Bildungswerk, evangelisch
(erstellt: Februar 2022)
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Digital Object Identifier: https://doi.org/10.23768/wirelex.Bildungswerk_evangelisch.201033
1. Evangelische Bildungswerke – eine erste Annäherung
Im großen Reigen der unterschiedlichen Institutionen der Evangelischen Erwachsenenbildung fristen die Evangelischen Bildungswerke (EBW) eher ein Schattendasein. Sie können nicht wie Evangelische Akademien (→ Akademie, evangelisch
2. Evangelische Bildungswerke als Lernorte in der Region
Im Zuge der Errichtung staatlicher Weiterbildungsgesetze entstanden in den 1970er Jahren in vielen Dekanaten/Regionen/Kirchenkreisen oder -bezirken Evangelische Bildungswerke (EBW), die entweder in der Rechtsform des eingetragenen Vereins gegründet wurden oder aber auch nichtselbständige Einrichtungen von Kirchenbezirken/Dekanaten sind. In manchen Landeskirchen spricht man auch von Bezirks- oder Regionalstellen der Evangelischen Erwachsenenbildung. Mitglieder der EBW sind überwiegend evangelische Kirchengemeinden und weitere evangelische Einrichtungen, in denen es um Lernprozesse von Erwachsenen geht (→ Seniorenarbeit/Altenbildung
3. Evangelische Bildungswerke: bunt und profiliert
Das heterogene Erscheinungsbild der Evangelischen Bildungswerke (EBW) führt sowohl innerkirchlich als auch im Kontext der staatlichen Weiterbildungssysteme zur Frage nach deren Proprium. Dieses wird meist in einem Leitbild oder im Qualitätsverständnis (→ Qualitätssicherung
Dieser Anspruch konkretisiert sich in inhaltlichen Entscheidungen bezüglich der konkreten Programmplanung (Comenius-Institut, 2019). EBW sind als dekanatliche Servicestellen/Kompetenzzentren für die Fortbildung vor allem von neben- und ehrenamtlichen Mitarbeitenden (Leiterinnen und Leiter von Erwachsenen- oder Seniorengruppen in Kirchengemeinden, der Mutter-Kind-Arbeit) zuständig. Sie sind regionaler Ansprechpartner für landesweite Werke und Dienste (Amt für Gemeindedienst, Evangelische Akademie) und übernehmen Dienstleistungen bei der Durchführung von landeskirchlichen Aktionen und Projekten. Durch ihre Netzwerkarbeit sind sie mit unterschiedlichen zivilgesellschaftlichen Aktionsgruppen jenseits kirchlicher Strukturen verbunden und bilden dadurch eine Brücke zu wesentlichen zeitgenössischen Initiativen wie zur ökologischen Bewegung/fridays for future/Klimaziel 1,5 der Vereinten Nationen (Schick, 2020)/Transition-Town-Bewegung oder zur Eine-Welt-Arbeit. EBW sind regionale Ansprechpartner für den interkulturellen und interreligiösen Dialog, sie engagieren sich gegen Rassismus und Rechtsextremismus – und sind dadurch prädestiniert für die fachliche Begleitung von kirchlichen und außerkirchlichen Gruppen, die sich um Asylbewerberinnen und -bewerber kümmern. Sie arbeiten mit kulturellen Einrichtungen – von der Hochkultur (Theater, Museen, Universitäten, Schulen) über kommerzielle Kulturträger (Kino, Veranstaltungsagenturen) bis hin zur Subkultur (alternative Kultur). Ein starkes Gewicht haben Angebote zur Förderung der Kompetenzen von Männern und Frauen (Biographie-Arbeit [→ Biografisches Lernen
4. Evangelische Bildungswerke im Wandel der Zeiten
Auch wenn Evangelische Bildungswerke (EBW) erst im Zuge des Strukturplans für das Bildungswesen des Deutschen Bildungsrates 1970 entstanden sind, kann auf heute weithin vergessene Vorläufer einer christlich motivierten Bildungsarbeit vorwiegend von engagierten Persönlichkeiten und Gruppen am Rande der Amtskirche seit dem 19. Jahrhundert verwiesen werden (Wolff, 2005, 59-95). So stellten sich Evangelische Arbeitervereine im deutschen Kaiserreich der Sozialen Frage in Großstädten durch Bildungsangebote für ihre Mitglieder (→ Soziale Frage (19. Jahrhundert)
In jüngster Zeit führte die Corona(virus)-Krise zu einer sich rasant beschleunigenden Digitalisierung weiter Bereiche der Gesellschaft (Schule, Universität, Arbeit, innerfamiliäre Kommunikation). Digitalisierung wird in der Folge zu einem Thema mit einer doppelten Stoßrichtung: EBW profilieren sich einerseits als Player auf dem digitalen Bildungsmarkt und erweitern ihr Angebotsspektrum. Andererseits thematisieren sie die mit der Digitalisierung verbundenen psychosozialen Folgen (Einsamkeit; Depression; Veränderungen in der Familie durch homeoffice und homeschooling).
Doch nicht nur bezüglich der Themen und Inhalte sind EBW eine Signatur ihrer Zeit: Geringer werdende finanzielle und personelle Ressourcen führen zu Fusionen von EBW in Regionen zu leistungsstarken Institutionen, die in der Lage sind, auch zukünftig die Aufgaben einer evangelisch profilierten Bildungsarbeit zu leisten. Das einstige gedruckte Programmheft wird längst erweitert durch Website, Newsletter und Auftritte in den sozialen Medien. Die klassische institutionelle Förderung von Kirche und Staat wird erweitert durch Projektförderungen, Drittmittelakquise und Fundraising. Nach der Entwicklung digitaler Formate stehen EBW nun vor der neuen Aufgabe, über die Möglichkeit, Veranstaltungen streamen zu können, neue hybride Formate zu entwickeln.
Literaturverzeichnis
- Bergold, Ralph/Boschki, Reinhold, Einführung in die religiöse Erwachsenenbildung, Darmstadt 2014.
- Comenius-Institut (Hg.), Evangelische Erwachsenenbildung. Empirische Befunde und Perspektiven, Münster/New York 2019.
- Lück, Wolfgang/Schweitzer, Friedrich, Religiöse Bildung Erwachsener. Grundlagen und Impulse für die Praxis Kirchenpädagogik, Stuttgart 2. Aufl. 2008.
- Sautter, Jens M., Spiritualität lernen. Glaubenskurse als Einführung in die Gestalt des christlichen Glaubens, Neukirchen-Vluyn 2. Aufl. 2007.
- Schick, Alexandra, Ökologische Bildung in der Evangelischen Erwachsenenbildung Bayern – zwischen Programm und Realität. Oder warum wächst Mangold vor dem Evangelischen Bildungswerk?!, Hamburg 2020.
- Wolff, Jürgen, Evangelische Erwachsenenbildung zwischen Profil und Zeitgeist, in: Adam, Gottfried/Lachmann, Rainer (Hg.), Neues gemeindepädagogisches Kompendium, Arbeiten zur Religionspädagogik 40, Göttingen 2008, 381-411.
- Wolff, Jürgen, Zeit für Erwachsenenbildung. Evangelische Erwachsenenbildung zwischen Zeitdiagnosen und Freizeitbedürfnissen, Arbeiten zur Religionspädagogik 27, Göttingen 2005.
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