Deutsche Bibelgesellschaft

Bibelillustrationen/Bilder in Bibeln, bibeldidaktisch

Andere Schreibweise: bibleillustrations/illustrated bibles/images, illustrations and pictures in bible editions, bible didactics/didactic bible method

(erstellt: Februar 2020)

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1. Einleitung

Die Bebilderung zu Bibeltexten ist der Religionspädagogik nicht fremd. Schon Martin Luther stattete 1529 sein ‚Passional‘ mit Bildern aus, „um der kinder und einfeltigen willen/ welche durch bildnis und gleichnis besser bewegt werden/ die goettlichengeschicht zu behalten/ denn durch blossewort oder lere“ (Luther, 1529 [Reprint 2017], Vorrede). Martin Luther nennt eine doppelte Zielgruppe: ‚kinder‘ und ‚einfeltige‘ – wobei Luther unter letzteren nicht (theologisch) gebildete Erwachsene versteht, unabhängig von deren kognitiven Fähigkeiten. Er sieht beide Gruppen noch zusammen. In dieser Tradition stehen Bilderbibeln, die sich an die gesamte Familie richten. Gleichzeitig wurden seit dem 17. Jahrhundert explizite Kinderbibeln (→ Kinder- und Jugendbibeln) – mit und ohne Illustrationen (Tschirch, 2005, 121) – herausgegeben (Reents/Melchior 2011; Adam/Lachmann/Schindler, 2005). In der Gegenwart kann man sich keine Kinderbibel und keine Schulbibel (→ Schulbibel) mehr ohne Illustrationen vorstellen. Häufig werden Kinderbibeln aufgrund ihres zuerst ins Auge stechenden Bildwerks (von Erwachsenen) (Nauerth, 2011, 21) gekauft. Je nach Zielgruppe differenzieren sich die Werke in Text und Bild stark aus.

2. Begriffe „Bild“ und „Illustration“

In einem großen Teil der didaktischen Bibelwerke und ihrer Sekundärliteratur werden die grundsätzlich nicht identischen Begriffe „Bild“ (→ Bilder) und „Illustration“ synonym verstanden – wie auch in diesem Lexikoneintrag samt Schlagworten. Als allgemeine funktionale Eingrenzung, der sich dieser Beitrag anschließt, hat sich folgende Definition des Kunsthistorikers Wilfried Dörstel bewährt: „Demnach ist jedes Bild in einem Buch und jedes nicht-schriftliche Element mit Zeichencharakter bzw. jeder transskripturale Aspekt eines Textes mit symbolischer Bedeutung eine Illustration“ (Dörstel, 1987, 118).

3. Bibelbilder für Kinder in der Gegenwart

Dem Bild kommt in gegenwärtigen Kinderbibeln eine eigenständige, nicht mehr dem Text untergeordnete Funktion zu. Einen (kritischen) Ein- und Überblick bieten diese drei visuellen Elemente auf aktuellen Bibelillustrationen:

1. Biblische Geschichten erzählen in großer Mehrheit von Erwachsenen. Gegen diesen biblischen Befund wimmelt es auf Kinderbibelbildern von Kindern als kindliche Identifikationsfiguren. Diese sind nicht sichtbar gehandicapt und mehrheitlich hellhäutig (nicht durchgehend: Jasch/Schnürle/Waldmann-Brun, 2014; keine hellhäutigen Menschen: Guile/Jeschke/Thoroe, 2015). Erwachsene treten zum Teil in den Hintergrund. So wird die Erzählung von Jesus und den Kindern erwartbar verstärkt abgebildet, oft aber theologisch problematisch ohne Jüngerproteste im Bild (Erne/Wensell/Wensell, 2001; Nasciembeni/Steinkühler, 2015; Jeschke/Pfeffer, 2017). Insgesamt fehlen nicht nur bei dieser Geschichte Kinder mit abgebildetem Trotzverhalten. „Kinder wie David mit der Hirtenschleuder oder der zwölfjährige Jesus werden zur Identifikation verkleinert“ (Reents/Melchior, 2011, 484). Begleitfiguren („Guides“) bieten neben Kindern Identifikationsangebote und sind oft Tiere, wie z.B. „Wido, der Wiedehopf“ (Jeschke/Pfeffer, 2017). Auch hier werden störende Aspekte der Tiere ausgeklammert, wie z.B. der Gestank eines Wiedehopfes (Reents/Melchior, 2011, 486). Viele Kuscheltiere oder Spielzeuge sind auf den Bildern integriert (Schwimmflügel bei der Taufe Jesu: Bruchmann/Pioch, 1989/2013 oder die Herstellung von Holzkinderspielzeug: (ten) Cate/Jeschke, 2015).

2. In Kinderbibelbildern finden sich oftmals verniedlichende Elemente, besonders ausgeprägt in sogenannten „Kleinkinderbibeln“ (Gutleben, 2000). Personen oder Tiere entsprechen oft dem Kindchen-Schema (1:4 = Kopf:Körper) (positiv „kindgemäß“: Haug/de Kort, 2018) oder weisen Knollennasen auf (Jasch/Schnürle/Weber, 2018) und werden dadurch als niedlich wahrgenommen.

3. Neben elementarisierten Monoszenen treten verstärkt in gegenwärtigen Kinderbibeln sogenannte „Wimmelbilder“ auf. „Each double-page spread presents a panorama, usually in a top-down perspective without major spatial distortions, drawn in a naively realistic style characterised by clear lines and colours. The pictures are extraordinarily rich in characters and detail, ‘pluriscenic’ landscapes composed of various scenes” (Rémi, 2018, 118; Thiele, 2000, 59f.; Beispiele: Ventura, 1993; Bafuß, 2009; Brockamp/Schneider, 2012; Guile/Jeschke/Thoroe, 2015). Diese Illustrationsart bietet Kindern (und Erwachsenen) spielerisch sehr viele Details zum Entdecken, auch interreligiöse und säkulare Hinzufügungen (Bafuß, 2009: ein geschmückter Weihnachtsbaum, ein Lichterbogen aus dem Erzgebirge und ein moscheeähnlicher Bau zur „Geburt Jesu“, der Urknall zur „Erschaffung der Welt“ und ein Lamakloster zum „Turmbau zu Babel“). Die biblischen Geschichten sind ohne Bibelkenntnis in textlosen Wimmelbibeln (z.B. Bafuß, 2009) nicht in ihrem Ablauf erschließbar.

4. Bibelbilder für Jugendliche in der Gegenwart

Die Gegenwart zeichnet sich sowohl durch eine Breite von Bibelwerken aus, die an Jugendliche adressiert sind als auch damit verbunden durch eine Vielfalt der Illustrationsstile. Anders als bei Kinderbibeln (Adam, 2018, 544) gibt es auch aktuelle „Jugendbibeln“ (Nauerth, 2009, 112; Fricke, 2015, 2) ohne Bilder (Volxbibel, Basisbibel). Der Versuch eines exemplarischen Überblicks kann nur einen offenen Prozess beschreiben und ist immer durch blinde Flecken gekennzeichnet. Die Angabe konkreter Werke mit Bildern unterstützt die Verdeutlichung, Einordbar- und Vergleichbarkeit von Bildmaterial.

4.1. Werke der Kunstgeschichte

In Bibelwerken für Jugendliche und (junge) Erwachsene werden Werke der Kunstgeschichte als Bildmaterial integriert. Auffallend ist, dass vor allem im Bereich der Familienbibeln, den für die ganze Familie konzipierten „Hausbibeln“, Werke der Kunstgeschichte ausgewählt und als generationsübergreifend angesehen werden (Burrichter/Oberthür, 2004; Lier, 2013; Lier, 2017). Die Kunstwerke werden in den Werken zeithistorisch erschlossen, mit heutigen Sehgewohnheiten verglichen und eigenständig im Detail wahrgenommen und interpretiert. Sie zeigen, wie sich Künstlerinnen und Künstler in der Vergangenheit mit den biblischen Erzählungen auseinander gesetzt haben. Durch ihren Einsatz wird ein kreativer und lebendiger Dialog über Bibelgeschichten angeregt.

4.2. Fotos

Im 21. Jahrhundert werden im Bereich der bildenden Kunst von Jugendlichen und jungen Erwachsenen vor allem Fotos selbst produziert. In diesen ‚Selfie‘-Bereich passen auch viele Fotos in Jugendbibeln. Freudige junge Menschen im Heiligen Land (z.B. katholischer Bereich: Y-Bibel, 2015; dazu: Langer, 2016, 21) oder in ihrer Alltagsumgebung (zum Teil bei der Bibellektüre) (ökumenisches Projekt: neueste Auflage: Gute Nachricht, 2013) werden abgebildet. Die Fotos sind der Sachinformation und dem meditativen Bereich zuzuordnen.

Fotos in Jugendbibeln setzen deutlich voneinander unterscheidbare Elemente ins Bild und weisen unterschiedliche Ziele auf: Emotionen, die mit der Bibellektüre verbunden sein können, werden fotografiert, um Identifikationsangebote für die Lesenden zu geben und Motivation für das Bibellesen zu geben. Zu diesem Zweck muss das Bildmaterial die Lebenswelten und die Mode des jeweiligen Zielpublikums präsentieren. Stätten des Heiligen Landes werden mit variierender Menge an Hintergrundinformationen abgebildet. Der Trend geht zu vielfältigen Informationen, die interreligiöser als vor einem Jahrzehnt angelegt sind. Zudem werden meditative Bilder ausgewählt, die zum Nachdenken anregen sollen.

4.3. Strichmännchen

Der Einsatz von Strichmännchen ist ein Phänomen, das sich schon seit fast hundert Jahren im Bereich der Illustrationen von biblischen Geschichten für Jugendliche finden lässt (Geismar, 1928; Y-Bibel, 2015; Reents/Melchior, 2011, 635). Überraschend mag erscheinen, dass gerade mit Strichmännchen durch „grafische Erzählstrategien“ (Wittmann, 1994, 42-46) als Element aus dem Comic verstärkt Emotionen und „seelische Landschaften“ in die Bilder eingebracht werden. Dadurch wird den Sehkonventionen des anvisierten jugendlichen Zielpublikums entsprochen.

4.4. Comics

Der deutsche Markt im Bereich der Comicbibeln für die Jugend ist sehr überschaubar (Fisch, 2019, Literaturliste, 2). Und zugleich ist gerade in diesem Stilbereich die Vielfalt an biblischen Adaptionen im Comicstil (→ Comic) zu sehen. Nach dem Zweiten Weltkrieg prägte die Konzeption der Evangelischen Unterweisung (→ Evangelische Unterweisung) die weit verbreiteten und zur Bibelkenntnis beitragenden biblizistischen Bibelcomics: „Die Bibel im Bild“ ([Le] Blanc/Hoth, 1976-1978; in dieser Linie: Die Comic Bibel, 2015). Eine Auseinandersetzung mit der jugendlichen Lebenswelt und eine Orientierung an Themen Jugendlicher lag nicht in der Konzeption, sondern steht erst bei neuen Werken im Vordergrund. Fotocollagen, Montagen und Elemente des Comics sind in die modernen Bilder integriert (z.B. Wetzel, 2014; Kistenbrügge, 2015). Diese Werke wie auch die beiden weiter verbreiteten Manga-Bibeln (Siku, 2007; Shinozava, 2010) basieren auf individuellen missionarischen Anliegen. Die religionskritischen Comiczeichner Robert Crumb (Crumb, 2007) und Ralf König (König, 2008) bearbeiten beide die Genesis als biblischen Stoff als Comic bzw. „graphic novel“ (Eisner, 1985, 148-149). Ihre Intention ist es, einen interessanten Stoff zu karikieren (König) (→ Karikatur) und zu illustrieren (Crumb). In ihren Werken kommt deutlich die Intention der Comiczeichnenden zum Vorschein.

Fazit: Der Bildstil einer Jugendbibel ist weder an den religiösen und weltanschaulichen Hintergrund der Zeichnenden gebunden noch an die Intention des Werkes. Ausschlaggebend für den Comicstil ist vielmehr das anvisierte Alter des Zielpublikums.

5. Didaktische Funktionen und didaktischer Einsatz von Bibelbildern

Entgegen ihrem Begriff „erklären“ Illustrationen nicht nur (Rösch, 2000, 130). Die Funktionen vom Bild in Kinder- und Jugendbibeln sind breit gefächert und umfassen die Bereiche, jeweils mit Schnittmengen: docere (belehren), movere (bewegen) und delectare (unterhalten).

Bilder unterstützen die jeweilige Orientierung im Werk, dienen als Lesehilfe und helfen zum besseren Verständnis der Erzählungen durch Hintergrundinformationen (docere).

Bilder bieten Hilfen und Diskussionspunkte für existentielle und soziale Fragen und zur individuellen Lebensgestaltung, sie prägen sich ins visuelle Gedächtnis ein und begleiten junge Menschen in ihrem Leben. Bilder bieten einen Einblick in eine fremde und in die eigene Lebensgeschichte (movere).

Bilder unterhalten, motivieren zum Bibellesen und regen zum Schmunzeln an (delectare).

Die Verbindung von movere und delectare zieht sich durch moderne Bibelausgaben. Die Bibel ist kein Angst machendes Buch mehr!

Über diese Dreiteilung hinausgehend lassen sich die didaktischen Funktionen von Illustrationen noch weiter differenzieren: 1. Schmuck, 2. Gliederungshilfe, 3. Erziehung (indem entscheidende Höhepunkte und vor allem moralische Pointen verdeutlicht, Textinhalte interpretiert und deren Tendenz verstärkt werden). 4. Vermittlung von (sozialgeschichtlichen, geografischen, historischen und religionskundlichen) Kenntnissen, 5. Erleichterung und Vereinfachung des Lern- und Leseprozesses (auch mnemotechnisches Hilfsmittel), 6. Intensivierung des Leseerlebnisses, 7. Belebung des Lese- und Wahrnehmungsvorgangs durch Abwechslung, auch „Edutainment“ (unterhaltende Bildung), 8. Vertiefung des Eindrucks der Lektüre, 9. animierende ‚Werbung‘ für die biblischen Geschichten und den christlichen Glauben, 10. Verlockung zum Kauf der Kinderbibel, 11. Identifikationsangebote, 12. Erklärung und Erhellung der biblischen Handlung, 13. Anregung zum Nachdenken über theologische, ethische und anthropologische Fragen (Keuchen, 2016, 86; Fricke, 2015, 4).

Der didaktische Einsatz von Bildern kann in Schule und Gemeinde folgende Bandbreite umfassen: Einstimmung, Besinnung, Hinführung, Problemstellung, Erarbeitung, Vertiefung, Festigung und Wiederholung (Landgraf, 2009, 74).

6. Aktuelle bibeldidaktische Bildzugänge und Grundsätze

6.1. Phänomenologischer Zugang: Illustrationsformen

Die Fachliteratur bietet keine vollständige oder einschlägige Systematik der Funktionen von didaktischen Bibelbildern, sondern unterschiedliche Akzentsetzungen bei der Einteilung des Bildwerks (Fricke, 2015, 8). Michael Landgraf differenziert zwischen sachkundlichen Bildern (Fotos oder Zeichnungen), die Informationen vermitteln, und hermeneutischen Bildern (Bildern aus der Kunst oder Symbolbilder), die die Tiefendimension der Geschichte zur Sprache bringen. Als dritte Kategorie fasst er Erzählbilder oder darstellende Bilder, die biblische Geschichten oder Details daraus abbilden und zur Visualisierung der Geschichte beitragen (Landgraf, 2009, 73). Das Zielpublikum für sachliche Bilder sind kleinere Kinder mit ihrer Bevorzugung klarer Farben und Konturen (empirisch nachgewiesen für Grundschulkinder, Metzger 2009; Burrichter, 2015, 13). Bilder aus der Kunst als hermeneutische Bilder setzen eine höher entwickelte Deutungskompetenz voraus. Es gibt Bilder im Kleinkindniveau, die mit anspruchsvollen Texten verbunden werden (kritisch dazu Landgraf, 2009, 42). Christine Reents und Christoph Melchior setzen das Text-Bild-Verhältnis in den Mittelpunkt ihrer Betrachtungen und differenzieren in einem Vierer-Modell narrative Bilder, selbstständig interpretierende Bilder, kontrastive Bilder und dokumentierende Bilder (Reents/Melchior 2011, 655).

6.2. Rezeptionsorientierter Zugang: Bewertung von und Umgang mit illustrierten Bibelwerken

Die Religionsdidaktik nimmt den Rezeptionsprozess der Arbeit mit didaktischen Bibelwerken in den Blick. Dabei fehlen allgemein Untersuchungen, die zwischen der Kunsterziehung und der Religionsdidaktik angesiedelt sind und unterschiedliche Altersstufen und soziale Milieus berücksichtigen (Reents/Melchior, 2011, 655). Landgraf stellt dem verantworteten Einsatz von Kinderbibelbildern in religionspädagogischen Handlungsfeldern sieben Fragen voraus: In welcher Beziehung stehen die Illustrationen zum Text? Welche Illustrationsformen sind vorhanden? Welche Zielgruppe sprechen die Bilder an? Werden die Vorstellungskraft des Kindes und das symbolische Denken gefördert? (Landgraf, 2009,35) Und im Hinblick auf einen ganz konkreten Einsatz in einer bekannten Gruppe: Was kann das Bild bewirken? Kann ich pädagogisch und theologisch den Einsatz des Bildes vertreten? Verstehen meine Kinder das Bild oder ist ein Vorwissen/sind Fähigkeiten notwendig (z.B. historisch oder über die Kunstrichtung), um das Bild zu deuten? (Landgraf, 2009, 73). Gottfried Adam fragt allgemein nach dem „Mehrwert von Bildern“ und ob die Illustration „altersgemäß“ ist (Adam, 2018, 546-547). Landgraf und Melchior heben als inhaltlichen Prüfaspekt die Jesusdarstellung mit der Abbildung der Gottessohnschaft und dem Mensch- und Judesein Jesu hervor (Evangelisches Literaturportal, 2018, 8). Reents und Melchior betonen die grundlegende Doppelfrage: „Was macht das Bild mit dem Bibeltext? Und: Was machen Kinder bzw. Jugendliche mit dem Bild?“ (Reents/Melchior, 2011, 656).

Methodisch bieten sich für den Einsatz mit Bibelbildern verschiedene Zugänge aus den Bereichen der Kunstdidaktik an: Bildbetrachtung mit Leitfragen, Bildmeditation als Stilleübung, Bildbefragung mit gestellten Fragen an das Bild, Bildvergleich (auch unterschiedlicher Kinderbibelbilder zur selben Perikope), Bildveränderung mit Übermalung/Herausschneiden etc. von Bildteilen und als Bilderpuzzle, bei dem ein Bild kopiert, zerschnitten und neu zusammengesetzt wird (Landgraf, 2009, 74; Burrichter/Gärtner, 2014).

Die Herstellung von selbstkonzipierten und -produzierten Bibeln mit Bildern von Kindern und Jugendlichen (Reents/Melchior, 2011, 481 Anm 47; Landgraf, 2009, 75-92) wächst in kreativen Bibelprojekten in Schule und Gemeinde (Adam, 2018, 548). Der Bereich der selbst hergestellten Bilder reicht verstärkt in den digital-virtuellen Bereich mit selbst produzierten Fotos (→ Fotografie) und Filmen (z.B. mit Playmobilfiguren oder Legosteinen) hinein.

6.3. Formal-struktureller Zugang: Bild-Konzeptionen erschließen

Illustrationen in Kinderbibeln werden vor allem unter spezifischen Fragestellungen der Rezeptionsgeschichte (Bottigheimer, 1996) oder Didaktik (vgl. 5.) betrachtet. Gertraud Rosenberger entwickelt konkrete strukturelle Kategorien für Bibelillustrationen. Sie unterscheidet zwischen Typen: textparalleler Illustration, punktueller Illustration, komplexer oder simultaner Illustration (Rosenberger, 1997) Sie geht über die Kategorienbildung von Illustrationsformen (vgl. 5.) hinaus und teilt Illustrationsstile ein: die Anhäufung von Bildreizen, der expressive Bildausdruck, der erzählerische Bildstil und das Bild als Stimmungsbühne. Ihre Untersuchungen beziehen sich ausschließlich auf moderne Kinderbibeln nach 1945, lassen den Bereich historischer Werke aus und beziehen sich ausschließlich auf das Einzelbild und nehmen nicht Konzeptionen der gesamten Werke auf. Hilde Rosenaus und Susanna Straß‘ Fragen und Forderungen an Illustrationen in Kinderbibeln legen das Augenmerk vor allem auf theologische und pädagogische Bildinhalte und nur am Rand auf Bildstrukturen (Rosenau 2001; Straß 2002). Irene Renz fasst Illustrationen mit allgemeinen Begriffen wie „Stil“ oder „Form“ (Renz, 2006, 130). Marion Keuchens Forschungen bieten Begriffe zum Verständnis und zur Beschreibung spezifischer bildimmanenter Aspekte, die auf bestimmte Strukturen eingehen, die eine eigene Deutungskraft haben und die exegetische Kraft von Bildern betonen (Keuchen, 2016). Das Begriffsinstrumentarium erfasst weitere als die bisherigen Aspekte („kindgemäß“ und „ansprechend“). Die phänomenologisch gewonnenen Bild-Konzeptionen wie „Rahmen“, „Collagen und Montagen“, „Vignetten und Einzelbilder“, „Hinzufügungen nicht-biblischer Details“, „Schrift und Zahl im Bild“ und „Pluriszenität“ erfassen und beschreiben sowohl Bildstrukturen älterer als auch gegenwärtiger Bilder.

6.4. Inklusiver Grundsatz: Leichte Bilder zur Bibel in Leichter Sprache

Bibeltexte in ‚Leichter Sprache‘ richten sich an Menschen mit Sprach- und Verstehensproblemen aufgrund von kognitiven Einschränkungen, Alter oder Migrationserfahrungen. Seit einem Jahrzehnt rücken entsprechende ‚Leichte Bilder‘ zu Bibeltexten in Leichter Sprache in den Fokus. Kinderbibelbilder mit Verniedlichungen und explizit kindlichen Identifikationsangeboten eignen sich für erwachsene Menschen mit kognitiven Einschränkungen oder Jugendliche aus anderen Kulturkreisen mit anderen Bildtraditionen meist nicht. Bilder mit einer komplexen Struktur, für deren Aufschlüsselung Wissen um christliche Ikonographie (→ Ikonographie) vonnöten ist, eignen sich ebenfalls wenig. Anderes Bildmaterial muss gefunden werden, das einen Zugang für ‚alle Menschen‘ ermöglicht. Die inklusive Bilddidaktik steckt sowohl in der Kunst – wie auch der Religionspädagogik noch in den Kinderschuhen. Die von der Lebenshilfe Bremen ab 2010 herausgegebenen biblischen Erzählungen (z.B. Lebenshilfe 2010) bieten Bilder von Stefan Albers, die jeweils einzelne Textabschnitte visualisieren. Das Projekt „Evangelium in Leichter Sprache“ (www.evangelium-in-leichter-sprache.de, Homepage-Eröffnung 2015) der Initiierenden Dieter Bauer, Claudio Ettl und Schwester Maria Paulis ist ebenfalls ein Pilotprojekt in diesem Bereich, da zu den Bibelübertragungen ein Künstlerteam entsprechende Bilder entwirft, die als besondere Zielgruppe Erwachsene mit kognitiven Einschränkungen haben. Im Unterschied zur 'Leichten Sprache' fehlen Kriterien zur Produktion von 'Leichten Bildern'. Leitend kann das Prinzip der Elementarisierung (→ Elementarisierung) sein, das den religionspädagogischen Entwürfen der Bibeldidaktik zugrunde liegt, die sich an Kinder oder an Menschen mit geringen religiösen Vorkenntnissen richten. Im Bildbereich bieten Visiotype als verkürzendes Veranschaulichungsmittel Orientierung, reduzieren Komplexität, erleichtern und beschleunigen Prozesse der Wahrnehmung und Informationsverarbeitung. Erste Untersuchungen von Keuchen zeigen, dass sich die Produktion von ‚Leichten Bildern’ nicht grundlegend an Kriterien der Inklusionsdebatte (z.B. Wahrnehmung von Heterogenität) orientieren kann (Keuchen, 2018).

7. Ausblick

Es gibt nicht das Bild an sich. Das Bildmaterial in Kinder- und Jugendbibeln ist vielfältig und setzt sich aus verschieden Stilrichtungen zusammen. Trotz dieser Vielfalt sind Linien für zukünftige Entwicklungen erkennbar:

1. Der Bereich der Literaturillustration wächst und „graphic novels“ nehmen einen wachsenden Marktanteil ein. Das Zielpublikum von „graphic novels“ sind vor allem junge Erwachsene, die mit Comics seit ihrer Kindheit vertraut sind. Dieses Phänomen beschränkt sich nicht nur auf den religiösen Bereich, sondern auch auf andere Weltliteratur im profan literarischen Bereich. Zukünftige Potenziale liegen im Bereich der „graphic novels“ von einzelnen biblischen Büchern.

2. Die Gestaltung einer Jugendbibel durch verschiedene Stilrichtungen und Gestaltungstechniken ist ein zukunftsfähiger Weg. Zwar müssen Einschränkungen wie die Abbildungsgröße oder die Qualität der einzelnen Gestaltungstechniken in Kauf genommen werden. Durch verschiedene Stile in einem Werk werden unterschiedliche Geschmäcker der Jugendlichen erreicht, der anvisierte Adressat(innen)kreis ist größer. Zudem wird die Vielfalt der biblischen Bücher durch die äußere vielfältige Gestaltung der Jugendbibeln sichtbar.

3. Die Stilrichtung der Collage und Montage erweist sich als zukunftsfähig. Durch die Kombination von Elementen verschiedener Stile und Bildmaterial unterschiedlicher Kontexte werden neue visuelle Verbindungen geschaffen, die Diskussions- und Gesprächsangebote bieten. Durch den Einbezug profaner Elemente in ein Bibel-Bild wird der Zugang zu einem Bild niedrigschwelliger als zu einem Werk der explizit christlichen Kunstgeschichte.

4. Potenzial liegt in einfach zugänglichem Bildmaterial, das ohne kunstgeschichtliche oder kulturelle Vorkenntnisse entschlüsselbar ist. Ein anderer Weg ist, diese möglicherweise fehlenden Hintergrundinformationen durch Paratexte dem Werk hinzuzufügen.

5. Paula Jordan (Büttner, 2015, 3; Keuchen, 2019, 171) kann wegen ihrer Gestaltung von biblischen Standbildern zu Fernsehserien als Vorreiterin bei der künstlerischen Gestaltung neuer Medien in der evangelischen Kinder- und Jugendarbeit betrachtet werden. Eine interessante Beobachtung des didaktischen Bibelmarktes in der Zukunft wird sein, ob den Werken ausschließlich unbewegte Bilder zugefügt werden oder ob in der Zukunft immer mehr interaktiv-crossmediale Werke zum Mitwirken erscheinen, bei denen es zu einem Buch in Papierform auch (selbst gemachte) bewegte Bilder im Internet zu erleben gibt.

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Deutsche Bibelgesellschaftv.4.25.2
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