Deutsche Bibelgesellschaft

(erstellt: Februar 2016)

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1. Lebensweltliche Verortungen

Lebensweltlich sind Heilige je nach Kontext, in dem die Lernenden leben und aufwachsen, mit unterschiedlicher Intensität verankert. Die Begegnung mit ihnen findet an verschiedenen Orten statt.

Nahezu jedem Menschen begegnen gegenwärtig Personen, die als Heilige angesehen werden, beispielsweise bei Namensgebungen. Betrachtet man die beliebtesten Vornamen der letzten Jahre, zeigt sich, dass neben einigen biblischen Figuren sehr viele Heilige als Namenspatrone fungieren, vor allem bei den Vornamen für männliche Kinder. Unter den zehn beliebtesten Jungennamen sind mit Maximilian, Alexander, Paul, Luis, Luka beziehungsweise Lukas fünf Namen vertreten, die jeweils mit einem oder mehreren Heiligen in Verbindung stehen. Welche Gründe für die Namensgebung bei den Eltern ausschlaggebend waren, variiert. Abhängig vom Lebenskontext wird sich auch unterscheiden, ob und welche Bedeutung dem Namenstag beigemessen wird. Deutlich wird, dass die Analyse einer durchschnittlichen Lerngruppe (und ihrer Familien) hinsichtlich ihrer Vornamen die Spurensuche nach verschiedensten Heiligen eröffnet und sich die Frage lohnt, warum Menschen von ihren Eltern diesen Namen bekommen haben und wie es ihnen mit dieser Namensgebung geht.

Das Feld der Namensgebungen wird noch größer, bezieht man die Benennung von regionalen Kirchen, Schulen, Kindertagesstätten, Krankenhäusern oder anderen öffentlichen Einrichtungen ein. Es erscheint lohnenswert, der Frage nachzugehen, warum eine bestimmte Person zum Namenspatron wurde und wie sich das von ihr verkörperte Lebensideal im Profil der Einrichtung niederschlägt, gerade auch bei jüngeren Gründungen.

Bereits der Namenstag verweist auf das in der Lebenswelt unterschiedlich ausgeprägte Brauchtum. Die Erinnerung an Heilige und die Praxis von über Jahrhunderte entwickelten religiösen Traditionen im Kirchenjahr sollen weder als Voraussetzung angenommen werden noch als Zielvorstellung fungieren, sondern stellen einen Anknüpfungspunkt zwischen Lebenswelt und Heiligen dar. Hier wäre beispielsweise an den Martins-, Nikolaus-, Barbara- oder den Valentinstag, das Johannisfeuer, die Christophorusplakette oder die sogenannten ‚Eisheiligen‘ zu denken. Das notwendige kirchenhistorische Wissen ist dabei weder immer vorhanden, noch wird es zwangsläufig als relevant erachtet.

Gerade die Geschichten von Nikolaus von Myra (3./4. Jahrhundert) oder Martin von Tours (ca. 316/317 bis 397) werden beispielsweise stark legendarisch überformt und glattgeschliffen weitergegeben, was ihrer Beliebtheit keinen Abbruch tut.

Medial sind Heilige im weiten Sinn anlässlich ihrer Jubiläen von Geburt oder Tod meist sehr präsent. Biographien, Zeitungsartikel oder auch filmische Darstellungen, in Form von Dokumentationen oder Biopics (u.a. über Hildegard von Bingen [2009], Martin Luther [2003], → Reformation, Albert Schweitzer [2009] oder Dietrich Bonhoeffer [2000]), stärken die Medienpräsenz der erinnerten Personen (→ Film, kirchengeschichtsdidaktisch, → Film).

Heilige begegnen an bestimmten Erinnerungsorten (→ Orte, historische). Das können einerseits lokale und der Öffentlichkeit weniger bekannte Orte und Sagen sein oder andererseits touristische Highlights, die nicht nur als Wallfahrtstätten, sondern auch aus kulturellem Interesse heraus sehr viele Besucherinnen und Besucher anziehen. Überkonfessionell erfreuen sich Pilgerwege auf den Spuren Heiliger großer Beliebtheit. Sichtbar werden diese Wege im Alltag durch verschiedene Zeichen, wovon die gelbe Muschel auf blauem Grund als Zeichen für den sich durch Europa ziehenden Jakobsweg am häufigsten zu finden ist.

2. Kirchengeschichtliche Klärungen

2.1. Begriff

Der Begriff Heilige soll in einem dreifachen Sinn unterschieden werden. In einem weiten Verständnis sind unter Heiligen Personen zu verstehen, die religiöse Ideale in besonderer Weise verwirklicht haben (z.B. strengste Askese, Martyrium [→ Christenverfolgungen im frühen Christentum]) und deswegen von Gläubigen auf Grund ihrer Lebensführung und ihres Glaubens besonders geachtet werden. Die Heiligen können als Orientierungsfiguren fungieren. Damit kann eine spezifische Form der Verehrung mit einem bestimmten rituellen Kultus verknüpft sein, was zu Zeiten und an Orten geschieht, die mit dem Leben der Heiligen in Verbindung stehen. Eine deutliche Unterscheidung zwischen Heiligen und anderen religiösen Autoritäten ist religionswissenschaftlich nicht möglich (Bergunder, 2000, 1539f.). Die Heiligenverehrung ist u.a. im Christentum, → Judentum, → Islam, Buddhismus und Hinduismus bekannt (Lanczkowski, 1985, 641-645).

In einem engen juristischen Verständnis können Personen als Heilige bezeichnet werden, denen das Attribut der Heiligkeit im Heiligsprechungsverfahren zugesprochen wurde. Mit der Verehrung dieser Heiligen ist die Hoffnung auf Hilfe, Beistand sowie Wunder verbunden. In der orthodoxen Kirche sind Heiligsprechung und Heiligenverehrung auf Grund des Märtyrertodes, der Rechtgläubigkeit, des gottgefälligen Lebenswandels und der bewirkten Wunder möglich und bleiben zunächst auf die autokephalen Kirchen beschränkt. Typisch sind spezifische Ikonentypen für die jeweiligen Heiligen (Hannick, 1985, 663). In der katholischen Kirche erfolgt die Kanonisation durch den Papst auf ein vorausgehendes regional verankertes Seligsprechungsverfahren.

Von diesen beiden Begriffsklärungen ist ein drittes Verständnis zu unterscheiden, was sich auf die im Apostolicum bekannte „Gemeinschaft der Heiligen“ bezieht. Damit sind alle Glaubenden angesprochen und keinesfalls nur die kanonisierten Heiligen gemeint. Im alttestamentlichen Verständnis ist Gott der originär Heilige, was neutestamentlich auf den dreieinigen Gott ausgeweitet wird. Gottes Heiligungshandeln konstituiert das heilige Volk beziehungsweise die heilige Kirche; alle „Menschen in aller Welt sind zur Heiligkeit berufen, d.h. zur Lebensgemeinschaft mit Christus und dem Geist“, die durch die Taufe begründet und individuell entfaltet wird; alle, die zur Gemeinde gehören, sind in diesem Sinne Heilige und die Kirche bildet die „Gemeinschaft der Heiligen“, was sich auf die „seinshafte Bestimmung“ bezieht und keine Aussage über das tatsächliche Verhalten trifft (Hausberger, 1985, 647). Hausberger spricht davon, dass zu allen Zeiten Menschen begegnen, „die mit besonderer Leuchtkraft transparent machen, daß die Gnade siegt und die Welt erlöst ist. Das sind die Heiligen im strengen Sinne“ (647). Hier erscheint ein weiteres enges Verständnis von Heiligen, allerdings nicht im oben skizzierten juristischen, sondern in einem theologischen Verständnis, wobei diese Begriffsklärung teilweise dieselben Personen umfasst.

Zur weiteren Klärung hilft ein Blick auf die kirchenhistorische Entwicklung. Daher liegt im Folgenden der Schwerpunkt auf der christlichen Heiligenverehrung.

2.2. Kirchenhistorische Entwicklung

Formen der Heiligenverehrung waren den frühen Christen durch die jüdische und hellenistische Kultur bekannt. Im frühen Christentum galten die Apostel und die Märtyrer (mártys – Zeuge beziehungsweise Blut-Zeuge), die in der vorbildlichen Nachfolge → Christi ihr Leben gegeben hatten, als herausragende Christen. Die Anfänge der Heiligenverehrung liegen im spätantiken Märtyrerkult, was die kultische Verehrung bei den Märtyrergräbern einschloss.

Zum Gedenktag wurde der Tag des Martyriums, verstanden als Geburtstag (dies natalis) der Heiligen und nicht als deren Todestag. Kultzentren bildeten sich auch an den Orten, wo Überreste der Heiligen verehrt wurden, die mit der Expansion des Christentums ebenfalls Verbreitung fanden. Das zweite Konzil von Nicäa im Jahr 787 legte fest, dass Gott allein wahre Anbetung, den Heiligen hingegen Verehrung zukommen sollte (Hausberger, 1985, 652).

Die Heiligenverehrung nahm bis zum Spätmittelalter zu, sodass die communio sanctorum tausende Personen umfasste, die im mittelalterlichen Lebensalltag omnipräsent waren. Den Heiligen wurde eine bei Gott herausgehobene Stellung zugesprochen, was mit einer Verehrung, auch der Reliquien, einherging, von denen man sich bei Berührung Heilung oder andere Wunder erhoffte. In diesem Zusammenhang kann von „Sakralmobilität“ gesprochen werden. Diese umfasst Pilgerfahrten, die den Besitz von Reliquien nicht zuletzt wirtschaftlich sehr gewinnbringend für Klöster, Kirchen oder Kommunen machten (Wetzstein, 2004, 1f.). Heilige wurden zum Namenspatron bei Taufen und sie fungierten als Schutzpatrone – der Begriff aus dem römischen Recht wurde weiterverwendet – für bestimmte Berufsgruppen, Kirchen und Gemeinden sowie als Landes-, Stadt- oder Ordensheilige, deren Verehrung politisch propagiert wurde und der Identitätsbildung der jeweiligen Gemeinschaft diente (Köpf, 2000, 1541f.).

Das zeigt sich deutlich bei der Kanonisation der heiligen Elisabeth, die durch verschiedene Interessengruppen protegiert wurde, was beispielsweise zur Folge hat, dass je nach Absicht verschiedene Viten und Verehrungsformen entstanden.

Im Spätmittelalter entwickelte sich ein Kult um die Heiligen, der jedem seine spezifische Funktion angesichts einer Vielzahl von möglichen Notlagen zuwies, sowie eine Kumulation von Heiligen. Dieses Interesse spiegelt sich in den aus zusammengetragenen Reliquien bestehenden Heiligtumssammlungen wider, wobei die von Friedrich dem Weisen (1463-1525) im Zuge der → Reformation besondere Prominenz erlangte, obwohl die von Albrecht von Brandenburg in Halle größer und bedeutsamer war.

Der Weg zur Verehrung als Heilige wandelte sich im Lauf der Geschichte. Zum Ende des achten Jahrhunderts wurden erste Regelungen für das Heiligsprechungsverfahren getroffen. Zuvor wurde ein regional verschiedenes und bischöflich gebilligtes Gedenken an die Märtyrer praktiziert, beispielsweise von Personen und Herrschern mit heiligmäßigem Lebenswandel. Mit der Etablierung des Christentums konnte der gewaltsame Tod als Märtyrer nicht länger als einziges Leitbild fungieren, weshalb andere Kennzeichen für Heiligkeit hinzutraten, u.a. Asketentum, Jungfräulichkeit, Witwenschaft. Neben den Märtyrern lassen sich zwei Grundtypen von Heiligen unterscheiden, die jeweils den Polen Weltflucht oder Weltgestaltung zugeordnet werden können, das heißt einerseits diejenigen, die heldenhaft und aktiv Christentum gestalten, und andererseits die, die asketisch der Welt entsagen (Hausberger, 1985, 651).

In der katholischen Kirche entstand die Kanonisation als juristischer Akt der Heiligsprechung. Das bedeutet die Aufnahme in den Kanon der Heiligen, die in der Weltkirche verehrt werden, im Gegensatz zu den regional verehrten Seligen. Das Recht der Kanonisation kam zunächst den Bischöfen und den Synoden zu, bevor es seit Innozenz III. im zwölften Jahrhundert als päpstliches Recht beansprucht wurde. Voraussetzung für die Heiligsprechung nach dem Codex Iuris Canonici ist die Seligsprechung oder eine öffentliche Verehrung über einen längeren Zeitraum. Selig- und Heiligsprechung setzen jeweils durch Fürbitte von den Heiligen gewirkte Wunder voraus. Für das Seligsprechungsverfahren sind zudem das (heiligmäßige) Leben, die Taten und Tugenden und gegebenenfalls das Martyrium zu recherchieren. Aus der regionalen Verehrung der Seligen wird durch die Kanonisation die Verehrung in der Gesamtkirche (Döpmann, 2001, 777f.; Marckhoff, 2002).

Im 20. Jahrhundert wurden durch das Zweite Vatikanische Konzil in Lumen gentium Heilige in die eschatologische Dimension der Kirche eingebettet und formuliert, dass die Seligen die Kirche stärken und zu ihrem Aufbau beitragen, dass sie die Würde des Gottesdienstes erhöhen sowie Fürbitte einlegen und so durch ihre brüderliche Sorge Hilfe leisten (Hausberger, 1985, 656; Lumen gentium, Artikel 49).

Die reformatorische Kritik richtete sich nicht gegen eine Erinnerung an die Heiligen an sich, sondern gegen die „Entartungserscheinungen“ (Schulz, 1985, 665) im spätmittelalterlichen Heiligenkult. In der Confessio Augustana (21) heißt es, dass man zwar der Heiligen zur Stärkung des Glaubens gedenken soll, da an ihnen sichtbar wird, wie ihnen Gnade widerfahren ist und wie ihnen durch den Glauben geholfen wurde. Ihre guten Werke sind beispielhaft. Abgelehnt wird jedoch – da es biblisch nicht verankert ist –, Heilige anzurufen oder um Hilfe zu bitten, denn die Heiligen sollen keine Mittlerfunktion zwischen Gott und den Menschen übernehmen. Es gilt die reformatorische Einsicht in solus Christus und sola fide, das heißt, den Heiligen kommt keine Heilsfunktion zu, wohl aber gelten sie als gute Beispiele christlicher Lebensführung, die den → Glauben und die Nachfolge Christi veranschaulichen.

Die Überzeugung vom durch den Glauben geschenkten Heil veränderte die Volksfrömmigkeit: Almosengeben, Pilgern oder Reliquienverehrung gehörten in reformierten Gebieten der Vergangenheit an. Seit der Reformationszeit gab es Versuche, die Erinnerung an die Heiligen durch Namenkalender wachzuhalten, und seit 1984 gibt es eine ökumenische Variante des evangelischen Namenkalenders.

Zwar schreibt der Protestantismus den Heiligen eine andere Funktion zu, aber eine legendarische Überformung von Biographien sowie eine Erinnerungskultur, die Mythen konstruiert und der eine legitimatorische Funktion zukommt, ist sowohl im katholischen als auch im evangelischen Bereich zu beobachten.

3. Religionsdidaktisch-praktische Überlegungen

Gegenwärtig ist ein verstärktes Interesse an Biographien, biographischem und biographisch orientiertem Lernen (→ Biografisches Lernen) festzustellen. Die Heiligen im weiten oder engen Verständnis können sehr gut unter diesem Interesse betrachtet werden und so ihren relevanten Ort in der → Religionspädagogik finden. Zuerst soll daher überlegt werden, worin die Relevanz des Themas für Lernende liegt und welche Lernmöglichkeiten damit verbunden sind.

3.1. Relevanz und Lernmöglichkeiten

Heilige im weiten Sinn stellen in bildungstheoretischer Perspektive (→ Bildungstheorie) Orientierungsangebote dar, denn sie repräsentieren gelebte Religion und laden zur Auseinandersetzung mit ihren Überzeugungen und deren Umsetzung ein. Chancen und Grenzen hat Hans Mendl herausgearbeitet (Mendl, 2015).

Die Vielfalt von Heiligen und der Verehrung, die ihnen zukommt, regt eine ökumenische und interreligiöse Verständigung (→ Interreligiöses Lernen) über Inhalte und Formen gelebter Religion an. Außerdem kommt die Vielfalt der Heiligen (z.B. Herkunft, Geschlecht, Alter, Religionszugehörigkeit, Fähigkeiten, Beeinträchtigungen, Lebensform) einer heterogenitätssensiblen Religionspädagogik (→ Inklusion) an verschiedenen Lernorten (→ Lernorte religiöser Bildung) entgegen. Die Kritik, dass diese Vielfalt sich bei offiziellen Heiligsprechungen nicht widerspiegelt (Mendl, 2015, 50-59), ist zu problematisieren. Eine konfessionell-kooperative (→ Konfessionell-kooperativer Religionsunterricht) , interreligiöse und fächerübergreifende Verständigung über Heilige und die Frage, was solche Orientierungsangebote leisten oder auch nicht leisten, legt sich nahe.

Vor allem die kanonisierten Heiligen weiten im Blick auf Ökumene und weltweites Christentum insofern die Perspektive, da sie zugleich eine globale wie eine lokale Perspektive vereinen.

Heilige sind nicht nur unter der Frage von Bildungsprozessen relevant, sondern auch hinsichtlich ihrer kulturhistorischen Prägekraft für Raum, Zeit und Kultur. Heilige haben ihre Spuren hinterlassen, auch wenn diese nicht immer sofort zu erkennen sind. Religionspädagogisch sinnvoll wäre es, materielle und immaterielle Erinnerungsorte zu erschließen. Dafür bietet sich eine lokale Spurensuche, verbunden mit → Kirchen(raum)pädagogik, an. Gefragt werden kann nach den alten Verkehrs- und Pilgerwegen (z.B. Jakobsweg, Via Regia), die häufig mit Heiligenkulten verbunden waren. Gegenwärtig erlebt das Pilgern eine Renaissance, beispielsweise neben dem Jakobsweg auch bei dem Lutherweg oder dem Elisabethpfad, wo sich biographische, touristische, historische und religiöse Anliegen verbinden.

Mit Heiligen sind aufs engste Hagiographien sowie Artefakte aus ihrem Leben verbunden, an denen sich Erinnerung kristallisiert. Interessant ist die didaktische Grundstruktur, die der Erinnerung innewohnt, denn die Überlieferung geschieht nicht absichtslos, sondern stets intentional mit der Absicht von Erbauung und Nachfolge.

Die These von Frieder Schulz, der im Brauch, Straßen mit Namen aus Politik und Kultur zu versehen, eine „säkularisierte Transformation der Heiligenverehrung“ sieht und in diesem Zusammenhang auf Briefmarken, die „bedeutende Menschen aus dem Bereich des öffentlichen Lebens abbilden und damit so etwas wie ‚profane Heiligenbildchen‘ werden“, verweist (Schulz, 1985, 667), kann kritisch diskutiert werden.

Lernziel kann weder sein, Heilige zu verehren (Lindner, 2014), noch die Lebensbeschreibungen als direkte Anleitung, es den Heiligen gleichzutun, zu interpretieren (Lindner, 2007, 283-287).

Nachdem Relevanz und Lernmöglichkeiten dargestellt wurden, soll nun nach der Umsetzung gefragt werden.

3.2. Umsetzung

Heilige gehören zu einer biographisch orientierten Religionspädagogik (→ Biografieforschung). Religionsunterrichtlich begegnen sie im Kontext des Themenfeldes „Stars, Idole, Vorbilder“, womit häufig eine Loslösung von ihrem historischen Kontext einhergeht. Neben große Personen wie Martin Luther (→ Reformation) oder Dietrich Bonhoeffer treten auch Personen aus dem persönlichen Umfeld.

Wenn Heilige als Orientierungsfiguren dienen sollen, dann ist es für die Verknüpfung mit der Lebenswelt der Lernenden wichtig, dass Personen aus deren Leben mit eingebunden und ebenso wertgeschätzt werden. Es darf keine negativ bewertende Gegenüberstellung von „nur“ lebensweltlichen Vorbildern und „guten“ Heiligen stattfinden.

Mit den Lernenden muss der Begriff „Heilige“ reflektiert werden, um zu unterscheiden, ob unter Heiligen die kanonisierten Personen oder allgemein religiöse Orientierungsfiguren verstanden werden oder ob mit der „Gemeinschaft der Heiligen“ nicht jedem Getauften der Zuspruch und Anspruch als Heiliger zukommt. Die Begriffsklärung konstituiert zugleich die Perspektive und die zur Auswahl stehenden Personen, sodass religionspädagogisch ein weites Verständnis zu präferieren ist.

Medial werden aktuelle Selig- oder Heiligsprechungen meist kritisch betrachtet, was u.a. daran liegen kann, dass das für die Kanonisation erforderliche Wunder als Widerspruch zum naturwissenschaftlich orientierten Denken der Moderne aufgefasst wird. Teilweise ist damit auch Kirchen- und Religionskritik verknüpft. Mit Jugendlichen und Erwachsenen sind in diesem Zusammenhang neben dem Begriff „Heilige“ auch Wunder (→ Wunder, bibeldidaktisch) und ihr theologisches Verständnis zu thematisieren sowie über deren Kritik nachzudenken.

Nach diesen allgemein gehaltenen Überlegungen zum biographisch orientierten Lernen sollen Heilige nun unter kirchengeschichtsdidaktischer Perspektive betrachtet werden.

3.3. Kirchengeschichtsdidaktische Konkretionen

Voraussetzung dafür, dass Heilige ihr biographisches Orientierungspotenzial für Lernende entfalten können, ist deren historische Kontextualisierung. Das schützt vor einer rein moralischen Vereinnahmung und ermöglicht, über die einzelne Vita biographisch akzentuiert Kirchengeschichte zu erschließen (Lindner, 2007, 285f.). Die Kontextualisierung schließt ein, die Heiligen in ihrer Zeit und deren Denken sowie unter ihren jeweiligen Lebensbedingungen einzuordnen und gegebenenfalls zu bewerten.

Die historische Bearbeitung darf nicht beim Legendarischen bleiben. De- und Rekonstruktion lassen sich am Heiligsprechungsprozess und in der hagiographischen Überformung besonders gut zeigen, fordern aber auch seitens der Lernenden ein Verständnis für die spezifische Quellengattung Hagiographie, die – intentional und sich bestimmter Symbole bedienend – das Bild einer Person zeigt.

Zu analysieren ist, dass die Quellen zu den kanonisierten Heiligen einen spezifischen Sitz im Leben haben. Dieser ist erstens durch Frömmigkeit und Verehrung gekennzeichnet und zweitens durch juristische Belange, da die Quellen mit der Intention verfasst wurden, das heiligmäßige Leben der betreffenden Person zu rekonstruieren, um die Heiligsprechung zu ermöglichen. Es soll hier nicht für Rechtsgeschichte als Inhalt → religiöser Bildung plädiert werden, sondern dafür, kritisch die Standortgebundenheit der Quellen wahrzunehmen und eine Kontextualisierung der Biographien vorzunehmen.

De- und Rekonstruktion schließen ein, die Rezeptionsgeschichte zu reflektieren. Das betrifft auch die künstlerische Rezeption durch Ikonographie und Heiligenattribute (gleichsam als Erkennungsmerkmale in einer illiteraten Gesellschaft). Diese Frage ist allerdings nicht nur an kanonisierte Heilige der katholischen Kirche zu richten, sondern ebenso an Heilige im weiten Sinne, z.B. an die Darstellung Martin Luthers mit der Bibel in der Hand. Das wirft die Frage auf, welche Attribute für Heilige heute denkbar wären.

In diesem Zusammenhang ist darauf zu verweisen, dass keine unhistorischen Abbildungen zur Illustration genutzt werden sollten. Wenn zeithistorische Darstellungen nicht vorhanden sind, sondern nur hagiographisch überformte Bilder vorliegen, können diese verglichen und auf ihre Intention befragt werden. Aus künstlerischen Darstellungen können meist Brauchtum und damit verknüpfte Traditionen herausgelesen werden, was auf die damit verbundene Frömmigkeit verweist.

Kirchengeschichtsdidaktisch ist zu bedenken, welche Fragen an die vorliegenden Quellen (→ Quellenarbeit, kirchengeschichtsdidaktisch) gestellt werden. Hier ist zu überlegen, dass die Auseinandersetzung sich nicht nur auf die Ebene der Gottesbeziehung oder der Nächstenliebe bezieht, denn aus historischer Perspektive geben die Heiligenviten, ihre Porträts sowie die Kanonisationsakten einen wichtigen Einblick in die antike und mittelalterliche Frömmigkeit sowie in Sozial-, Medizin-, Kindheits-, Geschlechter-, Bildungs-, Kunst- und politische Geschichte (Wetzstein, 2004, 6). Wunderberichte, die zur Kanonisation gehören, geben beispielsweise einen sozialgeschichtlichen Einblick in die Lebenswirklichkeit und Frömmigkeit vergangener Christinnen und Christen ebenso wie die Kultpraxis, die zeigt, wovor Menschen beispielsweise Angst hatten. In den Lebensbeschreibungen sind menschliche Grunderfahrungen gespeichert.

Um einen multiperspektivischen Zugang zu den Quellen zu ermöglichen, bietet sich ein fächerübergreifendes Lernen an.

Anforderungssituationen für ein kompetenzorientiertes Lernen (→ Kompetenzorientierter Religionsunterricht) ergeben sich vor allem kulturhistorisch, beispielsweise aus den Namensgebungen verschiedener Einrichtungen.

Ausgehend von der Beobachtung, dass es in sehr vielen deutschen Städten Elisabeth-Krankenhäuser gibt, ließe sich problematisieren, ob es richtig ist, dass ein Krankenhaus nach einer Person benannt wird, die ihre körperlichen Bedürfnisse missachtete, die sich und ihren Mitstreiterinnen und Mitarbeitern keine körperliche Erholung zubilligte, weil sie in den Armen, Elenden und Kranken den leidenden Christus sah, dem sie nahe sein wollte. Zur positiven Würdigung ist nach dem Anspruch zu fragen, der sich mit Elisabeth und ihrer ganzheitlichen Leib-Seele-Fürsorge verbindet.

Eine kritische Würdigung ließe sich ebenfalls für die nach Elisabeth von Thüringen benannten Schulen problematisieren, woraus eventuell noch eine größere Nähe zur Lebenswelt der Lernenden hergestellt werden würde.

Aus der Ausgangsfrage ergeben sich weitere Anschlussfragen nach der Biographie der Namensgeberin, ihrer Motivation und ihren theologischen Überzeugungen sowie der Rezeptionsgeschichte und ihrer Präsenz im kulturellen Gedächtnis.

Ein Ergebnis wäre, begründet zu Namensgebungen (auch bei Straßennamen), vorhandener Erinnerungskultur und historischer Grundlegung Stellung beziehen zu können. Darauf können sich auch Gestaltungsaufgaben beziehen; Mendl stellt dazu vielfältige methodische Möglichkeiten vor (2015, 245-274).

4. Schluss

Abschließend bleibt zu sagen, dass Heilige für → religiöse Bildungsprozesse bereichernd, aber auch herausfordernd erscheinen. Diese Spannung zeigt sich bereits am Begriff, der häufig auf die kanonisierten Heiligen enggeführt wird. Bei einer solchen Engführung gehen der Zuspruch und Anspruch der Heiligkeit an jeden Christen sowie die unterreligiöse Dimension (→ Interreligiöses Lernen), zu der auch Heilige in einem sehr weiten religiösen Spektrum gezählt werden können, verloren.

Für historische Personen gilt, dass sie historisch-kritisch zu analysieren sind, wenn eine Orientierung an ihnen möglich sein soll. Das setzt seitens der Lernenden viel voraus. Kirchengeschichtsdidaktisch aufbereitete Materialien, die De- und Rekonstruktion zulassen, kirchenhistorisches Lernen ermöglichen und verschiedene Personenkreise repräsentieren, liegen noch zu wenig vor.

Im Blick auf die jeweilige Lerngruppe und ihren religionspädagogischen Kontext ist zu überlegen, welche Personen zur Auswahl gestellt werden. Die Auswahlkriterien sind zu reflektieren (Mendl, 2015, 88-92). Der Fokus sollte auf der Verbindung zur Lebenswelt liegen, da sie ermöglicht, dass die historischen Personen in begründet ablehnender oder zustimmender Perspektive Orientierungsfiguren werden.

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