Deutsche Bibelgesellschaft

Eremitentum/spätantikes Mönchtum

(erstellt: Februar 2021)

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1. Mönchisches Leben. Anknüpfungspunkte

1.1. Alltägliche Wahrnehmung

Während Nonnen und Mönche in Deutschland Ende des 20. Jahrhunderts im Alltagsleben noch häufiger anzutreffen waren, ist dies inzwischen kaum noch der Fall. Das Mönchtum (→ Mönchtum/Klosterleben) erscheint heutzutage häufig vor allem durch (verlassene) Klöster im Landschaftsbild oder im Namen verschiedener auch namhafter Städte wie Monaco, Münster oder München (Vennemann, 2003, 56-62). Eine Begegnung mit dem Mönchtum erfolgt nicht selten durch Lebensmittel, prangt doch z.B. auf vielen Bierflaschen ein Ordensname oder ein Mönch. Auch wenn es sich hierbei nicht immer um Klosterprodukte handelt, sondern dieser Konstellation auch Marketingaspekte zugrundeliegen, so verweist sie doch auf die monastische Tradition des Bierbrauens über Jahrhunderte hinweg, die bis auf die Gegenwart wirkt. Die maßgebliche Aussage des Kardinals Brancaccio „Flüssiges bricht das Fasten nicht“ (liquidum non frangit ieiunium) zusammen mit der Vorgabe, den Alkoholgenuss dürfe „der eine so, der andere so“ halten (Regula Benedicti = RB 40,1) ließ bei Mönchen eine große Kreativität entstehen, sich die Fastenzeiten so angenehm wie möglich zu gestalten. Dies führte nicht nur zu Klosterbrauereien und zum Schmelzen von Schokolade, um den liquiden Zustand zu erreichen, sondern auch zur Tradierung und Optimierung des Weinanbaus. Selbst die heute bekannten und zur Weihnachtszeit beliebten Lebkuchen dienten in Nürnberger Klöstern zunächst der Umgehung der Fastenvorschriften, setzten sich aber dann als beliebtes Gebäck auch außerhalb der Kloster- und Stadtmauern durch.

1.2. Wirkungen

Die Verteilung von Städtenamen mit monastischer Etymologie deutet noch heute auf das enge Netz von klösterlichen Gemeinschaften in Europa in der Blütephase des Mönchtums hin. Auch in Zeiten politischer sowie kirchenpolitischer Wirren bestanden hier Gemeinschaft, Kommunikation zwischen den Klöstern sowie die Einheit der Orden. Diese übernahmen darüber hinaus über viele Jahrhunderte hinweg die Tradierung des Glaubens sowie der christlichen und in Teilen antiken Kultur – und dies nicht nur in den politischen und kulturellen Machtzentren, sondern besonders auch in den Randlagen und ländlichen Bereichen. Nur durch die Schreibstuben der Klöster stehen große Teile eines von Ciceros berühmtesten Werken, „De re publica“, heute Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern oder Schülerinnen und Schülern zur Verfügung. Doch wurde in den Bibliotheken und den Schreibstuben nicht nur religiöses und klassisches Schrifttum kopiert und tradiert sowie die grundlegenden Fähigkeiten des Lesens und Schreibens erhalten. Die großen Klöster waren „bis zur Einrichtung der Universitäten (seit 1200) die fast alleinigen Träger der Heilkunde, wozu der Heilkräutergarten und später die Einrichtung einer Klosterapotheke für Menschen und Tiere gehörten“ (Schwaiger/Heim, 2008, 98). Da sich die monastischen Gemeinschaften stets selbst versorgten, war die Landwirtschaft grundlegend. Auch auf diesem Gebiet sind durch die klösterlichen Aufzeichnungen maßgebliche Kenntnisse und Erfahrungen weitergegeben worden (Schwaiger/Heim, 2008, 96-99).

1.3. „Auszeit“

Obwohl sich in den modernen westlichen Gesellschaften nur wenige für ein dauerhaftes Leben im Kloster begeistern können und das Gelübde der Armut, Keuschheit und des Gehorsams ablegen, ist der Rat von Mönchen immer noch hoch angesehen. Die Verkaufszahlen der Werke von Abt Notker Wolf OSB und Pater Anselm Grün OSB sowie der Zustrom zu dessen Lehrgängen für Führungskräfte bezeugen die große Anerkennung der jeweiligen Person und ihrer Spiritualität.

Zahlreiche Menschen hoffen, dass diese Männer, die selbst ihr Leben ganz Jesus untergeordnet haben und der Gesellschaft aus der Perspektive der Abgeschiedenheit entgegenstehen, ihnen einen (Aus-)Weg weisen aus den alltäglichen Reizen und Stressfaktoren.

Der Alltag vieler Menschen besteht aus diversen Entscheidungen und Terminen, aus Lärm und einer Vielzahl optischer Reize. Neben Beruf, Familie und Freizeit beschäftigt das Smartphone parallel den menschlichen Geist mit sozialen Netzwerken oder Streaming-Diensten. In diesem Strom von chaotischen äußerlichen Einflüssen bildet die Ruhe und Abgeschiedenheit des Klosters einen Kontrapunkt und vermittelt Ordnung und Geborgenheit. So ist es nicht verwunderlich, dass nicht nur die literarischen Produkte von Mönchen, sondern auch die Klöster mit Angeboten von Exerzitien oder einer mehrwöchigen Mitarbeit für einige Wochen regen Zuspruch finden. Dabei suchen die Gäste nicht nur die Ruhe an sich oder die relativ verantwortungsarme Mitarbeit als auch bewusst das spirituelle Angebot, das im Alltag der säkularen Gesellschaft häufig den Verpflichtungen untergeordnet wird.

Einen Sonderfall der klösterlichen Öffnung für Außenstehende stellt die Communauté de Taizé dar, die seit den 1960er Jahren Jugendliche aller Konfessionen und Länder zum Besuch des Ordens und zum Austausch über biblische und spirituelle Themen einlädt. Der Aufenthalt der inzwischen bis zu 6000 Teilnehmenden pro Woche gestaltet sich nach einem festen Tagesablauf, der sowohl körperliche Mitarbeit als auch Bibelarbeit, allgemeine Workshops und Gesang beinhaltet.

Eine besondere Form aktuell praktizierten monastischen Lebens – wenn auch nicht zwingend geographisch definiert – ist die Praxis des Fastens. Mit und ohne expliziten Bezug auf das Eremiten- und Mönchtum gibt es diverse Ratgeber und Praktiken des Fastens. Auffällig ist dabei, dass das Fasten und die vorösterliche Fastenzeit nicht nur von Gläubigen zum bewussten Verzicht, zur Reinigung praktiziert wird. Vielmehr wird die kirchliche Fastenzeit in der säkularen Gesellschaft auch von kirchenfernen und nichtchristlichen Familien genutzt, um ihren Alltag zu durchbrechen und sich ihres (Konsum-)Verhaltens bewusst zu werden. Häufig richtet sich die Motivation dieses „(Konsum-)Verzichts in maiorem naturae gloriam“ (Michaels, 2004, 120) und ist mit dem Schutz der Umwelt im Diesseits verhaftet, oder beschränkt sich nur auf die Sorge für einen selbst (Michaels, 2004, 118-127).

1.4. Rückzug aus der Welt

Die Frage nach einem freiwilligen Rückzug aus der Welt wurde im Frühling 2020 und zum Jahreswechsel 2020/2021 vom Umgang mit der notgedrungenen sozialen Isolation abgelöst. Selten war das Thema des zurückgezogenen Lebens so aktuell wie in der Zeit des weltweit grassierenden Covid19-Virus. Die in vielen Ländern der Welt ergriffenen Maßnahmen zur Infektionsprävention stellten eine Isolation aller Wohneinheiten ins Zentrum der Bemühungen. Die Menschen wurden aus ihrem täglichen Schul-, Arbeits- und Sozialleben herausgenommen und sahen sich mit einer großen Menge an erzwungener Freizeit sowie einem geringen Bewegungsradius konfrontiert. Während jedoch die zurückgezogen lebenden Haushalte im Jahr 2020 nach wie vor virtuell oder telefonisch an der Welt teilhaben konnten, ist es ein Anliegen der Eremiten, der Welt möglichst vollständig zu entsagen, um die (innere) Abgeschiedenheit für Reflexion, Meditation und die Begegnung mit Gott nutzen zu können.

2. Eremitentum und Mönchtum

Bereits Ende des zweiten Jahrhunderts entschieden sich Christen, in Jungfräulichkeit, Armut und unter strengem Fasten zu leben. Einige von ihnen lebten diese Art der Christusnachfolge innerhalb der Gesellschaft (Koinobiten) oder in ersten Gemeinschaften, andere wiederum zogen dafür die Einsamkeit und Abgeschiedenheit vor (Anachoreten).

Für die Zurückgezogenheit aus der Welt gab es in der antiken Spiritualität einige Vorbilder z.B. bei den buddhistischen Mönchen, den Essenern in Qumran oder auch die Lebensempfehlungen der Stoa und des Neoplatonismus (Guillaumont, 1979, 13-66; Klein, 1993, 144-150). Dennoch sind die an vielen Orten des jungen Christentums auftretenden anachoretischen Strömungen nicht eine bloße Imitation bekannter Verhaltensmuster. Der Aufruf an die Christen, den Verlockungen der Welt zu widerstehen, sowie die biblischen Geschichten von Jesu Rückzug in die Wüste, Johannes dem Täufer, Elia und Mose legten dieses Lebensmodell nahe. Zudem war es nahezu nur im Anachoretentum möglich, vollständig zu erfüllen, was Jesus gepredigt hatte: seinen Besitz aufzugeben (Mt 19,21), seine Familie zu verlassen (Lk 14,26-27), sein Kreuz zu tragen (Mt 10,38) – in der Askese.

Das asketische Leben bestand aus geistiger Arbeit, der Lektüre der Heiligen Schrift und Meditationen, körperlichen Einschränkungen wie Fasten oder Nachtwachen sowie Beiträgen für die Gesellschaft (Almosen, Handarbeit). Obwohl die Forderungen des Evangeliums (z.B. Lk 12,22b.29-31) von jedem Eremiten individuell ausgelegt und ausgelebt wurden, kam es zu einer Art Institutionalisierung der „engelsgleichen“ Lebensform (zum gr. angelikos bios vgl. Frank, 1964, besonders 57-59).

Für den Erfolg des Mönchtums werden in der Forschung zwei Faktoren verantwortlich gemacht. Zum einen hat die → Konstantinische Wende das Christentum näher an den römischen Staat herangebracht. Das (anachoretische) Mönchtum bedeutete eine bewusste Ablehnung der weltlichen Macht und eine konsequente Nachfolge Christi. Zum anderen wurde infolge des Zurückdrängens der antiken Religionsvorstellungen möglicherweise nach neuen Bindegliedern zwischen den Menschen und der Gottheit gesucht (Brown, 1986, 115-138; zum gr. theios aner vgl. Bieler, 1967). Der beiden Theorien zugrundeliegende Wandel der religiösen Vorstellungen erklärt einen wesentlichen Aspekt der Anziehungskraft des Mönchtums. Praktische Gründe dürfen aber hierbei nicht vergessen werden: Zum einen könnte die Flucht vor Verfolgungen (→ Christenverfolgungen im frühen Christentum) ein Anlass für das Leben in der Zurückgezogenheit gewesen sein, zum anderen ließ die große Steuerlast viele Menschen der Mittelschicht Zuflucht vor dem Steuereintreiber, vor Hunger und Not in der Wüste suchen (Mantzaridis, 1981, 51-57; Maraval, 1996, 816-819).

2.1. Die ersten monastischen Bewegungen

In Ägypten lässt sich im vierten Jahrhundert die Entstehung monastischer Lebensformen zuerst beobachten, dort entsteht auch die erste Mönchsliteratur. Bischof Anastasius veröffentlicht nach dem Tod des Eremiten im Jahr 357 n. Chr. die Vita Antonii, die das Ideal des Anachoretentums über die gesamte damalige Welt verbreitete. Die Vita des Wüstenvaters Antonius gibt Aufschluss über die Lebensweise der frühen Eremiten in Mittelägypten, die nach und nach ganze Kolonien von Schülern an sich zogen und ihnen ihre jeweils eigene Regel auferlegten (Vita Antonii 16-44).

Neben dieser semi-anachoretischen Lebensform entstand unter Pachomius schon bald das Koinobitentum, das Leben in der Gemeinschaft. Zahlreiche Viten in unterschiedlichen Sprachen bezeugen die Leistung des Pachomius, eine enge Gemeinschaft von Mönchen strukturiert und organisiert zu haben. Die von Hieronymus überlieferte spätere Fassung der Regel des Pachomius lässt die ursprüngliche asketische Praxis der koinonia erkennen. Sie berichtet von Fasten und Nachtwachen, von Gebeten und geistlichen Ermahnungen, von gemeinsamen Mahlzeiten und Gütergemeinschaft. Zudem wurden die Männer ihren Fähigkeiten gemäß für körperliche Arbeiten eingeteilt und hatten als Haupttugend den Gehorsam gegenüber dem Obersten zu leisten. Bereits wenige Jahre nach der ersten Gründung in Tabennesi im Jahr 321 verbreitete sich die die pachomianische Regel über ganz Ägypten (Maraval, 1996, 819-827; Frank, 2010, 20-34; Bacht, 1975, 185-205;225-228). Auch erste Frauenklöster wurden von Pachomius und seinen Nachfolgern errichtet, während Anachoretinnen eher selten anzutreffen waren und die Frauen eher im (erweiterten) Umfeld ihrer Familie asketisch gelebt hatten. Als Vorbild für das jungfräuliche und asketische Leben der Frauen galt Thekla, eine Begleiterin des Paulus, die um ihrer Jungfräulichkeit willen beinahe das Martyrium erlitten hätte (Maraval, 1996, 841-842).

Ähnliche Entwicklungen wie in Ägypten können in Palästina, Syrien und Mesopotamien beobachtet werden, wo monastische Gründungen sowohl an den Heiligen Stätten als auch dem ägyptischen Vorbild folgend in der Zurückgezogenheit vorgenommen wurden.

Obwohl die Einsiedlerzellen und die koinobitischen Lebensformen zunächst unabhängig von der Kirche entstanden, wird die Nähe zu ihr sowie ihre Bedeutung für die Schriftlesung und die Sakramentenspendung in der frühen monastischen Literatur stets hervorgehoben. In Kleinasien und Konstantinopel jedoch findet sich im frühen Mönchtum des vierten Jahrhunderts auch eine bewusste Opposition gegen die Lehren, Riten oder einzelne Persönlichkeiten der Kirche (Maraval, 1996, 827-830). Aufgrund dieser Bewegungen verwundert der Kanon 4 des Konzils von Chalcedon nicht, der den Ortsbischof den Klöstern voranstellte und anordnete, dass die Mönche sich nicht in kirchliche Belange einmischen durften (Müller, 2017, 170-172).

Im Westen ist über die Anfänge des Mönchtums relativ wenig bekannt, wichtige Vertreter einer asketischen Lebensform sind in Nordafrika Tertullian, Cyprian und → Augustinus, in Norditalien Ambrosius. In Rom waren unterschiedliche Ausprägungen der Askese zu beobachten, sowohl die rigorose Lebenshaltung des Novatian, wie auch eine rein äußerliche und heuchlerische Nachahmung des asketischen Ideals, von der Hieronymus in einem Brief aus dem Jahr 384 (ep. 24) berichtet. Auch in Gallien finden sich früh Zeugnisse des monastischen Lebens, dessen wohl berühmtesten Vertreter Martin von Tours darstellt (Biarne, 1996, 848-859; Frank, 2010, 35-50).

Erst ab dem beginnenden fünften Jahrhunderts sind für den westlichen Teil des römischen Reiches Regeln belegt, zunächst Übersetzungen der östlichen Regulae. Augustinus begründete mit seiner ersten auf Latein abgefassten Regel eine Reihe von etwa 30 weiteren rekonstruierbaren Regulae. Aus ihnen ist ein ähnliches Bild wie im Osten zu gewinnen: Die drei evangelischen Räte Armut, Ehelosigkeit und Gehorsam bilden den Grundstein des monastischen Lebens – auch wenn sie in der frühen Zeit noch nicht kanonisch waren. Ebenso gab es noch keine Gelübde, sondern die individuelle Berufung, die sittliche Umkehr (lat. conversio morum) war entscheidend für die Zugehörigkeit zum Mönchtum. Die Geringachtung des Weltlichen (lat. contemptus mundi) und der Rückzug von der profanen Welt (lat. peregrinatio) waren die Leitmotive des westlichen Mönchtums in der Folge der biblischen Vorbilder: Wie Abraham (→ Abraham und Sara, bibeldidaktisch) verließen die Mönche ihre Heimat und sahen sich als Fremdling in der Welt auf dem Weg zum Himmelreich (Gen 12,1-9). Gemäß der Forderung Jesu an den reichen Jüngling (Mt 19,21) verachteten sie die weltlichen Güter, menschlichen Triebe und (sexuellen) Beziehungen und folgten Jesus nach (Biarne, 1996, 848-855; Biarne, 2001, 984-985). Dabei ist der Rückzug von der Welt nicht einem Mangel an Teilnahme gleichzusetzen, der Mönch übernimmt die soziale Aufgabe, sein Seelenheil (→ Seele) und das anderer Menschen zu retten (Bremond, 1975, 101-102).

Die Verachtung weltlichen Ansehens und irdischer Güter führte jedoch auch zu Kritik an der Institution des Mönchtums innerhalb der → Gesellschaft. Sowohl durch ihre häufig unappetitliche äußerliche Erscheinung wie auch durch ihre ablehnende Einstellung zu gewinnbringender Arbeit gerieten die Mönche ins Fadenkreuz von Spott, Kritik und sogar Missbräuchen. Erst nachdem sich das Mönchtum im fünften Jahrhundert zur gesellschaftlichen Institution entwickelt hatte, waren Mönche angesehene Persönlichkeiten und sonderbare Auffälligkeiten wurden häufig bereits innerhalb der monastischen Gemeinschaft korrigiert (ausführlich zum Auftreten und zur Kritik an den Mönchen vgl. Biarne, 1996, 859-862).

2.2. Die Regula Benedicti als Grundlage des abendländischen Mönchtums

Bis zum sechsten Jahrhundert entwickelten sich nach Auskunft der spärlichen Quellen diverse Stätten des Mönchtums im Abendland mit unterschiedlichen Regularien. Häufig scharte ein Lehrer einige Schüler um sich, um ein Leben nach dem Vorbild der Urgemeinde in Jerusalem zu führen. Dabei ging es mehr um die innere Bekehrung und die Suche nach der Vollkommenheit als um eine strukturierte Gemeinschaft (Biarne, 1996, 865-871; Biarne, 2001, 965-972). Entsprechend diesem individuellen Charakter der Gründungen sind regionale Eigenheiten in Gallien und Italien, in Nordafrika, im Heiligen Land und auf den britischen Inseln zu beobachten. Durch die Initiative und die Missionierung des heiligen Patrick verbreitete sich hier das Mönchtum, das sich besonders durch die peregrinatio als „weißes Martyrium“ einen Namen machte. Diese Praxis des irischen und angelsächsischen Mönchtums führte schließlich zur Missionierung der gentilen europäischen Reiche (Angenendt, 2001, 203-227;268-283; Biarne, 2001, 975-979; Gleba, 2004, 37-61).

In der Zeit der Entfaltung des monastischen Lebens im Abendland zog sich Benedikt von Nursia im Jahr 500 nach Subiaco in die Einsamkeit zurück. Seine Schüler gliederte er in kleine Gruppen, die schließlich zwölf Klöster im näheren Umfeld gründeten (Gregor der Gr., Dial. II,3,13). Um 529 n. Chr. verließ Benedikt Subiaco, um am Monte Cassino ein großes koinobitisches Kloster zu errichten, für das er (wahrscheinlich in Abhängigkeit von einer italischen anonymen Regula Magistri) die berühmte Regula Benedicti verfasste, die das Mönchtum bis in die Gegenwart prägt (Biarne, 2001, 972-975). Prinzipiell zielten die Regeln darauf, individuelle Auswüchse des Mönchtums einzugrenzen und ein strukturiertes, uniformes Koinobitentum aufzubauen. Dennoch blieb die dem Mönchtum zugrundeliegende Strömung des Eremitentums daneben erhalten (Biarne, 2001, 985-992).

Das Ziel der Regula Benedicti ist, sich dem Treiben der Welt zu entziehen (lat. Saeculi actibus se facere alienum; RB 4,20) und somit die Heiligkeit zu erlangen (RB 73), das Zusammenleben der Mönche wird nicht bis ins Kleinste geregelt. Sie berücksichtigt die Jahres- und Fastenzeiten bei ihrer Einteilung der Tage in Ruhezeiten, sieben Gottesdienstfeiern, Lesungen, Studium und Arbeitszeiten – bekannt unter dem Leitspruch „Bete und Arbeite (lat. ora et labora). Die Mönche waren ihrem Abt, den sie selbst gewählt hatten, ebenso zum Gehorsam verpflichtet wie der Regula (RB 58, 15-17). Die Fokussierung aller Tätigkeiten auf den Bereich des Klosters (lat. claustra monasterii) und die dauerhafte Bindung an ein bestimmtes Kloster (lat. stabilitas loci) stellten nun die Grundprinzipien des Klosterlebens dar, das Kloster wurde als Werkstatt der Vollkommenheit betrachtet – das alte Ideal der Wanderschaft war nun auf Dienstreisen eingeschränkt (RB 4,78/RB 67). Das Kloster wurde als Abbild des Gottesstaates ein Schutzraum vor den weltlichen Versuchungen (Biarne, 2001, 993-1005). Bis in das neunte Jahrhundert hatte sich das Benediktinertum (vor allem in einer moderneren Interpretation der Regula Benedicti durch Benedikt von Aniane) derartig durchgesetzt, dass das Mönchtum „zum Träger der abendländischen Einheit geworden“ (Frank, 2010, 60; vgl. auch Gleba, 2004, 75-78) war.

2.3. Das Leben im mittelalterlichen Kloster

Als „sichtbare Gestalt der Regel“ (Gleba, 2004, 78) wird der optimale Klosterplan von St. Gallen angesehen. An ihm können die unterschiedlichen Tätigkeiten der Mönche abgelesen werden wie auch das Verhältnis von weltlichen zu geistlichen Elementen. Darüber hinaus wird am Vorbildcharakter dieses Plans das Bemühen um die (architektonische) Vereinheitlichung der verstreuten Benediktinerklöster deutlich.

Eremitentum

Generell galt für alle Tätigkeiten im Kloster ein Schweigegebot, das mitunter großzügig gehandhabt wurde, solange kein Gerücht verbreitet oder jemand zum Lachen gereizt wurde (RB 6; zur Theologie des Schweigeverbots vgl. Schürer, 2010, 108-113). Um die Geselligkeit und Gemeinschaft der Mönche nicht zu sehr zu beeinträchtigen, gab es auch feste Redezeiten sowie Redezeichen, mit denen sich die Mönche und Nonnen miteinander unterhalten konnten. Ora et labora – beide Elemente des monastischen Lebens galten als Gottesdienst, als Dienst zur größeren Ehre Gottes (lat. ad maiorem Dei gloriam). Die konkrete Ausformung der Dienste hing von den individuellen Möglichkeiten bzw. dem natürlichen Umfeld der jeweiligen Klosteranlage ab. Der Arbeitseinsatz reichte von Putzdiensten über Küchendienste, landwirtschaftliche Arbeit bis hin zur wissenschaftlichen Beschäftigung. Ab der Jahrtausendwende wurde das Motto der Benediktiner immer mehr um „und lese“ (lat. et lege) erweitert. Die Fähigkeiten des Schreibens und Lesens sowie die Ausbildung in den sieben freien Künsten (lat. septem artes liberales) gewannen zunehmend an Bedeutung im monastischen Leben (Adelmeyer, 2007, 31-47; Melville, 2012, 314-317). Das Skriptorium ist der wahrscheinlich berühmteste Teil eines mittelalterlichen Klosters. Unter anderem saßen hier Mönche viele Stunden bei schlechtem Licht und kopierten die Heilige Schrift. Die Aufgaben im Skriptorium hatten jedoch ein weit größeres Spektrum: Sie begannen bei der Herstellung der Tinte und des Schreibwerkzeugs und erstreckten sich bis zur Verzierung und Bindung der Bücher. Auch die Erweiterung der Bibliotheken und der Austausch mit anderen Klöstern und deren Bestand war eine grundlegende Aufgabe der Konvente (zu den Aufgaben des klösterlichen Alltags vgl. Gleba, 2004, 81-107; Both, 2007, 29-74).

Die Ernährung der Mönche war durch das Kirchenjahr bzw. die Regula Benedicti relativ genau geregelt. Prinzipiell galt der Grundsatz des Maßhaltens (lat. temperantia), Askese wurde nicht als Selbstzweck betrieben. Diese wurde zwar immer kreativer ausgelegt – dennoch blieben das Maßhalten und Fasten die Grundlagen der monastischen Ernährung. Im Refektorium, einem großen Speisesaal, wurde die Mahlzeit unter Einhaltung des Schweigegebots und während der Lesung der Heiligen Schrift eingenommen. An Fastentagen gab es nur eine Mahlzeit am Tag, auf tierische Produkte wurde fast vollständig verzichtet. Allerdings waren Süßspeisen und alkoholische Getränke von der Benediktregel auch in der Fastenzeit nicht verboten, was eine gewisse Kreativität der Mönche und Nonnen hervorrief. Wenn man den Klosteraufzeichnungen folgt, war auch der Umgang mit Fisch virtuos, aus ihm wurden die Fleischgerichte zubereitet, die gemäß der Benediktregel verboten waren. Darüber hinaus wurde teils das Geflügel zum „besseren“ Fisch deklariert und zu den wunderbarsten Gerichten verarbeitet, da ja die Vögel zeitgleich mit den Fischen erschaffen wurden (Gen 1,20). Einige Schwestern und Brüder beugten zusätzlich bereits gründlich einer möglicherweise entstehenden Krankheit mit der Krankenkost vor, die zur Stärkung Fleisch enthielt (Gleba, 2004, 120-121; Adelmeyer, 2007, 51-62, zur Regula Benedicti als Interpretationsfrage siehe Gleba, 2004, 67-75).

2.4. Frauenklöster und -orden

Auch wenn die Frauen kein Gelübde ablegten, das sie bis an ihr Lebensende an ein klösterliches Leben band, so ist ihr Leben im Kloster dem der Männer vergleichbar. Zusätzlich zur Regula Benedicti entstand die Institutio Sancitmonialium, eine Regel, die den Frauen größere Freiheiten gab. Die Frauenklöster wurden meist von den Töchtern adeliger Familien besetzt, die dort eine gute Ausbildung erhielten und wichtige Ämter innehaben konnten. Das Leben im Kloster galt demnach nicht als Einschränkung, sondern als Absicherung und Möglichkeit zur Selbstverwirklichung. Den „Bräuten Christi“ wurde größte Bewunderung entgegengebracht, ihre Familien wurden hochgeachtet, sie mussten sich keinem Mann unterordnen und sich der Gefahr einer Geburt aussetzen. Frauen im Kloster verfügten über die Güter und Verwaltung des Konvents sowie über die Rechtsprechung, sie standen ihren männlichen Kollegen in Bildung, Ansehen, Rangordnung und dem Tragen von Insignien in nichts nach. Allerdings blieb den Frauen die universitäre Bildung und das Sakrament der Priesterweihe verwehrt, weshalb sie bei der Seelsorge und der Sakramentenspendung von den Mönchen und Klerikern abhängig waren (Buttinger, 2007, 72-73; Ohler, 2008, 320-325).

Die Frauenklöster, die später durch die Männerklöster auch wirtschaftlich abgesichert wurden, gaben häufig spirituelle Impulse für die monastische Bewegung. Im Spätmittelalter gewann die von den Frauen betriebene unio mystica mit Gott in den Frauenklöstern an Bedeutung. Besonders die Braut-Christi-Mystik, die häufig erotische Vision einer mystischen Vereinigung mit dem Bräutigam Christus, erregte großes Aufsehen. Die dort wie auch in der Passionsmystik gewonnene Gotteserkenntnis verschaffte den einzelnen Mystikerinnen wie Katharina von Siena und Brigitta von Schweden sogar internationales Ansehen und Gehör.

Bei im Hochmittelalter gerne errichteten Doppelklöstern wurde zum Teil sogar den Frauen die Leitung über beide Konvente übertragen, z.B. in Fontevraud, wo einige Brüder daraufhin das Kloster verließen, das sich schließlich aber als Mutterabtei zur größten Klosteranlage Frankreichs entwickelte. In Deutschland entstand das berühmteste Frauenkloster bei Bingen, das unter anderen von Hildegard von Bingen geleitet wurde. Ab dem zwölften Jahrhundert wurden Forderungen nach einer Aufnahme von Töchtern aus nichtadeligen Familien laut, die zunächst auf harsche Kritik stießen (Buttinger, 2007, 74-79, Ohler, 2008, 328-334).

2.5. Die Entstehung weiterer Orden

Aus der Verbindung von Rittertum und Mönchtum entstanden im elften Jahrhundert die geistlichen Ritterorden, z.B. die Johanniter, die Templer und der Deutsche Orden, die während der Kreuzzüge militärische, aber auch karitative Aufgaben übernahmen. Die Ritter leisteten nicht nur das Gelübde zu Gehorsam, Keuschheit und Gehorsam, sondern auch eines zum Waffendienst.

Dem zunehmenden Wohlstand der Klöster, dem Verfall der Sitten und dem Streit um die rechte Benediktnachfolge stellte sich eine neue „eremitische Interpretation des Mönchsideals“ (Frank, 2010, 69) entgegen. Aus den Benediktinerklöstern heraus entstanden im Zuge von Reformbestrebungen die Zisterzienser, die sich unter Bernhard von Clairvaux über ganz Europa ausbreiteten. Die zunehmende Konsolidierung des Ordens führte jedoch dazu, dass sich dieselben Symptome ausbildeten wie bei den Benediktinern (Schwaiger/Heim, 2008, 43-46; Frank, 2010, 66-85). Es entwickelte sich in der Gesellschaft Misstrauen gegenüber den reichen Klöstern und der Drang nach einer neuen bibelnäheren Lebensform. Beginnend mit den Dominikanern entstanden die Bettelorden als „das kirchliche Ergebnis des spontanen Evangelismus und der apostolischen Armutsbewegung“ (Frank, 2010, 87).

Nach der Eroberung Palästinas Ende des zwölften Jahrhunderts ließ sich eine Gruppe von Eremiten auf dem Berg Karmel im Heiligen Land nieder. Die Gemeinschaft der Karmeliten lebte nach einer eigenen vitae formula maximal weltabgewandt und isoliert und war intern nur durch die Messfeiern und kirchlichen Rituale verbunden. Durch die heimkehrenden Kreuzfahrer sowie die Bedrohung im Heiligen Land ist schon früh eine Verbreitung in den Küstenstädten Europas festzustellen. Trotz ihrer räumlichen Zuwendung zur Welt „hatten die Karmeliten nicht versäumt, sich als kontemplative Nachfolger der alttestamentlichen Propheten im Karmel zu fühlen und zu präsentieren“ (Melville, 2012, 220; vgl. zu den Karmeliten Melville, 2012, 216-221 sowie Schwaiger/Heim, 2008, 52-53).

Etwa zeitgleich wurden 1256 n. Chr. von Papst Alexander IV. mehrere ältere Eremitenverbände zum Orden der Augustiner-Eremiten (lat. Ordo fratrum Eremitarum S. Augustini) zusammengefasst. Wie den Augustiner-Chorherren in den Kanonikerkapiteln diente ihnen zur Verwirklichung des Armutsideals die strenge Auslegung der frühen Augustinusregel. Sowohl die Augustiner-Chorherren, deren Leben zunehmend von der monastischen Lebensform bestimmt wurde, wie auch die Augustinereremiten wandten sich vornehmlich der Seelsorge und Predigt zu (Melville, 2012, 221-226; Schwaiger/Heim, 2008, 37-41, 50-52).

Franz von Assisi ließ sich 1210 für die sogenannten „Minderen Brüder“ (lat. Ordo fratrum minorum) die Lebensweise der Armut, Gemeinschaft und Bußpredigt von Papst Innozenz III. bestätigen und stellte seine Anhänger damit unter das Dach der Kirche. Der neue Orden, der sich in den Folgejahren rasch verbreitete, folgte zwar innerlich auch der Geringachtung alles Weltlichen (lat. contemptus mundi), zog sich jedoch nicht zurück, sondern blieb ohne das Gelübde auf die stabilitas loci mitten in der Gesellschaft. Wie der Legende zufolge Franz von Assisi im Traum von Papst Innozenz III. die Kirche vor dem Einsturz bewahrte, so rettete die Bewegung der so genannten „Bettelorden“ tatsächlich das Ansehen und die Einheit der Kirche. Bereits im 13. Jahrhundert prägten die Bettelorden die neue städtische Kultur Europas und hatten Einfluss auf Politik, Bildung und Kirche (Frank, 2010, 86-108; Buttinger, 2007, 62-63; Schwaiger/Heim, 2008, 46-49). Aus Reformansätzen oder den (kirchen-)politischen Umständen heraus entstanden sowohl aus dem Orden der Benediktiner als auch aus den Bettelorden neue Orden mit einer jeweils eigenen Charakteristik (vgl. diverse Zusammenfassungen der Ordensgeschichte z.B. Schwaiger/Heim, 2008, 29-84; Buttinger, 2007, 33-113; Frank, 2010, 66-194; Melville, 2012, 64-267). Während sich die Dominikaner schließlich als „Hunde des Herren“ (lat. Domini canes) bei der Ketzerverfolgung und der Inquisition in den Dienst des Papstes stellten, bildeten die zu Beginn des 16. Jahrhunderts gegründeten Jesuiten die „Kampfgruppe Jesu Christi“ (Ignatius von Loyola) gegen die reformatorischen Kräfte (→ Reformation). Die Jesuiten unterschieden sich von den bisherigen Ordensgründungen durch das Gelübde des absoluten Gehorsams gegenüber dem Papst zusätzlich zum traditionellen Gelübde der drei Evangelischen Räte. Durch den Verzicht auf eine klösterliche stabile vita communis und streng geregelte Tagesabläufe war die Gesellschaft Jesu bald weit verstreut. Die Exerzitien, die der Ordensgründer Ignatius von Loyola den Jesuiten vorgeschrieben hat, hielten die Gemeinschaft jedoch zusammen und „prägen bis heute die Spiritualität des Jesuitenordens in entscheidendem Maße“ (Buttinger, 2007, 97).

2.6. Mönchtum heute

Die unterschiedlichen Orden erlebten in den kirchengeschichtlichen Verwicklungen und Ereignissen Höhen und Tiefen, blieben jedoch (samt ihren Abspaltungen) größtenteils erhalten. Nach der Säkularisierung und dem Zeitalter des Nationalsozialismus hatten die Orden ebenso wie die Kirche mit einem massiven Besitz- und Vertrauensverlust zu kämpfen. Das Zweite Vaticanum bemühte sich mit dem Konzlisdekret Perfectae Caritatis um eine „Verheutigung“ (ital. Aggiornamento) des Ordenslebens und stieß eine lebhafte Auseinandersetzung um die Positionierung zwischen Tradition und Moderne an. Das größte Problem der Ordensgemeinschaften ist der Nachwuchsmangel, besonders aufgrund des Wandels von einer familiär geplanten Ordenskarriere hin zu einer persönlichen Berufung und Entscheidung für das monastische Leben (Schmiedl, 2004, 14-17). Viele Mönche und Nonnen stammen aus sogenannten „Entwicklungsländern“, in denen sich die Orden viele Jahrzehnte lang engagiert haben (Buttinger, 2007, 140-141).

Die Eremiten-Bewegung hat sich ihrem Grundcharakter gemäß über die Jahrhunderte neben den unterschiedlichen Orden relativ unauffällig erhalten. Die Wüste als Topos der Heilserwartung wurde schließlich durch den dichten Wald ersetzt (Keller, 2010, 192-193), so dass es dem Vorbild der ägyptischen Wüstenväter folgend auch im 21. Jahrhundert in Deutschland Eremiten gibt, die die Nachfolge Christi in der Xeniteia suchen. Der Eremitencanon des katholischen Kirchenrechts (c.603 CIC), der das Eremitentum inhaltlich wie auch kirchenrechtlich umreißt, beschreibt dieses Fremdsein in der Welt mehr als eine innere Trennung denn eine räumliche Zurückgezogenheit, wodurch sich moderne Eremiten auch in dichtbesiedelten Gegenden finden lassen (Leenen, 2017, 130-140).

3. Monastisches Leben als Thema religiöser Lern- und Bildungsprozesse

3.1. Monastisches Leben – biographische Annäherungen

Im Religionsunterricht erfolgt die Auseinandersetzung mit monastischem Leben in der Regel zunächst auf der Basis der historischen Betrachtung. Hierbei müssen – zusätzlich zur Vermittlung wesentlicher Informationen über die Entstehung der monastischen Bewegungen, die Benediktregel und klösterliches Leben heute – persönliche Anknüpfungsmöglichkeiten für die → Schülerinnen und Schüler geschaffen werden, z.B. im Rekurs auf Einschränkungserfahrungen aus der Corona-Zeit.

In der für die Sekundarstufe I altersgemäß gestalteten Reihe des Vereins des Klosters und der Kaiserpfalz Memleben e. V. wird anhand eines fiktiven Funds des Tagebuchs des Klosternovizen Ebbo „Das Leben im Kloster“, „Die Schreibstube im Kloster des Mittelalters“ und das Vorgehen „Im Garten des Klosters im Mittelalter“ dargestellt (→ Kirchengeschichte, Literatur als didaktischer Zugang). Die wissenschaftlich fundierten und lebendig geschilderten Beschreibungen des jungen Mönches, der alles zunächst kennenlernen muss, können die Lernenden an die mittelalterliche Klosterwelt heranführen. Ebenso kann diese biographische Annäherung an das Klosterleben/Eremitenleben über reale Personen geschehen, die sich zum Ordensleben berufen fühlen und von ihrem Leben und ihrer Berufung erzählen (→ Zeitzeugenbefragung). Da jeder in der pluralen Welt herausgefordert ist, seinen Lebensweg zwischen unzähligen Möglichkeiten zu bahnen, besitzt das Vorbild einer konkreten Person, die dieses Lebenskonzept für sich gefunden hat, „hohes motivationales Potenzial“ (Kropač, 2013, 349) und kann als Orientierungshilfe herangezogen werden. Die Schülerinnen und Schüler gewinnen in der Auseinandersetzung damit eine tiefere Einsicht und können durch das Nachvollziehen des Verhaltens und der Entscheidungsprozesse eine eigene Position entwickeln. Dies kann schließlich dazu beitragen, dass die erarbeiteten historischen Erkenntnisse und Positionen auf die Wirklichkeit der Jugendlichen wirken (Lindner, 2011, 62-63; Lindner, 2013, 228-230; Lindner/Stögbauer, 2005, 137-141).

Auch historische Figuren können für die biographische Annäherung an das Thema Mönchtum geeignet sein. Das Vorbild der Thekla in den Acta Pauli et Theclae (auch Passio S. Theclae virginis) inspirierte in den ersten Jahrhunderten viele Christinnen, die Nachfolge Christi im monastischen Leben anzutreten – die Strahlkraft dieser Schrift kann u.a. im fächerübergreifenden Unterricht (z.B. mit Geschichte oder Latein) nachvollzogen werden.

Besonders lohnenswert ist die biographische Auseinandersetzung mit Hildegard von Bingen, nicht nur, weil ihr Leben sehr gut erschlossen ist, sondern auch, weil sie im späten Mittelalter auf einer Liste der einflussreichsten Menschen mit Sicherheit relativ weit oben gestanden hätte. Die Gleichberechtigung der Frauen, die politische und wirtschaftliche Karriere, die für Frauen im Mittelalter primär im Kloster möglich war, kann anhand dieser herausragenden Benediktinerin als Orientierungshilfe und Beispiel für junge Mädchen dienen (Dierk, 2014, 138-139). Die Mystik und die Spiritualität der Hildegard von Bingen verdienen darüber hinaus große Aufmerksamkeit, da in ihnen das Erleben Gottes zeitlos und individuell religiös ohne kirchlichen Rahmen konfessionsübergreifend erschlossen werden kann und somit dem religiösen Grundbedürfnis eines jeden Menschen entspricht (Dierk, 2014, 140-141): „Insbesondere zeigt Hildegards mystischer Zugang zur Wirklichkeit, dass Himmel und Erde nicht in Funktionen und Fähigkeiten aufgehen“ (Dam, 2013, 39) und entspricht damit der Kompetenzorientierung des schulischen Lehrplanes.

3.2. Klosterleben – auch gegenwärtig zugänglich

Die Lehre Hildegards von Bingen findet sich bis heute in vielen Ratgebern, unter ihrem Namen sind unzählige (naturmedizinische) Produkte zu erhalten. Je nach Wohnort lassen sich diese oder viele andere Produkte, die aus dem klösterlichen Leben heraus entstanden sind, finden. An etlichen Orten lässt sich auch über ein Klostergebäude oder sogar einen lebendigen Orden in der Nähe ein persönlicher Bezug zwischen den Jugendlichen und dem Thema Mönchtum herstellen (→ Regionalgeschichte, kirchengeschichtsdidaktisch). Durch den aktuellen Bezugspunkt schwindet der Zeitunterschied, es entsteht über ihn eine Verbindung in die Vergangenheit (→ Vergegenwärtigung, kirchengeschichtsdidaktisch). Das Lernen am Gegenstand (→ Gegenstände, kirchengeschichtsdidaktisch) entspricht besonders bei jüngeren Schülerinnen und Schülern der kognitiven Entwicklung (→ Entwicklungspsychologie), sowohl bei der Motivation als auch als Erkenntnishilfe oder als Baustein der Medienpädagogik (→ Medien) können die uns heute vorliegenden monastischen Realien herangezogen werden (Wiater, 2018, 47-48).

Darüber hinaus macht die moderne Technik oder persönliches Engagement das Leben der Vergangenheit in der Gegenwart gut nachvollziehbar. Eine anschaulichere Einsicht in den Alltag der Klöster können die Jugendlichen durch virtuelle Angebote beispielsweise zum aussagekräftigen Kloster(-plan) von St. Gallen erhalten. Auf verschiedenen Websites ist eine interaktive Karte oder eine 3D-Rekonstuktion des mittelalterlichen Klosters bereitgestellt (z.B. https://www.campus-galli.de/ oder http://architectura-virtualis.de/). Umberto Ecos „Der Name der Rose“ bildet weiterhin eine gut recherchierte Grundlage für die Annäherung an das klösterliche Leben. Der Film „Die große Stille“ (Gröning, 2005) gibt einen Einblick in die Grand Chartreuse, das Mutterkloster der Karthäuser, und vermittelt dem Zuschauer über fast drei Stunden Dauer eindringlich die Herausforderung des Schweigegebots in den Klöstern (→ Film, kirchengeschichtsdidaktisch). Der Vergleich des persönlichen Tagesplans der Schülerinnen und Schüler mit dem Tagesplan Ebbos (bzw. der Benediktiner an sich) kann eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem klösterlichen Grundsatz ora et labora (et lege) anregen. Über diese Reflexion können die Vorzüge des geregelten Tagesablaufs und der monastischen Work-Life-Balance bei den Benediktinern erarbeitet, und schließlich aktuelle Angebote der Klöster zur temporären Mitarbeit richtig eingeordnet werden. Ein derartiges Angebot wurde im Jahr 2020 als Doku-Soap „Ab ins Kloster – Rosenkranz statt Randale“ im Fernsehen ausgestrahlt. Aus der Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler heraus lässt sich durch den Einsatz einer Folge dieses Formats – wenn auch plakativ und oberflächlich – ein erster Einblick in das Klosterleben gewinnen. Der fachliche Hintergrund kann dann im Unterricht auf der Basis einzelner Szenen kritisch-konstruktiv entwickelt werden.

Anschauliche Zugänge zum Klosterleben ermöglicht eigenes Erleben: In einigen Klöstern wie beispielsweise im Kloster Memleben kann man museumspädagogische Angebote (→ Museum) nutzen, die neben einer Führung einen praktischen Teil enthalten, in dem mittelalterliches Essen eingenommen und Tätigkeiten des mittelalterlichen Mönchs ausgeübt werden können. Eine Studienfahrt nach → Taizé geht über diese Möglichkeit weiter hinaus, insofern ein Mitleben in der Gemeinschaft ermöglicht wird (Schiefer Ferrari, 2004, 6-14; Schroeter-Wittke/Dronsz, 2003, 406-412).

3.3. Regeln klösterlichen Lebens – Reflexionsangebote

Die Nachfolge Christi, die das Grundanliegen des monastischen und eremitischen Lebenskonzepts darstellt, geht über Wissen und Nachvollziehen klösterlicher Begebenheiten hinaus. Als didaktische Reflexionskategorie kann sie der Subjektwerdung (→ Subjekt) der Lernenden im Religionsunterricht dienen.

Anekdoten wie Mönche mit Fastengeboten „umgingen“ – wie z.B. das „Angeln“ von Wildschweinen oder die Umdeutung des Bibers zu einem Fisch – können auf amüsante Weise Reflexionen des eigenen Handelns anregen. Gemäß der moralischen Entwicklung nach Kohlberg geht es hierbei um eine Steigerung des ethischen Verhaltens von der konventionellen Ebene der Orientierung an Recht und Ordnung hin zur postkonventionellen Ebene, in der überdauernde ethische Prinzipien das Grundprinzip der Handlungen darstellen (Lindner, 2017, 41-42). Ausgehend vom konkreten monastischen Beispiel kann bspw. das Fasten als Idee der Christusnachfolge untersucht werden. Darauf aufbauend sind die Schülerinnen und Schüler in der Lage, die „Fasten-Tricks“ der Mönche im Mittelalter zu beurteilen sowie weiterführend Vorschläge für ein sinnvolles Fasten in der Gegenwart zu entwickeln. Diese Erkenntnisse können zur moralischen Urteilsfähigkeit der Schülerinnen und Schüler beitragen (Ziebertz, 2017, 439; Kropač, 2013, 336-339). Dadurch werden die Lernenden befähigt, gesellschaftliche wie kirchliche Regelungen in ihren Intentionen zu verstehen und jenseits einer bloßen Regelhörigkeit im Kontext von Gewissensentscheidungen für sich zu aktualisieren.

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