Deutsche Bibelgesellschaft

Versammlung

(erstellt: Juni 2010)

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1. Grundsätzliches

Im Sinne eines Beisammenseins von Personen zu einem bestimmten Zweck kennt das Neue Testament sowohl informelle, meist spontane Versammlungen, als auch solche zur Abhaltung antik-jüdischer und frühchristlicher → true.

2. Versammlungen im Neuen Testament

Das informelle Sich-Versammeln von Menschen wird im Neue Testament meist mit dem Verb (epi-)synagō ([ἐπι-]συνάγω) oder mit den Substantiven ochlos (ὄχλος), laos (λαός) oder plēthos (πλῆθος) bezeichnet, die nicht selten synonym verwendet werden (Mt 27,24-25; Mk 3,7-10; Lk 6,17; Lk 7,24; Lk 7,29; Lk 8,42; Lk 8,47). Für die antik-jüdische Gottesdienstversammlung steht synagogē (συναγωγή), für die frühchristliche ekklēsia (ἐκκλησία) oder plēthos (πλῆθος). In der Profangräzität wird ekklēsia zur Bezeichnung der Bürgerversammlung einer Polis verwendet (Apg 19,39).

2.1. Informelle Versammlungen

In den neutestamentlichen Evangelien wird Jesus sehr häufig als von Menschen umringt dargestellt. Diese hören sein Lehren (Mt 7,28-29; Mt 22,33; Mk 1,22 par. Lk 4,32; Mk 1,27 par Lk 4,36; Mk 6,2 par Mt 13,54; Mk 11,18; Lk 4,32), staunen über seine Wundertaten (Mk 2,12 par. Mt 9,8 / Lk 5,26; Mt 9,33; Mk 7,37 par. Mt 15,31; Lk 7,16) und Exorzismen (Lk 9,43; Lk 11,14) oder kommen zu Speisungen (Joh 6,26).

Jesu Wirken wird gelegentlich als das eschatologische (Ver-)Sammeln (Mt 23,37; Mt 25,32; Mk 13,27 par. Mt 24,31; Lk 13,34) des endzeitlichen Gottesvolkes charakterisiert.

Auch von Versammlungen der Gegner früher Christen wird berichtet (Apg 19,32; Apg 19,40).

2.2. Institutionalisierte Versammlungen

Jesus versammelt um sich einen Kreis von → Jüngern und Jüngerinnen (Lk 8,1-2), die ihm nachfolgen. Der Zwölferkreis (Mt 10,1; Mt 19,28) zeigt dabei schon eine gewisse Institutionalisierung. Nach Ostern setzen sich die Versammlungen der Jünger (Lk 24,33; Joh 20,19; Joh 20,26) fort. Die Pfingsterzählung markiert typologisch den Übergang von einer informellen Versammlung aus Juden und Nicht-Juden zur ersten frühchristlichen Gemeinde in Jerusalem (Apg 2,5-47). Weitere frühchristliche Gemeinden entstehen in der Diaspora vor allem aus Abspaltungen von jüdischen Synagogengemeinden (Apg 18,1-8).

2.2.1. Antik-jüdische Versammlungen

Spezielle Versammlungsgebäude waren im antiken Judentum zur Zeit Jesu selten (zu den archäologischen und literarischen Belegen für Synagogengebäude siehe → Synagoge). Viel eher traf man sich in privaten Räumlichkeiten oder unter freiem Himmel. Nur in einzelnen Fällen ist im NT eindeutig zu entscheiden, ob für das griechische synagogē (συναγωγή) der Aspekt der Gemeindeversammlung oder der eines Gebäudes im Vordergrund steht. Eindeutig auf eine jüdische Gottesdienstversammlung bezieht sich Apg 13,43. Explizit ein Synagogengebäude wird von einem Hauptmann in Kapernaum gestiftet (Lk 7,5). In Korinth zieht Paulus mit seiner Anhängerschaft in ein Gebäude um, das direkt neben einem Synagogengebäude liegt (Apg 18,7). Alle anderen Stellen im NT lassen beide Möglichkeiten offen. Bedenkt man jedoch, dass auch in der LXX (außer Num 16,24) und bei Philo (außer in Bibelzitaten nur Prob 81) bei den durchaus zahlreichen Vorkommen von synagogē fast immer die Versammlung und nicht ein Gebäude gemeint ist, so ist auch für den neutestamentlichen Sprachgebrauch in den nicht eindeutigen Fällen viel eher an eine Versammlung von Menschen als an eine architektonische Struktur oder eine Versammlungsstätte zu denken. Josephus und eine Reihe von Inschriften (v.a. CIJ 1404) kennen beide Aspekte.

Ferner erwähnt das NT Versammlungen des Hohen Rates (→ Synhedrion / Sanhedrin; Mk 14,55 par. Mt 26,59; Mk 15,1; Joh 11,47; Apg 5,21-41), jener Versammlung von Hohenpriestern, Ältesten und Schriftgelehrten (Mk 14,53-65), die in der Zeit der römischen Besatzung Palästinas als oberster jüdischer Gerichtshof fungierte.

2.2.2. Frühchristliche Versammlungen

Nach dem Vorbild der jüdischen Synagogengemeinden versammelten sich auch die frühen Christen in Hausgemeinden, das heißt in Privathäusern einzelner Mitglieder (Apg 5,42; Apg 16,15; Apg 16,40; Röm 16,5; 1Kor 16,19; Kol 4,15; Phlm 2). Die frühen Christen trafen sich wohl bereits in neutestamentlicher Zeit am ersten Tag der Woche (1Kor 16,2; Apk 1,10). Ihre Versammlungen werden vor allem mit den Begriffen ekklēsia (ἐκκλησία; u.a. 1Kor 1,2; 1Thess 1,1) und plēthos (πλῆθος; vgl. u.a. Apg 4,32 mit Apg 5,11; Apg 15,12 mit Apg 15,22) bezeichnet. Programmatisch wird der Zusammenhang von Ortsgemeinde und überörtlicher → Kirche in 1Kor 1,1f deutlich: Paulus schreibt an die konkrete Gemeinde in Korinth (1Kor 1,1), die mit anderen, „die den Namen unseres Herrn Jesus Christus anrufen an jedem Ort“ (1Kor 1,2) verbunden ist. Gemeinde beziehungsweise Kirche ist dort, wo man „in der Versammlung“ (1Kor 11,18 vgl. Mt 18,20) zusammenkommt und sich als „ganze Gemeinde“ (1Kor 14,23) zum Gottesdienst versammelt. Dabei konstituiert sich die Gemeinde jedoch nicht durch den Akt des Sich-Versammelns sondern theologisch vom Bild des Leibes Christi her (1Kor 12,4-27; Röm 12,4-5), zu dem die einzelnen Gemeindeglieder hinzu getauft sind (1Kor 12,13).

Vor allem Lukas nutzt neben ekklēsia auch plēthos als christliche Gemeindebezeichnung (vgl. Apg 4,23 mit Apg 5,11; Apg 15,12 mit Apg 15,22), etwa im Sinne der Gemeindevollversammlung (Apg 15,12). Da er jedoch auch das Synhedrion (Lk 23,1) und die Jünger (Lk 19,37) mit plēthos bezeichnet, liegt hier kein technischer Sprachgebrauch vor.

Nur einmal (Jak 2,2; vgl. episynagogē in Hebr 10,25) steht synagogē, das ansonsten durchweg jüdische Versammlungen bezeichnet, für eine christliche Versammlung.

2.2.3. Weitere institutionelle Versammlungen im Kontext des NT

Im Griechentum wird die Versammlung der stimmberechtigten freien Männer einer Polis ebenfalls mit dem technischen Ausdruck ekklēsia bezeichnet. Diese städtische Bürgerversammlung fällt sowohl politische als auch juristische Entscheidungen. Ein solches Gremium wird beim Aufruhr der Silberschmiede in Ephesus (Apg 19,39) genannt und wird von einer spontanen, nicht verfassten Versammlung (Apg 19,32; Apg 19,40) unterschieden, auch wenn in beiden Fällen der Terminus ekklēsia Verwendung findet.

Die griechisch-römische Antike kennt ferner ein ausgeprägtes Vereinswesen. Menschen mit einem gemeinsamen religiösen und geselligen Interesse schlossen sich zu einem Verein (θίασος, collegium) mit einer Vielzahl von Versammlungsaktivitäten zusammen und standen damit in unmittelbarer Konkurrenz zu den antik-jüdischen und frühchristlichen Versammlungen.

Literaturverzeichnis

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  • Claußen, C., 2003, Meeting, Community, Synagogue – Different Frameworks of Ancient Jewish Congregations in the Diaspora, in: B. Olsson / M. Zetterholm, The Ancient Synagogue. From its Origins until 200 C.E. (CB.NT 39), Stockholm, 144-167
  • Claußen, C., 2002, Versammlung, Gemeinde, Synagoge. Das hellenistisch-jüdische Umfeld der frühchristlichen Gemeinden (StUNT 27), Göttingen
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  • Hanson, P.D., 1993, Das berufene Volk. Entstehen und Wachsen der Gemeinde in der Bibel, Neukirchen-Vluyn
  • Levine, L.I., 2000, The Ancient Synagogue. The First Thousand Years, New Haven / London
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  • Roloff, J., 1993, Die Kirche im Neuen Testament (NTD Ergänzungsreihe 10), Göttingen

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