebautes Zeus-Olbios-Heiligtum, ja sogar einen olbischen Tempelstaat! Darüber hinaus macht das Wort eulogein in besonderer Weise deutlich, dass es sich beim Loben und Preisen wie auch beim Segnen eben um ein Wortgeschehen handelt: Grundsätzlich ist bei dem Wortfeld eulogein ktl. zwischen dem Segensvorgang, dem Segensakt und der Segenswirkung zu unterscheiden (Heckel, 41).
2. Grundlegendes zu eulogein ktl. im Neuen Testament
2.1. Begriffliche Abgrenzung
Die Wortfamilie eulogein ktl. taucht im NT in Form des Verbs (eulogein – 41 Belege), des Adjektivs (eulogetos – 8 Belege) sowie des Substantivs (eulogia – 16 Belege) auf. Eulogein kann der Gegenbegriff zu katarasthai (Gal 3,8-10
2.2. Grundbedeutung
Das griechische Wort eu-legein heißt inhaltlich und formal zunächst nichts anderes als „gut reden“. Das kann zweierlei bedeuten: Entweder meint es „in schöner Sprache reden“ (so in erster Linie bei der Verwendung des Hauptworts eulogia) oder „gut von jemandem sprechen“. Nach Platon (Resp III 400d) gehören eulogia, euarmostia, euschaimosyne und eurhythmia zum Ausdruck wahrhaft sittlicher Geisteshaltung. Der Begriff eulogia hat in der griechischen Literatur als „Schönrednerei“ mitunter jedoch auch einen negativen Klang (Lukian, Lexiphanes 1). Kakologein kommt im NT vor, aber nicht als Gegensatz zu eulogein, sondern im klassischen Sinne von „übel reden“ (Mk 9,39
3. Vorkommen im Neuen Testament
3.1. Paulus
Im → Corpus Paulinum
3.1.1. Gott bzw. Christus als Subjekt des Segens
In Gal 3,8
Zweifellos liegt mit der Formulierung in Gen 12,3
Glaube (pistis) und Werke des Gesetzes (erga nomou) stehen zueinander in Opposition. In diesem Zusammenhang kommt Paulus auch auf den → Fluch
Im Galaterbrief macht Paulus deutlich, dass sein Verständnis von der eschatologischen Wirkung des göttlichen Segens und Fluchs biblisch begründet ist. Zugleich integriert er sein Verständnis von Segen (eulogia) und Fluch (katara) in sein zentrales theologisches Anliegen, nämlich die Verkündigung der Freiheit von der Anklage durch die Tora und die Gabe des Geistes für alle Völker.
3.1.2. „Segen“ in Röm 15,29
In Röm 15,29
Somit lässt sich der Begriff „Segen Christi“ (eulogia Christou) bei Paulus als eine Abbreviatur seiner gesamten Verkündigung verstehen (Röm 1,15-17
Die Wirkung der geistlichen Gabe und damit des Segens ist nach Röm 1,11-13
Menschen als Subjekt und Objekt des Segnens – Glaubende als Subjekt, Andere als Objekt des Segens
1) 2Kor 9,5f.
Im Kontext der → Kollektensammlung für Jerusalem
2) Röm 12,14
Hinter Röm 12,14
Darauf gibt Röm 12,17
Gewaltverzicht ist für Paulus möglich, weil er die Gewaltausübung sowohl zeitlich als auch im Hinblick auf das Gewaltsubjekt verlagert: Erst in der (endzeitlichen) Zukunft wird die Reaktion auf gewalttätiges Handeln gegenüber den Angesprochenen erfolgen. Zugleich wird diese Reaktion ganz in Gottes Hand gelegt. Verfolger zu segnen, bedeutet also nicht nur, ihnen gute Wünsche mit auf den Weg zu geben, sondern ihnen Gutes zu tun und auf diese Art und Weise auch die Verfolger am (selbst erfahrenen) Segen Gottes teilhaben zu lassen.
3) 1Kor 4,12
In dem → Peristasenkatalog
3.1.4. Das Lob Gottes bzw. Gott als Objekt des eulogein bzw. der eulogia
1) Das Verbaladjektiv eulogetos
Insgesamt viermal taucht im Corpus Paulinum das Verbaladjektiv eulogetos auf – stets formelhaft gebraucht und (anders als das Partizip Perfekt Passiv eulogemenos, das sich bei Paulus gar nicht findet) ausschließlich auf Gott bezogen (Röm 1,25
2) Der Becher des Segens / der Lobpreisung / des Dankes
In welcher Art und Weise Paulus das Verb eulogein bzw. das Substantiv eulogia in 1Kor 10,16
Die Bezeichnung „Segensbecher“ ist demnach irreführend, „da es sich um eine Eulogie handelt und mit dieser Benediktion nicht der Becher gesegnet, sondern Gott für die Gaben des Mahls gedankt wird“ (Heckel, 35; anders Karrer, 212-215, und Obermann, 71-73). Zentral geht es also um den Lobpreis und den Dank gegenüber Gott als den „eigentlichen Adressaten“ (Heckel, 36). Ähnlich ist die Verwendung von eulogein in 1Kor 14,16
3.2. Epheserbrief
Der deuteropaulinische → Epheserbrief
Dabei nimmt die Entfaltung der Eulogie von Eph 1,3
3.3. Hebräerbrief
Der → Hebräerbrief
Auch im christologischen Hauptteil (Hebr 7,1-10,18
In Hebr 11,20f
Mit dem Begriff des Segens umschreibt der Verfasser des Hebräerbriefs den Zusammenhang von bereits erfolgter Heilszusage, faktischer Lebenserfahrung und zukünftigem Heil. In dieser Konstellation hat die Orientierung an den atl. Segensvorstellungen für die Theologie des Hebräerbriefs zentrale Bedeutung.
3.4. Evangelien
3.4.1. Markusevangelium
Markus verwendet die Vokabel eulogein relativ selten. Aus der → Septuaginta
Besonderes Gewicht hat die Geschichte von der „Kindersegnung“ in Mk 10,13-16
Markus kennt sowohl das Verbaladjektiv eulogetos wie auch das Partizip Perfekt Passiv eulogemenos. Beide Formen verwendet er überlegt: eulogetos (Mk 14,61
3.4.2. Matthäusevangelium
Matthäus übernimmt im Wesentlichen die Belege von Markus: Er kennt die Verwendung von eulogein sowohl als Bezeichnung eines Dankgebets vor dem Essen (Mt 14,19
Anders als in Mk 14,61
In der Perikope von der „Kindersegnung“ (Mt 19,13-15
Über Markus hinaus findet nur noch ein weiterer Beleg in der Parabel vom Weltgericht (Mt 25,31-46
3.4.3. Lukasevangelium / Apostelgeschichte
Lukas übernimmt die mk Belege für das Verb eulogein nahezu durchgängig. Umso auffälliger ist es, dass er bei der „Kindersegnung“ (Lk 18,15-17
In der Verhandlung vor dem Hohen Rat wird Jesus ähnlich wie in Mt 26,63
Aus Q übernimmt Lukas den (vorausgesagten) Jubelruf beim Einzug in Jerusalem, das Zitat aus Ps 118,26
Anders als Matthäus fügt Lukas dem Gebot der Feindesliebe noch die Aufforderung „Segnet, die euch verfluchen!“ an (Lk 6,28
Eine tragende Rolle spielt das Verb eulogein in den Kindheitsgeschichten (Lk 1-2
In der → Himmelfahrtserzählung
Mit dem aus dem AT übernommenen Verbum eulogeisthai umschreibt Lukas also das zentrale Anliegen seiner Botschaft: den Glauben an den gekreuzigten und auferstandenen Christus zu wecken. Er tut dies mit Hilfe von Gen 22,18
3.4.4. Johannesevangelium
Für das → Johannesevangelium
3.5. Weitere Schriften
3.5.1. Erster Petrusbrief
Der → Erste Petrusbrief
1Petr 3,9
Für den Verfasser ergeben sich daraus ethische Konsequenzen. Mit „segnen“ fasst er – dies wird sowohl an 1Petr 3,8
3.5.2. Jakobusbrief
Im → Jakobusbrief
3.5.3. Apokalypse
Der Begriff „Eulogia“ erscheint in der → Apokalypse
Bis auf eucharistia sind alle Prädikationen der Doxologie von Apk 7,12
4. Zusammenfassung
Der dem deutschen Begriff „Segen“ im klassischen Griechisch am nächsten kommende Ausdruck olbizein taucht weder im AT noch im NT auf. Das mag damit zusammenhängen, dass eulogein vor allem den Sprechakt deutlicher zum Ausdruck bringt und das Wortfeld olbios stark mit den heidnischen Göttern (besonders Zeus) verbunden ist.
Bereits im AT lässt sich die doppelte Richtung einer „Eulogie“ nachweisen: Entweder richtet sich das eulogein auf Gott als „Lobpreis“ oder auf den Menschen als „Segen“.
Für Paulus geht Segen stets von Gott aus und steht in eschatologischer Perspektive. Mit dem Zitat von Gen 12,3
Die Evangelisten gehen davon aus, dass Segen einerseits Heil bewirkt und anderseits als Lob auf Gott ausgerichtet ist. Darüber hinaus tritt als ein neuer Bedeutungsaspekt von eulogein der Dank hinzu, zumal bei Markus eulogein synonym zu eucharistein verwendet werden kann. Eine besondere Rolle spielt das Wortfeld eulogein ktl. im lk Sondergut als Ausdruck der adäquaten Kommunikation zwischen Gott (Christus) und den Seinen (auch untereinander).
In der Apokalypse dient das Wortfeld eulogein ktl. dazu, vor allem das Lob Gottes auf den Punkt zu bringen. Vom Gesegnetsein der Gemeindeglieder ist dabei keine Rede mehr.
Zusammenfassend kann man sagen: Das von Paulus im Galaterbrief aus Gen 12,3
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