Bibel
Andere Schreibweise: Bible (engl.)
(erstellt: Februar 2018)
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Digital Object Identifier: https://doi.org/10.23768/wirelex.Bibel.200384
1. Grundlegendes
Das zentrale identitätsstiftende Buch, die Quelle und grundlegende Norm des Glaubens und der bedeutendste Anstoß zum Handeln ist für Christen die Bibel. Sie ist vom ursprünglichen Plural Biblia her eigentlich ein Buch der Bücher: Für Protestanten setzt dieses sich aus 27 griechisch geschriebenen ntl. und aus 39 hebräisch und z.T. aramäisch verfassten atl. Einzelschriften zusammen; Katholiken erkennen darüber hinaus 7 weitere, im 16. Jh. nur auf Griechisch greifbare Bücher als zur Bibel gehörig, als kanonisch an (Tob, Jdt, 1+2 Makk, Weish, Sir, Bar).
In den ntl. Schriften ist auch von Heiligen Schriften bzw. Heiliger Schrift im Singular die Rede. Darunter zählen die Bücher, die zum sich damals etablierenden jüdischen Kanon gehörten. Dieser schwankte bzgl. einzelner Büchern noch, was man nicht zuletzt dem größeren Umfang der spätantiken, allerdings christlichen Septuaginta-Manuskripte (LXX), also der griechischen Übersetzung und Erweiterung des hebräischen Textes, entnehmen kann. Orthodoxe oder z. B. äthiopische Christen haben noch einmal einen weiteren Kanon als der Katholizismus.
Es gibt zwischen den großen Konfessionen im deutschsprachigen Raum jenseits der eher zweitrangigen Kanonfrage einen großen Konsens im Verständnis der Bibel und im Umgang mit ihr als geschichtliches Dokument, auch wenn Protestanten auf dogmatischer Ebene nicht von einer Funktion ‚der‘ Kirche in der Entstehung des Kanons sprechen und die kritische Funktion der Bibel gegenüber den (Amts)Kirchen höher gewichten als Katholiken. Die revidierten Ausgaben der evangelischen Lutherübersetzung und der katholischen Einheitsübersetzung von 2017 bzw. 2016 sind anders als noch die frühere Einheitsübersetzung (1980) im Bereich Neues Testament und Psalmen nicht ökumenisch erarbeitet.
2. Israel und Judentum in der christlichen Bibel
Das Christentum hat mehr als zwei Drittel seiner Bibel, nämlich die 39 Kernschriften des sog. (hebräischen) Alten Testaments (→ Tenach
3. Literarisches und geschichtliches Wort Gottes
Für Christen kann die Bibel als Ganze, nicht nur das NT mit der Chiffre des Wortes Gottes bezeichnet werden, weil sie insgesamt das Evangelium vom barmherzigen Gott bezeugt. Sie hält → Erfahrungen
Weil der Text selbst in seinem Buchstaben- und Wortbestand nicht als geoffenbart gilt, das Christentum in seiner Mehrheit also nicht der Theorie einer Verbalinspiration des Textes gefolgt ist, ist es eine zwingende Aufgabe für die Kirchen und von ihnen beauftragt für die Exegetinnen und Exegeten, überhaupt erst einen zuverlässigen ursprachlichen Text auf der Basis des jeweiligen wissenschaftlichen Kenntnisstandes zu erstellen. Im Prinzip war auch immer unbestritten, dass die Bibel übersetzt werden kann, ja muss. Deshalb ist die Bibel, besonders das NT, heute weltweit das am häufigsten übersetzte Buch.
Im protestantischen Bereich entwickelte sich nach der Aufklärung die historisch-kritische Bibelwissenschaft. Die röm.-kath. Kirche hat nach schwierigen Kämpfen in der Mitte des 20. Jahrhunderts in verschiedenen Erklärungen zur Bibel nachgezogen. Heute sind evangelische und katholische Exegese im Instrumentarium der in der Bibelauslegung angewendeten Methoden gleichrangig. Trotz der Kanonizität und Autorität der Bibel gilt sie heute nur insofern als irrtumslos, als sie das Heil von Mensch und Welt in der Geschichte bezeugt. Einzelne historische oder naturwissenschaftliche Aussagen z. B. können demgegenüber problemlos als zeit- und perspektivbedingt verstanden werden. Ohnehin ist die Bibel als plurales Buch geschrieben, das heißt, dass bewusst verschiedene theologische Perspektiven überliefert wurden (z. B. durch vier Evangelien mit unterschiedlichen Sichtweisen), entsprechend kann sie nicht auf ein theologisch normatives Aussagesystem reduziert werden.
4. Altes und Neues Testament
Die heutigen Bibelausgaben im deutschsprachigen Raum zeugen – im AT anders als in der Bibel des Judentums – von einer Kanonhermeneutik, die die beiden Buchteile intern nach Vergangenheit – Gegenwart – Zukunft (im AT: Propheten, im NT: Offb) ordnet und dabei das NT als erwartete Erfüllung des AT versteht. Diese Idee folgt weitgehend den antiken und mittelalterlichen griechischen und lateinischen Bibelhandschriften und insofern einer Hermeneutik des Alten Testaments, in der es auch allegorisch und typologisch, und zwar als auf das Christusereignis vorausweisend, interpretiert wurde. Heutige christliche Theologie ist sich bewusst, dass es sich dabei um eine keinesfalls zwingende Hermeneutik im Blick auf das ohnehin vielgestaltige Alte Testament handelt und dass vor allem jüdische Herangehensweisen an ihre Heilige Schrift ihre eigene Dignität haben. Sicher gilt umgekehrt, dass das NT und damit die Worte und Taten des biblischen Jesus, aber z. B. auch die Briefe des Paulus ohne das AT (mitsamt der sog. zwischentestamentlichen, aber natürlich auch der paganen Literatur) gar nicht richtig verstanden werden können, einzelnen Bestreitungen in der Kirchengeschichte (Markion, Schleiermacher, Harnack) zum Trotz. Nachdem Schleiermacher Anfang des 19. Jahrhunderts auch theologisch klargestellt hatte, welche Bedeutung der Disziplin der Hermeneutik bei der Lektüre der Bibel zukommt, ist zuletzt deutlicher geworden, dass die Bibel ein echtes literarisches Kunstwerk ist, dem gerade dadurch eine große Offenheit eignet, und dass das die Leserinnen und Leser zu einer enormen Eigenleistung herausfordert. Die Multiperspektivität innerhalb der alt- und neutestamentlichen Texte ist im Übrigen sicher mit ein gewichtiger Grund für die konfessionelle Vielfalt des Christentums.
5. Lektüregeschichte der christlichen Bibel
In Anlehnung an den Brauch der jüdischen → Synagogen
Die europäische Kultur insbesondere des Mittelalters und der Frühen Neuzeit ist ohne tiefergehende Kenntnis der Bibel und ihres Verständnisses in diesen Zeiten kaum verständlich. Auch die Sprach- und Bildwelt von vielen Gebeten und religiösen Liedern ist tief von der Bibel, speziell von den Psalmen, geprägt. Die kulturelle Präsenz der Bibel geht aber bis heute weit über engere religiöse Kontexte hinaus. An der Kenntnis der Bibel hängt insofern die Interpretierbarkeit der eigenen Kultur. Wegen der durchaus großen Gemeinsamkeiten in der Überlieferung biblischer Texte und Themen eröffnen sich gleichzeitig vielfältige Anknüpfungs-, aber auch Streitpunkte für den Dialog bzw. Trialog der abrahamischen Offenbarungsreligionen (→ Dialog der Religionen, evangelische Sicht
6. Bibel und religiöses Lernen
Erstaunlicherweise hat die Bibel als solche und vor allem als Ganze im Laufe der Kirchen- und Bildungsgeschichte (→ Kirchengeschichte
Literaturverzeichnis
- Ebner, Martin/Schreiber, Stefan (Hg.), Einleitung in das Neue Testament, Kohlhammer Studienbücher Theologie 6, Stuttgart 2. durchgesehene und aktualisierte Aufl. 2013.
- Gertz, Jan-Christian (Hg.), Grundinformation Altes Testament. Eine Einführung in Literatur, Religion und Geschichte des Alten Testaments, Göttingen 5. überarbeitete und erweiterte Aufl. 2016.
- Jeremias, Jörg, Theologie des Alten Testaments, GAT/ ATD Ergänzungsreihe Bd. 6, Göttingen 2015.
- Luz, Ulrich, Theologische Hermeneutik des Neuen Testaments, Neukirchen-Vluyn 2014.
- Metz, Johann B., Glaube in Geschichte und Gesellschaft. Eine praktische Fundamentaltheologie, Mainz 1977.
- Zenger, Erich, Einleitung in das Alte Testament, Stuttgart 9. aktualisierte und von Christian Frevel herausgegebene Aufl. 2016.
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