Pädagogik
Schlagworte: Erziehungswissenschaft
(erstellt: Januar 2015)
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Digital Object Identifier: https://doi.org/10.23768/wirelex.Pdagogik.100012
1. Begriffsbestimmung
Nicht nur im alltäglichen Sprachgebrauch werden Pädagogik und Erziehungswissenschaft oftmals synonym verwendet. Historisch betrachtet sind die Begriffe doch gelegentlich different gebraucht worden. Der Begriff „Pädagogik“ leitet sich vom griechischen „pais agein", der „Führung des Knaben“ ab und hat somit traditionell einen starken Bezug auf die → Erziehung
2. Entwicklung
Die Entwicklung der Pädagogik/Erziehungswissenschaft als wissenschaftliche Disziplin beginnt in der → Aufklärung
Für die prädisziplinäre Etablierung der Pädagogik als Wissenschaft stehen paradigmatisch drei Autoren: Ernst Christian Trapp (1745-1818), der 1780 mit seinem Werk „Versuch einer Pädagogik“ den Entwurf einer empirischen, auf Beobachtung und Experiment gestützten Erziehungswissenschaft vorlegt, die aufgrund der reflektierten Datenbasis hermeneutische (→ Hermeneutik
Im 19. Jahrhundert hat sich dann die Pädagogik vor allem in verschiedenen Praxisfeldern institutionalisiert, was mit der Durchsetzung der → Schulpflicht
Pädagogik als wissenschaftliche Disziplin setzt sich dann im Zuge der akademischen Ausbildung der Volksschullehrerschaft während der Weimarer Republik durch. Dieser Institutionalisierungsprozess wurde flankiert durch die Einführung einer einheitlichen vierjährigen Grundschule (1919), den Ausbau des Berufs- und Fachschulwesens nach 1920 und der Entwicklung eines kommunalen und von freien Trägern organisierten Systems der Jugendpflege und -fürsorge sowie die Etablierung der → Erwachsenenbildung
Institutionsgeschichtlich beginnt daher die eigentliche Erfolgsgeschichte der Pädagogik erst in den sechziger und siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts: 1964 wird die „Deutsche Gesellschaft für Erziehungswissenschaft“ gegründet; es kommt zu einer Akademisierung der Lehrerausbildung für Grund-, Haupt- und Sonderschulen sowie nach dem 1957 eingeführten wissenschaftlichen Magisterstudiengang zur Einrichtung verschiedener praxisbezogener Diplomstudiengänge (z.B. Sozialpädagogik, Erwachsenenbildung, Sonderpädagogik) ab dem Jahr 1969. Die Erziehungswissenschaft zählt heute zahlenmäßig zu den zehn stärksten Universitätsfächern in Deutschland; wobei quantitativ die Teildisziplinen Sozialpädagogik, Kinder- und Jugendarbeit sowie Erwachsenenbildung am stärksten ins Gewicht fallen. In Zukunft werden wohl vor allem die Gesundheitserziehung, die → Altenbildung
3. Wissenschaftsmodelle
Trotz der von Trapp – aber auch von Herbart – schon früh vorgesehenen empirischen Ausrichtung der Erziehungswissenschaft blieb diese bin in die sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts hinein, das heißt fast 200 Jahre lang, eine hermeneutische Disziplin (vgl. im Folgenden Wulf, 1983; Benner, 2001; König/Zedler, 1998). Die sog. Geisteswissenschaftliche Pädagogik nahm ihren Ausgangspunkt in Schleiermacher und Wilhelm Dilthey; zu deren Hauptvertretern lassen sich in der ersten Generation Herman Nohl (1879-1960), Max Frischeisen-Köhler (1880-1923), Theodor Litt (1880-1962), Eduard Spranger (1882-1963) und in der zweiten Generation Wilhelm Flitner (1889-1990), Elisabeth Blochmann (1892-1972), Erich Weniger (1894-1961), Georg Geissler (1902-1980) und Otto Friedrich Bollnow (1903-1991) neben vielen anderen rechnen. Ihnen ging es vor allem um das Verstehen der Erziehungswirklichkeit, d.h. um eine Erfahrungs- und Praxiswissenschaft, die eine Theorie von der Praxis für die Praxis entwickeln will. Dafür verwendete die geisteswissenschaftliche Pädagogik nicht nur philosophische, sondern auch hermeneutische, phänomenologische und dialektische Methoden.
Daneben und bis ins 20. Jahrhundert etablierte sich – im Anschluss an die vorwissenschaftliche Tradition und an Herbart – die normative Pädagogik. Ihr ging es um die Aufstellung und Begründung von Werten und Normen für pädagogisches Denken und Handeln. Versuche einer solchen → Wertepädagogik
Die empirische Erziehungswissenschaft wird in einer ersten Phase zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit Ernst Meumann (1862-1915), Wilhelm August Lay (1862-1926), Aloys Fischer (1882-1937) sowie Peter (1884-1952) und Else Petersen (1891-1968) bedeutsam. Hierbei folgt man in der Fokussierung auf Experimente, Beobachtungen und Statistiken noch stark dem Vorbild der Naturwissenschaften. In der zweiten Phase, die Mitte der sechziger Jahre als „empirische Wende“ (Roth) sich zu entwickeln beginnt, sind es die wissenschaftlichen Methoden der Psychologie und der Soziologie wie → Interviews
Als viertes wichtiges Modell kann die Kritische Erziehungswissenschaft gelten (→ Kritik
Neben und nach diesen vier oftmals als zentral benannten Hauptrichtungen der Erziehungswissenschaft lassen sich noch eine Fülle von anderen Richtungen finden, die Aspekte der hier genannten Perspektiven aufgreifen, doch je nach Ansatz auch andere Fokussierungen vornehmen. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit seinen genannt: feministische, materialistische, phänomenologische, postmoderne, praxeologische, psychoanalytische, systemtheoretische und transzendentalkritische Ansätze.
4. Struktur
Man kann die Allgemeine Pädagogik als die Teildisziplin in den Erziehungswissenschaften verstehen, die als ihre Basis- oder Grunddisziplin fungiert, weil sie pädagogische Grundbegriffe klärt, deren Zusammenhänge mit den pädagogischen Feldern aufzeigt und kritisch die vorliegenden Konzepte rekonstruiert und auf deren Grenzen und Möglichkeiten hinweist (vgl. Benner, 1991). Dabei kann sie methodisch stärker begrifflich-explikativ (Systematische Pädagogik), historisch-hermeneutisch (Historische Pädagogik) oder kulturell-vergleichend (Vergleichende Pädagogik) verfahren und sie kann inhaltlich stärker philosophisch, anthropologisch, ethisch oder bildungstheoretisch fokussiert sein. Demgegenüber steht ein Verständnis von allgemeiner Erziehungswissenschaft, das diese als gleichwertige Teildisziplin versteht, die für die weiteren Subdisziplinen (s. im Folgenden) interessantes theoretisches, historisches, methodisches etc. Wissen zur Verfügung stellt.
Darüber hinaus beziehen sich die Subdisziplinen der Pädagogik auf relativ gut abgegrenzte und etablierte Arbeitsfelder. Auf den Lebenslauf bezogen lassen sich unterscheiden: die Pädagogik der frühen Kindheit, die Kinder- und Jugendarbeit, die Schulpädagogik, die Erwachsenen- und Altenbildung und bezogen auf spezifische Problemlagen und Praxisfelder: die Sozialpädagogik, die Sonder- und Heilpädagogik, die Berufs- und Wirtschaftspädagogik oder die → Religionspädagogik
Angesichts der Entgrenzung der Erziehungswissenschaft in alle Lebensbereiche und der Ausweitung der Pädagogik auf den gesamten Lebenslauf und angesichts der damit verbundenen praktischen Problematiken einer Allzuständigkeit (Allmacht) und Überforderung (Ohnmacht) der Pädagogik sowie der theoretischen Schwierigkeiten eines nicht mehr möglich erscheinenden allgemeinen inhaltlichen Grundgedankengangs und einer durch die modernen Epistemologien erzwungenen reflexiven Komplexitätssteigerung sieht sich die Erziehungswissenschaft mit folgenden Aufgaben konfrontiert: in allen Teildisziplinen begriffliche mit empirischer Forschung wechselseitig zu verschränken, die jeweils einschlägigen und bedeutsamen Diskurse der Nachbardisziplinen mit einzubeziehen (das gilt für das Modernisierungstheorem der Soziologie ebenso wie für die Errungenschaften der Hirnforschung), Forschungsthemen und -problematiken gemeinsam intra- und interdisziplinär zu bearbeiten (→ Wissenschaftstheorie
Je nach Teildisziplin und Fragestellung werden dabei unterschiedliche Fokussierungen und methodische Zugänge eine Rolle spielen, von denen hier einige genannt werden sollen: die Möglichkeiten des Erziehens, Bildens und Lernens in einer Reflexion der Grundlagen, die Frage nach den das pädagogische Denken und Handeln leitenden Menschenbildern in einem anthropologischen Zugang, die Perspektive der institutionellen Lernunterstützung in einer organisatorischen Fragestellung, die Frage nach In- und Outputprozessen in Bildungssystemen in evaluativen Hinsichten oder auch das Wahrnehmen und Einschätzen von pädagogischen Sachverhalten in einer phänomenalen Einstellung.
5. Aktuelle Problemlagen
Die aktuellen Problemlagen der Erziehungswissenschaft sind um das Thema Gerechtigkeit im Umgang mit → Heterogenität
Nicht nur von Gutachtern der OECD, sondern auch von der EU und einer ganzen Reihe von deutschen Erziehungswissenschaftlern ist hervorgehoben worden, dass es für die Systeme der allgemeinen und beruflichen Bildung in Europa und speziell in Deutschland nicht nur bedeutsam sei, dass sie effektiv und effizient zu funktionieren hätten, sondern auch, dass sie die Chancengleichheit (→ Bildungsgerechtigkeit
War es in den sechziger Jahren das sprichwörtlich gewordene „katholische Arbeitermädchen vom Lande“, das aufgrund seiner Konfession, seiner Schicht, seines Geschlechts und seiner Wohnlage zu den Bildungsbenachteiligten gehörte, so muss man heute von einer anderen negativen Bildungsfigur ausgehen: dem „Arbeiterjungen mit Migrationshintergrund aus der Stadt“. Die Bildungsbenachteiligungen in sozialer, ökonomischer und kultureller Hinsicht gelten als Begrenzungen von Chancengleichheit (→ Intersektionalität
Auch die Thematik der Inklusion ist im Kern eine Gerechtigkeitsthematik. Mit ihr wird auf die grundlegende Gleichheit von Rechten für Menschen mit Behinderungen hingewiesen, die in ihrer Würde und Selbstbestimmung unbedingt anzuerkennen sind. Der Artikel 24, der die inklusive, qualitativ hochwertige Bildung für Menschen mit Behinderungen fordert, impliziert ein Umdenken in der deutschen Pädagogik, denn mit dem Recht auf Inklusion, d.h. eine differenzierte, individuelle, diskriminierungsfreie Bildung für alle, wird die derzeit immer noch gängige Praxis der diversen Sonderschulen radikal in Frage gestellt. Diese Perspektive stellt vor allem die Schulen vor große finanzielle, strukturelle und personelle Probleme; aber auch die Universitäten sind in ihren Professionalisierungsbestrebungen in dieser Thematik angesprochen. Zu konstatieren ist, dass der Diskurs der Inklusion z.Zt. noch stark auf die schulischen Strukturen und Programmatiken abhebt, wenn etwa Inklusion als soziale Wertgrundlage, Schulentwicklungskonzept oder als Transformationsmedium einer Veränderung der → Schulkultur
6. Bezüge zur Religionspädagogik
Versteht man unter → Religionspädagogik
Literaturverzeichnis
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