Lehrkraft, Rolle
Schlagworte: Lehrerinnen, Lehrerin, Lehrer, Lehrende
(erstellt: Januar 2015)
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Digital Object Identifier: https://doi.org/10.23768/wirelex.Lehrkraft_Rolle.100088
Religionslehrerinnen und Religionslehrer ( → Religionslehrkräfte
1. Referenzkontexte
Aus der Vielzahl der evangelisch- wie auch in der katholisch-religionsdidaktischen Vergewisserungen zur Rolle der Lehrkraft können folgende Hauptreferenzkontexte herauskristallisiert werden: Staat, Kirche (→ Kirche/Staat
1.1. Qualifizierender Referenzkontext
Wie jede Lehrkraft sind auch Religionslehrerinnen und Religionslehrer dem Staat verpflichtet, der das Schulwesen in organisatorischer und finanzieller Hinsicht trägt beziehungsweise an von ihm anerkannte Privatschulen abgibt. Als Beamte oder Angestellte werden ihnen die Aufgaben des Erziehens und Unterrichtens, des Beurteilens, Beratens und Innovierens übertragen. Lehr- und Bildungspläne (→ Lehrpläne
Gemäß Art. 7 Abs. 3 GG wird Religionsunterricht in Deutschland in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt. Diese rechtliche Vorgabe – in deren Hintergrund zum einen die weltanschauliche Neutralität des Staates und zum anderen die Freiheit (→ Freiheit
Die von Staat und Kirche geforderte Wissenschaftlichkeit der Religionslehrkräfte wird insbesondere durch das – meist lehramtsspezifisch organisierte – Studium garantiert und in der dritten Phase der Lehrerbildung im Rahmen von berufsbegleitenden Fortbildungen aktualisiert. Religionslehrerinnen und Religionslehrer sollen theologische und (religions-)pädagogische Expertinnen und Experten sein. Sie benötigen dieses Professionswissen (→ Professionsforschung
1.2. Berufsalltäglicher Referenzkontext
Auch Schülerinnen und Schüler formulieren Erwartungen an Religionslehrkräfte. Verschiedene empirische Studien zeigen, dass Lernende (Religions-)Unterricht dann schätzen, wenn sie ihre Lehrerin beziehungsweise ihren Lehrer als freundlich empfinden und mögen. Vor allem erwarten die Schülerinnen und Schüler von ihren Lehrkräften Gerechtigkeit, emotionale Wärme, Unterstützung und fachliche Kompetenz (→ Kompetenzen
Religionslehrerinnen und Religionslehrer sind Teil des Schulpersonals. Der Schulleitung gegenüber sind sie weisungsgebunden und werden über die Gestaltung von Religionsunterricht hinausgehend mit verschiedensten weiteren Aufgaben betraut, zum Beispiel Klassenleitung, Aufsichtspflichten, Klassenfahrten, Projektleitung, Schulentwicklung etc. Nicht selten wird von ihnen ein Beitrag zum Aufbau von religiösem Schulleben erwartet, insbesondere bezüglich der Gestaltung von gottesdienstlichen und schulseelsorglichen Angeboten (→ Schulseelsorge
Eltern haben unterschiedlichste Vorstellungen, was Religionsunterricht sein und leisten soll. Diese reichen von einer Unterstützung bei der Einführung ihrer Kinder in den Glauben (→ Katechetik
1.3. Individueller Referenzkontext
Erwartungen von verschiedenen Seiten an Religionslehrerinnen und Religionslehrer tangieren diese nicht zuletzt in ihrer Lebens- und Glaubensbiografie. „Die Lebensbiografie ist ein Resultat des Aufwachsens in einer bestimmten Kultur, des Gebildet-Werdens in bestimmten Ausbildungsinstituten und des Lebens als Erwachsener in einer Gesellschaft“ (Ziebertz, 2010, 208). Die Rolle von Religionslehrkräften kann wie bei anderen Lehrkräften auch nicht unabhängig von deren Individualität gedacht werden, die das jeweilige Lehrerhandeln prägt. Darüber hinaus werden Religionslehrerinnen und Religionslehrer – weil sie „Religion zum Beruf“ (ebd.) haben – im schulischen Geschehen auch als Gläubige wahrgenommen und sehen sich herausgefordert, aus der Teilnehmerperspektive zu Fragen des Glaubens gesprächsfähig zu sein und Position zu beziehen. Ihre Beziehung zum Glauben und zur Kirche prägt nicht zuletzt ihren beruflichen Habitus und damit die Gestaltung des Religionsunterrichts. Oftmals sind Religionslehrerinnen und -lehrer die wenigen „bewusst wahrgenommenen Personen, die für Kinder Religion, Glaube und Christ-Sein ‚repräsentieren‘, Personen also, die […] Orientierungsfiguren und Gesprächspartner“ (Ritter, 2014, 134) in dieser Hinsicht sind oder sein können. Schülerinnen und Schüler fordern diesbezüglich Authentizität und Glaubwürdigkeit (Biesinger/Münch/Schweitzer, 2008, 117-129). Die Kirchen sehen Religionslehrerinnen und Religionslehrer als „Zeugen des Glaubens in der Schule“ (Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, 2005, 34; Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, 2010, 46f; Kirchenamt der EKD, 1994, 58), als „Brückenbauer […] zwischen Kirche und Schule“ (Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, 2005, 34) an und erwarten von ihnen „profilierte[s] Eintreten für den christlichen Glauben“ (Kirchenamt der EKD, 2008, 17) abseits missionarischer Tendenzen. So müssen es Religionslehrkräfte „auch aushalten können, daß Teile ihrer Biographie zum Thema eines Unterrichts mit offenem Ausgang werden“ (Kirchenamt der EKD, 1994, 58). Daraus ergibt sich das Erfordernis, ihr Verhältnis zu Kirche und Glaube sowie ihre eigene Religiosität immer wieder reflexiv zu bedenken und weiterzuentwickeln (Pirner, 2012b, 116-122; Dressler/Feige/Tzscheetzsch, 2005; Feige/Tzscheetzsch, 2005; Lück, 2003; Feige u.a., 2000). Hier manifestiert sich die Bedeutung entsprechender Möglichkeits- und Resonanzräume für Religionslehrkräfte – sowohl speziell auf den Beruf bezogen als auch im Sinne der Partizipation am Leben der Kirchengemeinde (→ Gemeinde
2. Kompetenzen
Die oben dargelegten Erwartungen der einzelnen Referenzkontexte verweisen darauf, dass Religionslehrerinnen und Religionslehrer in verschiedenster Hinsicht kompetent sein müssen, um im Religionsunterricht religiöse Lern- und Bildungsprozesse in angemessener Weise initiieren und gestalten zu können. Bis heute gibt es mehrere Versuche, diese Kompetenzen zu benennen und inhaltlich zu präzisieren (Fricke, 2013; Lindner, 2013b; Burrichter u.a., 2012; Pirner, 2012a; Leitmeier, 2010, 18-41; Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, 2010, 19-22; Grümme, 2009; Kirchenamt der EKD, 2008; Englert, 2005; Mendl/Freudenstein/Stollwerck, 2002). Es ist zu unterscheiden zwischen spezifischen Kompetenzbereichen, die für das Initiieren religiöser Lern- und Bildungsprozesse nötig sind, und allgemeinen Kompetenzbereichen, die für alle Lehrkräfte gelten. Dabei bleiben die verschiedenen Teilkompetenzen nicht nebeneinander stehen, sondern leben von der individuellen, immer wieder neu geforderten Aneignung durch die jeweilige Person. Die sogenannte theologisch-religionspädagogische Kompetenz (→ Kompetenzen, religionspädagogische
2.1. Spezifische Kompetenzbereiche
Fachwissenschaftlich-theologische Kompetenz. Religionslehrerinnen und Religionslehrer sind theologisch (→ Theologie
Religionsdidaktische Kompetenz. Diese Teilkompetenz – die nicht schematisch von unterrichtsorganisatorischen Kompetenzen (vgl. unten) zu trennen ist – umfasst die Fähigkeit, theologische Sachverhalte und Glaubenszusammenhänge so zu kommunizieren und lebensbedeutsam zu erschließen, dass die Schülerinnen und Schüler in ihren entwicklungsbedingten und erfahrungsabhängigen Verstehenszugängen ernstgenommen werden. Dazu ist es notwendig, religionsdidaktische Konzepte und Theorien sowie geeignete Methoden und Zugangsweisen zu kennen, beurteilen und sach- sowie situationsangemessen umsetzen zu können (Schlag, 2012a, 129; Mendl/Freudenstein/Stollwerck, 2002, 73f.). Religionslehrerinnen und Religionslehrer müssen – ausgehend von der Leitperspektive einer Subjektorientierung – den Lernenden, „eine Einübung von Denken und Verhalten, von Reflexion und Haltung in Bezug auf die Wirklichkeit der Religion und des christlichen Glaubens“ (Ziebertz, 2010, 219) offerieren.
Religiöse Kompetenz. Um Religion glaubwürdig unterrichten zu können, müssen Religionslehrerinnen und Religionslehrer eine „lebendige Beziehung zur jüdisch-christlichen Tradition“ (Englert, 2005, 35) haben. Sie sollten verschiedene Dimensionen von Religion und Glaube für das eigene Agieren reflektieren sowie fruchtbar machen und daraus eine rational verantwortete, kommunikationsfähige Position gewinnen können. Kirchliche Dokumente tangieren diesen Aspekt im Rahmen der Rollen- beziehungsweise (Selbst-)Reflexionskompetenz (Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, 2010, 22; Kirchenamt der EKD, 2008, 28; zudem Lindner, 2013b; Pirner, 2012b). Religiöse Kompetenz umfasst auch spirituelle sowie seelsorgliche Dimensionen. Diese beiden Aspekte befähigen Lehrkräfte nicht zuletzt, den religiösen Weltzugang im schulischen Gesamtzusammenhang authentisch zum Tragen zu bringen, zum Beispiel durch die Gestaltung von schulpastoralen und -seelsorglichen Angeboten wie Morgenimpulsen, Schulgottesdiensten (→ Gottesdienst
2.2. Allgemeine Kompetenzbereiche
Pädagogische Kompetenz. Dieser Kompetenzbereich vereint mehrere Aspekte in sich. Zum einen die personale (Englert, 2005, 23f.) Kompetenz der Religionslehrerinnen und Religionslehrer im Sinne eines aufrichtigen Interesses an Kindern und Jugendlichen, einer Sensibilität dafür, was diese bewegt, eines Gespürs, wie man mit Lernenden in einen ihr Interesse weckenden, wertschätzenden Dialog treten kann, und vieler weiterer positiven Persönlichkeitsmerkmale. Auch Kollegialität und Teamfähigkeit sind elementar wichtig. Hinsichtlich der Lernenden erweist sich die Wahrnehmungskompetenz als bedeutsam, insofern „sozialisationstheoretische und entwicklungspsychologische Kenntnisse […] es ermöglichen, den Entwicklungsstand von Schülerinnen und Schülern differenziert einzuschätzen und Religionsunterricht so zu gestalten, dass die Relevanz seiner Inhalte für heute erkennbar wird“ (Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, 2010, 22; Klose, 2014). Auch gilt es, den Erziehungsauftrag ernst zu nehmen. Unter den Vorzeichen einer Orientierung am Subjekt bedeutet erzieherische Kompetenz, dass Lehrkräfte ihr formendes Einwirken auf einzelne Lernende beziehungsweise die gesamte Klasse verantwortungsbewusst gestalten, indem sie unterstützend und nicht direktiv lenken, so dass die Schülerinnen und Schüler sich immer mehr selbst bilden können. Erzieherisches Handeln tangiert dabei die Einübung von Verhaltensweisen, die gemeinsame Reflexion und Realisierung von Werthaltungen, aber auch disziplinarische Zusammenhänge. Letztere sind transparent und nachvollziehbar sowie in guter, wertschätzender Absicht zu gestalten. Ein christlich verortetes Menschenbild kann hierfür Leitlinien im Horizont von Freiheit und Verantwortung auftun. Zentral für den pädagogischen Kontext ist zudem die kommunikative Kompetenz, insofern Religionslehrerinnen und Religionslehrer gefordert sind, Inhalte und Idee ihres Unterrichtsfaches und ihres unterrichtlichen Agierens im Austausch mit den verschiedenen Referenzkontexten zu thematisieren. Und zwar so, dass die jeweiligen Sachverhalte für die Kommunikationspartner rational zugänglich und nachvollziehbar sind – insbesondere auch unter ökumenischer, interreligiöser, interdisziplinärer und gesellschaftlicher Perspektive (Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, 2010, 21; Kirchenamt der EKD, 2008, 37f.). Professionalität artikuliert sich diesbezüglich nicht zuletzt in einem offenen und produktiven Umgang mit kritischen Anfragen.
Diagnostische Kompetenz. Ein zentraler Aspekt, den der Staat von Lehrkräften einfordert, ist das Beurteilen der Schülerinnen und Schüler sowohl hinsichtlich ihres persönlichen Entwicklungsstandes als auch in Bezug auf ihre Leistungen. Dies ist eng verknüpft mit der Wahrnehmungskompetenz und erfordert im schulischen Alltag die Fähigkeit, lerngegenstands- und schülerangemessene Verfahren der Leistungsbewertung (→ Leistungsbewertung
Unterrichtsorganisatorische Gestaltungskompetenz. Unterricht ist ein komplexes, nie abschließend planbares Geschehen. Konzepte wie didaktische Analyse, Elementarisierung (→ Elementarisierung
Innovationskompetenz. Als Experten für Religionsunterricht und Schule sind Religionslehrkräfte gefordert, an der Weiterentwicklung dieser Handlungsfelder mitzuwirken (Schlag, 2012b; Kirchenamt der EKD, 2008, 36). Mit ihrem Erfahrungsschatz und ihrer unterrichtspraktischen Profession stellen sie zum einen wichtige Partner religionspädagogischer (→ Religionspädagogik
3. Perspektiven
In jüngster Zeit rücken Religionslehrkräfte wieder verstärkt ins Zentrum religionspädagogischer Forschung – nicht zuletzt die Debatte um Kompetenzorientierung (→ Kompetenzorientierung
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