Katechismus/Katechismusunterricht
(erstellt: Februar 2016)
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Digital Object Identifier: https://doi.org/10.23768/wirelex.KatechismusKatechismusunterricht.100140
1. Begriff und Bedeutung
Der Begriff Katechismus ist ein spätlateinisches Lehnwort, das auf den griechischen Begriff katechein (dt.: entgegenschallen/hineinschallen) zurückgeführt wird. Cyprian von Jerusalem bezeichnete 348 nach Christus seine 16 Predigten an Taufbewerber und -bewerberinnen, die das christliche Glaubensbekenntnis (griechisch symbolon, lateinisch credo) und das Vaterunser zum Thema haben, als „Katechismen“, 413 nach Christus betitelte Aurelius Augustinus die Unterweisung künftiger Christen als „Taufkatechismus“. Damit umfasst der Begriff des Katechismus in der Spätantike sowohl den Vorgang der Unterweisung und Unterrichtung von Menschen, die den christlichen Glauben annehmen wollen, als auch den Unterrichtsgegenstand, nämlich das Glaubensbekenntnis der Kirche und das Gebet des Herrn (vgl. Stubenrauch, 1996, 1312).
Dass eine solche Wortbildung der Kirchenväter aus dem griechischen Verbum katechein, lateinisch catechizare erfolgte, lässt sich mit der Vorstellung erklären, dass die Verkündigung des christlichen Glaubens nicht ohne das persönliche Zeugnis und Bekenntnis von Glaubenden, also nicht ohne deren „vernehmbare Stimme“ im Akt der Unterweisung vorstellbar war. Die heute mitunter reklamierte begriffliche Verwandtschaft von lateinisch personare (deutsch: durchtönen) und der personalen Bezeugung des Glaubens durch den Lehrenden (vgl. Tebartz-van Elst, 2001a, 861) ist unter Philologen allerdings umstritten.
Da mit der Etablierung der Säuglingstaufe im Kontext von augustinischer Erbsündenlehre und der Religionspolitik von Kaiser Theodosius (das Edikt
Cunctos populos 380 nach Christus erhob das Christentum faktisch zur Staatsreligion im Römischen Reich) die Unterweisung der zu Taufenden entfiel und durch eine Verpflichtungserklärung der Taufpaten ersetzt wurde, verlor auch der Begriff an Bedeutung und wurde erst im Mittelalter wieder aufgegriffen. Hier nun bezeichnet Katechismus „die gesamte mündl. Unterweisung der Gläubigen in Katechese u. katechet. Predigt. Mit Beginn des 16. Jh. wird K. auch, u. bald ausschließlich, z. Titel des Buches für ein Grundwissen, das der Katechese in Kirche u. Elternhaus – später dazu in der Schule – als Leitfaden dient“ (Stubenrauch, 1996, 1313). Diese Bedeutung des Katechismus als ein textuelles „Kompendium des christl.-kirchl. Glaubens in einer curricularen Anordnung“ (vgl. Tebartz-van Elst, 2001a, 861), das für die Katechese (→ Katechese
Aus religionspädagogischer Perspektive lassen sich verschiedene Katechismus-Gattungen unterscheiden: So wird zwischen dem Katechismus als Lehrbuch für den Katecheten und die Katechetin und dem Lernbuch für Katechumenen, die sich einem → religiösen Bildungsprozess
2. Geschichtliche Entwicklung
2.1. Alte Kirche und Mittelalter
Bereits Cyprian legte seinen Katechesen für Taufbewerber das Credo und das Vaterunser zugrunde. Im frühen Mittelalter tritt mit der nun aufkommenden Beichtpraxis der Dekalog als Grundlage für die Gewissenserforschung hinzu, in der Scholastik ergänzt Thomas von Aquin noch die Sakramente als viertes Lehrstück. Diese vierteilige Struktur hat sich bis heute bewährt und findet weiterhin Verwendung, so zuletzt beim Katechismus der Katholischen Kirche (der sogenannte „KKK“, 1992) und dem daraus zusammengestellten sogenannten YouCat für Jugendliche (2011).
Wichtige mittelalterliche Katechismen sind u.a. der sogenannte Weißenburger Katechismus (nach 789), die Opuscula (1256) des Thomas von Aquin und das Opus tripartium von Johannes Gerson (um 1480). Mit der Neuzeit und der Reformation beginnt die Blütezeit des Katechismus. Den ersten Katechismus des 16. Jahrhunderts hat allerdings wohl nicht Martin Luther und auch nicht, wie lange angenommen, Andreas Althammer, sondern Diego Ortiz de Villégas verfasst. Der Portugiese war Bischof von Ceuta, das bis 1580 zum Königreich Portugal gehörte, und verfasste für seine Diözese 1504 den Cathecismo Pequeno da doctrina e instruiçque os xpaāos ham de creer e obrar (vgl. Stubenrauch, 1996, 1313).
2.2. Katechismen der Lutherischen und Reformierten Kirchen
Gattungsprägend und von größter Bedeutung für die Theologie-, Kirchen- wie Kulturgeschichte wurden dann aber die zwei Katechismen des deutschen Reformators Martin Luther (→ Reformation
Auch unter Berücksichtigung dieser Vielzahl von reformatorischen Katechismen bleiben die beiden Katechismen Martin Luthers in ihrer gattungsgeschichtlichen Bedeutung solitär. Sie prägten Glaubens- und Kirchenlehre der lutherischen Reformationstradition grundlegend und lieferten wichtige Impulse für eine neue, auf das ursprüngliche Anliegen der Gattung abzielende Reform der mittelalterlichen Katechismen, indem sie die ursprüngliche pädagogische Intention des Mediums wiederaufnahmen. Dabei waren drei Motivationszusammenhänge für Luther bedeutsam: seine Predigttätigkeit, seine seelsorgerischen Bemühungen, vor allem mit Blick auf die Beichtpraxis, und die Sorge um die Kirchenzucht. Diesen drei Motiven entsprechen die drei urkirchlichen Lehrstoffe, nämlich das Vaterunser, der Dekalog und die Sakramente von Taufe und Abendmahl (sowie seit dem Mittelalter die Beichte), die zusammen mit dem Glaubensbekenntnis die fünf sogenannten Lehrstücke in Luthers Katechismen bildeten. Aus der Zusammenführung von systematischer Stoffentfaltung und didaktischer Stoffaufbereitung entstand die klassische Form des Frage-Antwort-Katechismus (vgl. Fraas, 1988, 711f.).
Im folgenden Jahrhundert der Konfessionalisierung veränderte sich die Funktion des Kleinen und Großen Katechismus: „Unter dem Eindruck des sich konstituierenden Konfessionschristentum gewannen Luthers K. (= Katechismen, C.P.S.) kirchenrechtliche Autorität, womit aber eine Verengung der katechetisch-seelsorgerlichen Entwicklung verbunden war“ (Fraas, 2001, 865). So entstanden schon mit Beginn des folgenden Jahrhunderts neben und zu den Bekenntnisschriften der Reformatoren ausführliche erklärende und auslegende Kommentare, sogenannte ‚exponierte‘ Katechismen, die weniger der katechetischen Praxis als vielmehr der Bewahrung der theologischen Bekenntnisse dienten: „Insgesamt bezeichnet der Sieg des exponierten Katechismus den Sieg des orthodoxen Systems. Seine kirchenpolitische Bedeutung schließt die Schmälerung der theologisch-didaktischen Offenheit mit ein. Der Höhepunkt des normativen Anspruchs markiert zugleich dessen Niedergang“ (Fraas, 1988, 718). Anliegen des Katechismus war nun nicht mehr die Glaubensweitergabe in Hauskirche oder Pfarrgemeinde, sondern die Interpretation der Bekenntnistexte. Diese Entwicklung setzte sich auch nach dem Dreißigjährigen Krieg (1618-48), nun unter dem Einfluss der sogenannten Reformorthodoxie, fort. Es brach „die Zeit der amtlichen exponierten Katechismen oder Landeskatechismen an, die den Grundsatz
cuius regio, eius religio auf katechetischem Gebiet“ verwirklichten (Fraas, 1988, 718). Erst im → Pietismus
2.3. Katechismen der Römisch-katholischen Kirche
Die Spannung zwischen einem pädagogischen und einem normativen Verständnis des Katechismus ist wohl gattungsspezifisch, denn sie zeigt sich auch in der Entwicklung der Katechismen in der Römisch-katholischen Kirche: In der Reaktion auf die Reformation beschloss diese auf dem Konzil von Trient (1545-63) eine ganze Reihe von Maßnahmen und Reformen, zu denen auch die „umfassende Belehrung des Volkes, insbes. der Kinder“ (Schulz, 2001, 862) gehörte. Diese sollten sich nun überall und ohne Ausnahme am Sonntagnachmittag mit ihrem Pfarrer zur „Christenlehre“ treffen. Zusätzlich organisierten sich Christenlehre-Bruderschaften, die sich besonders engagiert der Hauskatechese widmeten. Als Manual für die verschiedenen Katechetengruppen veröffentlichte Papst Paul V. 1566 den sogenannten
Großen Katechismus, der unter dem Namen Catechismus Romanus als erster Weltkatechismus der katholischen Kirche bekannt und 1567 auch in die deutsche Sprache übersetzt wurde. Neben diesem ersten Einheitskatechismus der Römisch-katholischen Kirche trug vor allem der Jesuit Petrus Canisius als wohl bedeutendste Gestalt der katholischen Erneuerung im Zeitalter der Konfessionalisierung mit seinen drei Katechismen Summa doctrinae christianae (1555), Catechismus minimus (1556) und Catechismus minor (1558) zur Konturierung einer katholischen Katechismus-Tradition bei. Auch die beiden Katechismen seines Ordensbruders Roberto Bellarmini Dottrina christiana breve (1597) und Dichiarazione piu coposia (1598) erlangten große Bedeutung in der Kirche, zumal ersterer, von Papst Clemens VIII. für die weltweite Mission vorgeschrieben, in 56 Sprachen übersetzt und über 400 Mal neu aufgelegt wurde (vgl. Bellinger, 1988a, 730). Mit der Einführung der Schulpflicht – in Preußen 1763, in Bayern schließlich 1802 – zog die Christenlehre aus dem Pfarrhaus in die öffentliche Schule um. Es begann die Zeit der Schulkatechismen, von denen der überwiegend in Norddeutschland verwendete Katechismus der christkatholischen Lehre (1804) von Bernhard Heinrich Overberg und der für den Erzbischof von München-Freising verfasste Große Katholische Katechismus (1853) des Jesuiten Joseph Deharbe zu erwähnen sind. Letzterer erfuhr in unzähligen Auflagen und Übersetzungen in 15 Sprachen eine weltweite Verbreitung und war bis zum II. Vatikanischen Konzil (1962-65) in Gebrauch. Die verschiedenen lokalen und diözesanen Katechismustraditionen wurden schließlich 1955 im Katholischen Katechismus der Bistümer Deutschlands zusammengeführt, der wegen seines Einbandes im Volksmund als Grüner Katechismus bezeichnet und vor allem im schulischen Religionsunterricht (→ Religionsunterricht, katholisch
2.4. Katechismen in weiteren Konfessionen
Nicht nur in den Kirchen der Reformation und der Römisch-katholischen Kirche spielen Katechismen eine wichtige Rolle. So kennt die Kirche von England den sogenannten Church Catechism, der knapp zwanzig Jahre nach der Trennung der Anglikanischen Kirche von der Römisch-katholischen von Eduard VI. in Auftrag gegeben worden war und 1553 erschien. Im Jahre 1572 wurde dieser Katechismus revidiert und dem Common Book of Prayers, also dem Gebet-, Gesang- und Bekenntnisbuch der Kirche von England hinzugefügt. Er enthält 25 Fragen und entsprechende Antworten zu Glaubensbekenntnis, Vaterunser, Dekalog und Sakramenten.
Bei den Presbyterianern verhält es sich ähnlich wie in den lutherischen Kirchen: Sie kennen zwei zentrale Katechismen. Hier beschloss die kirchenkonstituierende Synode in Westminster (1643-1647) den sogenannten Westminster-Katechismus, der sich aus einem kleineren Buch mit dem Titel The Humble Advice concerning a shorter Catechism (1647) und einem größeren unter dem Titel Humble Advice concerning a larger Catechism (1647) zusammensetzte. Der kleinere Westminster-Katechismus enthält 107 fortlaufende Fragen und Antworten zum Dekalog, den Sakramenten und dem Vaterunser, während der große 196 Fragen und Antworten abhandelt und dabei in den ersten 90 Artikeln auch ausführlich das Glaubensbekenntnis erklärt.
Auch die Methodistischen Kirchen als dritte große Gruppe der vor allem im Commonwealth und den USA verbreiteten originär britischen Reformkirchen berufen sich auf einen gemeinsamen Katechismus als Bekenntnistext, nämlich den Standard Catechism of the Methodist Episcopal Church and the Methodist Episcopal Church, South, der 1905 in New York herausgegeben wurde und 128 Fragen und Antworten zur christlichen Religion, zum Dekalog, den Seligpreisungen, dem Vaterunser und zum Glaubensbekenntnis ausführt.
Im Bereich der orthodoxen Kirchen ist der bedeutendste Katechismus zweifellos die sogenannte Confessio Orthodoxa, die 1640 von Petrus Mogila verfasst, zwei Jahre später von Melitios Syrigoas ins Neugriechische übersetzt und 1643 von den russischen wie griechischen Patriarchen approbiert wurde. Zar Peter der Große ließ diesen Katechismus schließlich 1721 in die russische Kirchenordnung aufnehmen. Neben dieser Zentralschrift sind außerdem noch der Katechismus Pravoslavnoe Uchenie („Orthodoxe Lehre oder Abriss der christlichen Theologie“) des Moskauer Metropoliten Platon für den Thronfolger Paul Petrowitz aus dem Jahre 1765 und der für ganz Russland gültige Katechismus Prostannyi Christianskij Katchizis („Christlicher Katechismus der Orthodoxen Katholischen Östlichen Griechisch-Russischen Kirche“), das Hauptwerk eines anderen bedeutenden Moskauer Metropoliten, nämlich Wasilij Michailowitsch Philaret, aus dem Jahre 1823 zu erwähnen (vgl. zu 2.4. Bellinger, 1988b, 739f.).
3. Unterrichten mit dem Katechismus
Schon in der ursprünglichen Verwendung des Begriffes
Katechismus bei den Kirchenvätern Cyprian und Augustinus zeigt sich die Problematik der Verwendung von Katechismen im Kontext religiöser Lern- und Bildungsprozesse. Ist für Cyprian der Katechismus eine Predigt an Menschen, die Christen werden wollen, und enthält dieser deshalb die zentralen Lehren des Evangeliums Jesu Christi, so meint der gleiche Begriff bei Augustinus den eigentlichen Vorgang der Unterweisung eben jener Taufbewerber. In dieser Spannung zwischen einem Medium, das die wesentlichen theologischen Aussagen und Inhalte der christlichen Glaubenslehre umfasst, und einer Methode → religiöser Bildung
Dass Papst Benedikt XVI. und im Folgenden verschiedene deutsche Bischöfe mit administrativer Gewalt versucht haben, auf die didaktische Form und Gestalt der → Schulbücher für den katholischen Religionsunterricht
Literaturverzeichnis
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