Abraham und Sara, bibeldidaktisch, Sekundarstufe
(erstellt: Januar 2015)
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Digital Object Identifier: https://doi.org/10.23768/wirelex.Abraham_und_Sara_bibeldidaktisch_Sekundarstufe.100101
1. Lebensweltlicher Zugang: Erzählen, wer man ist
Die Erzählungen der Genesis über die Erzeltern wollen gelesen werden als Erzählungen, in denen ein Volk seine eigene Identität über Erzählungen herleitet. Am deutlichsten wird dies in der Person des dritten Erzvaters Jakob (→ Jakob, bibeldidaktisch, Sekundarstufe
1.1. Die Bedeutung von Erzählungen für die Identitätsbildung
Wir erzählen, wer wir sind. In den Erzählungen entwerfen wir unsere eigene Identität, die sich aus Erfahrungen konstituiert. Auch wenn Identitätsbildung als lebenslanger Prozess zu verstehen ist, so hat die Identitätsbildung doch ihren klassischen Ort nach wie vor im Jugend- und jungen Erwachsenenalter (Cebulj, 2012, 64). Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe sehen sich also in besonderem Maße herausgefordert, erzählend zu erproben, wer sie sind. Das tun sie in exponierter Weise auf ihrer Facebookseite (Fuchs-Auer, 2013). Identität stellt dabei keine feste Entität dar, sondern ist prozessural. Sie ist gekennzeichnet von Brüchen und Diskontinuitäten, besteht im Fragment und ist grundsätzlich entwicklungsoffen. Die Herausbildung einer eigenen Identität ist Aufgabe des Subjekts, das allerdings auf Deutemuster, Symbole und andere Erzählungen, auf die es trifft, zurückgreifen kann. „Im Religionsunterricht gewinnen vor diesem Hintergrund Erinnern und Erzählen als identitätsbildende Kategorien konstitutive Bedeutung“ (Cebulj, 2012, 62).
1.2. Die Bildung religiöser Identität durch biblische Texte
Biblische Erzählungen dienen der Konstruktion von Identität, sowohl denen, die sie erzählten, in ihren pluralen ursprünglichen Erzählkontexten, als auch denen, die sie weitererzählen im Laufe der Jahrhunderte. Ihre Symbole und ihr Figureninventar haben das Potenzial, existenzbedeutsam und konstitutiv für die Entfaltung einer eigenen (religiösen) Identität zu werden. Indem sie die Schülerinnen und Schüler mit der je eigenen Wirklichkeit des Textes als „metaphorischem Möglichkeitsraum“ (Kumlehn, 2013, 54) konfrontieren, fordern sie zur probeweisen Perspektivübernahme von Wirklichkeitsdeutung heraus und provozieren in Bezug auf Handlungsoptionen der Figuren zur Positionierung. Die biblischen Figuren bieten in der Regel keine glatten Identifikationsfiguren, sondern erscheinen als durchaus ambivalente Charaktere, so auch das erste Erzelternpaar Abraham und Sara. Unter den Lebensbedingungen der Postmoderne, die gekennzeichnet ist von Individualisierung und → Pluralisierung
1.3. Das Verhältnis von Narration und Realität
Wer sich selbst erzählt, macht zwangsläufig immer auch die Erfahrung, dass er oder sie im Erzählen Wirklichkeit nicht in ihrer Faktizität abbildet, sondern dass in der Erzählung selbst Wirklichkeit und Wahrheit liegen. Wir erzählen, was wir erinnern und wie wir uns erinnern (Lindner/Kabus, 2013). Wir erzählen immer nur stückhaft. Und wir erzählen auch davon, wie wir gerne wären, weil wir realen Erfahrungen ausweichen wollen. So nutzen viele Jugendliche ihre Facebookseite, um sich eine Identität zu schaffen, die von einer empirischen Realität abweicht, gleichzeitig aber auf reale „Profilzwänge“ reagiert. Erzählungen distanzieren vom Leben, sie sind aber rückgebunden an tatsächliche Erfahrungen, indem sie diese (um-)deuten oder auch verschweigen. In der Reflexion über diesen Deutungsprozess im Erzählen, der zugleich Wahrheit bedeutet und Zeichen der Zeit zur Sprache bringt, eröffnet sich auch ein hermeneutischer Zugriff auf die biblischen Texte, der diesen als Erzählungen angemessen ist. Dem möglichen Unverständnis der Schülerinnen und Schüler, die Korrektheit, Plausibilität und Relevanz der biblischen Überlieferungen in Frage stellen könnten (Zimmermann/Zimmermann, 2005, 73-75), kann begegnet werden, indem auf die biblischen Texte als Erzählungen zugegriffen wird. Wie die Narrationen zur Konstruktion der eigenen Identität wollen die biblischen Erzählungen nicht historische Tatsachen beschreiben, sondern haben die pragmatische (Lebens-)Wahrheit im Blick (Zimmermann/Zimmermann, 2005, 83). Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe bringen die kognitiven Fähigkeiten mit, den Verstehensprozess selbst zu reflektieren. Das Verstehen der Erzählung dient der Konstruktion der eigenen Identität als Bereicherung und Infragestellung und ermöglicht, Wege eigener Identitätskonstruktionen kritisch zu beleuchten.
1.4. Konstruktion kollektiver Identitäten durch Narrationen
Erzählungen haben nicht nur Bedeutung für das Individuum, sondern konstituieren auch kollektive Identitäten. Die Erzählung in all ihren unterschiedlichen Erscheinungsweisen kann als grundlegender Modus „der sozialen Konstruktion von Wirklichkeit“ (Keupp, 1999, 161) verstanden werden. Wer dasselbe Buch gelesen, denselben Film gesehen hat oder dieselbe Musik hört, gehört zu einer Community. Das gilt auch für die Erzähltraditionen von Völkern und Religionen. Im Erzvater Abraham und in der Erzmutter Sara exemplifiziert sich in besonderer Weise die Konstruktion von Volks- und Religionsidentitäten. Als Erzeltern repräsentieren sie in ihrem ursprünglichen Erzählkontext das Volk Israel in Abgrenzung von den Nachbarvölkern. Abraham gilt als Stammvater der drei „abrahamitischen Religionen“. Auf die Stammmutter Sara berufen sich vor allem christliche Theologinnen der ersten Welt, während afroamerikanische Frauen und Frauen in der islamischen Tradition sich mit Hagar identifizieren. Allerdings ist hier zu beachten, dass die muslimische Tradition sich dagegen wehrt, Menschen zu „verehren“, indem sie als „Vorbilder“ gesehen werden (Coskun, 2007, 299). Konstruktion von narrativer Identität erfolgt kulturspezifisch. Als soziale Konstruktion von Wirklichkeit haben Erzählungen immer eine politische Komponente. Schon für den Entstehungskontext der biblischen Erzählungen lässt sich fragen, wer welche Erzählung wann mit welchem Ziel erzählt hat (Kumlehn, 2013, 56). Auch das Weiter-Erzählen verfolgt bestimmte Absichten. Nicht zuletzt wird der Nahost-Konflikt bestimmt von Traditionen und Mythen, die sich in der Rezeption der biblischen Erzählungen um Sara und Abraham ergeben (Vieweger, 2011, 61-107).
1.5. Der kritisch-konstruktive Dialog von Lebenswelt und biblischem Text als Anleitung zu Mündigkeit
Am Beispiel der Erzählungen um die Erzeltern Abraham und Sara kann Erzählen allgemein als Grundform individueller und kollektiver Identitätsbildung und spezifisch als Grundform jüdisch-christlicher Traditionsbildung in den Blick genommen werden. Dabei ist in Analogie und Differenz zu klären, wie sich identitätsbezogenes lebensweltliches und biblisches Erzählen in ein kritisch-konstruktives Verhältnis setzen lassen (Kumlehn, 2013, 55). Schülerinnen und Schüler erhalten so nicht nur Angebote, ihre eigene (religiöse) Identität (→ Identität, religiöse
2. Bibeltheologische Klärungen: Erzählungen, die Identität konstruieren
Werden Erzählungen begriffen als Verfahren, mit dem Identitäten konstruiert werden, können auch die biblischen Texte daraufhin befragt werden, inwiefern sie diachron und synchron identitätsbildend sind. Bibeltheologisch zu klären ist, welchen Beitrag die Erzählungen in ihren Entstehungskontexten für Israel leisteten, wie in ihnen Identität über eine Gottesbeziehung bestimmt wird und wie sie die Identität derer bestimmen, für die die Erzählungen Teil von heiligen Texten sind.
2.1. Die Erzählungen von Abraham und Sara in Gen 11,27-25,11
Im Kontext der Genesis erscheinen Abram und Sarai als erstes Erzelternpaar in der Toledot Terachs. Mit Abram und Sarai beginnt nach der Urgeschichte (Gen 1-11
Die Verheißung der Nachkommenschaft wird von Abram durch die zweimalige Preisgabe seiner Frau an einen fremden Herrscher gefährdet. Wegen einer Hungersnot zieht die Sippe nach Ägypten, wo Abram seine „sehr schöne“ Frau als seine Schwester ausgibt, um die eigene Haut zu retten (Gen 12,10-20
Abram tritt als Altarbauer und somit Kultgründer (Gen 12,7
Sarai versucht auf ihre Weise, ihr Leid als Kinderlose zu umgehen. Sie übergibt ihre ägyptische Magd Hagar ihrem Mann. Er soll mit ihr einen Sohn zeugen, der dann als Sarais Kind gilt (Gen 16,1-16
Zweimal wird vom Bundesschluss Gottes mit Abram erzählt. Die Sohnesverheißung und die Ankündigung der Landgabe an seine Nachkommen werden mit einem ersten archaisch anmutenden Bundesritual verbunden (Gen 15,1-21
Abraham, dessen Glaube an die göttliche Verheißung ihm als Gerechtigkeit angerechnet worden ist (Gen 15,6
Von Sara wird erst wieder berichtet, als sie im Alter von 127 Jahren gestorben ist. Abraham erwirbt das erste Land käuflich als rechtmäßigen Besitz von einem Landesbewohner, um sie dort in der Höhle von Machpela beizusetzen (Gen 23,1-20
2.2. Die Erzählungen in ihrer Entstehungsgeschichte
2.2.1. Ein Ursprungsmythos Israels in der Retrospektive
In den Erzählungen um Sara und Abraham versichert sich das Volk Israel seiner eigenen Identität. Wie für viele biblische Erzählungen liegt ein großer zeitlicher Abstand zwischen der Zeit, in der die Erzählungen spielen, nämlich dem ausgehenden dritten Jahrtausend vor Christus, und der Zeit, in der sie verfasst wurden. Historische Figuren Abraham und Sara finden wir nicht. Retrospektiv bestimmt Israel in den Erzählungen seine eigenen Wurzeln im Kontext der Völker des Vorderen Orients: Viele der Figuren der Erzelternerzählungen stehen paradigmatisch für Volksgruppen. Abraham und Sara fungieren als Ahnen Israels. Auch wenn die Erzählungen lange als Patriarchenerzählungen gelesen wurden: Der Handlungsverlauf macht deutlich, dass nicht Abraham allein der Ahnherr Israels ist. Nicht irgendeiner seiner Söhne kann der Stammvater Israels sein, sondern nur der Sohn mit Sara. Im Gewand einer nomadischen Familiengeschichte wird ein alternativer Ursprungsmythos neben der Exoduserzählung gegeben, mit der die Erzelternerzählungen jedoch auch verbunden sind: Abraham flieht wie Jakob vor einer Hungersnot nach Ägypten und kehrt, wie später das Volk Israel, das aus den Nachkommen Jakobs entstanden ist, wieder nach Kanaan zurück. Gott selbst stellt den Exodus in Aussicht (Gen 15,13-16
2.2.2. Zur Entstehungsgeschichte
War die ältere Forschung noch sicher, dass hinter den einzelnen Erzählungen mündliche Sagen stehen, ist man heute zurückhaltender, mündliche Überlieferungsstufen konstatieren zu wollen. Mit den Ortsangaben der Erzählungen ergeben sich für die verschiedenen Erzelterntraditionen unterschiedliche geographische Haftpunkte, so dass anzunehmen ist, dass die Erzählungen um die einzelnen Erzelternpaare ursprünglich selbstständig waren. Die Jakobtraditionen verweisen eher in den Norden, die Abrahamtraditionen in den Süden. Umstritten ist, ob die Isaak-Überlieferungen einen eigenen Erzählzyklus darstellen oder als Bindeglied zwischen den Abraham- und Jakoberzählungen geschaffen wurden. In literarhistorischer Hinsicht gilt Abraham als der jüngste der drei Erzväter, so dass die Erzelternerzählungen rückwärts erweitert worden wären. Da sich Verweise auf Jakob auch beim Propheten Hosea finden, ist plausibel, für diese Erzählungen eine Entstehung vor dem Untergang des Nordreiches 722 vor Christus anzunehmen. Als identitätsstiftende Erzählungen der Nordreichflüchtlinge wurden sie im Süden weitererzählt und dort mit den Abraham-Lot-Überlieferungen, die parallel und unabhängig davon entstanden waren, über einen genealogischen Zusammenhalt in einen Erzählzyklus überführt, der durch die Verheißungsreden kompositionell miteinander verknüpft wurde (Blum, 1984, 259f.). Die formative Epoche dürfte das Babylonische Exil im sechsten Jahrhundert vor Christus gewesen sein. In der Zeit, die nach dem Verlust von Tempel, Land und Königtum massiv die Frage nach der eigenen Identität und der identitätsbildenden Merkmale stellt, werden diese narrativ konstruiert. Wenn unklar ist, wovon die Zugehörigkeit zu Israel abhängt, erhalten Landesverheißung, Ankündigung der Volkswerdung, Vorschriften zur Beschneidung als Bundeszeichen und Anweisungen zur endogamen Eheschließung Bedeutung.
2.2.3. Die priesterschriftlichen Anteile
Die Erzählungen sind offen für aktualisierende Fort- und Ausgestaltung auch in nachexilischer Zeit. Umstritten ist, welche Textteile welcher Fortschreibungsstufe zuzuordnen sind. Relative Einigkeit herrscht in Bezug auf die Bestimmung der priesterschriftlichen Anteile. Sie werden gesehen in der genealogischen Hinführung (Toledot Terachs in Gen 11,27
2.2.4. Gen 22 als Schlüsseltext
Vor dem Hintergrund der jüdischen Diaspora-Existenz erscheint Gen 22
2.3. Die Themen der Erzählungen
2.3.1. Eine Geschichte des Volkes mit seinem Gott
Die Abraham-Sara-Erzählungen können auf unterschiedlichen Ebenen gelesen werden (Mühling, 2009a). Sie sind kein Geschichtsbuch, das vorgibt, Historie zu rekonstruieren, sondern bewusst gestaltete Ursprungserzählungen eines Volkes. Die Erzeltern repräsentieren das Volk Israel. Deutlich wird, wie eine kollektive Identität über Narrationen konstruiert wird. Dies geschieht in Abgrenzung von anderen Völkern, aber auch inkludierend in der Konstruktion verwandtschaftlicher Beziehungen der Völker zueinander.
Die Ursprungserzählungen des Volkes Israel verstehen seinen Anfang von Gott her. Die eigene Identität wird von der Gottesbeziehung her bestimmt. Der Blick zurück in die eigene Geschichte, die als von Gott initiiert und begleitet gedeutet wird, ermöglicht so, die je aktuelle Gegenwart als Geschichte mit Gott zu begreifen.
2.3.2. Eine paradigmatische Erzählung von Einzelnen in ihrer Widersprüchlichkeit und eine Anfrage an Gott
Auch wenn die Figuren der Erzählungen Völker repräsentieren, agieren sie als Individuen. Als solche bieten sie auch und gerade wegen ihrer ambivalenten Charaktere Anknüpfungspunkte an eigene Erfahrungen und fordern zu einer Stellungnahme heraus. So schreckt die lapidar erzählte Preisgabe der Ahnfrau durch Abram ab. Gleichzeitig spiegelt sie auch eigene Verhaltensmuster. Wir sympathisieren mit der zurückgesetzten Ehefrau Sarai, die oft noch nicht einmal eine Stimme erhält. Doch die Art, wie sie ihren Ehemann manipuliert und über Hagar verfügt, können wir nicht gutheißen. Von dieser ambivalenten Einschätzung nicht ausgenommen ist die Figur JHWHs. Auch wenn zu Beginn von Gen 22
3. Didaktische Überlegungen
Die Erzählungen um Abraham und Sara als „Kindergeschichten“ und die Figuren als unhinterfragbare und unantastbare Vorbilder zu begreifen, wird diesen ebenso wenig gerecht, wie einzelne Textpassagen isoliert und aus dem Kontext gerissen zu lesen. Unter der Oberfläche des zeitlosen Familienkontextes stehen die Erzählungen in einem konkreten zeitgeschichtlichen Zusammenhang. Sie verhandeln in einem narrativen Kontext hochtheologische Themen mit weitreichenden religiösen und politischen Implikationen auch für die Gegenwart.
3.1. Ganzschriftlektüre, nicht Illustration
Für die Sekundarstufe bietet es sich an, die Texte als Texte ernst zu nehmen und als Ganzschriftlektüre zu behandeln. In vielen Unterrichtsmaterialien bleibt die Arbeit mit den biblischen Texten marginal. Sie werden gebraucht als Illustration bereits vorher feststehender, in der Regel verharmloster und durchweg positiver Deutungen („Abraham als Vorbild im Glauben“). Geredet wird über die biblischen Texte, statt mit ihnen in den Dialog zu treten.
Die Arbeit mit Bibellesetagebüchern oder Bibelportfolios zeigt, dass Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe trotz und auch wegen der Fremdheit biblischer Texte einen kritischen Zugang zu diesen finden. Im Lesetagebuch setzen die Schülerinnen und Schüler durch ihre Beobachtungen und Anfragen die Welt des biblischen Textes, die identitätsstiftende Narration Israels, und ihre eigene Welt und ihre eigenen Narrationen in Beziehung, ohne dass das eine vorschnell in das andere aufgelöst würde (Obst, 2007; Richter, 2007; Miethke, 2013). Auf diese Weise wird man sowohl der Welt des Textes als auch der Welt des Lesers gerecht. Dabei erwerben die Schülerinnen und Schüler auch die Kompetenz, ausgehend von ihren eigenen Vorerfahrungen und Fragen ihre Lesart am Text kritisch zu überprüfen und zu einem für sie angemessenen Verständnis des Textes zu gelangen (Dern, 2013, 469). Über die Lektüre des gesamten Erzählzusammenhangs wird deutlich, wie Erzählungen aufeinander reagieren und miteinander in den Dialog treten.
3.2. Methodenkompetenz und hermeneutische Reflexion
Der Religionsunterricht ist der Ort, an dem die eigene Lektüreerfahrung der Jugendlichen weitergeführt und methodisches Arbeiten in synchronen und diachronen, existenziellen und kulturgeschichtlichen Zugängen eingeübt wird. Gezielt können Schülerinnen und Schüler mit Erschließungsfragen oder anderen Analyseschritten des Deutschunterrichts angeleitet werden, Brüche und Leerstellen, Kompositionsbögen und Ziele der Texte wahrzunehmen. Es bieten sich Methoden an, die Lektüre verlangsamen und intensivieren, z.B. Schreibgespräche, Visualisieren, das Verfassen innerer Monologe, Standbilder und Rollenspiele oder Verfremden in andere „narrative“ Formen wie ein Fotoroman oder Film (Maisch-Zimmermann, 2013, 635). Als exegetisch nicht geschulte Leser werden die Schüler und Schülerinnen die Erzählungen um Abraham und Sara vermutlich auf Ebene der Familienerzählung lesen und zu beobachtende Doppelüberlieferungen wie die zweifache Preisgabeerzählung oder den zweifachen Bundesschluss für unerklärlich halten. Indem sie Verfügungswissen zu entstehungs- und überlieferungsgeschichtlichen Hintergründen der Erzählungen erhalten, kann ein Verständnis der Erzählungen auch als Volksgeschichte, die Identität konstruiert, geweckt werden und ein hermeneutisch angemessener Zugriff auf die Texte und ihr Wahrheitswert reflektiert werden. Gleichzeitig bietet es sich an, eigene Identitätskonstruktionen zu überdenken. Zur selbstständigen Erarbeitung von exegetischem und bibeltheologischem Fachwissen im Rahmen von wissenschaftspropädeutischen Seminaren oder Leistungskursen kann exemplarisch in gängige Lexika, Zeitschriften und Kommentare eingeführt werden (Fabritz, 2013).
3.3. Theologische Schwerpunktthemen
Ausgehend von den Fragen der Schüler und Schülerinnen an die Texte können theologische Schwerpunktthemen erarbeitet werden. Die Texte sind kein „dogmatischer“ Monolith, sondern vielfältig in ihren Sinnkonstruktionen. Wenn die Ambivalenz der Charaktere nicht verharmlost wird, kann genau diese zum Ausgangspunkt werden, die existenziellen Fragen nach menschlicher Schuld und Verantwortung, nach Umgang mit Konflikten, nach Hoffnungen und dem, was trägt, zu stellen. Dies mag anhand der Erzählungen besser gelingen als über systematisierte, oft als lebensfern erlebte Konstrukte. Zur Sprache kommen Macht- und Ohnmachtskonstellationen in Bezug auf die Geschlechter, sozialen Hierarchien und im Verhältnis Gott und Mensch. Menschliches Leben wird gedeutet im Kontext göttlicher Verheißungen und der Bundeszusage und zeigt sich unter dem Anspruch Gottes. Dazu kann exemplarisch an einzelnen Texten wie z.B. Gen 22
Indem die Rezeptionsgeschichte der Abraham-Sara-Erzählungen beleuchtet wird, zeigt sich, wie kulturtragend die Narrationen sind und wie sie Identitätskonstruktionen über die Jahrhunderte dienten und dies bis heute tun. Deutlich werden kann auch, wie die christliche Rezeption von Gen 12-36
Mit den Figuren von Abraham und Sara sind zweifelsfrei Anknüpfungspunkte zum → interreligiösen Lernen
Die verschiedenen vorgestellten Zugänge schließen einander nicht aus, sondern ergänzen sich gegenseitig und sind in Abhängigkeit von der Lerngruppe zu wählen. In außerschulischen Lernorten wie → Gemeinde
4. Schluss
Wählt man einen Zugang zu den biblischen Erzählungen um Abraham und Sara als Konstruktionen von Identität(en), wird man dem Selbstverständnis der Texte gerecht. Es wird möglich, ihre Relevanz jenseits einer naiv-historisierenden Lektüre auch für die Gegenwart aufzuzeigen. Die Schülerinnen und Schüler werden herausgefordert, eine den Texten angemessene → Hermeneutik
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