Deutsche Bibelgesellschaft

Christus/Christologie

Schlagworte: Christologie, Jesus Christus

(erstellt: Januar 2015; letzte Änderung: Februar 2021)

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1. Fachwissenschaftliche Orientierungen

Das Bekenntnis zu Jesus als Christus verbindet eine geschichtliche Aussage und eine Glaubensaussage: Mithilfe des Begriffes Christus, griechisch christos, hebräisch m´schiach, „der Gesalbte“, deutet es die historische Person Jesus von Nazareth, seine Botschaft und sein Handeln, sein Leben und Sterben als den im Ersten Bund verheißenen Heilsbringer. Christologie als Lehre von Jesus Christus entfaltet dieses Bekenntnis von den Anfängen im Neuen Testament durch die verschiedenen Epochen hindurch bis in die Gegenwart und legt es für Menschen in verschiedenen Kontexten, Kulturen und Altersstufen aus. Dabei haben sich zwei unterschiedliche Denkmodelle herauskristallisiert, die beide für religiöse Bildungsprozesse fruchtbar gemacht werden können.

1.1. Christologie von unten – Christologie von oben

Christologie, die ansetzt bei Jesus als historischer Gestalt, ohne jedoch bei einer bloßen Jesulogie zu verbleiben, versteht sich als Christologie von unten. Ihr Ausgangs- und Bezugspunkt ist der geschichtlich rekonstruierte und erinnerte Jesus (→ Jesus Christus, bibeldidaktisch, Grundschule; → Jesus Christus, bibeldidaktisch, Sekundarstufe). Sie wird auch als Aszendenzchristologie bezeichnet, insofern sie die Bewegung vom Menschsein Jesu hinauf zu seinem Vater nachvollzieht. Umgekehrt geht die Christologie von oben als Deszendenzchristologie aus von Gott, der in die Welt kommt, sich inkarniert und in Jesus Mensch wird (Nitsche, 2012, 21-46; Pemsel-Maier, 2016, 16-28; Selvatico/Strahm, 2010, 11-26).

Bis ins 20. Jahrhundert wurde Christologie von oben konzipiert, denn der → Glaube an → Gott und seine Menschwerdung konnte als selbstverständlich vorausgesetzt werden (Selvatico/Strahm, 2010, 213-262). Als in der Neuzeit dieser Glaube zunehmend fragwürdiger wurde, sich gleichzeitig die historische Forschung innerhalb der Theologie zunehmend etablierte und die Notwendigkeit bestand, die Aussagen des Glaubens mit den Erkenntnissen der historisch-kritischen Exegese und der historischen Jesusforschung zu vermitteln, erweckte eine solche Christologie den Verdacht, die Bedeutung der Historie und die Erkenntnisse der historisch-kritischen Forschung zu überspringen. Die dadurch ausgelöste Reflexion auf das angemessene methodische Vorgehen führte zu einer Christologie von unten. Die meisten neueren christologischen Entwürfe entsprechen diesem Ansatz (Schreiber, 2018, 69-80).

Am Beginn steht eine exegetisch-historische Vergewisserung (Strotmann, 2019): Die menschliche Geschichte Jesu ist Ausgangspunkt und Maßstab aller christologischen Aussagen; diese müssen sich an ihr ausweisen und an sie rückbinden lassen. Auf dieser Grundlage versteht die Christologie von unten Jesu Leben, Handeln und Sterben, seine Geschichte von der Geburt bis zum Tod als Selbstoffenbarung (→ Offenbarung) Gottes. Dieser methodische Vorrang bedeutet freilich keineswegs die Preisgabe der Göttlichkeit Jesu, so wenig wie der methodische Vorrang der Christologie von unten im Widerspruch steht zu einer Christologie von oben. Denn theologisch angemessen zu verstehen ist die menschlich-geschichtliche Wirklichkeit Jesu von Nazareth erst im Licht seiner Herkunft von Gott beziehungsweise im Kontext seiner Beziehung zu Gott. In diesem Sinne ist es die bleibende Aufgabe aller Christologien, die Geschichte Jesu, sein Leben, Handeln und Sterben als Tat Gottes und Selbstoffenbarung Gottes zu bedenken und die Gegenwart Gottes in Jesus von Nazareth zu erschließen. Beide Perspektiven sind notwendigerweise aufeinander verwiesen und verhalten sich komplementär.

1.2. Implizite und explizite Christologie

Während die Differenzierung der Christologie von unten und von oben entlang der Vertikale des Raumes angesiedelt ist, bewegt sich die Unterscheidung zwischen impliziter und expliziter Christologie horizontal auf der zeitlichen Ebene von vorher und nachher. Ein ausdrückliches Bekenntnis zu Jesus als dem verheißenen Messias im Sinne der sogenannten expliziten Christologie ist erst nachösterlich möglich und setzt die Erfahrung der Auferstehung (→ Auferstehung Jesu) voraus. Doch bereits im Leben und Wirken des Jesu von Nazareth, in seiner Zuwendung zu anderen Menschen, besonders zu den Marginalisierten und Sündern (→ Sünde/Schuld), in seiner Botschaft vom Anbruch des Reiches Gottes (→ Gott), in seiner Auslegung der Thora, in seiner intensiven Gottesbeziehung und nicht zuletzt in seinem Umgang mit dem ihm bevorstehenden Todesschicksal und in seinem Sterben (→ Passion und Auferstehung, bibeldidaktisch, Grundschule; → Passion und Auferstehung, bibeldidaktisch, Sekundarstufe) scheint etwas auf, das besonders, ungewöhnlich, anders ist als bei anderen Menschen (Pemsel-Maier, 2016, 103-110).

Diese implizite Christologie entdeckt in seiner Botschaft und seinem Wirken Spuren, die darauf schließen lassen, dass er die bekannten theologischen oder politischen Kategorien sprengt. Im Unterschied zur expliziten Christologie, die nach adäquaten Formulierungen sucht, um seine universale und heilsgeschichtliche Bedeutung auszusagen und eine Reihe von christologischen Titeln geprägt hat, ist die vorösterliche implizite Christologie noch nicht in der Lage, theologisch zu bestimmen, mit wem sie es mit der Person Jesus von Nazareth zu tun hat. Sie verfügt noch nicht über hinreichende Sprachformen, verzichtet daher auf Affirmationen und greift stattdessen zum Komparativ. Denn Jesus sprengt die aus dem Alten Testament bekannten Kategorien und erscheint als mehr und größer: mehr als ein Gesetzeslehrer, weil er die strenge Auslegung des Sabbatgebotes entschärft, innere Reinheit höher bewertet als veräußerlichte Reinigungsvorschriften und sich Sündern zuwendet; mehr als ein Rabbi, weil er sich in seiner Auslegung des Gesetzes nicht auf die Autorität der Väter beruft, sondern dem „was zu den Alten gesagt ist“, sein „ich aber sage euch“ (Mt 5,17-48 und öfter) entgegenstellt; „mehr als ein Prophet“ (Lk 7,26; Lk 11,32; Mt 5,17; Mt 12,41), weil er sich nicht durch die Botenformel „Spruch des Herrn“ ausweist, sondern seine Rede einleitet mit „Amen, ich sage euch“; „mehr als Salomo“ (Lk 11,31), weil er im Namen Gottes Sünden vergibt. Aus all dem spricht eine besondere Vollmacht (Lk 4,32), die nicht Ausdruck von Selbstherrlichkeit ist, sondern in der engen und intensiven Beziehung zu seinem Vater gründet. Ihn nannte er zärtlich-liebevoll abba; mit ihm wusste er sich aufs Engste verbunden; aus der Unmittelbarkeit dieser Beziehung lebte und handelte er; an ihn wandte er sich immer wieder im Gebet; für seinen Willen suchte er sich immer neu zu öffnen; bei ihm suchte er Zuflucht in der Stunde der Verfolgung; ihm vertraute er sich im Sterben an.

Die implizite Christologie wird zum Ausgangspunkt für die entfaltete nachösterliche explizite Christologie und damit für all jene christologischen Deutungen, die nach der Erfahrung der Auferweckung das Bekenntnis zu Jesus als dem Christus auf unterschiedliche Art und Weise auf den Begriff bringen.

2. Religionspädagogische Entwicklungen

Dass Christologie ein Thema für das Kindes- oder jüngere Jugendalter sein könnte, wurde von der Religionspädagogik lange bezweifelt. Sie hielt an einem „didaktische[n] Prae des ‚historischen Jesus‘ vor dem ‚kerygmatischen Christus‘“ fest (Konrad, 1970; Rickers, 2001, 903). Diese Überzeugung war eine Folge der Entkerygmatisierung und Entdogmatisierung der Jesus-Gestalt in der → Dogmatik sowie der Rezeption der historisch-kritischen Methode in der Exegese. Christologie schien allenfalls fürs spätere Jugendalter, am besten für die Oberstufe und Erwachsene geeignet (Dormeyer, 2000). In der Primarstufe und vielfach auch in der Sekundarstufe bis in die Oberstufe hinein dominierte eine sachkundliche Jesulogie, die sich auf Zeit, Umwelt und das Leben Jesu beschränkte, aber die zentralen christologischen Fragen, wie die nach der Auferstehung (→ Auferstehung Jesu), nach der Deutung seines Todes → Heilstod oder nach seiner Gottessohnschaft auf ‚später‘ verschob oder vielfach ganz ausklammerte. Bis in die Gegenwart hat dies in Religionsbüchern (→ Religionsbuch, evangelisch; → Religionsbuch, katholisch) und Unterrichtsmaterialien seinen Niederschlag gefunden (Solymár, 2009, 331; Kraft/Roose, 2011, 64-70). Dagegen wird Christologie im eigentlichen Sinn erst dann betrieben, wenn die Frage nach der Bedeutung, die der christliche Glaube dieser Gestalt zumisst, für Kinder und Jugendliche von heute reflektiert und geklärt wird.

Nicht nur ist die stufenmäßige Aufspaltung nach historischem Jesus und Christus des Glaubens theologisch nicht gerechtfertigt. Auch kann der „religiöse Vertiefungsgrad“ eines Religionsunterrichts, der christologische Fragen allein auf der sachkundlichen Ebene thematisiert, nur „relativ bescheiden“ (Englert/Schweitzer, 2017, 19) ausfallen. Vor allem haben zahlreiche neuere empirische Studien (→ Empirie) und Unterrichtsversuche gezeigt, dass sowohl Kinder als auch Jugendliche nicht nur ein Interesse an christologischen Fragestellungen zeigen, sondern selbst christologische Konstruktionen und Zugänge zu Jesus als Christus entwickeln (Büttner/Thierfelder, 2001; Büttner, 2002; Ziegler, 2006; Butt, 2009; Zimmermann, 2012, Pemsel-Maier, 2015; Peter, 2019), angefangen von Alltagstheorien und intuitiven Jesusbildern bis zu elaborierteren christologischen (Teil-)Konzepten, ohne dass damit notwendigerweise immer ein persönlicher Christus-Glaube verbunden wäre. Die Studien spiegeln auf unterschiedliche Weise wider, wie Kinder und Jugendliche Fragen, Themen und Begriffe der Christologie verstehen oder missverstehen, konstruieren und dekonstruieren. Diese Untersuchungen haben einerseits der Christologiedidaktik neuen Schub verliehen, und zwar bereits ab der Primarstufe; zugleich werfen sie zahlreiche Fragen auf.

3. Empirische Einblicke: Wie Kinder und Jugendliche christologische (Teil)konzepte bilden

3.1. Kinder (und Jugendliche)

Kinder sind in der Regel interessiert an der Person Jesu, seinem Leben und Handeln, sodass sich ein christologischer Zugang von unten nahelegt. Dass sie in ihm etwas Besonderes sehen, bringen sie häufig mittels komparativischer Formulierungen zum Ausdruck: Er erscheint ihnen „hilfsbereiter“ oder „freundlicher“ als andere Menschen (Goldman, 1964, 137;158) und kann „einige Dinge […], was andere nicht konnten“ (Arnold/Hanisch/Orth, 1997, 256), zum Beispiel Krankheiten schneller oder besser als andere Ärzte heilen (Büttner, 2002, 74-77; Kraft/Roose, 2011, 147) und Wunder (→ Wunder, bibeldidaktisch) wirken. Da vor allem Grundschulkinder noch nicht über die nötigen Sprachspiele verfügen, um die Besonderheit Jesu zum Ausdruck zu bringen, ist für sie, aber auch für Jugendliche, der Komparativ ein wichtiges Mittel, um zum Ausdruck zu bringen, dass Jesus „größer“ und „mehr“ war als andere: „mehr Mensch und mehr Vorbild“ (Hanisch/Hoppe-Graff, 2002, 80), begabt mit „übermenschlichen“ Eigenschaften (Hanisch/Hoppe-Graff, 2002, 118; Schiefer Ferrari/Schmid, 2008, 64-66; Kraft/Roose, 2011, 148) und mit besonderen göttlichen Kräften (Butt, 2009, 102). Solche Formulierungen sind anschlussfähig an die eingangs skizzierte implizite Christologie und weisen darauf hin, dass christologische Konzepte über diesen Weg gebildet werden (können). Einige Schülerinnen und Schüler machen zudem das „größer“ und „anders“ an der besonderen Beziehung Jesu zu seinem Vater fest (Büttner, 2002, 267-269; Kraft, 2008, 111-138; Kraft/Roose, 2011, 114; Hanisch/Hoppe-Graff, 2002, 117). Sie betonen auch, dass diese Beziehung vor allem im Beten Jesu ihren Ausdruck findet (Büttner, 2002, 162f.), durch das er sich mit seinem Vater verbindet und besondere Kraft erfährt.

Kinder und ebenso Jugendliche konstruieren aber auch christologische Konzepte von oben: Jesus Christus „ist oben im Himmel und hört dort die Gebete der Menschen“, „kam von Gott und ist dorthin zurück gekehrt“, wurde „als Bote Gottes auf die Erde geschickt“, „auf die Welt gebracht“, „als Heiland auf die Welt geschickt“ (Hanisch/Hoppe-Graff, 2002, 96-99; Buntfuß/Feind, 2008, 105). Das sendungschristologische Motiv, dass Gott seinen Sohn mit dem Auftrag auf die Erde schickt, von ihm als seinem Vater zu erzählen, ist für kindliche Logik und Vorstellungswelt offensichtlich gut nachvollziehbar.

3.2. Jugendliche

Mit fortschreitendem Alter geht, entwicklungspsychologisch (→ Entwicklungspsychologie) bedingt, der kindliche Jesusglauben verloren oder gerät unter Illusionsverdacht. Ebenso ist das Interesse an christologischen Fragen rückläufig, ohne dass sich ein völliger Abschied vom Jesus- bzw. Christusglauben ereignet. Empirische Studien konstatieren eine Subjektivierung, Individualisierung und Pluralisierung der Christus-Konzepte als Folge von Traditionsabbruch, Ausdifferenzierung von Lebenswelten und ungleichzeitiger religiöser Entwicklung (Rothgangel/Wilk, 2006; Ziegler, 2007). Die Positionen von Jugendlichen reichen von der dezidierten Ablehnung über wohlwollende Indifferenz bis hin zu kritikloser Anerkennung (Ziegler, 2006, 212). Tobias Ziegler (2007) benennt im Einzelnen mögliche Schwierigkeiten.

Zum einen tritt die historische Distanz zur Person Jesu, die sich im Kindesalter durch → Erzählen überbrücken lässt, jetzt deutlich zutage. Vieles erscheint historisch unglaubwürdig: Die Ablösung artifizialistischer durch naturalistische Erklärungsmuster führt zu Zweifeln, ob sich denn tatsächlich alles so ereignet habe. Zur historischen tritt die logische Unglaubwürdigkeit: Vor allem die scheinbaren theologischen Paradoxien in vielen christologischen Aussagen erscheinen schwer nachvollziehbar: Jesus ist gestorben und lebt doch weiter; er ist Gott und Mensch zugleich; er ist wirklich Mensch und doch ohne → Sünde. Zum anderen erschwert den Zugang zu Jesus seine Darstellung als perfekter Mensch ohne Fehler und ohne Sünde. Ähnlich verhält es sich mit einem Jesus, der über alle Gefühle erhaben gezeichnet wird, dem Angst, Ohnmacht oder Zweifel fremd sind, der zum gefühllosen Helden stilisiert wird, nicht zuletzt durch die Entschärfung seines Leidens am Kreuz. Derartige Vollkommenheit erscheint Jugendlichen schlechterdings unmenschlich. Viel stärker als die traditionelle → Dogmatik betonen sie das Menschsein Jesu und mit ihm seine Fehlerhaftigkeit. Mit einem perfekten Jesus können sich Jugendliche, die sich ihrer eigenen Schwächen meistens sehr genau bewusst sind, nur schwer identifizieren. Zugleich erscheint es zweifelhaft, dass ein solcher Perfekter einen selbst mit all den eigenen Defiziten annehmen und bejahen kann. Ein einseitiges ethisches Verständnis Jesu Christi, das die Christologie auf moralische Vorbildhaftigkeit reduziert, erweist sich darum als verhängnisvoll. Ein Vorbild, von dem von vornherein klar ist, dass es unerreichbar bleibt, taugt letztlich nicht als Vorbild. Aber auch die von Jesus verkündete → Ethik selbst kommt auf den Prüfstand: Bewährt es sich im Leben, sich nicht zu wehren und neben der einen gleich auch noch die andere Wange hinzuhalten? Ist es erstrebenswert, nur dienen zu wollen anstatt selbst auch Anteil an der Macht zu haben? Oder erscheint die Messlatte, die Jesus ansetzt, für das normale Leben von Jugendlichen zu hoch?

Ein dritter Grund dafür, dass der Zugang zu Jesus Christus im Jugendalter problematisch werden kann, ist die Erschütterung der Erfahrung beziehungsweise des Glaubens, dass Jesus, ebenso wie Gott, jederzeit helfend eingreifen kann. Mit dem damit einhergehenden Deismus, den die religiöse → Entwicklungspsychologie nach Fritz Oser und Paul Gmünder für das religiöse Urteil in dieser Altersstufe nachgewiesen hat, entfällt für viele Jugendliche das Vertrauen, dass Jesus überhaupt hilft – und damit zugleich das Motiv, sich intensiver mit ihm zu befassen. Andere hingegen gelangen zu der Überzeugung, dass seine Hilfe sich dadurch bekundet, dass er Mut und Kraft gibt, innerlich aufbaut und stärkt.

Wo der Unterricht die genannten Barrieren nicht auflösen kann oder sogar noch verstärkt, erscheint Jesus Christus als Fremdkörper. Historisches wie theologisches Wissen über ihn bleibt defizitär, theologische Begriffe bleiben formelhaft (Ziegler, 2006, 48-65). Da es keinen altersabhängigen Automatismus in der Weiterentwicklung christologischer Konzepte gibt, können Jugendliche in ihrer Reflexions- und Argumentationsfähigkeit hinter das Niveau von Kindern zurückfallen, wenn eine entsprechende Förderung unterbleibt (Kraft/Roose, 2011, 72; Ziegler, 2006, 55-57).

Kaum erforscht ist der Christusglaube von Erwachsenen. Die Studie von Arzt (2000), die sich vor allem auf religiös sozialisierte Frauen bezieht, stellt die Bedeutung Jesu als „Begleiter, Kumpan, Bruder, Freund, Lehrer, Wegbegleiter“ (Arzt, 2000, 178) und auch als ethisches Vorbild heraus.

4. Didaktische Perspektiven

4.1. Zugänge

Christologiedidaktik sieht sich vor die Aufgabe gestellt, einerseits die individuellen christologischen Konzepte von Kindern und Jugendlichen zu würdigen, aufzugreifen und sie zu eigenem Konstruieren zu ermutigen, andererseits ihnen christologische Deutungsmuster der Bibel und der christlichen Tradition zur Verfügung zu stellen. Die Beiträge im Band von Englert und Schweitzer (Englert/Schweitzer, 2017) stellen sich dieser Herausforderung und präsentieren, für Jugendliche und mit Schwerpunkt Oberstufe, Erarbeitungen verschiedener christologischer Motive mithilfe unterschiedlicher religionsdidaktischer Ansätze. Als lebensweltliche Bezugspunkte werden hier, aber auch in der anderen einschlägigen Literatur (Gärtner, 2011; Kraft/Roose, 2011; Hofheinz, 2015; Pemsel-Maier, 2016) das Ringen um die eigene Identität, die Suche nach Anerkennung, nach einem guten Leben und nach Glück sowie der Umgang mit Scheitern und Schuld genannt.

Christologie im Religionsunterricht erstreckt sich von narrativem Arbeiten mit biblischen Erzählungen (nicht nur in der Grundschule) über die metaphorische Erschließung christologischer Bildworte, wie Licht, Hirte, Weinstock, Opferlamm, bis hin zur Reflexion christologischer Modelle: Entspricht Jesus Christus eher dem Typus Superman, der einer jenseitigen göttlichen Sphäre entstammt, oder eher dem Menschen Batman, dem übersinnliche Kräfte zugewachsen sind? Neben Texten bieten sich ästhetische Zugänge über Christus-, Kreuzes- und Auferstehungsdarstellungen, über thematisch ausgewählte Musikstücke und nicht zuletzt über Auszüge aus den zahlreichen Jesusfilmen an. In besonderer Weise eignet sich das Theologisieren mit Kindern und Jugendlichen (→ Kindertheologie und → Jugendtheologie), um Subjekt-und Sachorientierung in eine produktive Verbindung zu bringen. Auf die Notwendigkeit performativer Erschließung durch Lieder, Gebete, Segenshandlungen, liturgische Riten und Gesten macht Uwe Schäfer (2010, 137-147) aufmerksam: Durch sie werden Schülerinnen und Schüler probeweise hineingenommen in die Haltung des Vertrauens und der Zuversicht, dass sich in Jesus Christus Gott selbst zeigt.

4.2. Keine Alternativen: von unten und von oben

Christologiedidaktisch bietet sich, besonders für wenig religiös sozialisierte Schülerinnen und Schüler, ein Anlauf von unten (Pemsel-Maier, 2016, 103-109) beim geschichtlich erinnerten Jesus an, dem Wanderprediger, der die Botschaft vom Reich Gottes verkündet, Jünger beruft, Kranke heilt, Aussätzige und Ausgestoßene in die Gemeinschaft zurückholt, mit Zöllnern und Prostituierten Gemeinschaft pflegt und mit seinem Verhalten politisch und religiös solchen Anstoß erregt, dass er dafür gekreuzigt wird. Von der Person und Botschaft Jesu, die narrativ zu entfalten ist und zu denken gibt, Fragen aufwirft, erstaunt und provoziert, lässt sich ein Zugang zum Christus des Glaubens (→ Glaube) bahnen. Ein solcher Ansatz von unten verbindet sich mit dem Aufspüren impliziter Christologie, die in der Botschaft und im Wirken Jesu nach Hinweisen sucht, die seine Bedeutung ankündigen: Was ist das Außergewöhnliche am Mann aus Nazareth? Wie kann ein Mensch so unglaublich lieben bis in den Tod hinein? Ist solches überhaupt menschenmöglich? Oder kommt hier ein Mehr zum Ausdruck, wie es auch die Menschen zur Zeit Jesu erahnten? Und wie ist dieses Mehr zu verstehen – und ist es überhaupt zu verstehen oder zu erklären? Je nach Altersstufe und Kontext kann der Ausgangspunkt anders gewählt werden: Jesu Bereitschaft, sich den Menschen, vor allem den Ausgegrenzten, zuzuwenden, seine Heilungen, sein besonderer Umgang mit dem Sabbat, seine Bereitschaft, für seine Sache in den Tod zu gehen. In besonderer Weise erscheint die Emmauserzählung (Lk 24,13-35), in der die Augen der Jünger zunächst „gehalten“ sind und dann „aufgehen“, geeignet für die Erschließung einer christologischen Perspektive (Schiefer Ferrari/Schmid 2008; Schoberth/Kowaltschuk 2010; Kraft/Roose, 2011).

Christologiedidaktik bleibt jedoch nicht auf den Zugang von unten beschränkt. Untersuchungen (Hanisch/Hoppe-Graf, 2002, 96-99; Ziegler, 2007, 55-57; Kraft, 2011, 46f.) haben gezeigt, dass Jugendliche und bereits Kinder auch christologische Konzepte von oben konstruieren. Vor allem dann, wenn der Glaube an Gott für sie eine gewisse Plausibilität hat, ist ihnen die Vorstellung, dass dieser Gott seinen Boten in die Welt schickt, zugänglich. Texte aus dem im Religionsunterricht selten berücksichtigten → Johannesevangelium mit seiner Sendungs- und Inkarnationschristologie bieten gute didaktische Möglichkeiten und ergänzen die bekannten synoptischen Erzählungen; das Gleiche gilt für die Metapher vom Licht, das in die Welt kommt und die Dunkelheit erleuchtet. Mit älteren Jugendlichen lässt sich zum biblischen und philosophischen Logos-Begriff arbeiten. Eine Christologie von oben bietet sich auch im Kontext der Weihnachtstheologie an: Gott schickt seinen Sohn in die Welt und wird durch ihn selbst Mensch. Christologie von oben und von unten sind darum keine Alternativen, sondern ergänzen sich. In diesem Sinne sollte religiöse Bildung nicht nur unterschiedliche christologische Perspektiven anbieten, sondern zugleich dazu befähigen, sie in Beziehung zu setzen und zu vernetzen.

4.3. Die Gottesbeziehung Jesu ins Spiel bringen

Es spricht einiges dafür (siehe 3.1.), dass der Deutung der Beziehung Jesu zu seinem Vater eine wichtige Rolle für den Zugang zu christologischen Fragen zukommt. Während der enge Zusammenhang zwischen der Frage nach Christus und der Frage nach Gottvater für die große Mehrheit der befragten Jugendlichen bei Ziegler (2006, 10) überhaupt nicht im Blick war, wurden die Kinder im Unterrichtsarrangement von Büttner (2002, 266-268) auf die besondere Beziehung Jesu zu seinem Vater und sein Gebet zu ihm aufmerksam und sahen in dieser Intensität etwas Besonderes, das Jesus auszeichnet. Damit begaben sie sich auf eine wichtige Spur impliziter Christologie. Wenn Kinder auf diese Spur gesetzt werden sollen, ist allerdings zu beachten, dass sie zu Beginn der Grundschulzeit noch nicht klar zwischen Jesus und Gott unterscheiden können (Büttner, 2002, 266). Nachdrücklich plädiert Tobias Ziegler dafür, die außergewöhnliche Gottesbeziehung Jesu über die Primarstufe hinaus zum Thema zu machen, weil „der für die meisten neueren christologischen Ansätze in seiner methodischen Vorrangstellung unumstrittene Weg von unten, der bei der Rekonstruktion des historischen Jesus einsetzt, ohne seine Einheit mit Gott vorauszusetzen, für Heranwachsende keineswegs so selbstverständlich ist“ (Ziegler, 2006, 550). Auch Marco Hofheinz (2015) stellt im Anschluss an die markinischen Sohn-Gottes-Prädikationen das Gottesverhältnis Jesu ins Zentrum seiner Überlegungen.

Solche Zugänge nehmen das Grundaxiom der Christologie auf, dass mit der Rede von Jesus zugleich Gott ins Spiel kommen muss. Denn der Gott, an den Christinnen und Christen glauben, ist nur durch den Menschen Jesus zugänglich, und der Mensch Jesus ist nur von seinem Gott her verständlich.

4.4. Die christologische Kernfrage: Wahrer Mensch und wahrer Gott – wahrer Gott als wahrer Mensch

Unbestritten ist, dass religiöse Bildung „die Verheißungspotenziale des Lebens Jesu ausloten [muss], die für menschliches Leben heute anregend sind und Hoffnung bieten“ (Gärtner, 2011, 269). Doch wenn Jesus Christus nicht nur als ein mögliches Lebensmodell unter anderen präsentiert werden soll, wenn deutlich werden soll, warum es aus christlicher Perspektive wichtig ist, sich heute mit einem längst Verstorbenen auseinanderzusetzen, bleibt die Klärung der christologischen Kernfrage, was Jesus Christus von anderen Menschen, Lebensmodellen, Vorbildern unterscheidet, unerlässlich. Damit kommt die Frage nach seiner Göttlichkeit ins Spiel.

Ein Rekurs auf die altkirchliche Lehre von den zwei Naturen (Freudenberger-Lötz, 2007, 201-205) ist nur bedingt zielführend, denn sie verleitet zur Vorstellung von halb Gott, halb Mensch. Insofern altkirchliche Dogmen zwar den Rahmen, aber nicht den Endpunkt für das theologische Denken markieren, orientieren sich neuere christologische und christologiedidaktische Entwürfe (Pemsel-Maier, 2016, 190-194). Ausgangspunkt ist das Menschsein, das keine in sich abgeschlossene Größe ist, sondern die Fähigkeit zum Transzendieren hat, etwa in Akten der Hoffnung, der Liebe oder in der Frage nach einem Leben über den Tod hinaus. Solches Transzendieren richtet sich nach christlicher Überzeugung auf ein Absolutes und ist Ausdruck der Verwiesenheit auf Gottes Fülle. Gott lässt dieses Transzendieren nicht ins Leere laufen, sondern erfüllt es, indem er sich offenbart und so dem Menschen mitteilt. Gott und Mensch werden demnach als zwei Wirklichkeiten gedacht, die aufeinander hin offen sind. Realisieren die Menschen solche Offenheit und Verwiesenheit auf Gott in ihrem Leben immer nur ansatzweise und fragmentarisch, ist sie im Menschsein Jesus radikal, „ohne Sünde“ verwirklicht. So und nur so kann der Mensch ganz bei Gott und umgekehrt Gott ganz beim Menschen ankommen. Jesus Christus ist darum wahrer Gott gerade als wahrer Mensch und lebt wahres Menschsein so radikal, dass er zum wahren Gott wird. Veranschaulichen und erfahrbar machen lässt sich dies über eine Lerntheke mithilfe unterschiedlicher Materialien (Pemsel-Maier, 2016, 195f.).

Die Stärke des vorgestellten Denkmodells besteht darin, dass das Göttliche nicht im Sinne einer Baukasten-Christologie additiv zum Menschsein Jesu Christi hinzutritt, sondern in seinem Menschsein aufzufinden ist. Dass Menschsein nach christlichem Verständnis auf Gott hin angelegt ist und nur in der Beziehung zu Gott seine Erfüllung findet, ist das große Thema religiöser Bildung, das immer wieder neu anzugehen ist. Zugleich ist es für Schülerinnen und Schüler eine denkerische Herausforderung, dass die Ausrichtung des Menschen auf Gott einerseits und seine Freiheit andererseits, seine Abhängigkeit von Gott und seine Eigenständigkeit nicht in Widerspruch zueinanderstehen, sondern im gleichen Maße wachsen. Es wird ihnen womöglich fremd bleiben, solange ihnen Gott nicht als befreiender und sie bestärkender Gott aufgegangen ist.

Damit nicht das Missverständnis entsteht, als habe Jesus aufgrund seiner besonderen Frömmigkeit die intensive Beziehung zu Gott leisten können, bedarf die anthropologisch gewendete Christologie von unten auch einer Christologie von oben, verbunden mit einer Ausweitung auf das trinitarische (→ Dreifaltigkeit/Trinität) Bekenntnis: Die Göttlichkeit Jesu Christi in seiner Menschlichkeit ist zu verstehen nur unter der Voraussetzung, dass nach christlichem Gottesverständnis Gott in sich und vor aller Zeit ein dreieiner Gott und eine Gemeinschaft von Vater, Sohn bzw. göttlichem Logos und Geist ist. Der Sohn bzw. göttliche Logos ist es, der in die Welt kommt und im Menschen Jesus Mensch bzw. Fleisch wird. Es ist unverzichtbar, dass die Arbeit mit christologischen Modellen und Denkformen diesen Modellcharakter bewusstmacht, reflektiert, kritisch hinterfragt und die Grenzen von Modellen aufzeigt. Unverzichtbar ist auch das mit der Einsicht in → Negative Theologie verbundene Bewusstsein, dass die Göttlichkeit des wahren Menschen Jesus letztlich ein Geheimnis bleibt, das zwar reflektiert, aber denkerisch letztlich nicht gelöst werden kann.

5. Offene Fragen

Christologiedidaktik versteht sich als Suchbewegung. Vorangehend wurden einige Perspektiven angerissen, doch zahlreiche Fragen sind noch weitgehend ungeklärt: wie Christologie im Religionsunterricht als Soteriologie zu entfalten ist, damit das Bekenntnis zu Christus als Heiland und Erlöser (→ Erlösung) keine Formel bleibt; welche Rolle der Dogmatik und der christlichen Tradition für die Christologiedidaktik zukommen; wie der christologische Anspruch in interreligiöse Lehr- und Lernkontexte eingebracht werden kann; wie eine altersgemäße christologische Kompetenzentwicklung und ggf. ein damit verbundenes christologisches Spiralcurriculum aussehen soll. Offen ist auch, wie eine vertrauensvolle Beziehung zu Jesus Christus angebahnt werden kann, mit der eine andere Einstellung zum Leben und zu den anderen Menschen verbunden ist (Schäfer, 2010). Denn wenn dies nicht gelingt, verbleibt alle Rede von Jesus als Christus letztlich auf der theologisch-sachkundlichen Ebene und wird das ureigene Ziel religiöser Bildung nicht eingelöst.

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