Gleichnisse, bibeldidaktisch
(erstellt: Februar 2016)
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Jesus sprach von Gott und seiner Herrschaft nicht definierend, sondern in kleinen Erzählungen, den Gleichnissen. Sie gehören zum Kernbestand dessen, was die synoptischen Evangelien von Jesus überliefern. In der langen Auslegungsgeschichte sind sie mit besonderer Intensität behandelt worden. Ein kurzer Überblick über die exegetische Diskussion ist deshalb auch für eine bibeldidaktische Betrachtung der Gleichnisse unverzichtbar.
Gleichnisse werden im Religionsunterricht vielfach behandelt. Das liegt nicht zuletzt an ihrer Eingängigkeit: Sie erzählen von alltäglichen, manchmal auch außergewöhnlichen Ereignissen, jedoch immer an Handlungen von Menschen oder an Erfahrungen mit den Dingen entlang. Zugleich behaupten sie, dass die geschilderten Erfahrungen und Handlungen auf das Reich Gottes verweisen. Dieser Gedankensprung ist ein grundlegendes Merkmal der Gleichnisse Jesu.
1. Exegetische Aspekte
1.1. Die allegorische Auslegung
Die allegorische Auslegung (Allegorese) bestimmte über viele Jahrhunderte das Verständnis der Gleichnisse. Sie wurde in der Antike entwickelt, um autoritative Schriften der Vergangenheit (z.B. Homer, Hesiod) für die Gegenwart zu aktualisieren. Im Juden- und Christentum hat man die Allegorese auf biblische Texte angewandt (Origenes, 1976, 8). Demnach ist im biblischen Text eine göttliche Wahrheit verborgen, die aber nicht ohne weiteres zugänglich ist. Um sie zu erkennen, braucht der Ausleger die Führung durch den Geist Gottes. Problematisch ist bei der allegorischen Auslegung, dass der „hinter“ dem Text erhobene, „eigentliche“ Sinn des Textes oft stark von theologischen Überzeugungen beeinflusst ist, die nur wenig mit dem Text zu tun haben. Auf der anderen Seite gelingt ihr mit Hilfe kreativer Interpretation eine Deutung der Gleichnisse für die eigene Gegenwart. Diese Frage nach der Gegenwartsbedeutung ist für die Gleichnisauslegung bleibend wichtig.
1.2. Adolf Jülicher
Mit seinem Werk „Die Gleichnisreden Jesu“ will Jülicher die allegorische Auslegung der Gleichnisse beenden. Das grundlegende Merkmal der Gleichnisse sieht er im Vergleich: Ein erweiterter Vergleich werde zum Gleichnis, eine erweiterte Metapher zur Allegorie (Jülicher, 1976, 58). Erst nachträglich seien die Gleichnisse allegorisch (miss-)verstanden worden (z.B. in
Mk 4,13-20
1.3. Neuere Forschungsrichtungen
Ab der Mitte des 20. Jahrhunderts kommen neue Forschungsrichtungen zum Zuge. Sie lassen sich in historische, theologisch-hermeneutische, sprachlich-literarische und rezeptionstheoretische Ansätze aufteilen.
1.3.1. Historische Ansätze
Historische Ansätze fragen nach den Gleichnissen im Rahmen der Verkündigung Jesu zurück. Nach Jeremias geht es in den Gleichnissen Jesu um die konkrete historische Situation, in der sie gesprochen wurden. Deshalb laute die Aufgabe „Von der Urkirche zurück zu Jesus“ und zu seiner eigenen Stimme (ipsissima vox), die in konkreten Situationen erklungen sei (Jeremias, 1969, 14.15f.18f.). Die Gleichnisse Jesu seien von keiner anderen literarischen Form ableitbar. In dieser Einzigartigkeit liege zugleich ihre theologische Bedeutung (Jeremias, 1969, 8.18). Die neuere Jesusforschung hat aber gezeigt, dass die Worte Jesu nicht gänzlich einzigartig sind (Theißen/Merz, 1996, 26-29). Auch ist es schwierig, ursprüngliche Jesusworte exakt zu rekonstruieren. Gleichwohl besteht nach wie vor große Übereinstimmung darin, dass die Gleichnisse zum „Urgestein der Überlieferung" gehören (Theißen/Merz, 1996, 304).
Wichtig ist die historische Rückfrage auch im Rahmen der sozialgeschichtlichen Exegese. Die Gleichnisse lassen die Lebensbedingungen der Menschen erkennen, von denen sie erzählen. Neuere Untersuchungen präzisieren die hier gewonnenen Erkenntnisse. So verdeutlicht z.B. das „Gleichnis vom Sauerteig“ (Mt 13,33
Die historische Rückfrage ist für die Gleichnisinterpretation von bleibender Bedeutung. Die Texte lassen Erkenntnisse zur Kommunikation und Rezeption zu, und die Erforschung der Lebensbedingungen und Realien hilft zum besseren Verständnis des Erfahrungshintergrunds der Texte. Der Blick auf die Alltagserfahrungen der Gleichnisse kann dabei auch verstörende Elemente beinhalten, die aber für das Verständnis fruchtbar gemacht werden können.
1.3.2. Theologisch-hermeneutische Ansätze
Theologisch-hermeneutische Ansätze heben den Sprach- und Ereignischarakter der Gleichnisse hervor. Nach Fuchs (1958, 222f.) ist die Sprache nicht lediglich Verständigungsmittel, sondern schafft Wirklichkeit und bringt sie zu ihrer Wahrheit. Wahr ist nach Fuchs ein Gleichnis dann, wenn sich in ihm das ereignet, was es ansagt. Sprachwirksamkeit zeichnet die Gleichnisse auch nach Via aus. Seiner Auffassung nach sind sie „genuine Kunstwerke, reale ästhetische Objekte“ (Via, 1970, 9). Als literarische Texte seien sie unabhängig vom Autor, weil sie im literarischen Werk in einen neuen Zusammenhang eingegangen sind (Via, 1970, 78). Inhaltlich gehe es um das Existenzverständnis des Menschen, das sich im Gewinnen oder Verlieren der Existenz verdichte. Die vordringlichste Aufgabe der Gleichnisexegese liege deshalb darin, die existentialen Implikationen der Texte herauszuarbeiten.
Die Rede vom „Sprachereignis“ spielt in der gegenwärtigen Forschung keine zentrale Rolle mehr. Zum einen beziehen sich nicht alle Gleichnisse auf die Gottesherrschaft. Auch lassen sich nicht alle Gleichnisse auf ein bestimmtes Existenzverständnis reduzieren, und dass die Gottesherrschaft in den Gleichnissen sprachlich präsent sei, kann zu einer theologischen Überhöhung der Sprache führen (so Theißen/Merz, 1996, 309f.). Gleichwohl haben die kleinen Erzählungen eine poetische Dimension, die eine neue Sicht der Dinge aufscheinen lässt; sie fordern zu einer Verstehensbemühung auf, die zu einem neuen Verständnis von Gott und Welt führen soll. Ihre theologische Interpretation ist eine bleibende Aufgabe.
1.3.3. Sprachlich-literarische Ansätze
Bei den sprachlich-literarischen Ansätzen der Gleichnisexegese ist an erster Stelle die Neubewertung der Metapher zu nennen. Weders Gleichnisbuch macht die Gegenposition zu Jülicher deutlich: „Die Gleichnisse Jesu als Metaphern“. Im Rückgriff auf Ricœur arbeitet er zwei Aspekte von Metaphern heraus: Sie können eine „Sache“ umschreiben, selbst aber durch Umschreibungen nicht ersetzt werden; und sie sind mehr als bloße Ausschmückung der Rede (Ricœur, 1974, 49). Ricœur hebt die „Eigentlichkeit“ der Metapher hervor. Sie stellt verschiedene Sinnbereiche nebeneinander (z.B. Senf und Gott) und erreicht damit eine semantische Innovation (Ricœur, 1974, 49f.). Gerade die vermeintliche Inkompatibilität der Sinnbereiche hat kreatives und „poetisches“ Potenzial. Die Neubewertung der Metapher ist notwendige Korrektur an deren einseitiger Abwertung bei Jülicher.
Daneben rücken sprachliche Analyse (Syntaktik, Semantik und Pragmatik) und Narrativität der Gleichnisse in den Vordergrund. Diese werden mit ihrem Handlungsablauf, den auftretenden Personen und mit den räumlich-zeitlichen Strukturen analysiert. Selbst ein kurzes Gleichnis wie das vom „Schatz im Acker“ (Mt 13,44
Zimmermann hat die Klassifikation von Gleichnis, Parabel und Beispielerzählung bei Jülicher kritisiert (Zimmermann, 2008b, 383-419). Da sich die Unterscheidung zwischen Gleichnissen und Parabeln nicht durchhalten lasse und die synoptischen Gleichnisse überwiegend als parabolai (Parabeln, Gleichnisse) bezeichnet werden, formuliert er das Motto „Parabeln – sonst nichts!“ Seine Bestimmung der Parabel gibt den derzeitigen Stand der Gattungsdiskussion wieder: „Eine Parabel ist ein kurzer narrativer (1) fiktionaler (2) Text, der in der erzählten Welt auf die bekannte Realität (3) bezogen ist, aber durch implizite oder explizite Transfersignale zu erkennen gibt, dass die Bedeutung des Erzählten vom Wortlaut des Textes zu unterscheiden ist (4). In seiner Appellstruktur (5) fordert er einen Leser bzw. eine Leserin auf, einen metaphorischen Bedeutungstransfer zu vollziehen, der durch Ko- und Kontextinformationen (6) gelenkt wird“ (Zimmermann, 2007, 25).
Die literarischen Zugänge ermöglichen einen genaueren Blick auf die Texte. Einige Engführungen im Gefolge der Interpretationen Jülichers können dadurch aufgehoben werden. Metaphorizität und Narration erweisen sich als Grundelemente gleichnishafter Rede.
1.3.4. Rezeptionsästhetische Ansätze
Wer erzählt, stellt etwas dar und fordert die Rezipientinnen und Rezipienten auf, das Dargestellte nachzuvollziehen. Insofern öffnet sich das Gleichnis mit seinem appellativen Charakter der rezeptionsästhetischen Untersuchung. Dieser Aspekt ist u.a. durch Aurelio (1977) und Arens (1982) aufgegriffen worden. Ihrer Auffassung nach wird in den Gleichnissen Sprache zum Handeln. Als Sprechakte Jesu seien Gleichnisse handlungsorientiert. Aurelio geht in seiner Untersuchung vom evokativen Charakter der religiösen Sprache aus. Sie erschließe etwas und führe zu einem „Aha-Erlebnis“, zu Einsicht und Engagement. Dies fasst er mit dem Begriff „disclosure“ zusammen. Gleichnisse werden in dieser Perspektive als Sprechakte verstanden, in denen der Sprecher zu zeigen versucht, „was er gesehen hat, damit der Hörer dasselbe sieht“ (Aurelio, 1977, 71). Sie wollen die Zuhörer zu der Einsicht bringen: So verhält es sich mit Gott und den Menschen. Die rezeptionstheoretischen Zugänge erarbeiten die in den Texten selbst gesetzten Verstehenssignale.
1.3.5. Integrative Ansätze
Gegenwärtig setzt sich die Einsicht durch, dass zum Verstehen der Gleichnisse verschiedene Fragestellungen und methodische Zugänge mit ihren jeweiligen Stärken miteinander zu verbinden sind (Erlemann, 1999, 14-16; Müller/Büttner/Heiligenthal/Thierfelder, 2008, 78-81; Zimmermann, 2007). Integrative Auslegungsmodelle können die Mehrdimensionalität der Gleichnisse erfassen: Sie sind Lehre, ohne im Sinne einer endgültigen Lösung das Nachdenken zu begrenzen; sie verwenden Bilder und Erzählungen aus dem Alltag, bleiben aber nicht beim Alltäglichen stehen; sie gehören in historische und soziale Kontexte hinein, ohne darin aufzugehen; sie appellieren an die eigene Verstehensbemühung und ermöglichen kreative Auseinandersetzung, ohne der Beliebigkeit anheimzufallen.
2. Gleichnisse in religionspädagogischen Kontexten
Gleichnisse kommen in den Lehrplänen (→
Lehrplan
2.1. Von der Evangelischen Unterweisung bis zur Symboldidaktik
In der →
Evangelischen Unterweisung
Im
Hermeneutischen Unterricht (→ Hermeneutischer Religionsunterricht
Der
Thematisch-→problemorientierte Unterricht
Der
Symboldidaktische Ansatz (→ Symboldidaktik
2.2. Die entwicklungspsychologische Problematik
Ab wann können Gleichnisse im Religionsunterricht behandelt werden? Diese Frage wurde vor dem Hintergrund entwicklungspsychologischer Erkenntnisse (→
Entwicklungspsychologie
Andere Untersuchungen zeigen ein differenzierteres Bild. Ohne Entwicklungsstufen generell in Frage zu stellen, wird hervorgehoben, dass der Übergang vom konkret- zum formal-operatorischen Denken in ein und derselben Altersgruppe verschieden ausgeprägt sein kann. Dornes zeigt, dass bereits Fünfjährige zu symbolischem Verstehen in der Lage sind (Dornes, 2000, 182), auch wenn dies natürlich nicht bei allen Fünfjährigen der Fall ist. Nach Murphy können achtjährige Kinder zu 80% das Gleichnis vom Samariter in übertragenem Sinn verstehen (Murphy, 1977, 168-172). Auch andere Studien belegen, dass das Verstehen von Metaphern als kontinuierlicher Entwicklungsprozess zu verstehen ist (Hyde, 1990; Reuschlein, 2013). Einübung und Sozialisation spielen dabei eine Rolle. Die didaktische Frage muss deshalb lauten, ab wann man mit der Förderung solcher Verstehensmöglichkeiten beginnen kann. Dies kann ohne Zweifel bereits in der Grundschulzeit geschehen. Außerdem zeigen bereichsspezifische Untersuchungen, dass die kindliche Entwicklung in verschiedenen Wissensbereichen unterschiedlich weit fortgeschritten sein kann (Sodian, 1998; Mähler, 1999). Fricke betont vor allem die Fragen von Kindern, an denen sich ihre Relevanzsysteme in besonderer Weise zeigen (Fricke, 2005, 440-444). Ich stimme seiner Schlussfolgerung zu: „Die neuen Ansätze und Erfahrungen nötigen also dazu, 1. die entwicklungspsychologischen Modelle in ihrem Universalanspruch kritisch zu hinterfragen, 2. Die Äußerungen von Schülern […] in ihrem Eigensinn wahrzunehmen, und 3. Schüler auf ihren Verstehenswegen zu fördern, damit eine wörtliche und symbolische Auslegung möglich wird“ (Fricke, 2012, 216).
2.3. Aktuelle Entwürfe
Seit den 1980er Jahren stehen verschiedene Konzepte der Gleichnisdidaktik einander ergänzend oder in Abgrenzung nebeneinander. Gemeinsam ist allen die Beachtung der Schülerperspektive.
Müller/Büttner/Heiligenthal/Thierfelder verbinden in ihrer integrativen Gleichnisdidaktik ein exegetisches Auslegungsmodell mit dem von Nipkow und Schweitzer entwickelten Konzept der → Elementarisierung
In der mimetischen Gleichnisdidakitk von Zimmermann geht es darum, die Bedeutungselemente des Gleichnisses als religionspädagogische Anregungen zu verstehen (Zimmermann, R., 2013, 200f.). Die von den Texten vorgegebenen Elemente Narrativität, Fiktionalität und Metaphorizität, der Kontextbezug und die Appellstruktur sollen sich im Religionsunterricht widerspiegeln.
Fricke vertritt eine rezeptionsästhetisch orientierte Bibeldidaktik. Besondere Aufmerksamkeit widmet er den Fragen der Kinder, denn sie „sind bereits Ausdruck von Wissen und stellen die alten Antworten möglicherweise in Frage“ (Fricke, 2012, 219). „Freilich bedeutet das keinen Abschied von der präzisen fachwissenschaftlichen Vorbereitung, sondern erfordert gerade höhere Kenntnisse und pädagogisches Problembewusstsein“ (Fricke, 2012, 218). Konkret schlägt Fricke drei Schritte für die Praxis vor: Zunächst sollen die Texte angemessen zur Geltung kommen; danach sollen die Kinder Fragen an den Text stellen, die Aspekte hervorbringen können, „die für Erwachsene unsichtbar sind“; sie leiten über zu einem kreativen Umgang mit den Texten, insbesondere zum Verfassen eigener Texte „im Stil der Bibel“.
Andere Entwürfe gehen von Erfahrungen der Lernenden oder der aktuellen Wirksamkeit der Gleichnisse aus. Dementsprechend treten exegetische Positionen eher in den Hintergrund. Rupp (1998) versteht die Gleichnisse als „bewegende Geschichten“, die Menschen in Bewegung setzen und Veränderung bewirken. „Ein Unterricht, dem daran gelegen ist, etwas vom Reich Gottes zur Erfahrung zu bringen, tut deshalb gut daran, den Weg zu entdecken, den das Gleichnis geht, und den Unterrichtsgang daran zu orientieren“ (Rupp, 1998, 167).
Schulte geht bei ihrer wirkungsästhetischen Gleichnisdidaktik von der Interaktion zwischen Text und Leser aus (Schulte, 2008, 195). Die Uneinigkeit in der Exegese lasse es geraten erschienen, „eine Betrachtung des sprachlichen Inventars und der Semantik der Geschichten im Religionsunterricht“ auszublenden (Schulte, 2008, 201). Notwendig sei ein erfahrungsorientierter Ansatz, der bei der Appellfunktion der Gleichnisse einsetze. Das Unterrichtsarrangement müsse die Schülerinnen und Schüler so in den Verlauf der Geschichte hineinzuziehen versuchen, „dass sie sich darin wiederfinden und sie durch die Beteiligung am Geschehen neu erleben“ (Schulte, 2008, 198). Hierzu seien vor allem kreative Methoden hilfreich (Schulte, 2008, 202f.).
3. Gleichnisse in bibeldidaktischer Perspektive
Jede Gleichnisinterpretation muss von den zugrunde liegenden Texten ausgehen. Die Art und Weise des Textbezugs ist allerdings verschieden. Manche sehen die exegetische Rückfrage für den Unterrichtsprozess als eher nebensächlich an. Im Gegensatz dazu gehe ich davon aus, dass bei einer Behandlung biblischer Texte im Unterricht sowohl die Texte als auch die Rezipientinnen und Rezipienten gleichermaßen beachtet werden müssen (Müller, 2009, 54-106). Die Texte stammen aus einer fernen Zeit; auch wenn sie nicht an ihre Zeit gebunden bleiben, erschließen sie sich umfassender unter Berücksichtigung ihres eigenen Verständnishorizontes. Dass die Exegese im Wandel begriffen ist, kann kein Argument sein, sich in der Bibeldidaktik von ihr zu verabschieden. Umgekehrt kann allein von der Exegese her keine Gleichnisdidaktik entwickelt werden. Die (ebenfalls wandelbaren) entwicklungspsychologischen und religionspädagogischen Erkenntnisse sind mit gleichem Recht zu berücksichtigen, wenn es denn um eine Bibeldidaktik (→ Bibeldidaktik, Grundfragen
3.1. Bilder und Metaphern
Wie können wir von Gott und der Gottesherrschaft reden? Definierend sicher nicht, denn „niemand hat Gott je gesehen“ (Joh 1,18
Sprachlich kommt dies in der Verwendung von Metaphern und Bildern zum Ausdruck. Sie stellen Irdisch-Menschliches und die Gottesherrschaft nebeneinander und fordern dazu auf, sich auf dieses Gedankenexperiment denkend und handelnd einzulassen. Die Gefahr, ein Gleichnis als Rätsel zu verstehen, das man lösen kann, hat die Gleichnisauslegung allerdings immer begleitet. Doch Gleichnisse lassen sich nicht „zu Ende interpretieren“. Sie halten einen Spielraum zwischen dem Irdisch-Menschlichen und dem Göttlichen offen. Exegetisch betrachtet kommt dies in denjenigen Entwürfen der Gleichnisauslegung zur Sprache, die die Metaphorizität, den Charakter der Gleichnisse als „disclosure“ oder ihre Nähe zum Spiel hervorheben.
→
Bilder
Viele Künstler haben Meisterwerke zu den Gleichnissen geschaffen, wie z.B. die Erzählung vom „verlorenen Sohn“ zeigt (etwa die Werke von Dürer, Rembrandt oder Slevogt). Schon die Auswahl der Szenen ist aufschlussreich: Das ausschweifende Leben des jüngeren Sohnes, seine erbärmliche Existenz in der Not oder die Rückkehr, die wiederum verschieden ausgestaltet sein kann. Auch bei der Verwendung von Bildern geht es darum, wieviel Abstraktion und Symbolisierung vor allem im Grundschulalter möglich sind. Nach Kalloch können Kunstbilder mit einem hohen Komplexitätsgrad Kinder leicht überfordern; sie bevorzugt deshalb in der konkret-operationalen Phase gegenständliche Bilder, die zum Entdecken einladen (Kalloch, 2014, 81f.). Aus meiner Sicht ist aber auch hier damit zu rechnen, dass Bildverstehen eine eigene ästhetische Domäne darstellt, deren Entwicklung sich nicht in ein festes Entwicklungsschema pressen lässt. Goecke-Seischab spricht von „Schlüsselqualifikationen“ (2010, 137), die für das Betrachten von Bildern und von Texten gleichermaßen gelten: neugieriges und staunendes Betrachten, genaues Hinsehen, spielerische und fantasievolle Mutmaßungen über die Bedeutung des Dargestellten, Bezüge zur eigenen Lebenssituation herstellen, verschiedene Sinnschichten entdecken. Ich füge hinzu: für Hintergründiges und Verqueres aufmerksam werden, sich der Frage aussetzen, ob das mit Wort oder Bild zum Ausdruck Gebrachte etwas mit Gott zu tun hat (die Anregungen bei Zürn, 2012).
Das Medium (→ Medien
3.2. Erzählen und Weitererzählen
Gleichnisse sind kleine Erzählungen (→
Erzählen
Gleichnisse als Geschichten zu lesen ist kein defizitärer Zugang. Faktisch handelt es sich um kleine Geschichten mit alltäglichen, manchmal auch ungewöhnlichen Handlungsabläufen. Bisweilen zielen sie auf das Einverständnis der Zuhörer (Lk 15,4
Anleitungen für das →
Erzählen
Erzählen drängt zum Weitererzählen. Ich verweise auf drei Beispiele: Rilkes Gedicht „Der Auszug des verlorenen Sohnes“, Kafkas Parabel „Heimkehr“ und Martis „gleichnis in progression“. Sie gehen alle auf Lukas 15 zurück, setzen aber eigene Akzente. Rilke konzentriert sich auf das Fortgehen, Kafka auf eine in sich widersprüchliche Heimkehr und Marti geht der Frage nach, wie verloren man sein und wo man sich verlieren kann. Im Sinne einer Abfolge von Prätext und Folgetexten wird man danach fragen, wie diese Autoren die Parabel akzentuieren und dabei verändern. Hilfreich ist aber auch die umgekehrte Sicht: Welche Anstöße geben die Gedichte zur Interpretation der lukanischen Parabel? Lassen sie Sinnhorizonte erkennen, die wir als Theologen und Religionspädagoginnen üblicherweise nicht sehen? Und wie würden wir selbst dieses Gleichnis oder andere weiterschreiben? Was könnte helfen bei dem Gedankensprung vom Alltag zur Gottesherrschaft? Saat und Ernte sind vielen heute fremd; Beispiele aus der Ökonomie sind dagegen geläufig und „ungerechte Haushalter“ (Lk 16,1-9
3.3. Kommunikation des Evangeliums und theologisches Gespräch
„Womit wollen wir das Reich Gottes vergleichen, und durch welches Gleichnis wollen wir es abbilden?“ Im „wir“ von
Mk 4,30
In der Religionspädagogik ist die Bedeutung des Gesprächs in jüngster Zeit vor allem in der →
Kindertheologie
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