Deutsche Bibelgesellschaft

Andere Schreibweise: KiTa; Kindergarten; Kindertageseinrichtungen

(erstellt: März 2016; letzte Änderung: Februar 2022)

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1. Kindertagesstätten – Rahmenbedingungen und Aufgaben

1.1. Rechtliche Grundlagen und gesetzlicher Auftrag von Kindertagesstätten

Die große Bedeutung von Kindertagesstätten für Kinder (→ Kinder/Kindheit) und Eltern, aber auch für die → Gesellschaft wird seit einigen Jahren, nicht zuletzt verstärkt durch die Corona-Pandemie, von der → Öffentlichkeit wahrgenommen. Mittlerweile gehört in Deutschland der Aufenthalt in Kindertagesstätten für 92,5 Prozent der 3- bis 6-jährigen Kinder zum Alltag (Statistisches Bundesamt, 2020a). Kindertagesstätten sind maßgeblich an der Förderung der Entwicklung von Kindern beteiligt. So übernehmen Kindertagesstätten nicht allein eine Betreuungsfunktion, um Eltern eine dauerhafte Berufstätigkeit zu ermöglichen, sondern auch einen Förderauftrag. Er umfasst nach dem Sozialgesetzbuch die → Erziehung und → Bildung von Kindern (§ 22 SGB VIII) (→ Frühkindliche Bildung). Seit 1973 sind Kindertagesstätten in den Bildungsgesamtplan der Bund-Länder-Kommission als Elementarbildung aufgenommen. Seitdem werden sie als Bildungseinrichtung verstanden (BMFSFJ, 2008).

Unter der Bezeichnung Kindertagesstätten, nach der bundesweiten Gesetzgebung Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, subsumieren sich eine Vielzahl von Einrichtungsformen wie Kindergärten, Krippen, Horte und Familienzentren. Alle diese Einrichtungen setzen den im Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG) verankerten Auftrag um: Sie sollen das Recht auf Förderung der Entwicklung zu einer eigenständigen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit für jedes Kind verwirklichen (§ 1 SGB VIII). Der Förderauftrag umfasst die soziale, emotionale, körperliche und geistige Entwicklung (→ Entwicklungspsychologie) sowie die Vermittlung orientierender Werte und Regeln und fordert dabei die Orientierung an der Herkunft des Kindes (§ 22 Abs. 2 und 3 SGB VIII). Dieser Förderauftrag bildet die Grundorientierung der pädagogischen Arbeit von Kindertagesstätten. Gleichzeitig verweist das KJHG darauf, dass Familien (→ Familie) und Einrichtungen in enger Kooperation dem gemeinsamen Ziel der Entwicklungsförderung folgen und ein lern- und entwicklungsförderliches Umfeld (→ Lernumgebung/vorbereiteter Klassenraum) für Kinder gestalten, die einem ko-konstruktivistischen Bildungsverständnis folgt (Stange/Krüger/Henschel/Schmitt, 2012, 13f.). Das Grundgesetz sichert Familien die Pflege und Erziehung der Kinder als Rechte und Pflichten zu (Art. 6 GG), Kindertagesstätten unterstützen und ergänzen Familien darin professionell (§ 1 SGB VIII). Die Rahmenbedingungen sowie Ausgestaltung von Kindertagesstätten ist, dem föderalen Prinzip folgend, Ländersache und wird in den jeweiligen Landesgesetzen für Kindertagesstätten festgehalten. Damit erscheint die rechtliche Basis für Kindertagesstätten ausgesprochen heterogen. So arbeiten beispielsweise Kindertagesstätten, dem föderalen Prinzip folgend, nach länderspezifischen Bildungsplänen. Alle diese Bildungspläne betonen die Aufgabe der Schulvorbereitung und Gestaltung von Übergängen in und Kooperationen mit den Schulen (→ Übergangsrituale). Besonderer Fokus liegt auf der Gestaltung der Bildungsprozesse von Kindern sowie der Umgang mit sozialer, kultureller und religiöser Vielfalt. So erleben Kinder bereits in Kindertagesstätten „eine Pluralität von Einstellungen und Werthaltungen, von Lebensformen, sozialen Beziehungen, religiösen Überzeugungen und Praktiken“ (Hugoth, 2012, 22) und es entsteht für sie ein Orientierungsbedarf sowie die Notwendigkeit eigene Sicherheiten zu gewinnen (Hugoth, 2012, 22). Das aus einem christlich-theologischen Bezug abgeleitete Bildungsrecht des Kindes auf Religion findet sich in den Bildungsplänen der Länder in unterschiedlicher Weise und sollte unabhängig von der Trägerschaft in allen Kindertagesstätten verwirklicht werden (Hugoth/Benedix, 2008, 16; Schweitzer, 2013). In der Praxis der Kindertagesstätten allerdings stößt dieses Bildungsrecht auf Herausforderungen, beispielsweise auf die Einstellung, dass religiöse Bildung zu Hause in der Familie stattfinden sollte, was Tendenzen der Gesellschaft in Kindertagesstätten widerspiegelt. Für die Gestaltung religiöser Bildungsprozesse sind neben den rechtlichen Grundlagen und gesetzlichen Aufgaben nicht allein die Haltungen und Kompetenzen der pädagogischen Fachkräfte eine wesentliche Voraussetzung. Zudem zeigte Stockinger in ihrer ethnogarfischen Studie, dass Kindertagesstätten, möchten sie Kinder in ihrer religiösen Entwicklung nicht ausgrenzen oder alleinlassen, im Umgang mit Verschiedenheit eine „Kultur der Anerkennung religiöser Differenz“ benötigen (Stockinger, 2017).

1.2. Trägerstrukturen von Kindertagesstätten

Die rund 57.600 Kindertagesstätten in Deutschland (Statistisches Bundesamt, 2020a) sind in der Hand öffentlicher und freier Träger. Es ist eine Besonderheit der deutschen Sozialpolitik, dass der Rechtsanspruch auf Förderung in einer Kindertagesstätte durch das „Subsidiaritätsprinzip“ (→ Subsidiarität) von vielfältigen Trägern realisiert wird (Bauer, 2016, 234f.). Zwei Drittel, also ca. 67 Prozent aller Kindertagesstätten, befanden sich im Jahr 2019 in freier Trägerschaft. Von den genannten zwei Dritteln freier Träger (wie Arbeiterwohlfahrt, Deutsches Rotes Kreuz, Humanistischer Verband bis hin zu Elterninitiativen) sind deutschlandweit ca. 32,6 Prozent in Trägerschaft von Religionsgemeinschaften wie → Caritas – Diakonie, Zentralwohlfahrtsstelle der Juden (ZWST), Islamischer Wohlfahrtsverband An-Nusrat e.V. bis hin zu einzelnen Kirchengemeinden (Bertelsmann Stiftung, 2019). Der Anteil der christlich-konfessionellen Träger liegt in Westdeutschland mit ca. 37 Prozent deutlich höher als in Ostdeutschland mit 12,6 Prozent (Bertelsmann Stiftung, 2019). Zum aktuellen Anteil von Kindertagesstätten, die durch muslimische, jüdische oder andere religiöse Organisationen betrieben werden, finden sich in Deutschland keine Veröffentlichungen. Für Österreich liegt ein Projektbericht über muslimische Kindergärten und Kindergruppen in Wien vor (Aslan, 2016).

1.3. Aktuelle Entwicklungen und Themen von Kindertagesstätten

Mit der Forderung der → Qualitätssicherung von Kindertagesstätten, ausgelöst durch die internationale PISA-Studie 2000, ist ein zunehmendes sozialpolitisches (→ Bildungspolitik) als auch wissenschaftliches Interesse für Kindertagesstätten entstanden. Dieses Interesse fließt ein in die pädagogische Praxis von Kindertagesstätten, beeinflusst die Diskurse zur Qualität, zu Themen wie → Inklusion, Partizipation und Chancengerechtigkeit (→ Chancengleichheit) und wirkt sich auf die Gestaltung der Bildungs-, Erziehung- und Betreuungsangebote aus. Die Dynamik der Reformbemühungen der letzten Jahrzehnte in diesem Bereich zeigt, dass in zunehmendem Maß anerkannt wird, dass die Grundlagen für soziale Integration, Bildung und Zugang zum Arbeitsmarkt in der frühen Kindheit (→ Kinder/Kindheit) gelegt werden (McKinsey & Company, 2004) (→ Frühkindliche Bildung). Angesichts fortwährender gesellschaftlicher Pluralisierungs- und auch (Des-)Integrationsprozesse (→ Pluralisierung) gewinnt dieses Argument an sozialpolitischer Bedeutung. Kindertagesstätten stehen vor der wichtigen Aufgabe ihre Handlungspraxen zu reflektieren, zu überprüfen und weiterzuentwickeln (König/Heimlich, 2020, 17).

Deutlich wahrnehmbare Veränderungen der Kindertagesstätten entstehen durch die Zunahme der außerhäuslichen Tagesbetreuung für Kinder unter 3 Jahren. Seit 2013 haben Eltern einen rechtlichen Anspruch auf die Betreuung ihrer Kinder ab dem Alter von einem Jahr. Besuchten 2006 in Ostdeutschland 39,3 Prozent und in Westdeutschland 13,6 Prozent der unter 3-jährigen Kinder Kindertagesstätten (BMFSFJ, 2020, 11), waren es 2020 bereits 52,7 Prozent in Ost- und 31,0 Prozent in Westdeutschland der unter 3-jährigen Kinder, die Kindertagesstätten nutzten. Von einer weiteren Zunahme ist auszugehen (Statistisches Bundesamt, 2020b). Diese Entwicklung bewirkt zum einen Veränderungen der Einrichtungsstrukturen und pädagogischen Themen im Feld der Kindertagesstätten. Zum anderen erhalten die Forschungen im Bereich der frühen Kindheit (→ Kinder/Kindheit) beispielsweise zur Bedeutung familialer Bindung neue Anstöße. Die daraus resultierenden Erkenntnisse fließen wiederum in die Überarbeitung von Kita-Konzeptionen beispielsweise in Bezug auf die Eingewöhnung der Kinder im frühen Alter, die Beziehungsgestaltung und die Elternarbeit ein. Ebenso liefert die Resilienzforschung wichtige Impulse für die pädagogische Praxis. So werden heute die Bewältigungserfahrungen (Transition) des Kindes im Übergang zwischen Familie und Kindertagesstätte, aber auch von der Kindertagesstätte zur Schule von pädagogischen Fachkräften sensibel begleitet (→ Übergänge, schulische; → Übergangsrituale).

Einsichten zu Inklusion und Diversität haben zudem dazu beigetragen, dass in neuen Bildungsplänen die frühkindliche religiöse Bildung (→ Bildung, religiöse) angemessen berücksichtigt und die Aufmerksamkeit für die diverse religiös-kulturelle Herkunft der Kinder (Familienreligiosität; → Familie) sowie der Entwicklung ihres moralisch-religiösen Denkens und Lernens (→ Bildung, Werte-) und damit der religionspädagogischen Praxis in Kindertagesstätten geschärft wird. Die Bildungspläne stärken die pädagogischen Fachkräfte in Kindertagesstätten, die vielfältigen Beobachtungskategorien der Diversitätsmerkmale (→ Diversity) zu nutzen und auch religiöse Identitätsbildung (→ Identität, religiöse) von Kindern durch Wertschätzung, Rückfragen und Deutungsangebote sensibel zu begleiten (→ Bildung, religionssensible). Aus Sicht der evangelischen Kirche und der katholischen Kirche brauchen Kinder für ihre Entwicklung sowie bei der Erschließung ihrer sozialen wie auch religiösen Umwelt einen Zugang zu den darin enthaltenen Schutzfaktoren aus Religion und Glaube sowie eine Begleitung von „Beziehungsurbildern“ (Diakonie in Niedersachen, 2012, 6). Dabei gilt es die Handlungspraxen in Kindertagesstätten kultur- und religionssensibel zu gestalten.

Die verschiedenen Träger von Kindertagesstätten stehen vor der Frage, wie bedarfs- und bedürfnisgerechte Betreuung, → Erziehung und → Bildung in Kindertagesstätten umgesetzt werden kann und wie Kinder in die Lage versetzt werden, in ihrer Welt zu bestehen und soziales Leben zu gestalten. So fordert die große Bedeutungszuweisung von Kindertagesstätten für das Aufwachsen von Kindern die Evangelische Kirche Deutschland (EKD) wie auch die Katholische Kirche in ihrer Mitverantwortung für die frühe Bildung in theologischer, diakonischer und politischer Weise heraus (EKD, 2020, 11; Lutterbach, 2015, 5). Die EKD sowie die Pädagogischen Institute der Landeskirchen begleiten durch zahlreiche Publikationen und Weiterbildungsangebote evangelische Einrichtungen in ihrer Qualitätsentwicklung und der Schärfung eines christlichen Profils. Auf Seiten der katholischen Kirche trägt der Verband katholischer Tageseinrichtungen für Kinder e.V. (KTK), ein Fachverband des Deutschen Caritasverbandes und der kirchlichen Aufsicht der Deutschen Bischofskonferenz unterstellt, mit seinen vielfältigen Fortbildungsangeboten und seinen Publikationen, wie die Monatszeitschrift „Welt des Kindes“, zur Professionalisierung von Kindertagesstätten bei. Zudem fördern Vertreterinnen und Vertreter der Religionen durch ihre Arbeit sowie durch wissenschaftliche Forschungen und Publikationen die Fortentwicklung der Bildungspläne in den Bundesländern und fordern die Implementierung religiöser Bildung (→ Bildung, religiöse) für Kinder in allen Kindertagesstätten als Recht auf Bildung und Recht auf Religion (hierzu Schweitzer, 2013).

1.4. Pädagogische Fachkräfte in Kindertagesstätten

In Kindertagesstätten sind zunehmend qualifikationsgemischte Teams anzutreffen, wobei immer noch mehrheitlich Erzieherinnen und Erzieher in Kindertagesstätten vorzufinden sind: Sieben von zehn pädagogischen Fachkräften in Kindertagesstätten sind ausgebildete Erzieherinnen oder Erzieher. Als zweitstärkste Gruppe, mit einem Anteil von 11 Prozent, sind Kinderpflegerinnen und -pfleger vor allem in westdeutschen Einrichtungen tätig. Der Anteil der männlichen Fachkräfte in Kindertagesstätten ist nach wie vor gering. In Modellprogrammen wie MEHR Männer in Kitas werden Strategien zur Gewinnung männlicher Fachkräfte für Kindertagesstätten entwickelt. Der Anteil männlicher Fachkräfte in Kindertagesstätten lag 2010 bei 3 Prozent, im Jahr 2019 bei 6,6 Prozent (BMFSFJ, 2015, 15; Koordinationsstelle Chancen durch Quereinstieg, 2019). Zudem hat bundesweit auch die Beschäftigung von qualifizierten Akademikerinnen und Akademikern (z.B. Sozialpädagoginnen und -pädagogen, Kindheitspädagoginnen und -pädagogen und vielen mehr) in den Kindertagesstätten zugenommen. Allerdings lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht von einer Akademisierung des Berufsfeldes sprechen: Seit 2006 hat sich ihr Anteil von 3 Prozent auf lediglich 6 Prozent erhöht (Wiff, 2019, 54). Komplexe professionelle Anforderungen sowie die Notwendigkeit der Durchlässigkeit in das Tätigkeitsfeld von Kindertagesstätten aus verschiedenen Studien- und Ausbildungsgängen führen in den Bundesländern zu einem vielfältiger werdenden Ausbildungssystem im Berufsfeld der Kindertagesstätten und zu zahlreichen Fort- und Weiterbildungsangeboten. Konfessionelle wie nicht-konfessionelle Fach- und Hochschulen, Akademien und Institute bieten neben den Berufsschulen zur Ausbildung von pädagogischen Berufen zudem religionspädagogische Aus- und Fortbildungen (→ Fortbildung, religionspädagogisch) für pädagogische Fachkräfte an. Sie befähigen, die eigenen religiösen Fragen und Orientierungen sowie die der Kinder und Familien in ihrer pädagogischen Arbeit kultur- und religionssensibel aufzunehmen und sich in ihrem erzieherischen Handeln reflektiert darauf zu beziehen (→ Bildung, religionssensible). Die beiden großen Kirchen setzen sich in der Debatte um eine Ausbildungsreform für Erzieherinnen und Erzieher für bundesweite Qualifikationsprofile ein, die Deutsche Bischofskonferenz erstellte 2010 eigens einen Qualifikationsrahmen für die religiöse Bildung von Erzieherinnen und Erziehern an katholischen Fachschulen und Fachakademien und bestimmt darin spezifische religiös-ethische und religionspädagogische Ausbildungsanteile (DBK, 2014; EKD, 2013).

2. Kindertagesstätten als Orte religiöser Bildung

2.1. Die religiöse Situation von Kindern in einer pluralen Gesellschaft

Gegenwärtig vollzieht sich in der Gesellschaft ein Wandel, der in der → Religionssoziologie als religiöse → Pluralisierung bezeichnet wird. So lässt sich die kulturelle und religiöse Vielfalt in Kindertagesstätten nicht allein anhand von Zugehörigkeiten oder Kategorisierungen wie Nationalität, Geschlecht, Religion oder Kultur beschreiben, sondern bezieht sich auf die vielen mitgebrachten Teilstücke von Identitäten (West, 2014).

Religiöse Pluralisierung wird durch die weltweiten Migrationsbewegungen (→ Migration) und die mediale Globalisierung mitbedingt. Auch in Kindertagesstätten wird das religiös-kulturelle Erscheinungsbild vielfältiger (→ Interkulturalität/Ethnische Vielfalt/Minderheiten/Migration). Das Statistische Bundesamt ermittelte 2019, dass in Deutschland ca. 29,19 Prozent der Kinder in Kindertagesstätten mindestens ein Elternteil mit Migrationshintergrund haben. (Statistisches Bundesamt, 2020c). Die Gestaltung des Zusammenlebens in einer religiös diversen Gesellschaft bildet eine der zentralen Herausforderungen für die Gegenwart und Zukunft in Deutschland, wobei zu bedenken ist, dass die verschiedenen religiösen Gruppierungen in Bezug auf ihre Glaubensrichtungen, religiösen Praxis und Herkünfte ebenfalls sehr heterogen sind (BMI, 2020). Angesichts der religiösen → Pluralisierung unserer Gesellschaft benötigen Kinder und Jugendliche in allen Lebensphasen und Bildungsprozessen einen Zugang zu → Religion, der es ihnen ermöglicht, sich in der religiösen Vielfalt zu orientieren, sich religiös zu entwickeln und mündig zu entscheiden (→ Religionsmündigkeit).

Kinder konstruieren entlang ihrer Biografie ihr religiöses Selbst- und Wirklichkeitsverständnis an verschiedenen (Lern-)Orten (→ Lernorte religiöser Bildung). Die unterschiedlichen oder teils auch kontroversen Erfahrungen ordnen sie aktiv in ihren Interpretationshorizont ein. Kinder beispielsweise in kirchennahen Familien (→ Familie) lernen den Umgang mit Religion in einer → Gemeinde und in Gottesdiensten (→ Gottesdienst, evangelisch; → Gottesdienst, katholisch); Kinder in kirchenfernen und zugleich religiösen Familien lernen den Umgang mit Religion möglicherweise durch das Feiern von religiösen Festen (→ Feste), durch religiöse Lieder, Geschichten oder Gebete; Kinder in kulturell interessierten Familien lernen den Umgang mit Religion durch den Besuch von religiösen Stätten wie Kirchen (→ Kirchenraumpädagogik/Kirchenpädagogik) und von historischen Orten oder der Beschäftigung mit Kunst (→ Kunst, kirchengeschichtsdidaktisch) und → Musik. In vielen Familien ist jedoch ein prinzipieller Ausfall religiöser Bildung (→ Bildung, religiöse) respektive Aufklärung festzustellen. Bildungswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler, pädagogische Fachkräfte und auch Eltern wissen um den teilweisen Ausfall religiöser → Erziehung (→ Sozialisation, religiöse) in den Familien (→ Familie) und betrachten ihn durchaus (selbst-)kritisch mit der Folge, dass religiöser Bildung heute eine neue Aufmerksamkeit entgegengebracht wird.

Das übergeordnete Ziel religiöser Bildung ist die religiöse Mündigkeit (→ Religionsmündigkeit) eines jeden Menschen. Damit sind religiöse Bildungsprozesse unabhängig davon, ob jemand sich selbst als religiös versteht oder nicht. Religiöse Mündigkeit bedeutet entscheidungssicher und sprachfähig hinsichtlich eigener und hinsichtlich fremder Glaubensüberzeugungen und Lebensweisen zu sein (TMBJS, 2019, 213) sowie sich in der persönlichen Lebensgestaltung für oder gegen eine Religion entscheiden zu können, im Sinne der Religionsfreiheit nach Art. 4 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland (Art. 4 GG). Religiöse Bildung folgt dem Grundsatz, keinen Menschen zur Teilnahme an religiösen Handlungen oder auf eine bestimmte religiöse Überzeugung zu verpflichten (negative → Religionsfreiheit); zugleich darf niemandem die Teilnahme an religiösen Handlungen und die aktive Entwicklung einer religiösen Überzeugung verwehrt werden (positive → Religionsfreiheit). Demnach hat religiöse Bildung (→ Bildung, religiöse) dem Wohl eines jeden Kindes zu dienen – das heißt dem Anspruch auf Förderung seiner Begabungen, Interessen und Fähigkeiten sowie der Entwicklung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit – auch in religiösen Dingen.

Religiöse Bildung zielt auf eine kritisch-kundige Offenheit und Achtsamkeit gegenüber Religionen ab. So verstanden sind religiöse Bildungsprozesse (→ Bildung, religiöse) in allen Einrichtungen, unabhängig von ihrer Trägerschaft zu gestalten. Sie ermöglichen Kindern „Wissen über andere Religionen zu erwerben, um das, was sie häufig bei anderen Kindern in der Einrichtung wahrnehmen, überhaupt verstehen zu können; die Ausdrucks- und Praxisformen anderer Religionen durch eigenes Erleben kennen zu lernen; Haltung und Einstellungen zu entwickeln, die von Offenheit und Toleranz, Respekt und Anerkennung geprägt sind; auch in religiöser Hinsicht mit anderen Kindern zu kommunizieren und so eine religiöse Sprachfähigkeit über die Grenzen der eigenen Religionsgemeinschaft [oder Weltanschauung] hinaus zu erwerben“ (Schweitzer, 2012, 23). Das setzt bei den pädagogischen Fachkräften in Kindertagesstätten eine Sensibilität für die Wahrnehmung religiöser Fragen von Kindern und die Bereitschaft über religiöse Fragen zu sprechen voraus. Zudem bedarf es einer Haltung der Kultur- und Religionssensibilität (→ Bildung, religionssensible) in Kindertagesstätten. Sie bewirkt die Wahrnehmung und Wertschätzung der je individuellen Glaubensüberzeugung des Gegenübers sowie eine Aufmerksamkeit und Offenheit gegenüber kulturell und religiös bedeutsamen Situationen (Muth, 2021, 3). Eine kultur- und religionssensible Haltung erfordert aber auch einen reflektierten Umgang mit den eigenen Erfahrungen, Wertvorstellungen und Überzeugungen. Aus der vorurteilsbewussten Bildung und Erziehung ist zu entnehmen, dass es zum einen darum geht, stereotype Einstellungen gegenüber anderen offenzulegen und damit Strukturen von Ausgrenzung, Diskriminierung und Mechanismen von → Macht zu erkennen und zu verändern (Wagner, 2017). Zum anderen beeinflusst ein reflektierter Umgang mit dem eigenen kulturellen und religiösen Wissen und Prägungen die Gestaltung von ko-konstruktiven Lernprozessen zwischen Kindern und pädagogischen Fachkräften.

2.2. Religiöse Bildung als gemeinsame Aufgabe in konfessionellen und nicht-konfessionellen Kindertagesstätten

Unter den Bedingungen der auf Verständigung angewiesenen Pluralität ist religiöse Bildung für alle Kindertagesstätten eine gemeinsame Bildungsaufgabe. Sie soll Kinder in ihrer religiösen Entwicklung (→ Religiöse Entwicklung, Forschungszugänge) begleiten und sie zu einer Kommunikations- und Urteilsfähigkeit in religiösen Fragen anleiten. Ein fruchtbares Wechselspiel von gewachsener religiöser Identität (→ Identität, religiöse) und anzustrebender Verständigungsfähigkeit in Fragen der Religion bildet die Grundvoraussetzung für das Verständnis und die Gestaltung der religiös pluralen → Gesellschaft. Die Aufgaben religiöser Bildung begrenzen sich damit nicht auf konfessionelle Kindertagesstätten: „Sie [sc. religiöse Bildung] zielt darauf ab, bei konfessionell gebundenen wie ungebundenen Kindern und Jugendlichen eine religiöse Pluralitätskompetenz anzubahnen, die dazu dient, Religiosität oder auch Nicht-Religiosität wahrnehmen, reflektieren, formulieren und zu den verschiedenen Formen religiösen Lebens angemessen Stellung nehmen zu können“ (TMBJS, 2019, 214). Demnach lässt sich religiöse Bildung in nicht-konfessionellen Kindertagesstätten zunächst nicht anders beschreiben als in konfessionellen Kindertagesstätten. So heißt es beispielsweise im Bildungsplan des Landes Nordrhein-Westfalen für Kindertagesbetreuung und Schulen im Primarbereich: „Ein ganzheitliches Bildungsverständnis schließt religiöse Bildung und ethische Orientierung mit ein. Sie sind wesentliche Aspekte von Bildung und ermöglichen es, Sinnzusammenhänge zu erfassen, die das ‚Ganze‘ der Welt erschließen und Fragen nach dem Woher, Wohin und Wozu beantworten können.“ (MFKJKS, 2016, 108).

Religiöse Bildung will Kinder in ihrer religiösen Entwicklung entscheidungssicher und kommunikationsfähig hinsichtlich der eigenen Glaubensüberzeugungen machen. Indem religiöse Bildung als Beziehungsprozess (→ Religiosität, Jugendliche) gestaltet wird, leistet sie – auf der einen Seite – einen grundlegenden Beitrag zur psychischen Persönlichkeitsentwicklung (→ Entwicklungspsychologie). Sie motiviert Kinder zum gesellschaftlichen Engagement und zur Entwicklung einer Werteorientierung (→ Bildung, Werte-). Auf der anderen Seite kann sie dazu beitragen, Respekt und Wertschätzung gegenüber Menschen anderer religiöser und auch weltanschaulicher Vorstellungen zu entwickeln und auszudrücken (→ Toleranz).

Religiös sensible Lernbegleiterinnen und Lernbegleiter können mit religiöser Bildung (→ Bildung, religiöse) das Selbstvertrauen von Kindern stärken. Religiöse Bildung eröffnet Kindern die Möglichkeit, dass sie nicht nur aus eigener Kraft stark sein müssen, weil sie sich unabhängig dessen, was sie leisten, geliebt und respektiert wissen und sie kann Kinder in Stresssituationen schützen (Resilienz). In den Phasen der Stille im sonst so hektischen Alltag von Kindertagesstätten, in Naturbegegnungen und beim Staunen lässt sich mit Kindern über ihre Glaubens- und Lebensüberzeugen ins Gespräch kommen. Das gemeinsame Gestalten und Feiern von Festen (→ Feste), die einen religiösen Hintergrund haben, wie beispielsweise das christliche Erntedankfest oder das muslimische Eid al-Fitr (Fest des Fastenbrechens) sind Ausdruck von Weltdeutungsangeboten auch in nicht-konfessionellen Kindertagesstätten. Sie lassen sich nutzen, um Verunsicherungen gegenüber den gesellschaftlichen Pluralisierungserscheinungen entgegenzuwirken. Zu bedenken ist, dass diese Verunsicherungen die Voraussetzung für die Entstehung extremer politischer und religiöser Einstellungen sein können. Religiöse Bildung verfolgt daher das Ziel, junge Menschen dazu anzuregen, ihren eigenen Glaubensüberzeugungen zu trauen, auch wenn sie merken, dass es in der Welt auch noch andere Überzeugungen gibt (Muth, 2021, 5).

Kindertagesstätten nutzen für die Gestaltung religiöser Bildungsprozesse ein ko-konstruktivistisches Bildungsverständnis, in dem Kinder als Konstrukteurinnen und Konstrukteure ihrer eigenen Lebenswelt ernstgenommen und anerkannt werden. Ihr Weltverständnis wird nicht als defizitäre Vorstufe dargestellt, die in der Entwicklung hin zu einem Erwachsenen überwunden werden muss (Muth, 2021, 4). Werden Kinder auch in nicht-konfessionellen Kindertagesstätten zu ihren (religiösen) Fragen und Weltdeutungen in einer dialogischen Grundhaltung begleitet, erfahren sie sich als ernstgenommen. Sie erleben, dass unterschiedliche Deutungen der Welt und somit auch unterschiedliche Kulturen und Religionen gleichberechtigt miteinander agieren. Damit hat religiöse Bildung auch in nicht-konfessionellen Kindertagesstätten die wichtige Funktion, sich in der → Gesellschaft zu orientieren, an demokratischen Strukturen teilhaben zu können und so das demokratische Zusammenleben (→ Demokratie) in einer von Pluralität geprägten Gesellschaft zu vermitteln.

2.3. Religiöse Bildung als Aufgabe in konfessionellen Kindertagesstätten

Konfessionelle Kindertagesstätten verstehen sich als Orte religiöser Bildung, als Lebensort des Glaubens, verbunden mit der Aufgabe, das religiöse Profil des Trägers lebendig werden zu lassen. Gleichzeitig verstehen sie sich als rechtsanspruchsbasiertes, offenes Angebot an alle Kinder, unabhängig von ihrem Bekenntnis (EKD, 2020; Bistum Münster, 2021). Angesichts individueller Orientierungssuche und gesellschaftlicher → Pluralisierung stellen konfessionelle Kindertagesstätten ein wichtiges Angebot dar. So besuchten 2018 ca. 600.210 Kinder die deutschlandweit ca. 8.920 evangelischen Einrichtungen (EKD, 2020, 28), wobei der überwiegende Anteil der Kinder einer christlichen Konfession und ca. 13 Prozent der Kinder dem Islam angehören (EKD, 2020, 37). In katholischer Trägerschaft waren im Jahr 2016 rund 9.300 Kindertageseinrichtungen mit ca. 641.100 Kinder. Davon hat etwa „ein Viertel der Kinder […] einen Migrationshintergrund, darunter gibt es viele Muslime.“ (DBK, 2020, 16). Zudem nutzen auch Kinder aus weiteren Religionen sowie Kinder, die keiner Religion angehören, das Angebot konfessioneller Kindertagesstätten.

Die Bundesvereinigung Evangelischer Kindertageseinrichtungen (BETA) und der Verband Katholischer Tageseinrichtungen für Kinder (KTK) haben in zwölf Thesen den Bildungsauftrag konfessioneller Kindertagesstätten zusammengetragen (BETA/KTK, 2002). Beide akzentuieren, dass die religiöse Dimension des Lebens nach Aufmerksamkeit verlangt und die Auseinandersetzung mit religiösen Fragen dazu beiträgt, Sinnfragen zu klären, sich zur Welt reflexiv und urteilsfähig in ein Verhältnis zu setzen und das Dasein produktiv zu bewältigen. Die EKD schloss daran mit ihrer Erklärung „Wo Glaube wächst und Leben sich entfaltet“ sowie den sich daraus ableitenden Thesen des Rates der EKD zum Auftrag evangelischer Kindertagesstätten an (EKD, 2004; 2007). Dabei geht sie davon aus, dass jedes Kind ein Recht auf Religion und auf religiöse Bildung (→ Bildung, religiöse) besitzt (EKD, 2007). Kinder lernen in konfessionellen Kindertagesstätten „biblische Geschichten kennen, feiern bewusst die kirchlichen Feste im Jahreslauf und erleben und entdecken im täglichen Vollzug des Miteinanders die christlichen Werte“ und orientieren sich an der biblischen Botschaft (EKD, 2020, 22; Bischöfliches Generalvikariat Münster, 2021). → Erziehung und → Bildung richten sich in Kindertagesstätten mit evangelischem Profil darauf aus, was den Sinn des Lebens bildet. Katholische Kindertagesstätten streben ebenso eine alltagsintegrierte und lebensnahe religiöse Bildung an und verstehen sich als „Lebensort des Glaubens“ (Bischöfliches Generalvikariat Münster, 2021) für Kinder und ihre Familien. So entwickelt das Bischöfliche Generalvikariat und der Diözesancaritasverband Münster im gleichnamigen Kooperationsprojekt mit 743 katholischen Kindertagesstätten seit 2014 ein pastorales Qualitätsprofil, bieten religionspädagogische und pastorale Qualifikationen für pädagogische Fachkräfte an, vermitteln religionspädagogische Kompetenzen und Methoden wie beispielsweise das Konzept Godly play (→ Godly Play/Gott im Spiel).

Für konfessionelle Kindertagesstätten ist der Bezug zu → Gott konstitutiv (Gohde, 2004, 23). Gleichzeitig erfordert die Orientierung auf das Kind von konfessionellen Kindertagesstätten einen sensiblen Umgang mit religiöser Pluralität und der kindlichen Lebenswelt (→ Bildung, religionssensible). Daran schließt ein weiterer wichtiger Auftrag für konfessionelle Kindertagesstätten an: Familien (→ Familie) in ihrer Erziehung und Wertevermittlung (→ Bildung, Werte-) zu unterstützen (EKD, 2007). Auch in religionsnahen Elternhäusern, in denen religiöse Erziehung und Bildung nach wie vor einen wichtigen Stellenwert haben, sind Eltern in Bezug auf die Vermittlung von religiösen Ritualen (→ Rituale) und → Glaube verunsichert. So werden Gespräche zu den Themen Religion, Glaube oder Kirche an Großeltern, pädagogische Fachkräfte oder Lehrerinnen und Lehrer delegiert. Das führt dazu, dass für Kinder im Aufbau ihrer eigenen religiösen Identität (→ Identität, religiöse) weniger der Autoritätskonflikt mit ihren Familien, sondern vielmehr Diffusität zur Herausforderung wird (Fleck, 2011, 26). Kinder bauen in Kindertagesstätten häufig erstmals außerhalb der Familie neue Beziehungen zu Erwachsenen auf, die wiederum neue Erfahrungen, Gesprächsmöglichkeiten und Anknüpfungspunkte, auch im religiösen Bereich, eröffnen. Pädagogische Fachkräfte können die vorhandenen Dimensionen wie den Jahreskreis, Rituale und Feiern, aber auch Gespräche und Erlebnisse nutzen, um sie mit religiösen Themen zu verknüpfen, religiöse Sprache und Geschichten aus den verschiedenen Religionen kennenzulernen und zu vergleichen (Fleck, 2011, 26). Inzwischen sind vielfältige religionspädagogische Konzeptionen entwickelt und eine ganze Reihe unterschiedlicher religionspädagogischer Arbeitshilfen für die religiöse Bildung in Kindertagesstätten entwickelt worden. Konzepte unterscheiden sich als explizit christlich-religiöse und implizit christlich-religiöse Bildung in ihrer engen bzw. weiten Fassung des Religionsbegriffs, zudem finden sich Konzepte spirituell-religiöser Bildung, interreligösen Lernens usw. (Habringer-Hagleitner, 2006, 112f.). Zum Profil konfessioneller Kindertagesstätten gehört, Kinder im Licht des christlichen Glaubens zu betrachten. Dieses Bild vom Kind ist geprägt von der Gottebenbildlichkeit des Menschen (→ Gottebenbildlichkeit (AT); → Anthropologie (NT)) mit seinen Implikationen von Würde (→ Menschenwürde), → Freiheit (→ Freiheit (AT)) und → Gleichheit. Diese Sicht auf Kinder findet ihr Gegenstück im Alltag konfessioneller Kindertagesstätten in einer religiösen Perspektivierung des Lebens, einem aufmerksamen und aktiven Miteinander aller Religionen, Kulturen und Weltanschauungen und einer Erziehungspartnerschaft mit Eltern in religiösen Fragen (KTK, 2003).

3. Handlungsempfehlungen für die religiöse Bildung

Wie eine Kindertagesstätte arbeitet, welche Form der pädagogischen Arbeit sie nutzt, welchem Leitbild sie folgt und wie sie ihre Bildungsziele umsetzt, darüber gibt die pädagogische Konzeption der Einrichtung Auskunft. Sie wird innerhalb des Teams erarbeitet, fortentwickelt und leistet einen wesentlichen Beitrag zur → Qualitätssicherung pädagogischer Prozesse. Damit wirkt eine Konzeption für pädagogische Fachkräfte als Orientierung und Stütze. Zudem dient die Konzeption dazu, Einrichtungen für die Öffentlichkeit sichtbar zu machen. Konzeptionen wirken also nach innen und außen. Zur Verwirklichung religiöser Bildung in Kindertagesstätten ist die Erarbeitung eines konzeptionell verankerten Verständnisses des Bildungsbereichs Religiöse Bildung für beide Wirkrichtungen, nach innen und nach außen, eine wichtige Voraussetzung. Zunächst orientiert sich die konzeptionelle Verankerung Religiöse Bildung an den länderspezifischen Bildungsplänen. Aber auch die UN-Kinderrechtskonvention (→ Kinderrechte), das → Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland sowie die Landesgesetze und Verordnungen der Bundesländer dienen als Ausgangspunkt. Die Konzeption der Einrichtung sollte konkrete Auskunft dazu geben, wie religiöse Bildung (→ Bildung, religiöse) in der Einrichtung umgesetzt wird. Zum einen sollten Kindertagesstätten darstellen, welche religiösen und weltanschaulichen Orientierungen durch den Träger, die Einrichtung und ihre Mitarbeitenden genutzt werden. Zum anderen sollte eine offene, willkommene und sensible Haltung und der Umgang bezüglich vorhandener Religionszugehörigkeiten und Weltanschauungen in der Einrichtung konkretisiert werden.

Zur Planung von religiösen Bildungsangeboten brauchen pädagogische Fachkräfte zunächst ein Verständnis davon, über welche religiösen Konzepte die Kinder in ihrer Einrichtung verfügen, wie sich die Konzepte der Kinder weiterentwickeln lassen, welche (religiösen) Bildungsansprüche und Bedürfnisse Kinder und ihre Familien (→ Familie) haben, sowie welche sozialräumlichen Begegnungen sie mit der eigenen → Religion sowie mit anderen Religionen und Weltanschauungen nutzen. Um religiöse Entwicklung (→ Religiöse Entwicklung, Forschungszugänge) zu fördern, beziehen sich Kindertagesstätten in ihrer pädagogischen Arbeit neben den trägereigenen Orientierungen auch auf die kulturellen und religiösen Prägungen der Kinder und nutzen individuelle Familienkulturen und -traditionen.

Wesentliche Voraussetzung für eine religionssensible Begleitung bzw. religiöse Bildung ist die pädagogische Fachkraft. Als Mensch mit eigenen biografischen Erfahrungen und Orientierungen nutzen sie erworbenes Wissen, ihre Fähigkeiten und inneren Einstellungen. Eine Auseinandersetzung mit eigenen religiösen Prägungen und Wertesystemen ist darum für pädagogische Fachkräfte unerlässlich. Teamtage oder anderen Fort- und Weiterbildungen (→ Fortbildung, religionspädagogisch) lassen sich für biografieorientierte Lernprozesse (→ Biografisches Lernen) zu den Ursprüngen und Wurzeln religiöser Denk- und Handlungsweisen nutzen. Ziel ist ein reflektiertes Verständnis der pädagogischen Fachkraft für ihr eigenes Handeln und eine religionssensible Haltung. Beides sind notwendige Grundlagen, um religiöse Fragen und Deutungen der Kinder im pädagogischen Alltag sensibel wahrzunehmen und aufzugreifen (→ Kindertheologie). Zudem benötigen sie ein hinreichendes Wissen über Religion(en).

Kinder setzen sich mit spannenden Fragen und Themen ihrer Welt auseinander. So erarbeiten sie sich eine tragfähige Vorstellung über ihre Welt. Dazu gehören auch große und existenziellen Fragen und Themen, die auch die Vorstellungskraft von Erwachsenen übersteigen. Fragen wie: „Wo ist ein Mensch, wenn er gestorben ist?“, „Wer beschützt mich, wenn ich ganz alleine bin?“ bewegen Kinder auch in Kindertagesstätten. Sie bringen ihre existenziellen Nöte und Ängste in die Kindertagesstätte mit, sie erleben persönliche Schicksale und fragen nach den größeren Sinnzusammenhängen. „Was glaubst Du, wird Maxi gesund, wenn ich bete?“

Für Kinder trägt religiöse Bildung zu ihrem Verständnis der Welt bei. Grundlage dafür ist, einem ko-konstruktiven Bildungsverständnis folgend, dass pädagogische Fachkräfte die Interaktionen in Kindertagesstätten nutzen und gestalten. Sie beobachten und gestalten gezielt Alltagssituationen oder nutzen Methoden wie das Philosophieren oder Theologisieren mit Kindern (→ Kindertheologie), um an ihren Fragen gemeinsam nachzudenken. Dabei entstehen Gespräche auch in Zwischenräumen, beim Spazierengehen oder beim Anziehen. Für religiöse Bildung sind nicht die richtigen Antworten auf Fragen wesentlich, sondern im Sinne einer „geteilten Aufmerksamkeit“ (Denker, 2012, 89) die Offenheit für die Signale des Kindes, sensible Rückfragen sowie der sprachliche Dialog (Denker, 2012, 81). Damit lassen sich vielfältige Antwortoptionen der Kinder und Familien z.B. aus den Glaubensvorstellungen der Religionen oder aus verschiedenen Weltanschauungen einbeziehen, aber auch Widersprüche und ein konstruktiver Umgang damit erleben.

Literaturverzeichnis

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Deutsche Bibelgesellschaftv.4.25.2
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