Massenmedien
Schlagworte: Fernsehen, Radio, Zeitung, Zeitschriften
(erstellt: Februar 2018)
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Digital Object Identifier: https://doi.org/10.23768/wirelex.Massenmedien.200361
1. Definition
Massenmedien oder → Medien
Gegenüber dem Internet (→ Internet als Medium im Religionsunterricht
2. Entstehung und Weiterentwicklung
Ihre Entstehung und Weiterentwicklung verdanken die Massenmedien Zeitungen, Zeitschriften, Radio und TV dem von Marshall McLuhan konstatierten Drang des Menschen, durch neue Medien die eigenen Wahrnehmungs- und Erfahrungsmöglichkeiten zu erweitern (McLuhan, 1992) und den technischen Erfindungen wie dem um 1450 entwickelten Buchdruck und dessen Modernisierung durch Johannes Gutenberg. Die Erfindungen von Papier-, Setzmaschine und Telegraf ermöglichen die Entstehung der Massenpresse und später schaffen die drahtlose Telegrafie und das Telefon die Voraussetzung für die Erfindung von Radio und Fernsehen. Zwar findet keine völlige Verdrängung eines Mediums durch ein neues statt, aber es kommt zu einer Anpassung an die veränderten Nutzungsgewohnheiten (Jäckel, 2012, 41-43).
2.1. Zeitungen/Zeitschriften
Die fast ausschließlich privatwirtschaftlich produzierten Printprodukte lassen sich in folgende Kategorien einteilen: Tageszeitungen (regional und überregional), Sonntags- und Wochenzeitungen, Nachrichtenmagazine, Publikums- und Fachzeitschriften sowie Anzeigenblätter. Tageszeitungen werden vor allem im Abonnement, weniger auf der Straße verkauft; eine Ausnahme bilden Boulevardblätter wie die BILD-Zeitung. Nach einem starken Wachstum der Tagespresse seit den 1950er-Jahren haben nahezu alle Verlage in Deutschland seit den 1980er-Jahren mit Verlusten bei Auflagen und Werbeumsätzen zu kämpfen. Vor allem mit dem Internet (→ Internet als Medium im Religionsunterricht
2.2. Radio
Mit einer durchschnittlichen Hördauer von über drei Stunden ist das Radio neben dem Fernsehen das am meisten genutzte Medium in unserer Gesellschaft. Es kann gegenüber Fernsehen, Zeitung und Internet in den unterschiedlichsten Situationen nebenbei konsumiert werden, wobei es sich meist nicht um ein hochaufmerksames, sondern um ein Hören bei Gelegenheit handelt, bei dem vor allem Spaß und Entspannung erwartet werden (ARD/ZDF-Studie Massenkommunikation 2015
Die nach dem Zweiten Weltkrieg gegründeten und in der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) zusammengeschlossenen Sender strahlen jeweils bis zu acht vor allem durch Gebühren finanzierte Programme aus und bedienen so ganz unterschiedliche Zielgruppen. Daneben haben sich in Deutschland seit den 1980er-Jahren auch zahlreiche Privatsender etabliert, die sich nahezu ausschließlich aus Werbeeinnahmen finanzieren und daher auf möglichst hohe Einschaltquoten angewiesen sind. Diese „massenattraktiven“ Programme setzen auf eine Mischung aus aktueller Popmusik (→ Musik
2.3. Fernsehen
Ganz ähnlich verlief die Entwicklung auch im Fernsehen: Seit 1953 haben ARD und das 1961 von den Ländern gegründete ZDF mit ihren TV-Programmen dazu beigetragen, dass sich auch das Fernsehen zu einem Massenmedium entwickelt hat. Die Zulassung von privaten Sendern erfolgte, analog zum Radio, in den 1980er-Jahren, und mittlerweile sind Unternehmen wie RTL, SAT.1 und Pro7 zu starken Konkurrenten geworden. Dies hat hinsichtlich der Programmvielfalt und -qualität ähnliche Folgen wie im Hörfunk: eine erhebliche Ausweitung von Unterhaltungs- und Spielangeboten sowie eine Verringerung des Informations- und Kulturangebots, auch in den öffentlich-rechtlichen Programmen. Der Forderung, dem Gemeinwohl zu dienen, stehen auf der einen Seite die kommerziellen Interessen der Medienunternehmen entgegen und auf der anderen Seite haben die Rezipienten die Möglichkeit, auf anspruchsvollere Programmangebote auszuweichen. Dadurch wird die integrierende Funktion des Fernsehens in politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Fragen geschmälert.
Nach wie vor erzielt das Fernsehen die größte Reichweite unter den Massenmedien (ca. 80 %) und wird durchschnittlich über 200 Minuten täglich eingeschaltet. Die Motive seiner Nutzung bestehen in Information, Unterhaltung und Entspannung. Selbst die Gruppe der 14- bis 29-Jährigen schätzt Fernsehen als wichtigstes Informationsmedium, das für die politische Meinungsbildung, die Ereignisse in Deutschland und der Welt zuständig ist. Auch wenn es um die Befriedigung persönlicher Interessen sowie Entspannung und Spaß geht, spielt das Fernsehen in dieser Gruppe neben dem Internet (→ Internet als Medium im Religionsunterricht
3. Religiöse Inhalte
Religiöse Einstellungen und Handlungen sowie Glaubensgemeinschaften, deren Repräsentanten und Konflikte sind in allen Massenmedien ständig Gegenstand der Berichterstattung (für die Zeitung: Meier, 2014, 82). Besonders die beiden großen christlichen Kirchen als bedeutende religiöse Institutionen (→ Religionsgemeinschaften als institutionelle Einrichtung[en] in Deutschland
3.1. Zeitungen und Zeitschriften
Gerade die Printmedien haben, beginnend mit den Flugblättern der → Reformation
Zeitungen berichten vor allem im lokalen und regionalen Bereich über die Aktivitäten der Glaubensgemeinschaften vor Ort, ihre Veranstaltungen, diakonische Leistungen (→ Caritas – Diakonie
Publikumszeitschriften, Illustrierte und die Regenbogenpresse sind vor allem an Lebenshilfe interessiert; für diese Sparte werden keine kirchlichen Angebote vorgehalten; aber es bestehen persönliche Kontakte zu kirchlichen Pressestellen, die auf Anfrage Informationen liefern.
3.2. Radio und Fernsehen
Anders als im Printbereich haben die christlichen Kirchen und die jüdische Kultusgemeinde in Deutschland das Recht, als gesellschaftlich relevante Gruppe in den Kontrollgremien der Rundfunkanstalten und der privaten Hörfunksender mitzuwirken und selbst Programme zu gestalten (Drittsenderecht). Grundlage hierfür ist zum einen der vom Staat anerkannte öffentliche Auftrag der Kirchen (Loccumer Vertrag von 1955) und zum anderen die Aufgabe des Rundfunks, eine umfassende Versorgung mit Information, → Bildung
3.2.1. Radio
Schon nach dem Zweiten Weltkrieg räumen die Alliierten den Kirchen im Rundfunk eine Sonderstellung ein und gewähren ihnen eigene Sendezeiten, für die die Beauftragten der Landeskirchen verantwortlich sind. Im privaten Hörfunk haben die Kirchen die Möglichkeit, sich neben dem Drittsenderecht auch als Gesellschafter an privaten Sendern zu beteiligen. In ihren Sendungen geht es den Verantwortlichen nicht um kirchliche Werbung und Selbstdarstellung, sondern sie fühlen sich den Prinzipien der evangelischen Publizistik verpflichtet, zu denen Freiheit gegenüber Ideologien und Institutionen sowie die Verantwortung, kritischer Journalismus und Stellvertretung gehören (Geisendörfer, 1978). Mit ihren Sendungen wenden sie sich gerade auch an diejenigen, denen christlicher Glaube und kirchliches Leben fremd geworden sind. Zwar ist deren Bereitschaft zur aktiven Teilnahme am kirchlichen Leben zurückgegangen, kirchliche Angebote werden jedoch wahrgenommen und je nach Lebenssituation erwogen und ausgewählt. Sendungen im privaten Hörfunk können die eigene Zugehörigkeit zur Kirche in Erinnerung zu rufen.
3.2.2. Fernsehen
Zum Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gehört die Berichterstattung über kirchliche Veranstaltungen wie Kirchentage und Synoden oder den päpstlichen Segen zu Ostern und Weihnachten. Im Blick sind aber auch Bräuche und Riten (→ Rituale
Magazinsendungen zu religiösen Fragen bieten auch die dritten Programme der ARD sowie 3sat oder ARTE an, wobei die Verantwortung ebenfalls allein bei den Sendern liegt. Dagegen wird die Übertragung von Gottesdiensten (→ Gottesdienst, evangelisch
Im fiktionalen Bereich finden sich religiöse Inhalte nicht nur in Filmen (→ Film
Auch bei den privaten Sendern stehen den Kirchen Sendezeiten zur Verfügung (45 Minuten pro Woche), die bisher jedoch nicht voll ausgeschöpft werden. Die allein von der evangelischen und katholischen Kirche verantworteten Programme heißen bei SAT 1 „So gesehen“ (60 Sekunden) und „So gesehen – Talk am Sonntag“ (Gäste aus Show, Kunst und Kultur sprechen über Glauben und Werte), bei RTL „Bibelclip“ (30 Sekunden) und bei Pro 7 „MOTZmobil“. Da das private Fernsehen seinen Schwerpunkt vor allem in der Unterhaltung sieht, hat die katholische Kirche versucht, durch eine Spielfilmserie, in der ein Pfarrer die Hauptrolle spielt („Schwarz greift ein“), christliche Werte und Haltungen für ein eher bildungs- und kirchenfernes Massenpublikum zu thematisieren. Religiöse Inhalte sehen manche Autoren aber auch in den öffentlichen Beichten, zu denen in Talkshows aufgefordert wird, wobei jedoch wirkliche Umkehr und Reue eher fehlen (Bubmann, 1996, 177), die Inszenierung von Ritualen wie Hochzeiten im Reality-Fernsehen, in denen sich die existenziellen Erfahrungen der Teilnehmer verändern, etwa durch eine Art „Heiligsprechung der alltäglichen Existenz“ (Keppler, 2000, 226), oder Sendungen, die an die Nächstenliebe appellieren, um notleidenden Menschen zu helfen (Reichertz, 2000, 211).
4. Funktionen und Wirkungen
4.1. Funktionszuschreibungen
Gesamtgesellschaftlich gesehen sorgen Massenmedien für einen allgemeinen Bestand an Informationen, Bildern und Meinungen. Sie ermöglichen den Austausch und das Gespräch, tragen zur Selbstverständigung einer demokratischen → Gesellschaft
Mit ihrer Berichterstattung vermitteln die Massenmedien, vor allem Radio und Fernsehen, die Illusion, auch Ereignisse, die sich weit entfernt abspielen, hautnah mitzuerleben. Damit prägen sie unser Bild von der Wirklichkeit und gestalten sie mit. Dies geschieht zum Beispiel, wenn der Ablauf von Sportveranstaltungen den Bedürfnissen der Massenmedien angepasst wird, wenn Ereignisse nur deshalb stattfinden, damit über sie berichtet werden kann, oder Dinge erst dann bedeutsam erscheinen, wenn sie durch Zeitung, Zeitschrift, Radio oder Fernsehen aufgegriffen werden. Die Erkenntnis, dass Massenmedien die Wirklichkeit nicht objektiv abbilden, sondern sie konstruieren, begründet einen kritischen Umgang mit ihnen und kann ein wichtiges Bildungsziel (→ Bildung
Einige Autoren schreiben den Massenmedien, vor allem elektronischen, auch quasi-religiöse Funktionen zu. Definiert man den Begriff Religion weniger substanziell, sondern eher funktional, dann können Radio und Fernsehen in unserer Gesellschaft Aufgaben erfüllen, die bisher von Religion und Kirchen wahrgenommen wurden, etwa die stabilisierende Lebensbegleitung (Albrecht, 1993; Gräb, 2007). Gerade das Fernsehen präsentiere religiöse Motive, Symbole und Mythen, die von Glück und Liebe, Angst und Gewalt, Zerstörung und Leben, Untergang und Errettung, Erfolg und Scheitern erzählten (Schmidt, 1991). Es fördere den Diskurs über die Frage nach dem Lebenssinn, über Werte und Normen oder die Auseinandersetzung mit der Erfahrung von scheiternden Beziehungen, Tod und Schuld. Darüber hinaus übernehme und verändere es auch religiöse → Rituale
Gegen die These, dass Massenmedien religiöse Funktionen übernehmen („Medienreligion“) und die herkömmlichen religiösen Institutionen verdrängen oder sogar ersetzen, lässt sich einwenden, dass eine Rhythmisierung des Alltags durch Fernsehrituale insofern überholt ist, als mediale Angebote heute zu jeder Zeit abrufbar und ganz individuell nutzbar sind (Bubmann, 1996). Im Sinne der Luhmann’schen Systemtheorie existieren zudem Religion und Massenmedien weiterhin als durch den Gottesbegriff deutlich voneinander unterschiedene „distinkte Systeme“ nebeneinander (Schmidt, 2000, 285). Die Massenmedien selbst bieten ihren Nutzern keine verbindliche → Transzendenz
4.2. Wirkungsforschung
Wichtige Ansätze zur Untersuchung der Wirkung von Massenmedien sind das auf dem Behaviorismus basierende Modell des stimulus-response, das der amerikanische Kommunikationstheoretiker Lasswell 1948 in der Formel zusammenfasst: „Who says what in which channel to whom with what effect?“ sowie die von Lazarsfeld und Katz entwickelte Theorie des multi-step-flow of communication. Danach erreichen Massenmedien ihre Wirkung in mehreren Etappen und durch die Vermittlung von „Meinungsführern“. Im Blick auf die Sender (who) erklären McCombs und Shaw, wie es den Massenmedien gelingt, die von ihnen thematisierten Ereignisse und Probleme zum Gesprächsgegenstand der Mehrzahl ihrer Rezipienten zu machen (agenda-setting-Funktion), und Noelle-Neumann weist darauf hin, dass dadurch Massenmedien auch die Macht haben, gewisse Themen und Überzeugungen in einer „Spirale des Schweigens“ verschwinden zu lassen. Andere Forschungsansätze wie die Lehre von der kognitiven Dissonanz (Festinger) zeigen, dass Massenmedien die vorhandenen Meinungen und Verhaltensweisen der Empfänger meist nur verstärken, weil diese die Differenz zwischen Erkenntnis und tatsächlichem Verhalten zu reduzieren versuchen, um sich innerlich zu stabilisieren. Der Ansatz des uses and gratification approach (Katz/Foulkes) geht von einer aktiven Auswahl der Medien und Inhalte durch den Empfänger aus. Medien erscheinen hier als Instrumente zur Befriedigung sozialer und psychologischer Bedürfnisse; sie stimulieren, lenken ab oder helfen bei der Kontrolle der Umgebung. Unberücksichtigt bleibt jedoch bei dieser Position, dass die Bedürfnisse und Motive des Rezipienten durch die Massenmedien erst erzeugt oder zumindest beeinflusst werden können. Im dynamisch-transaktionalen Ansatz, der sowohl dem Kommunikator gleichzeitig eine aktive und passive Rolle zuschreibt, ist der Kommunikator einerseits aktiv, wenn er bestimmte Informationen auswählt, andererseits bereitet er sie so auf, dass sie den Vorgaben des Mediums sowie den Bedürfnissen und Gewohnheiten der Rezipienten entsprechen. Der Rezipient hingegen bleibt insofern passiv, als er sich mit den ihm angebotenen Informationen zufriedengeben muss; seine aktive Rolle besteht im Auswählen und Verstehen.
5. Massenmedien und Bildung
5.1. Möglichkeiten und Grenzen
Medien haben von jeher eine wichtige Rolle bei der → Bildung
Diese Affinität der Massenmedien zur → Bildung
Von anderen Lernorten und Bildungsinstitutionen unterscheiden sich Massenmedien dadurch, dass es sich hier um eine sogenannte One-to-many-Kommunikation handelt, bei der die Rückkopplung (Vergewisserung, Nachfragen, Diskurs) eher beschränkt ist. Gegenüber den Lernorten wie → Familie
5.2. Kirche und Bildung in den Massenmedien
Trotz solcher Bedenken versteht die katholische Kirche ihr Engagement in den Massenmedien und die mediale Verkündigung im Rundfunk grundsätzlich als Teil ihrer Bildungsarbeit (Hober, 1996, 17), und auch die evangelische Kirche meint, dem Abbruch religiöser Traditionen in → Familie
Befürworter der Kommunikation des Evangeliums in den Massenmedien verweisen dagegen darauf, dass religiöse Rede durchaus mit medialen Formen der Unterhaltung vereinbar ist (Bernstorf, 2007). So gelingt es beispielsweise den kirchlichen Sendungen im privaten Hörfunk, mit Hilfe von Originaltönen, atmosphärischen und musikalischen Elementen (→ Musik
5.3. Bildungsziele im Umgang mit Massenmedien und methodische Umsetzungen
Da die Möglichkeiten, religiöse Bildungsinhalte (→ Bildung, religiöse
- Verarbeitung und Kompensation von Medienerfahrungen,
- Aufklärung über die Mechanismen, Funktionen und Wirkungen der Massenmedien (Entmythologisierung),
- Reflexion des eigenen Konsums von Massenmedien sowie Stärkung von Autonomie, Medienkompetenz und ästhetischer Wahrnehmung,
- Erziehung zur Mitverantwortung für massenmediale Angebote durch Verweigerung oder begründete Rezeption (Medienethik),
- Beobachtung, Untersuchung und Reflexion von mythischen und religiösen Inhalten (Symbole, Sinnangebote, Werte), von religiösen Akteuren und religiöser Sprache in den Massenmedien,
- kreativer Umgang mit massenmedialen Inhalten und Formen in Verbindung mit biblischen Texten (→ Bibeldidaktik, Grundfragen
) (Pirner, 2001).
Umsetzbar sind diese Ziele durch Projekte wie „Zeitung in der Schule“ oder die Produktion von Radiobeiträgen im → Konfirmandenunterricht
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