Fragebogen
(erstellt: Februar 2018)
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Digital Object Identifier: https://doi.org/10.23768/wirelex.Fragebogen.200256
1. Definition
Ein Fragebogen ist ein Instrument der empirischen Sozialforschung mittels dessen Daten über befragte Personen gewonnen werden. Durch gestellte Fragen und vorgegebene Antwortmöglichkeiten werden Stimuli gesetzt, auf die die befragte Person mit ihrer Antwort reagiert (Reinders, 2011, 58). Diese Antworten werden als Indikatoren für jene Merkmale verstanden (z.B. Einstellungen, Überzeugungen, Verhalten, sozialstatistische Merkmale), die mit dem Fragebogen gemessen werden sollen (Diekmann, 2013, 471-474).
Im Gegensatz zum Interviewleitfaden, dessen Impulse eine individuelle Erzählung generieren wollen (Helfferich, 2011, 178-179), ist die Datenerhebung mittels Fragebogen durch die bei allen befragten Personen gleichbleibenden Fragen und Antwortmöglichkeiten stärker standardisiert. Diese Standardisierung ergibt sich aus der in der quantitativen empirischen Sozialforschung maßgeblichen Idee der Messung von Eigenschaften (→ Forschungsmethoden, religionspädagogische
Es werden verschiedene Formen der Fragebogenuntersuchung unterschieden (Atteslander, 2006, 147-160; Diekmann, 2013, 437-438; Schnell, 2012, 187-305; Schnell/Hill/Esser, 2013, 314-376):
- 1.Beim standardisierten Interview befragt eine Interviewerin oder ein Interviewer eine Person, indem sie/er die Fragen und Antwortmöglichkeiten des Fragebogens vorliest und entsprechende Antworten notiert. Die Vorteile dieser Form der Fragebogenuntersuchung werden darin gesehen, dass die Ausfallquote bei den Befragten deutlich niedriger liegt als bei anderen Formen und dass die Interviewerin oder der Interviewer bei Verständnisschwierigkeiten helfen kann. Als Nachteil wird vor allem der hohe finanzielle und organisatorische Aufwand gesehen, denn die Interviewerin oder der Interviewer müssen bezahlt und geschult werden. Schließlich fallen noch Anfahrtskosten an. Dieser Nachteil fällt umso stärker ins Gewicht, je höher die Anzahl der Befragten ist.
- 2.Das Telefoninterview kann als Spezialfall des standardisierten Interviews angesehen werden. Im Gegensatz zu diesem findet beim Telefoninterview jedoch kein persönliches Treffen statt. Vielmehr kontaktiert die Interviewerin oder der Interviewer die zu befragende Person per Telefon. Dieses Vorgehen wird zunehmend als problematisch angesehen, weil sich Schwierigkeiten bei der Stichprobenziehung (→ Stichprobe/Sampling
) ergeben. Voraussetzung eines Telefoninterviews ist, dass die Forscherin oder der Forscher über die Telefonnummern der zu untersuchenden Population verfügt. Zwar sind immer noch viele Telefonanschlüsse in Telefonbüchern verzeichnet, immer mehr Menschen nutzen jedoch ausschließlich Mobilfunkgeräte, deren Kontaktdaten in solchen Verzeichnissen nicht einsehbar sind. - 3.Die schriftliche Befragung hingegen verzichtet auf die Interviewerin oder den Interviewer. Vielmehr wird den Befragten der Fragebogen vorgelegt, sodass diese ihn selbst ausfüllen können. Diese Form der Fragebogenuntersuchung wird in der religionspädagogischen Forschung am häufigsten eingesetzt. Es muss zwischen schriftlichen Befragungen unterschieden werden, bei denen der Fragebogen per Post an die zu befragenden Personen geschickt wird mit der Bitte, diesen auszufüllen und zurückzusenden (Ziebertz, 1990), und solchen Befragungen, bei denen eine Gruppe von Befragten in Anwesenheit einer Ansprechperson die Fragebögen ausfüllt (Ziebertz/Kalbheim/Riegel, 2003). Der zweite Fall ist häufig gegeben, wenn Schulklassen befragt werden. Vorteile der schriftlichen Befragung werden darin gesehen, dass sie im Vergleich zu strukturierten Interviews weniger Kosten und zeitlichen Aufwand verursachen und dass die Befragten sich der Anonymität ihrer Angaben sicherer sein können, was eher zu ehrlichen Antworten führt. Als Nachteile der Befragungsform werden gesehen, dass es zu einer höheren Ausfallquote bei den Befragten kommen kann, da eine schriftliche Befragung im Vergleich zu einem Interview mit Interviewerin oder Interviewer weniger verbindlich ist, dass Verständnisschwierigkeiten beim Ausfüllen des Fragebogens nicht geklärt werden können und dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass eine andere Person als die angeschriebene den Fragebogen ausgefüllt hat. Diese Kritikpunkte beziehen sich jedoch ausschließlich auf jene Variante, bei der der Fragebogen per Post zugesandt wird. Füllen Gruppen in Anwesenheit einer Ansprechperson schriftliche Fragebögen aus, lassen sich die genannten Schwierigkeiten vermeiden.
- 4.Die internetgestützte Befragung kommt ohne Interviewerin oder Interviewer und Fragebogen in Papierform aus. Vielmehr wird der Fragebogen am Computer auf einer Internetseite ausgefüllt. Vorteile dieser Befragungsform sind vor allem, dass die Kosten der Befragung (für Porto etc.) erneut reduziert werden und dass die Antworten der Befragten gleich digital erfasst werden. Dadurch erübrigt sich eine spätere manuelle Eingabe der Daten, wie dies bei Papierfragebögen notwendig ist, was Zeit spart und fehlerhafte Eingaben ausschließt. Probleme bereitet bei dieser Form der Befragung – wie beim Telefoninterview – die Stichprobenziehung (→ Stichprobe/Sampling
). Ist die internetgestützte Befragung auf einer Homepage frei zugänglich, kann nicht kontrolliert werden, wer den Fragebogen tatsächlich ausfüllt. Damit kann aber auch nicht mehr angegeben werden, auf welche Population sich eine solche „Stichprobe“ bezieht und die Ergebnisse können nicht verallgemeinert werden. Sinnvoll ist eine internetgestützte Befragung im Bereich von Forschung deshalb nur dann, wenn kontrolliert eine Stichprobe gezogen werden kann und nur diese Zugang zum Fragebogen erhält. Dies lässt sich durch einen passwortgeschützten Zugang oder die Vergabe von TANs realisieren.
2. Itemformate
Ein Fragebogen besteht aus mehreren Items. Mit „Item“ werden jene Fragen und Aussagen bezeichnet, auf die die befragte Person mit einer Antwort bzw. Stellungnahme reagieren soll. Es gibt verschiedene Itemformate, die in einem Fragebogen zum Einsatz kommen können (Diekmann, 2013, 476-479; Jonkisz/Moosbrugger/Brandt, 2012, 40-55; Kromrey, 2006, 375-377; Mummendey/Grau, 2008, 74-75; Reinders, 2011, 58-60; Schnell, 2012, 81-98):
- 1.
Geschlossene Items zeichnen sich dadurch aus, dass die Antwortmöglichkeiten der befragten Person genau vorgegeben und beschränkt sind. Dieses hohe Maß an Standardisierung hat zur Folge, dass Antworten unterschiedlicher Personen leicht miteinander verglichen werden können. Ein Nachteil solcher Items ist, dass die befragte Person keine Informationen jenseits des Spektrums der vorgelegten Antwortkategorien mitteilen kann. Geschlossene Items lassen sich nochmals hinsichtlich der vorgegebenen Antwortmöglichkeiten untergliedern:
- Dichotome Items geben zwei Antwortmöglichkeiten vor, zwischen denen sich die befragte Person entscheiden muss (Beispiel: „Sind Sie weiblich oder männlich“)?
- Kategoriale Items geben mehrere Antwortmöglichkeiten vor, aus denen die befragte Person wählen muss. Man unterscheidet hierbei zwischen single-choice Items, bei denen nur eine Antwortmöglichkeit gewählt werden kann (Beispiel: „Welche der folgenden Schularten besuchen Sie? 1. Hauptschule, 2. Realschule, 3. Gymnasium, 4. Berufsschule, 5. andere Schulart“), und multiple-choice Items, die die Auswahl mehrerer Antwortmöglichkeiten erlauben.
-
Metrische Items geben zwar auch mehrere Antwortmöglichkeiten vor, diese stellen jedoch ein Kontinuum dar und sind gestuft. Die befragte Person hat dadurch z.B. die Möglichkeit, die Intensität ihrer Zustimmung bzw. Ablehnung einer Aussage auszudrücken (Beispiel: „Wie sehr stimmen Sie der folgenden Aussage zu: Es gibt einen Gott, der sich in Jesus Christus zu erkennen gegeben hat? 1. stimme überhaupt nicht zu, 2. stimme eher nicht zu, 3. stimme eher zu, 4. stimme voll und ganz zu“). Viele statistische Verfahren setzen metrische Items voraus (z.B. → Faktorenanalyse, explorative
), weshalb sie sehr häufig verwendet werden.
- 2. Offene Items geben hingegen keine Antwortmöglichkeiten vor, sondern ermöglichen der befragten Person eine uneingeschränkte Antwort (Beispiel: „Zu welcher Kirchengemeinde gehören Sie? Bitte tragen Sie den Namen ein.“). Damit wird der Problematik geschlossener Items begegnet, die Antworten nur im Rahmen der Vorgaben zulässt (es ist beim verwendeten Beispiel vermutlich nicht möglich, alle erdenklichen Kirchengemeinden aufzuzählen). Probleme ergeben sich eventuell hinsichtlich der Vergleichbarkeit der Antworten (fehlende Standardisierung) bzw. wenn die befragten Personen nur unzureichende Informationen eintragen (im Beispiel wäre die Antwort „Heilig-Geist Gemeinde“ nicht eindeutig zu interpretieren, wenn es davon im Untersuchungsgebiet mehrere gibt).
- 3. Halboffene Items sind normalerweise kategoriale Items, die die Vorteile geschlossener und offener Items kombinieren. So werden mehrere Antwortmöglichkeiten vorgegeben, aus denen die befragte Person wählen muss, wobei die letzte Antwortmöglichkeit offen ist und individuell gefüllt werden kann (im Beispiel der Frage nach der Schulart, gäbe es bei Antwort 5 „andere Schulart“ dann die Möglichkeit, diese Schulart zu benennen).
3. Konstruktion und Aufbau
Da der Fragebogen in den empirischen Sozialwissenschaften das am häufigsten eingesetzte Instrument zur Erhebung von Daten ist, liegt ein umfangreicher Forschungsstand zur Vorbereitung und zum Einsatz dieser Methode vor (zum Forschungsstand: Schnell, 2012). Generell gilt bei der Erstellung eines Fragebogens wie bei jeder empirischen Forschung, dass zunächst das Forschungsproblem und relevante Konzepte identifiziert und präzisiert sowie Hypothesen zum Zusammenhang der Konzepte aufgestellt werden müssen. In einem zweiten Schritt müssen besagte Konzepte empirisch „übersetzt“, d.h. operationalisiert werden. Dies geschieht durch die Auswahl oder Neuformulierung von Items, die dann Eingang in den Fragebogen finden und die besagten Konzepte messen (Kromrey, 2006, 369-370; Ziebertz, 2004, 214-220). Im Folgenden wird näher auf bewährte Regeln zur Formulierung von Items und zum Aufbau des Fragebogens eingegangen.
3.1. Formulierung von Items
Da Fragebögen darauf zielen, möglichst objektiv Informationen von den befragten Personen zu erhalten, ist es wichtig, dass die Items von allen Befragten gleich verstanden werden und diese nicht zu einer bestimmten Antwort verleiten. Dieser Anspruch hat zu einer Reihe bewährter Regeln geführt, die bei der Formulierung von Items beachtet werden sollen (Diekmann, 2013, 479-483; Kromrey, 2006, 373-375; Schnell, 2012, 79-81; Schnell/Hill/Esser, 2013, 326-328):
- Items sollen möglichst kurz und einfach formuliert werden.
- Fremd- und Fachwörter sollen vermieden und durch einfache Worte ersetzt bzw. umschrieben werden.
- Items sollen möglichst konkret sein und abstrakte Begriffe sollen in konkrete überführt werden (anstatt zu fragen „Sind Sie religiös?“ sollte besser nach konkreten Ausprägungen der Religiosität gefragt werden, z.B. „Wie häufig besuchen Sie den Gottesdienst?“, „Hilft Ihnen der Glaube an Gott mit schwierigen Situationen in ihrem Leben umzugehen?“ etc.).
- Items sollen nicht suggestiv sein und möglichst neutrale Begriffe verwenden (anstatt zu fragen „Jede/r Katholik/in ist verpflichtet, am Sonntag die Messe zu besuchen. Kommen Sie Ihrer Sonntagspflicht nach?“ sollte besser gefragt werden: „Wie häufig besuchen Sie den Gottesdienst?“).
- Items sollen sich immer nur auf einen Sachverhalt beziehen (Negativbeispiel: „Wie sehr stimmen Sie der folgenden Aussage zu: Unser Religionsunterricht ist spannend gestaltet und gut strukturiert.“). Im Zweifelsfall ist es besser, zwei oder mehrere Items zu formulieren.
- Items sollen keine doppelten Negationen enthalten (Negativbeispiel: „Wie sehr stimmen Sie der folgenden Aussage zu: Es ist nicht gut, dass es noch keinen flächendeckenden islamischen Religionsunterricht gibt?“).
3.2. Aufbau des Fragebogens
Schließlich müssen die einzelnen Items in einem Fragebogen zusammengebracht und geordnet werden. Hierbei müssen die Transparenz für die Befragten, deren Motivation sowie mögliche Fragereiheneffekte bedacht werden (Diekmann, 2013, 464-466;483-484; Kromrey, 2006, 381-387; Reinders, 2011, 55-58; Schnell/Hill/Esser, 2013, 335-339):
Der Fragebogen beginnt mit einer Instruktion, in der die befragte Person über das Thema der Befragung, über die Art und Weise, wie der Fragebogen auszufüllen ist, sowie über datenschutzrechtliche Aspekte informiert wird. Dies gibt der befragten Person bereits zu Beginn Orientierung im Hinblick auf das Thema und was von ihr erwartet wird.
Dem schließt sich der Einstiegsteil an. Ziel dieses Abschnittes ist es, durch erste Fragen die Probanden zu motivieren, den Fragebogen bis zum Ende und gewissenhaft auszufüllen. Es wird deshalb empfohlen, zu Beginn jene Fragen zu stellen, die voraussichtlich das Interesse der Befragten wecken. Problematische Fragen (damit sind Fragen gemeint, die vermutlich unangenehme bzw. intime Aspekte erfragen wie z.B. Fragen nach kriminellem Verhalten) und Fragen nach soziodemographischen Merkmalen (Alter, Geschlecht) sollen hier hingegen noch nicht gestellt werden.
Inhaltlich und vom Umfang her bildet der Hauptteil den Schwerpunkt des Fragebogens. Hier werden jene Fragen gestellt, die für die Beantwortung der Forschungsfrage zentral sind. Es wird empfohlen, Fragen und Items thematisch zu gruppieren und diese Themenblöcke als Ganzes zu erfragen, um Verwirrungen bei thematischen Sprüngen zu vermeiden. Hierbei ist es wichtig, Fragereiheneffekte (sogenannter Halo-Effekt) bei der Anordnung der Items zu berücksichtigen. Verschiedene Studien haben gezeigt, dass die Beantwortung von Items durch vorausgegangene Items beeinflusst wird (so wird etwa die Einschätzung der Relevanz des Religionsunterrichts anders ausfallen, je nachdem ob zuvor die Bedeutung von Religion in unserer heutigen Gesellschaft im Fragebogen behandelt wurde oder nicht). Weiter wird empfohlen, wichtige Items eher zu Beginn des Hauptteils zu platzieren und problematische Fragen ans Ende zu stellen, denn sowohl mit zunehmender Beantwortungszeit als auch bei problematischen Fragen steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die Beantwortung des Fragebogens abgebrochen wird.
Im Schlussteil sollten schließlich jene Fragen untergebracht werden, die nicht zentral für die Forschungsfrage sind, das Thema aber für die befragte Person inhaltlich abrunden. Auch sollte am Ende ein Dank für die Beantwortung der Fragen ausgesprochen werden.
4. Pretesting
Bevor ein Fragebogen in einer Untersuchung eingesetzt wird, sollte er einen oder besser mehrere Pretests durchlaufen. Damit ist gemeint, dass der Fragebogen vor der Hauptuntersuchung von mehreren Personen aus der für die Forschung relevanten Population ausgefüllt und diese Beantwortung der Fragen von der Forschergruppe eingehend analysiert wird. Diekmann (2013, 485) empfiehlt beispielsweise bei einer Studie mit 2.000 Befragten, einen Pretest mit 100 Personen durchzuführen. Ziel des Pretests ist es zu überprüfen, ob die vorgegebenen Antwortmöglichkeiten ausreichend sind, ob die Items richtig verstanden werden, ob sich bei der Beantwortung des Fragebogens Schwierigkeiten ergeben, ob es Fragereiheneffekte gibt, wie lange die Bearbeitung des Fragebogens dauert und ob die verwendeten Items statistische Gütekriterien erfüllen (Diekmann, 2013, 485-486; Schnell/Hill/Esser, 2013, 339-340).
Statistisch wird der Fragebogen dahingehend untersucht, ob die verwendeten Items eine Normalverteilung sowie eine ausreichende Trennschärfe und Komplexität aufweisen. Werden mehrere Items zu einer Skala zusammengefasst, werden Reliabilitäts- und Faktorenanalysen durchgeführt (zum Vorgehen siehe Bühner, 2011, 141-476). Wie die befragten Personen die Items verstehen und welche Schwierigkeiten sich daraus eventuell ergeben, wird durch eine gezielte Befragung der Probanden des Pretests ermittelt. Es hat sich dabei bewährt, die Befragten die Items paraphrasieren zu lassen bzw. sie zu bitten Ihre Gedanken bei der Beantwortung des Fragebogens laut zu äußern (Schnell/Hill/Esser, 2013, 341).
Auf der Grundlage der Ergebnisse eines solchen Pretests wird der Fragebogen dann verbessert; Itemformulierungen werden angepasst und die Anordnung der Fragen modifiziert. Auch der verbesserte Fragebogen sollte einem Pretest unterzogen werden, bis das Instrument erwiesenermaßen für eine Hauptuntersuchung geeignet ist.
5. Einsatzmöglichkeiten in der religionspädagogischen Forschung
Fragebögen werden als Untersuchungsinstrument häufig dann eingesetzt, wenn es um die Erhebung von Einstellungen, Meinungen, Persönlichkeitsmerkmalen oder auch Schulleistungen geht (Reinders, 2011, 59). Dies macht den Fragebogen auch für religionspädagogische Forschung relevant (Ziebertz, 1994, 14-16). Exemplarisch können folgende Einsatzmöglichkeiten genannt werden (vgl. auch Schweitzer/Ziebertz, 2017, 37-46):
- 1.In Querschnittsuntersuchungen werden Fragebögen beispielsweise eingesetzt, um Einstellungen von Jugendlichen zum Religionsunterricht (Bucher, 1996; Bucher, 2000), ihre religiöse Kompetenz (Benner/Schieder/Schluß/Willems, 2011) oder Ausprägungen jugendlicher Religiosität (→ Religiosität, Jugendliche
) (Feige/Gennerich, 2008; Gennerich, 2010; Riegel, 2004; Ziebertz/Kalbheim/Riegel, 2003; Ziebertz/Riegel, 2008) zu erheben. Auch die Einstellungen von Religionslehrerinnen und Religionslehrern bezüglich Unterrichtsinhalten, Lernzielen und Methodeneinsatz wurden eingehend mit Fragebögen untersucht (Bucher/Miklas, 2005; Feige/Dressler/Lukatis/Schöll, 2000; Feige/Tzscheetzsch, 2005; Lück, 2003; Lück, 2012; Ziebertz, 1990). Die Vorteile des Einsatzes von standardisierten Fragebögen sind hierbei, dass eine große Zahl von Befragten in diesen Studien berücksichtigt werden kann, dass bei gleichen Fragen und Antwortmöglichkeiten in verschiedenen Studien frühere Ergebnisse erneut überprüft werden können und dass die Möglichkeit besteht, länderübergreifende Vergleiche durchzuführen (z.B. Valk/Bertram-Troost/Friederici/Béraud, 2009; Ziebertz/Kay, 2005; Ziebertz/Kay, 2006; Ziebertz/Kay/Riegel, 2009; Ziebertz/Riegel, 2009). - 2.Für Längsschnittuntersuchungen, die etwa den Zuwachs religiöser Kompetenz (Ritzer, 2010) oder die Effekte von Konfirmandenarbeit (Schweitzer/Hardecker/Maaß/Ilg/Lißmann, 2016) untersuchen, sind Fragebögen zentral. Denn um Veränderungen über Zeit hinweg zu messen, bedarf es einer standardisierten und vor allem vergleichbaren Messung des Ausgangszustandes (prae-test) und des Endzustandes (post-test).
- 3.Gleiches gilt für quasi-experimentelle Untersuchungen, die zusätzlich zur Untersuchungsgruppe eine Kontrollgruppe ohne Treatment befragen, um die Lerneffekte eindeutig auf die Intervention zurückführen zu können. Solche quasi-experimentelle Untersuchungen liegen derzeit etwa für das interreligiöse Lernen (Flunger/Ziebertz, 2010; Merkt/Losert, 2014; Sterkens, 2001), die Kirchenraumpädagogik (Riegel/Kindermann, 2016), für das Thema Theodizee (Vermeer, 2009), das Lernen mit Gleichnissen (van der Zee, 2007) und die Erstkommunionkatechese (Forschungsgruppe ‚Religion und Gesellschaft‘, 2015) vor.
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