Deutsche Bibelgesellschaft

Musik, kirchengeschichtsdidaktisch

(erstellt: Februar 2017)

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1. Begründungskontext

Bildungstheoretischer Ausgangspunkt für eine → Kirchengeschichtsdidaktik mit → Musik in Lehr- und Lernprozessen ist die mehrperspektivische Erschließung von Wirklichkeit, mit der sich das lernende Subjekt Orientierungswissen aneignet, um das eigene Leben aktiv gestalten und am gesellschaftlichen Leben selbsttätig teilnehmen zu können. Wirklichkeit wird durch eigene Erfahrungen wahrgenommen und in der Begegnung mit anderen Deutungen als unmittelbare Fremderfahrungen (Widerfahrnis) und als gespiegelte Auslegungen dieser Erfahrungen in die eigene Lebensgeschichte eingeschrieben (Ritschl, 1998, 340). Dies geschieht aufgrund von Erinnerung an Vergangenes anhand der Vergegenwärtigung der Grundfrage, welche Erfahrungen sich als tragfähig im Hinblick auf ein gelingendes Leben auch in Zukunft erweisen. Bezieht sich dieser Verschränkungsprozess von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft auf vorbiografische Phänomene, spricht man vom historischen Bewusstsein beziehungsweise → Geschichtsbewusstsein (Hasberg, 2015, 1.). Dieser aktive Aneignungsprozess des lernenden Subjekts geschieht nachhaltig vor allem innerhalb kulturell-ästhetischer Kontexte und ereignet sich in den Bereichen Religion, Geschichte, Erfahrung und Sprache. In diesem kulturhermeneutischen Feld liegt auch die Anschlussstelle für die Religionspädagogik, mit Musik kirchendidaktisch umzugehen (König, 2013).

1.1. Nachhaltige Bildung und Ästhetik

Von nachhaltiger Bildung im ästhetischen Kontext kann gesprochen werden, wenn – im Gegensatz zum oberflächlichen, mechanisch-habituierten Lernen – die Tätigkeit des lernenden Subjekts innerlich-aktiv und selbstständig ist. Friedrich Schleiermacher spricht in diesem Zusammenhang von der Selbstorganisation des Geistes (Schleiermacher, 1967, 102f.), durch welche diese innere Tätigkeit frei und tiefgründig im Sinne einer autopoiesis (Nipkow, 2010, 324) geschieht und mit der Religion gleich gesetzt werden kann: „Aus dem Innersten seiner Organisation muss alles hervorgehen, was zum wahren Leben des Menschen gehören und ein immer reger und wirksamer Trieb in ihm sein soll. Und von dieser Art ist die Religion; in dem Gemüth, welches sie bewohnt, ist sie ununterbrochen wirksam und lebendig, macht alles zum Gegenstande für sich, und jedes Denken und Handeln zu einem Thema ihrer himmlischen Phantasie“ (Schleiermacher, 1967, 102f.). Der affektiven Wirkungsweise der Religion im Inneren des Menschen als Prozess der freien Selbstorganisation des Lernenden können für den Lehrenden die Dichtung, die Musik, die darstellenden und reproduzierenden Künste gegenüber gestellt werden. Als Medium in der Kunst des Unterrichtens ermöglichen sie durch die Anwendung von Kunstregeln im individuellen Schöpfungsakt freien Gestaltungsraum – professionstheoretisch (→ Professionsforschung) für den Beruf als Pfarrer und Pfarrerin oder auch als Gemeindepädagoge oder Religionslehrerin (Hinzufügung H.L.): „Wie kein anderer praktischer Theologe entwickelt Schleiermacher die verschiedenen Disziplinen der pastoralen Berufstheorie im Zusammenhang künstlerischer Wahrnehmung. Er entfaltet die Praktische Theologie aus dem engen Zusammenhang, der zwischen Kunst und Religion besteht“ (Steck, 1985, 747). Damit besteht für den Einsatz von Musik in Lehr- und Lernprozessen von Schule und Gemeinde eine doppelte Chance: Aus Sicht der Lehrenden wirkt Musik einerseits in schöpferischen Prozessen als Metapher für die Kunstregeln des Unterrichtens, die Schleiermacher für die Praktische Theologie syllogistisch und professionstheoretisch mit der schöpferischen und freien Tätigkeit des Künstlers vergleicht. Dieser Zusammenhang hat sich pädagogisch in der Lehrkunst-Didaktik von Martin Wagenschein niedergeschlagen (Lindner, 2009, 117f.). Als Instrument nachhaltiger Bildung trägt sie andererseits für Lernende zur Selbstorganisation des Subjekts, vor allem aufgrund Ihrer memorierenden Funktion bei. Daher ist Musik insbesondere in kirchengeschichtsdidaktischen Kontexten, in denen es unter anderem um Erinnerungskulturen (→ Erinnerung/Erinnerungslernen) geht, wirksam, um sich Lerngegenstände, wie beispielsweise Kirchenmusik zu einer bestimmten historischen Thematik, frei und tiefgründig anzueignen und in die eigene Lebensgeschichte einzuschreiben, oder auch musikalische Verwendungen und Wirkungsweisen, wie zum Beispiel einen Einsatz von Musik zu Propaganda-Zwecken in der NS-Zeit, kritisch zu dekonstruieren.

1.2. Erinnerungsfunktion von Musik

Überträgt man das bisher Gesagte in einen neurowissenschaftlichen Kontext, so muss vor dem Hintergrund nachhaltiger Bildung, insbesondere für die Kirchengeschichtsdidaktik, von den sogenannten Gedächtnissystemen gesprochen werden. Geht es beispielsweise um die Aneignung von Fakten, Themen und Sachen aus der Geschichte, wird das semantische Gedächtnis als Langzeitgedächtnis des Wissenssystems aktiv (Piefke/Fink, 2013, 14). In diesen Kontexten kann Musik, insbesondere aufgrund ihrer Symbolsprache (→ Symboldidaktik) und ihrer emotionalen Ausdruckskraft, dazu beitragen, kirchengeschichtliche Wissensbestände zu erwerben oder auch zu festigen und zu memorieren. So werden beispielsweise im Zusammenwirken von Musik, Politik und Religion musikalische Codierungen in Spirituals und Gospels oder die Symbolsprache funktionaler Musik, wie z.B. der Kirchenmusik, der Unterhaltungsmusik, der Militärmusik usw., über Jahrhunderte im kollektiven Gedächtnis (Assmann, 2002, 35) erinnert und durch kritische Dekonstruktion von Bedeutungszuschreibungen aus den verschiedenen Rezeptionsebenen der jeweiligen Zeit heraus zur Interpretation und Memorierung überzeitlicher Aussagebestände beitragen (Lindner, 2014, 155). Im episodischen Gedächtnis (Piefke/Fink, 2013, 14), bei dem es vor allem um die eigene Lebensgeschichte geht, die Ereignisse und Erfahrungen biografisch bereit hält, wirkt erlebte Musik prägend, insbesondere an den Grenzerfahrungen im Übergang zu einem neuen Lebensabschnitt (Luther, 1992, 217-223), und kann in der Wiederbegegnung in späteren Lebensphasen diese Erinnerungen aus dem Jugendalter wieder wachrufen: Ein bestimmter Popsong in einer späteren Lebensphase wahrgenommen, ist in der Lage, die Gedanken und Gefühle einer vergangenen Zeiterfahrung wieder in die Gegenwart zu rufen.

2. Lernwege und Lernorte

2.1. Didaktische Entfaltungen

Kirchengeschichtliche Themen können unter Berücksichtigung der Entwicklung des jeweiligen historischen Verständnisses der Lernenden (→ Geschichtsvorstellungen) didaktisch individuell entfaltet werden. Nach stufentheoretischen Gesichtspunkten hat Christian Noack auf der Grundlage des religionspsychologischen Stufenmodells von James Fowler die folgenden Einteilungen vorgenommen (Riegel, 2015, 1.): für das Kindesalter die intuitiv-projektive Stufe und die konkret-narrative Stufe, für das Jugendalter, die frühe und die fortgeschrittene Erwachsenenzeit die konventionell-affirmative und die kritisch-reflektierende Stufe und für das reife Alter die historisch-universelle Stufe (Noack, 1994, 9-46). Mit diesen Einteilungen können die Vergangenheitsdeutungen der Lernenden prozessual beobachtet und ausgewertet werden. Wendet die Lehrkraft diese entwicklungspsychologischen Forschungsergebnisse in der Bedingungsanalyse für die eigene Unterrichtsplanung an (Lindner, 2012, 156-158), so lässt sich der Lehr- und Lernstand beziehungsweise die → Lernausgangslage der Schülerinnen und Schüler ermitteln (Lindner, 2012, 146-150). Aus didaktischer Perspektive ist es wichtig zu wissen, welche Erfahrungen die Lernenden bisher mit Themen der Kirchengeschichte gemacht haben, wo ihr Vorverständnis bezüglich der Unterrichtsgegenstände liegt und welche Bedeutung sie diesen Inhalten hinsichtlich ihres Lebens zuschreiben. Musik ist in diesem Zusammenhang als Medium sehr hilfreich, um diese Erfahrungen der Lernenden sichtbar zu machen. Im Kontext von Religion, Geschichte, Erfahrung und Sprache hat sie zwei Funktionen: Auf der einen Seite wirkt sie als Medium zwischen den Erfahrungen der Menschen (beziehungsweise der Schülerinnen und Schüler, siehe Abbildung 1, Bereich A.) und den Inhalten der Religions- und Kirchengeschichte (Bereich B.). Ein moderner Popsong kann Erfahrungen von Kindern und Jugendlichen thematisieren, die auch in der Religions- beziehungsweise Kirchengeschichte Korrespondenzen haben. Um sich in pädagogischen Vermittlungsprozessen diese mediale Funktion der Musik zunutze zu machen, können mit Hilfe der Korrelationsdidaktik (→ Korrelation) diese beiden Bereiche miteinander in eine wechselseitige Beziehung gesetzt werden. Dies wird in Abbildung 1 graphisch mit den Doppelpfeilen im Sanduhrmodell konkretisiert: Werden beispielsweise in einem Popsong Erfahrungen von Aufbruch und Neuanfang thematisiert, so können sie Korrespondenzen zu vergleichbaren Schwellenerfahrungen in der eigenen Lebensgeschichte haben, wie dem Übergang zum Erwachsenenalter. Dieselbe Musik wird zum rezeptionsästhetischen Schlüsselerlebnis, wenn sie ins episodische Gedächtnis aufgenommen und damit an den Übergängen in der eigenen Lebensgeschichte memorierend abgespeichert wird. Didaktisch kann ein solches Lied korrelativ zu kirchengeschichtlichen Erfahrungen vergleichbarer Thematik in Beziehung gesetzt werden. Die Lernenden haben die Möglichkeit, sich diese Themenbereiche innerlich-aktiv anzueignen und nachhaltig zu memorieren. Graphisch ist dieser Doppelprozess – platziert an der engsten Stelle (Bereich C.) im Sanduhrmodell – als vergegenwärtigte Verdichtung von Erfahrungen zurückliegender Zeit im eigenen ästhetischen Rezeptionsprozess eingezeichnet.

Musik, kirchengeschichtsdidaktisch

Auf der anderen Seite ist Musik Bestandteil von beziehungsweise Quelle in Religion und Geschichte, vor allem wenn es um den großen Bereich der Kirchenmusik geht. Musik wird somit selbst zum historischen Dokument (in Abbildung 1 ist sie im Bereich B. Religions- und Kirchengeschichte enthalten), entstehungsgeschichtlich hat sie einen Sitz im Leben von Menschen in den unterschiedlichen Zeitkontexten und bietet mit ihrem Wort-Ton-Verhältnis Einblicke in bestimmte Deutungen von Ereignissen, die in der Vergangenheit liegen. Die Choräle des Evangelischen Gesangbuches oder des Gotteslobs spiegeln klingende Gemeindegeschichte durch die Jahrhunderte wider, in der Dichter und Musiker ihre Glaubenserfahrungen im jeweiligen zeitlichen Kontext manifestieren und – ästhetisch im Liedgut geformt – für die liturgisch-performative Ingebrauchnahme zur Verfügung stellen (weitere Beispiele sind unter Punkt 2.2 zu finden). Diese Lieder erfahren je nach historischem Kontext unterschiedliche Bedeutungszuweisungen. Werden sie performativ, das heißt aktiv, rezipiert am Lernort Schule und Gemeinde (→ performativer Religionsunterricht), tragen sie im Rahmen narrativer Geschichtstheorie (Hasberg, 2015, 1.) als Bedeutungsträger, aber auch als Konstrukte der Bedeutungszumessung zur Ausprägung von Erinnerungsgemeinschaften bei. Wenn Jan Assmann „das Deuteronomium als Paradigma kultureller Mnemotechnik“ (Assmann, 2002, 212) bezeichnet, können insbesondere gehörte und gesungene Lieder zum kulturellen Gedächtnis beitragen, wie dies in → Psalm 143,4.5 in der klingenden Erfahrung Israels bis heute zum Ausdruck kommt: „Und mein Geist ist in Ängsten, mein Herz ist erstarrt in meinem Leibe. Ich denke an die früheren Zeiten; ich sinne nach über all deine Taten und spreche von den Werken deiner Hände“ (revidierte Luther-Ausgabe 1984). In → Dtn 6,20 ist dieser mnemotechnische Zug des Tenach (→ Bibel, dort 3.1.) pädagogisch verankert im vielfach zitierten Satz: „Wenn dich dein Sohn morgen fragen wird: Was sind das für Vermahnungen, Gebote und Rechte, die euch der HERR, unser Gott, geboten hat?“ Die Frage des Sohnes ist hier Ausgangspunkt des erinnernden Erzählens der Exodustradition (Lindner, 2012, 64), im Spiritual Go down Moses ist dies klingend niedergelegt.

2.2. Methodische Umsetzungen

Der Prozess historischen Denkens wird durch die Verschränkung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft angeregt (Hasberg, 2015, 2.). Als Lernwege zum differenzierten, kritischen und vernetzten Denken, welches die Fähigkeit zum → Perspektivenwechsel voraussetzt und ein kitisches Beurteilen historischer Themen und Gegenstände zum Ziel hat, eignen sich 1. die Quellenarbeit, 2. das (Geschichts-)Erzählen, 3. biografische Zugänge, 4. der Lernortwechsel und 5. die Medien (Lindner, 2015, 2.3.). Auf jedem dieser fünf Lernwege kann Musik eine wesentliche Rolle spielen, um Lerngegenstände und Themen kirchengeschichtsdidaktisch zu entfalten: Musik hören, Musik machen, Musik anwenden und Musik verstehen stellen geeignete Handlungsweisen dar, welche kognitive, affektive und handlungsorientierte Lernebenen berücksichtigen (zu den konkreten methodischen Umsetzungen dieser musikalischen Handlungsweisen Lindner, 2014). Musik ist 1. selbst historische Quelle und dient somit der Quellenuntersuchung im Hinblick auf die Frage, welche Funktion sie in welchen historischen Zusammenhängen erhalten hat. Das große Liedschaffen Martin Luthers bietet hierzu viele Möglichkeiten, Zugang zum reformatorischen Denken anhand authentischer Quellen zu bekommen (Block, 2002). Zur Thematik des Dreißigjährigen Krieges eignen sich die Lieder von Paul Gerhardt, wie zum Beispiel Befiehl du deine Wege von 1653 (zu diesem Lied gibt es kirchendidaktische Anregungen in Schneider/Vicktor, 1993, 35-37), Geh aus, mein Herz, und suche Freud von 1653 und auch das Lied Ach bleib mit deiner Gnade von Josua Stegmann von 1627. Katholischerseits ist an Friedrich Spee zu denken, der das Lied O Heiland reiß die Himmel auf geschrieben hat. Im Liedtext finden sich Anklänge an dunkle Erfahrungen der Kirchengeschichte, wie den Hexenprozessen, die Spee in der Schrift Cautio criminalis von 1631 bekämpfte (Gotteslob und Evangelisches Gesangbuch, 2005, 1587). Einen guten historischen Überblick über die Quellenhintergründe von Kirchenliedern bietet Christian Möller, indem er ihre Entstehung, Funktion und Wirkungsgeschichte systematisch darlegt (Möller, 2000). Methodische Umsetzungsbeispiele für den Einsatz von Liedern unter kirchendidaktischen Aspekten finden sich bei Markus Hirsch, in der Tabelle „Lieder im Gebrauch der Zeit“ stellt der Verfasser den Liedtext und die Musik dem kirchengeschichtlichen Thema gegenüber und zeigt Verfahren dazu auf, wie man methodisch damit arbeiten kann (Hirsch, 2005, 1-16). Musik transportiert 2. historische Erzählstoffe, beispielsweise als Erzähllied, als Moritatengesang, im Opern- und Oratorienlibretto, im Musical etc. Im Falle der Musicals werden meistens biblische Stoffe (über Noah, Joseph, Moses, David, Ruth, Jona, Daniel, Jesus Christus, Paulus etc.) vertont. Als Beispiel zum Thema der Heiligen-Legenden werden unter anderem genannt: Das Bildnis der heiligen Irmgard von Matthias Heidweiler oder Suche deinen Weg (ein Musical über Hildegard von Bingen von Wolfgang Kallfelz [1998]), allein zum Thema Martin Luther und die Reformation können dienen: Das Musical Mönsch Martin von Ulrich Meier, Enrico Langer und Matthias Grummet (2011), Katharina Lutherin von Nicole Chibici-Revneanu (2016), welches aus der Perspektive von Martin Luthers Ehefrau Katarina von Bora geschrieben ist, Luther – ein Pop-Oratorium von Michael Kunze und Dieter Falk (wird 2017 uraufgeführt), zum Thema Nationalsozialismus das Musical Im Schatten der Mauer – Janusz Korczak von der Projektgruppe fünf brote und zwei fische (1997), Requiem für einen polnischen Jungen von Dietrich Lohff (1997), War-Requiem von Benjamin Britten (1962), Ein Überlebender aus Warschau von Arnold Schönberg (1947), das Kirchenlied Die Nacht ist vorgedrungen von Jochen Klepper (1938) usw. Musik liefert 3. biografische Zugänge zu kirchengeschichtsdidaktischen Themen, indem sie im Kontext verschiedener Lebensgeschichten eine wichtige Funktion hat. Vielleicht kennen einige Schülerinnen und Schüler das bekannte Lied Der Mond ist aufgegangen von Matthias Claudius, der den Text 1779 verfasst hat. Im früheren und heutigen Gebrauchskontext dient das Lied in der Regel als Abendlied und ist als Kinderlied häufig in dieser Funktion in der eigenen Lebensgeschichte eingebettet. Bei näherer Betrachtung des Textes erkennt man jedoch, dass Matthias Claudius, insbesondere in der dritten Strophe, dem vernunftbetonten aufklärerischen Zeitgeist einen Wahrheitsaspekt gegenüberstellt, der jenseits der sichtbaren und erfassbaren Welt liegt (Schneider/Vicktor, 1993, 48). Musik erklingt 4. auch an anderen Lernorten, insbesondere in der Kirche, wenn mit der Lerngruppe Musik gesungen, musiziert oder gehört wird. Hierzu können Kirchenlieder einstudiert werden, die insbesondere die Geschichte der Kirche thematisieren, wie beispielsweise Ein Schiff, das sich Gemeinde nennt (Evangelisches Gesangbuch, Nr. 604), Wo zwei oder drei (Evangelisches Gesangbuch, Nr. 578), O komm, du Geist der Wahrheit (Evangelisches Gesangbuch, Nr. 136). Peter Bubmann hat zur Kirchenmusikpädagogik im Kontext Bildungstheorie, Gemeindepädagogik (→ Gemeinde/Gemeindepädagogik) und Musikhermeneutik auch die liturgische Bildung immer wieder stark gemacht, die ihren Sitz im Leben im Gottesdienst am Lernort Schule und Kirche hat (Bubmann, 2009, 126f.). Musik ist 5. Medium zur Vermittlung historischer Stoffe, was insbesondere im Film (→ Film, kirchengeschichtsdidaktisch) von Wichtigkeit ist (hierzu Riegel, 2015, 2.). Das große historische Genre lässt Interpretationen der verwendeten Filmmusik oder auch eigener Vertonungen zu (zu konkreten methodischen Umsetzungsmöglichkeiten Lindner, 2014, 41-54).

Literaturverzeichnis

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Abbildungsverzeichnis

  • Kirchengeschichtsdidaktische Transformationsprozesse von Sprache und Musik als Ausdrucksform und Medium religiösen und geschichtlichen Sprechens © Copyright Heike Lindner

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