Kunst, kirchengeschichtsdidaktisch
(erstellt: Februar 2017)
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Digital Object Identifier: https://doi.org/10.23768/wirelex.Kunst_kirchengeschichtsdidaktisch.100278
Wenn im Folgenden von Kunst die Rede ist, dann wird diese zum einen auf Werke der bildenden Kunst begrenzt (vgl. zu anderen Kunstgattungen u.a. → Film
1. Kunst als Zugang zur Kirchengeschichte – interdisziplinäre Herausforderungen
Kirchengeschichtsdidaktische Lernsettings mit Kunst stehen vor vielfältigen interdisziplinären Herausforderungen: Die Arbeit mit Kunst muss die spezifisch ästhetischen Eigenschaften von Kunstwerken berücksichtigen, entsprechende interdisziplinäre Kompetenzen sind für Lehrende und Lernende unerlässlich (→ Bildung, ästhetische
Diese enge Bezogenheit darf jedoch die religionspädagogische Fokussierung und Thematisierung von Kunst und Kirchengeschichte in → religiösen Bildung
2. Potenziale von Kunst für kirchengeschichtsdidaktisches Arbeiten
Das digitale Zeitalter (→ digitale Medien, kirchengeschichtsdidaktisch
Kunstwerke können – quasi stellvertretend – religiöse Erfahrungen und Positionen in das Lerngeschehen einbringen. Was Langenhorst für Literatur in der Kirchengeschichtsdidaktik postuliert, gilt analog für bildende Kunst: „Dort, wo eigenes Erleben fehlt, braucht es Zugänge zu geronnener, stellvertretender Erfahrung. Literatur substituiert, komprimiert und gestaltet hier also Erfahrung“ (Langenhorst, 2016, 3.1
Besondere Relevanz besitzt hierbei die Simultaneität von Bildern. Diese zeigen simultan, was sich in Worten zumeist nur sukzessive entfalten lässt (Gärtner, 2016, 139f.). Für kirchengeschichtliches Lernen bedeutend ist dabei, dass in Kunstwerken historische Prozesse materiell simultan anschaulich werden können, so z.B. durch wahrnehmbare Brüche, Zerstörungen, Übermalungen. Hierdurch wird zugleich Geschichtlichkeit selbst wahrnehmbar (Bork/Gärtner, 2016, 262).
Durch die Mehrdeutigkeit, Einzigartigkeit und zugleich Mannigfaltigkeit von Kunstwerken lässt sich allgemein das kirchengeschichtsdidaktische Potenzial von Kunst nicht umfassend bestimmen. Dennoch können drei Typen von kirchengeschichtsdidaktisch relevanten Kunstwerken und ihre Funktion näher charakterisiert werden.
- 1.
Kunst als historische Quelle: Kunstwerke können als historische Quellen verwendet werden, die nicht nur religiöse Erfahrungen der Vergangenheit, sondern ebenso die sozialen, politischen und gesellschaftlichen Kontexte der Werke bedingt sichtbar machen (Tacke, 2016, 237). Die Quellenarbeit hat sich dabei an der kunstgeschichtlichen Methodik auszurichten, wie auch für die Arbeit mit historischen Quellen die Geschichtswissenschaft bzw. -didaktik methodologisch leitend ist (Bork, 2016, 87). Die Auswahl dieser künstlerischen Quellen kann sich an den in der Kirchengeschichtsdidaktik etablierten Auswahlkriterien orientieren, so z.B. ökumenische Ausrichtung, regionalgeschichtliche Aspekte, alltagsgeschichtliche Perspektiven, interreligiöse Dimensionen, Frauen und Männer, Berücksichtigung der Opfer und „Verlierer“ von Kirchengeschichte (Lindner, 2015, 2.2
). - 2.
Kunst als historisch bedingte (Re-)Konstruktion von Geschichte: Künstlerinnen und Künstler haben immer wieder (Kirchen-)Geschichte selbst ins Bild gebracht (z.B. Giotto, Der Traum des Papstes Innozenz III. Fresko Assisi, um 1295/1300). Dabei haben sie diese Geschichte im Horizont ihres individuellen sowie sozio-kulturellen Kontextes gedeutet, (re-)konstruiert oder auch transformiert. Künstlerinnen und Künstler sind Seismografen ihrer Zeit (Lange, 1993, 256), ihre Werke zeugen entsprechend von der jeweiligen (Kirchen-)Geschichtskultur. Zugleich zeugt Kunst aber auch von dem je individuellen (Kirchen-)Geschichtsbewusstsein (→ Geschichtsbewusstsein
) der Kunstschaffenden. Sie veranschaulicht, wie diese (Kirchen-)Geschichte individuell gedeutet und (re-)konstruiert haben. Die Auseinandersetzung mit Kunst kann somit dazu beitragen, die (Re-)Konstruktion von Geschichte exemplarisch wahrzunehmen und zu deuten und damit zur Sensibilisierung für Kirchengeschichte als je individuelles Konstrukt beizutragen. - 3. Kunst als Reflexion über die (Re-)Konstruktion von Geschichte: Über (Kirchen-)Geschichtskultur und -bewusstsein wird in Kunstwerken teils auch explizit reflektiert (z.B. folgende Kunstwerke: Thomas Struth, Restauratoren San Lorenzo Maggiore, 1988-1989; Kent Monkman, The Academy, 2008). Eine Auseinandersetzung mit solchen Werken ermöglicht explizit eine Thematisierung von (Kirchen-)Geschichtskultur und -bewusstsein, die als zentrale Voraussetzung reflektierten (kirchen-)geschichtlichen Denkens und Urteilens betrachtet wird (Bork, 2016).
3. Ziele kirchengeschichtsdidaktischen Arbeitens mit Kunst
Da Kunst in dem vorliegenden Kontext der Kirchengeschichtsdidaktik zu- bzw. untergeordnet ist, teilt ihre didaktische Erschließung kirchengeschichtsdidaktische Zielsetzungen, nämlich zur religiösen Subjektwerdung, zur Identitätsentwicklung sowie Orientierungs- und Sinnstiftung der Heranwachsenden durch Auseinandersetzung mit Kirchengeschichte beizutragen (Bork/Gärtner, 2016, 259; Lindner, 2015, 2.2
Die kirchengeschichtliche Arbeit mit Kunst zielt dabei auf die Befähigung, das künstlerisch-kulturelle Erbe explizit in seinen religiösen Dimensionen interpretieren und aneignen zu können, die in kunstpädagogischen Zugängen oftmals keine, in kunstgeschichtlichen Diskursen nur bedingte Relevanz besitzen (Welzel, 2016, 63f.). Kunstwerke zeichnen sich jedoch durch Polysemie aus und benötigen mehrperspektivische Zugänge, um diese in ihrer Breite erschließen zu können. Ohne die Berücksichtigung ästhetischer, gesellschaftlicher, historischer, kultureller aber auch religiöser Dimensionen werden diese unterkomplex rezipiert. Es ist daher Ziel einer kirchengeschichtssensiblen Erschließung von Kunstwerken, eben diese religiösen Dimensionen zu thematisieren.
Ein so ausgerichtetes kirchengeschichtliches Arbeiten setzt die Fähigkeit voraus, multiperspektivische (→ Perspektivenwechsel
4. Prinzipien kirchengeschichtsdidaktischen Arbeitens mit Kunst
Eine kunstorientierte Kirchengeschichtsdidaktik ist auf (neue) Entdeckungen an und mit Kunst ausgerichtet. Sie sucht in Kunst und Kultur, wie Kirchengeschichte als religiös-kulturelle Praxis auf einer ästhetischen Ebene sicht- und erfahrbar wird, die „eher subkutan in den Selbstverständlichkeiten unserer Zivilisation“ (König, 2016, 54) wirkt. Die Arbeit mit Kunst ist kulturhermeneutisch und damit offen ausgerichtet und sucht nach der (bleibenden) Bedeutung von Kirchen, Christentum und ihrer Geschichte für Kultur, → Gesellschaft
Der Dialog mit der Kunstpädagogik verdeutlicht, dass eine kunstorientierte Kirchengeschichtsdidaktik nicht auf hermeneutisch, rezeptiven Prozesse zu beschränken, sondern auch produktiv-kreativ (→ Kreativität
Viele Werke aus der christlichen Kunstgeschichte entstammen liturgisch-funktionalen Kontexten und wurden von den Menschen in Gebrauch genommen: Vor ihnen wurde gebetet, sie dienten der memoria (→ Erinnerung
5. Unterschiedliche Lernorte
Die religionspädagogischen Lernorte → Schule
Die gemeindlich-katechetische Arbeit kann durch den Kirchenraum Kunstwerke in ihrer religiös-funktionalen Gebundenheit wahrnehm- und erfahrbar machen (Burrichter/Gärtner, 2014, 214-223) und daher insbesondere Möglichkeiten des performativen Lernens bieten. Zugleich artikuliert sich der ästhetische wie auch historische Charakter eines Werkes in einem zweckgebundenen (z.B. liturgischen) Kontext oftmals weniger stark als in einem Museum.
Am Lernort Schule wiederum stehen didaktisch inszenierte Lernprozesse im Fokus, weder die Originalität des Werkes noch dessen (religiöser) Kontext können hier in der Regel authentisch verdeutlicht werden. Es verwundert daher nicht, dass im schulischen Religionsunterricht oftmals Bilderschließungen im Frontalunterricht dominieren (Gärtner, 2015, 101-104), die sich an den fünf Schritten von Günter Lange orientieren (Lange, 1993). (Historisches) Lernen mit Bildern neigt dann dazu, kognitiv und weniger erfahrungs- und subjektorientiert ausgerichtet zu sein.
6. Problemstellungen und Forschungsbedarf
Eine kunstorientierte Kirchengeschichtsdidaktik ermöglicht erfahrungs-, subjekt- und produktionsorientiertes Lernen, zugleich zeigen kunstdidaktische Studien, dass dabei die fachliche Orientierung teilweise aus dem Blick gerät und die historische sowie ästhetische Komplexität der Werke unterlaufen wird (Gärtner, 2016; Welzel, 2016). Zwischen didaktischer Verzweckung des Eigenwerts der Kunst auf der einen und subjektiver Beliebigkeit im Umgang mit dem Werk auf der anderen Seite scheint ein nur schmaler Grat zu verlaufen – auch in der Kirchengeschichtsdidaktik. Im Hinblick auf kirchengeschichtliches Lernen ist hierbei insbesondere zu reflektieren, inwiefern subjektorientierte, kreative Produkte die historische Distanz und religiöse Kontextualisierung (unzulässig) minimieren und zu ahistorischer oder areligiöser Aneignung verleiten, die primär die eigenen Empfindungen und Erfahrungen widerspiegeln. In Hinblick auf produktives Schreiben (→ Kreatives Schreiben
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