Welt / Weltbild (NT)
(erstellt: Oktober 2013)
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1. Begriff
Welt (lat. mundus, griech. κόσμος, kósmos) umfasst nach lat. und griech. Philosophie sowohl die Idee als auch die physikalische Gestalt des Kosmos. Weltbild ist ein alter deutscher Begriff; er ist schon im Althochdeutschen belegt. Der Benediktiner Notker von St. Gallen (um 1000 n. Chr.) übersetzte lat. „imago ideaque mundi“ (Bild und Idee der Welt) mit uuerlt-pilde (Grimm; Thomé). Im Deutschen betont Weltbild also zusätzlich die Idee und die Formung der Idee durch den Menschen, während Welt undifferenziert die Wahrnehmungswelt und seine Interpretationen durch den Menschen zusammenfasst. Kósmos in der Bedeutung Welt, Weltbild „begegnet 186mal im NT mit deutlichem Schwergewicht in den johanneischen Schriften (Joh 78x, 1Joh 23x, dazu 2Joh 7x) und bei Paulus (37 Vorkommen, davon Röm 9x, 1Kor 21x, 2Kor 3x, Gal 3x und Phil 2,15
2. Das geozentrische Weltbild
2.1. Griechische Klassik und Hellenismus
Das geozentrische Weltbild, das die Erde als Scheibe oder Kugel zum Mittelpunkt hat, beherrscht sowohl das kosmologische Denken des Alten Testaments als auch der Antike. Das heliozentrische Weltbild des Aristarch von Samos (3. Jh. v. Chr.) konnte sich damals noch nicht durchsetzen. Die Schrift von Aristarch zum heliozentrischen System ist verloren gegangen, so dass keine klare Vorstellung über seine Theorie zu gewinnen ist. Archimedes (3. Jh. v. Chr.) zitiert ihn. Nach J. Mau lässt sich folgende These erkennen: „Sonne und Fixsterne stehen still, die Planeten samt Erde kreisen um die Sonne. Dabei ist der Durchmesser der Erdbahn gegenüber dem der Fixsterne vernachlässigbar klein. In gewisser Hinsicht bleibt das System geozentrisch wie das des Eudoxos und Aristoteles“ (Mau) und Platons. Nach Platon bildet der Kosmos eine Kugel, innerhalb derer Mond, Sonne und weitere „Planeten“ auf festgelegten Bahnen um die Erde kreisen (Plat., Tim 38b-39d). Die Planeten und Fixsterne sind wie die Erde göttliche Wesen; die Erde kreist um die Achse des Himmelsglobus und erzeugt so Tag und Nacht (Plat., Tim 40a-d).
Die Erkenntnis der Natur hat nach Platon drei Wurzeln: die Empirie, die Naturphilosophie und die Religion. Die Physik Platons und die von Aristoteles umfasst die empirische Beobachtung, die philosophische Deutung der Naturdinge (φυσικά, physiká) und die religiöse Metaphysik als die Lehre von den ersten Ursachen des Wirklichen. Die Welt hat nach Platon einen Anfang gehabt: „Der ganze Himmel (οὐρανός, ouranós) aber – oder die Welt (κοσμός, kósmos) oder welcher Name sonst ihm dafür am meisten belieben mag – damit sei er von uns genannt –, von ihm müssen wir zuerst erwägen, was es beim Anfang von jedem zu erwägen gibt, ob er stets war und keinen Anfang seines Entstehens hat oder ob er, von einem Anfang ausgehend, geworden ist. Er ist geworden…Ist aber diese Welt schön und ihr Werkmeister (demiourgós) gut, dann war offenbar sein Blick auf das Unvergängliche gerichtet“ (Plat. Tim. 28b-29a, übers. v. H. Müller / F. Schleiermacher). Ein Gott, der Demiurg, hat die Welt nach den unvergänglichen schönen und guten Ideen erschaffen. Allerdings hat der Demiurg danach keinen Einfluss mehr auf die Welt, die wiederum selbst ein Gott ist (Plat., Tim. 92c).
Aristoteles ändert aufgrund seiner naturphilosophischen Theorie das platonische Weltbild ab. Die Erde steht unbewegt im Mittelpunkt der Welt (Aristot., De caelo II 296a-b). Die Welt hat keinen Anfang und kein Ende (Aristot., De caelo I 270a-b). Die Religion bringt dann mit dem metaphysischen Weltbild den Glauben an das Einwirken von Göttern. Der unbewegte Beweger hält die Mechanik der Planetenumläufe, zu denen Sonne und Mond gehören, und der Sternenumläufe, bei denen insbesondere der Tierkreis eine hohe Bedeutung hat, in Gang (Aristot., Metaph. XII 6b 1071b; de caelo I 278b; II 284a).
Die → Stoa
Philon bringt die platonisch-stoische Philosophie mit der biblischen Schöpfungslehre zusammen. Gott erschafft nach Gen 1,1-5
In der Prinzipatszeit beschreibt Ptolemäus den Bau eines Modells vom Weltall in Fortführung von Aristoteles. Ptolemäus nennt es Astrolabon, das im Spätmittelalter und in der Renaissance zur Armillarsphäre nach lat. armillaris (Reifen/Ring) und sphaera (Kugel) weiterentwickelt wird (Kern 227f.). In dem Modell ist das Weltall als Globus mit der Erdkugel als ruhender Mittelpunkt und jeweils einer Kreisbahn für die Sonne und den Tierkreis dargestellt. Antike Artefakte sind bisher nicht gefunden worden; es sind aber Nachbildungen im Spätmittelalter und in der Renaissance angefertigt worden; mit solchen Instrumenten arbeiteten damals die Seefahrer und Astronomen (Kern 205-228).
Die Religion liefert dann zusätzlich zum physikalischen und metaphysischen Weltbild den Glauben an das spontane, unregelmäßige Einwirken von Göttern und → Dämonen
2.2. Altes Testament und Alter Orient
Das Hebräische hat keinen abstrakten Begriff für den Kosmos oder die Welt, sondern spricht konkret von Himmel und Erde (Gen 1,1
Im Frühjudentum findet dann eine Unterscheidung zwischen → Engeln
2.3. Neues Testament
Das Neue Testament hat kein spezifisches Weltbild. „Alle Anschauungen über den Aufbau und die äußere Gestalt der Welt teilt das Neue Testament vielmehr mit den Weltanschauungen seiner Umwelt“ (Sasse 887). Es vermischen sich alttestamentliche und hellenistische Weltbilder wie bei Philon und in der frühjüdischen → Apokalyptik
2.3.1. Paulus
Paulus nimmt im 1. Korintherbrief das Weltbild der Stoa auf: „Wir wissen, dass kein Götterbild in der Welt ist und dass kein Gott ist, außer einem. Denn wenn auch sogenannte Götter sind, sei es im Himmel, sei es auf Erden, wie ja viele Götter sind und viele Herren, für uns jedoch ist ein Gott, der Vater, von dem das All, und wir auf ihn hin, und ist ein Herr Jesus Christus, durch den das All, und wir durch ihn“ (1Kor 8,4
Zwei Aussagen stehen im Gegensatz zueinander: a) Der theoretische Monotheismus seit Deutero-Jesaja kennt nur den einen Gott Israels, während die Götter und ihre Bilder Nichtse sind (Jes 41,23f
In der paulinischen All-Formel von Gott als Schöpfer des Weltalls kommen beide Vorstellungskreise zusammen. „Selbstverständlich ist die All-Formel, die in der Stoa pantheistisch aufgefasst wurde, nunmehr uminterpretiert im Hinblick auf den personalen transzendenten Gott“ (Gnilka 29). Mit seiner Weisheit, die im Herrn Jesus Christus einwohnt, hat Gott das Weltall geschaffen und erhält es weiterhin mit dem auferstandenen Herrn Jesus Christus. Die Götter, überirdischen Herrscher und die Autoritäten der Menschen sind Gott und Jesus Christus untertan (Phil 2,9-11
Vom Ende der Welt, vom Tag des Herrn, schreibt Paulus gleich in seinem ersten Brief (1Thess 4,13-5,11
Diesen Gedanken vertieft Paulus im 1. Korintherbrief. Die → Weisheit
Vers 21 definiert die Weisheit Gottes in doppelter Weise. 1. Die Welt (κόσμος, kósmos) befindet sich in der Weisheit Gottes; denn diese hat die Welt erschaffen und lenkt sie. Gleichzeitig bietet die Weisheit den Menschen Erkenntnis an; doch diese lehnen ihr Erkenntnisangebot ab; sie vermögen die Weisheit nicht als Weisheit zu erkennen. 2. Nun setzt Gott das Kontrastprogramm der Torheit. Die Torheit der Verkündigung (κήρυγμα, kérygma) Gottes bringt allein den Glaubenden die Rettung, während die Weisheit der Menschen sich als schwach und töricht erweist (so auch 2Kor 1,12
Das paulinische Weltbild ist ambivalent. In den Werken der Schöpfung kann mit Vernunft Gottes weisheitlicher Schöpfungsplan erkannt werden (Röm 1,18-32
Der Ungehorsam Adams bewirkt die Sünde aller seiner Nachkommen. Die Macht der Sünde wird anschließend durch das Gesetz verstärkt. Der Gehorsam Jesu Christi der Weisheit Gottes gegenüber, indem er das Gesetz des Mose aufhebt, bringt dagegen für alle die Gnade und Gerechtigkeit Gottes. Die Macht der Sünde wird aufgehoben, „weil Gott war in Christus, der die Welt mit sich versöhnte …“ (2Kor 5,19
2.3.2. Das Markusevangelium
Das Markusevangelium spricht ebenfalls ambivalent von Welt, einmal positiv, dass das Evangelium in der ganzen Welt verkündet wird und für sie ein Heilsangebot ist (Mk 14,9
2.3.3. Das Matthäusevangelium
Matthäus übernimmt die beiden Kosmos-Stellen von Markus (Mt 16,26
2.3.4. Das Luaksevangelium
Lukas übernimmt von Markus nur die negative Kosmos-Stelle (Mk 8,26
Ähnlich wie bei Matthäus weisen die Sterne für den Sterndeuter den richtigen Weg; beim Seesturm auf der letzten Reise von Paulus „zeigten sich weder Sonne noch Sterne“ (Apg 27,20
2.3.5. Das Johannesevangelium
Johannes stellt im Prolog sein zentrales Thema Welt deutlich vor. Nach mittelplatonischer Philosophie hat Gott die Welt durch den → Logos
Siegert erschließt umfassend „griechische und griechisch-jüdische Logoslehren“ als Vorgaben für den johanneischen Logos-Begriff (Siegert 649-670). Philon von Alexandrien (20 v. Chr. - 50 n. Chr.) kommt dem Johannesevangelium besonders nahe: „Warum spricht (die Schrift) wie von einem anderen Gott in (dem Satz): ‚nach dem Bilde des Gottes schuf er ihn‘, und nicht: ‚nach seinem Bild‘? – sehr schön und weise spricht dieses Orakel. Er konnte nämlich nichts Sterbliches dem obersten Vater des Alls nachbilden, sondern nur dem zweiten Gott, der sein Logos ist. […] Denn es war nötig, dass die vernunftgemäße Prägung der menschlichen Seele vom göttlichen Logos geprägt werde, da der vor-vernünftige Gott [sc. der Logos] jedem vernünftigen Geschöpf überlegen ist." (Philon, Quaestiones in Genesim 2,62, übers. in Siegert 655).
Philon kommentiert die Rede Gottes von der Gottesebenbildlichkeit des Menschen beim Noachbund (Gen 9,6
Außerdem erhält Gott wie im gesamten Johannesevangelium die zentrale frühjüdische Metapher Vater. Gott hat zu den Menschen die positive Beziehung des väterlichen Liebens (Joh 3,16
Da zwischen Gott und dem Menschen kein ontologisch feindlicher Gegensatz besteht, bewirkt auch die Sendung des Logos keinen ontologischen Dualismus von guten und bösen Seinssphären in der Menschheit, sondern einen ethischen Dualismus. Das Leben nach der Lehre des menschgewordenen Logos Jesus Christus, des Sohnes Gottes, bedeutet, sich von ihm als Licht der Welt erleuchten zu lassen (Joh 1,9
Allerdings bilden die Nicht-Glaubenden derartig die Überzahl, dass sie insgesamt die Welt beherrschen und diese mit ihnen gleichgesetzt werden kann. Die Welt wird insgesamt zum Symbol der Menschheit, die sich wie eine Charakterrolle gegen Gott, seinen Sohn und die Christen voll Haß verhält (Joh 15,18f
Die Zuhörer Jesu, die Juden, reagieren daher unterschiedlich auf Jesu Botschaft an die Welt (Joh 8,26
2.3.6. Die Deuteropaulinen
Die deuteropaulinischen Schriften Kol und Eph bauen die kosmologische Christologie von Paulus aus. Der in der sublunaren Himmelssphäre regierende Geist (πνεῦμα, pneûma) hat die Welt in Gefangenschaft gehalten (Eph 2,2
2.3.7. Offenbarung
Die Offenbarung verschmilzt alttestamentliche, frühjüdische und hellenistische Weltbilder miteinander. Der Begriff Welt taucht allerdings nur dreimal auf; zweimal wird an die Schöpfung erinnert (Offb 13,8
Literaturverzeichnis
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- Weiser, A., 11975; 81992, Was die Bibel Wunder nennt. Ein Sachbuch zu den Berichten der Evangelien, Stuttgart
- Zimmermann, R. u.a. (Hg.), 2013, Kompendium der frühchristlichen Wundererzählungen, Bd. 1: Die Wunder Jesu, Gütersloh
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