Theologie
(erstellt: Januar 2015)
Permanenter Link zum Artikel: https://bibelwissenschaft.de/stichwort/100011/
Digital Object Identifier: https://doi.org/10.23768/wirelex.Theologie.100011
1. Theologie als Rede von Gott
Theologie ist dem Wortlaut her als „Rede von Gott“ oder mit Friedrich-Wilhelm Marquardt als „Zur-Sprache-Kommen Gottes“ zu bezeichnen. Als Begriff hat sich die „Theologie“ erst im Laufe der Begegnung von christlicher Kirche und griechischer Philosophie entwickelt (vgl. dazu Schwöbel, 2005), in der Sache ist die Theologie als Reflexion religiöser Praxis von Anfang an essenzieller Bestandteil (nicht nur) von jüdischem Volk und Kirche.
Allein in diesen ersten Tastversuchen werden basale Verhältnisbestimmungen deutlich, die immer wieder zum Gegenstand theologischer Arbeit gehören: In welcher Beziehung stehen religiöse Praxis (was immer das im Einzelnen ist) und Theologie als Reflexion dieser Praxis zueinander? Gibt es in irgendeiner Hinsicht normative Zugänge, die vielleicht sogar „richtige“ von „falscher“ Praxis unterscheiden? Und wenn es diese gibt: Wo ist die Norm zu finden oder wie zu begründen? Eine Grundfrage in beiden Konfessionen, besonders aber in der evangelischen Theologie, ist in der von Karl Barth in den zwanziger Jahren aufgestellten dialektischen These zu erkennen, die der Spannung nachgeht, inwiefern Menschen überhaupt von Gott (→ Gott
Die christliche Theologie, die an dieser Stelle allein Untersuchungsgegenstand ist, hat als konstitutive Bezugsgrößen die Person Jesu Christi (→
2. Verhältnisbestimmungen von Glaube und Vernunft und die jeweilige Aufgabe der Theologie
Verschiedene, hier nur vergröbert darstellbare Verhältnisbestimmungen haben sich diesbezüglich im Laufe der langen Theologiegeschichte herausgebildet. Grundlegend war im Mittelalter das von Thomas von Aquin auf Basis aristotelischer Philosophie erarbeitete Modell, das von einer Zweiteilung menschlicher Erkenntnisfähigkeiten ausgeht: Von sich aus sei der Mensch in der Lage, die Existenz einer Gottheit oder eines göttlichen Wesens oder jedenfalls eines Urprinzips alles Seins zu erkennen; diese in der Natur des Menschen aufgrund göttlichen Schöpferhandelns (→
Das zweite Modell ist in ausdrücklicher Absetzung davon nachaufklärerisch im evangelischen Kontext von Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher entwickelt worden. Er setzt die kantsche Kritik voraus, nach der die menschliche Vernunft nicht in der Lage ist, irgendetwas außerhalb ihrer eigenen Reichweite zu erkennen, weshalb Kant auch jeden Gottesbeweis verwirft. Schleiermacher fragt deshalb zunächst nach dem spezifischen Ort von Religion und macht diese im je individuellen menschlichen religiösen Erleben aus: Jeder Mensch macht seine eigenen religiösen Erfahrungen. Der Kern dieser religiösen Erfahrungen sei nun als „Gefühl schlechthinniger Abhängigkeit“ (Schleiermacher, 1830, 44) zu bezeichnen oder auch als „Sinn und Geschmack fürs Unendliche“ (Schleiermacher, 1799, 212). Diese Verortung von Religion hat konsequenterweise zur Folge, dass die gegenständliche Rede etwa von Gott als Person immer erst in zweiter Linie als Deutung der jeweiligen Erfahrung möglich ist: Theologie hat hier die Aufgabe, religiöse Erfahrungen zu interpretieren; die Erfahrung beziehungsweise das Gefühl und damit die gelebte Religion hat im Blick auf den religiösen Wert das Primat und steht jeglicher Theologie an Wahrheit voran.
Ein drittes Modell antwortet auf evangelischer Seite wiederum auf das schleiermachersche Erfahrungsparadigma und ist vor allem von Karl Barth beeinflusst worden. Gegenüber der je individuellen Erfahrung, die von Barth potenziell als sehr plurales Wirken des → Heiligen Geistes
Die katholische Theologie hat ab dem Beginn des 20. Jahrhunderts durch R. Guardini, H. U. von Balthasar, K. Rahner, E. Biser, H. Küng und weitere die evangelische Kritik konstruktiv aufgenommen und zu einem fundamentalen Neuansatz geführt, der die traditionelle Rede von einer „natürlichen“ Theologie durch andere Formulierungen ersetzt. Die Frage, ob der Mensch durch die Vernunft oder den Glauben (→ Glaube
Alle Modelle haben je ihre Stärken und Schwächen. Der die natürliche Theologie betonende erste Ansatz integriert tendenziell alle möglichen religiösen Suchbewegungen von Menschen, vereinnahmt sie aber auch. Das schleiermachersche Anliegen setzt die Vielfalt religiöser Erfahrungen und die Nichtkommunizierbarkeit letzter Wahrheiten voraus, hat gleichzeitig aber Mühe, das in der Bibel bezeugte Handeln Gottes, das ja auch argumentierend etwa in den paulinischen Briefen reflektiert wird, zu thematisieren. Das barthsche Modell hat den großen Vorteil, den Erfahrungen eine Wahrheit gegenüberstellen zu können; aber es kann diese Wahrheit nicht selber plausibilisieren – die universale Gültigkeit bleibt für viele nur als Postulat erkennbar. Das Verifikationsmodell schließlich bietet keine Antwort auf offenkundig bestehende Widersprüche zwischen bestimmten Glaubensaussagen und der menschlichen Vernunft.
3. Theologie – eine Einheit?
Innerhalb der letzten Jahrhunderte hat sich die theologische Wissenschaft in Teildisziplinen gegliedert, was dazu geführt hat, dass die Teildisziplinen zuweilen Mühe haben (vgl. Dalferth, 2006), die Einheit zu betonen. Die → Religionspädagogik
4. Die Unverzichtbarkeit biblischer Theologie für die Religionspädagogik
Ohne jetzt auf die spezifischen Aufgaben, Tätigkeitsfelder und Methoden der alt- und neutestamentlichen Wissenschaft eingehen zu können, ist die Arbeit am Urdokument der christlichen Kirche auch für die religionspädagogische Arbeit notwendig. Die historische Erforschung des Zustandekommens, der Redaktion und der bereits innerbiblisch erkennbaren Wirkungsgeschichte der einzelnen Schriften und ihrer Teile hat nicht nur die Aufgabe, einen Erkenntnisgewinn im Blick auf die Entstehungssituation zu bringen, sondern sie dient auch dazu, einer vorschnellen Vereinnahmung biblischer Texte oder christlicher Selbstverständlichkeiten zu wehren – die alt- und neutestamentliche Theologie fördert auch die Fremdheit biblischer Aussagen (vgl. Ebeling, 1950). Damit aber sorgt die biblische Theologie dafür, dass die Bibel mit ihren vielfältigen Aussagen als Quelle der Botschaft der Kirche auch für die religionspädagogische Arbeit in Schule und Kirchengemeinde entscheidend wichtig ist (→
5. Die Unverzichtbarkeit historischer Theologie für die Religionspädagogik
Einerseits hat die historische Theologie im Ganzen gesehen dieselbe Aufgabe wie die biblische Theologie, die ja zum deutlichen Teil auch historisch-analytisch vorgeht: Die Erhellung der Entstehungssituation wesentlicher Erkenntnisse für die christliche Kirche. Auch die Kirchen- und Theologiegeschichte nimmt die grundlegende Ebene des Vergangenen in den Blick und distanziert unsere Situation von der der Urkirche, der Reformation (→
6. Die Unverzichtbarkeit Systematischer Theologie für den Religionspädagogen und die Religionspädagogin
Die Systematische Theologie reflektiert die Inhalte der christlichen Theologie und ist deshalb immer mit der Wahrheitsfrage konfrontiert – und hat sie damit als solche auch zu stellen. Das betrifft ihre Teilgebiete der → Dogmatik
7. Die Unverzichtbarkeit Systematischer Theologie für die Religionspädagogik
Das Verhältnis zwischen Systematischer Theologie und → Religionspädagogik
Die Systematische Theologie und insbesondere die Dogmatik hat die Aufgabe, den Glauben zu verstehen (fides quaerens intellectum). Sie hat nicht die Aufgabe, ihn zu begründen, sondern hat deshalb eine nachgängige Aufgabe mit zwei Bezugsgrößen: Einerseits ist die real existierende Kirche mit ihren zum Teil sehr kontingenten Glaubensweisen der Systematischen Theologie vorgeordnet; die Systematische Theologie ist ihr zugeordnet. Hier hinein ist der Glaube als „fides qua“, also als von den Menschen sehr unterschiedlich vorhandene Art und Weise der Religiosität zuzuordnen. Andererseits bezieht sich die Systematische Theologie auf die „fides quae“, also auf den Inhalt des Glaubens, der in der Heiligen Schrift und den auf sie bezogenen Bekenntnissen zu finden ist. Die ja nicht einheitlichen Glaubensbekenntnisse sind ihrerseits schon Produkte dogmatischer Arbeit, die ein Verstehen der Inhalte des Glaubens zum Gegenstand haben.
Die Systematische Theologie hat nun ihrerseits die unverzichtbare Aufgabe, das Verständnis von Quelle und Norm als ständige Grundlage ihrer Tätigkeit zu verstehen. Die Bibel als Quelle theologischer Erkenntnisse anzusehen, bedeutet noch keine normative Tätigkeit. Indem aber innerhalb der Systematischen Theologie die Bibel auch als ihrerseits natürlich plural wahrnehmbare Norm akzentuiert wird, kann sie nicht umhin, selber die Frage der Normativität zu bedenken. Das heißt: Nicht die Systematische Theologie ist normativ – das würde sie völlig überhöhen –, sondern die Kirche hat z.B. in ihren Bekenntnissen normative Äußerungen vollzogen, auf die die Systematische Theologie zu rekurrieren hat: Nicht die Dogmatik beschließt die Bekenntnisse, sondern die Kirche (also z.B. eine Synode). Die Dogmatik hat deshalb die Frage nach der Relevanz des kirchlichen Bekenntnisses an der Heiligen Schrift zu prüfen – und gegebenenfalls auch falsche Lehren als solche zu erkennen und zu benennen.
Die Systematische Theologie steht deshalb nicht über der Religionspädagogik oder ihr gegenüber, sondern versieht (auch) für sie eine wichtige Aufgabe. Sie ist für die Religionspädagogik nicht die einzige Bezugswissenschaft, aber doch eine wesentliche, weil sie die Aufgabe hat, das Verstehen des Glaubens zu ermöglichen: Das Ziel auch der Systematischen Theologie ist es, Menschen auf dem Weg ihrer (nie abgeschlossenen) Mündigkeit zu fördern.
8. Die Unverzichtbarkeit der Religionspädagogik für die („fachwissenschaftliche“) Theologie
Die Begrifflichkeit der „Fachwissenschaft“, zu der die theologischen Teildisziplinen Altes Testament, Neues Testament, Kirchengeschichte und Systematische Theologie zählen, zu der dann die Fachdidaktik, in die die Religionspädagogik zuweilen eingeordnet wird, hinzu kommt, verdankt sich der klassischen Nomenklatur, wie sie immer noch in den Fakultäten mit Lehramtsausbildung gepflegt wird. Diese Begrifflichkeit aber lässt die Religionspädagogik zur „Anwendungswissenschaft“ (Rothgangel/Thaidigsmann, 2005, 9) verkommen, die nur eine einseitige Bewegung (von der ‚Fachwissenschaft‘ hin zur Fachdidaktik) zu kennen scheint. In Wirklichkeit aber ist die Lage auch hier, zum Glück, komplexer. Denn bereits durch den engen Zusammenhang von Forschung und Lehre ist von Wechselwirkungen zu sprechen; ansonsten wäre die universitäre Lehre selber nur eine Anwendung abstrakt gewonnener Forschung – und die Studierenden wären keine Menschen mit eigenen Fragen und Erkenntnissen, sondern vielleicht gut zu füllende Hohlräume. Konkret lautet die Frage, inwiefern die Religionspädagogik selber eine Bezugswissenschaft der anderen theologischen Fächer ist. Den von Rothgangel reflektierten Begriff der „Vermittlung“ (Rothgangel, 2013, 77f.) sehe ich zwar kritisch, weil er die Theologen und Theologinnen in Universität und Schule theologisch überhöht und nicht alle Menschen gleichberechtigt nebeneinander vor Gott stehend sieht. Aber es wird doch deutlich, dass die etwa empirisch (→
9. Theologie als Verheißung
Theologie ist das „Zur-Sprache-Kommen Gottes“ – und kann so immer nur als Verheißung verstanden werden. Denn es ist keinem Menschen möglich, zu veranlassen, dass genau dieses gelingt. Anders gesagt: Wir können in der Theologie und in der Schule viel „von Gott“ reden, und dabei richtige und problematische Aussagen vollziehen. Im Entscheidenden ist das „Zur-Sprache-Kommen Gottes“ aber etwas, was nur Gott selber vollbringen kann und für das keine theologische Wissenschaft garantieren kann. Alle Disziplinen der Theologie haben aber darin ihre je spezifische Aufgabe, dass sie das Kommen Gottes bezeugen – in der Geschichte und deshalb auch für die Gegenwart erwartend. Dass Gott selber von sich redet und sich so zu erkennen gibt, bleibt eine Hoffnung. Theologie ist deshalb als Wissenschaft gleichzeitig eine Verlegenheit und eine Verheißung.
Literaturverzeichnis
- Barth, Karl, Das Wort Gottes als Aufgabe der Theologie (1922), in: Moltmann, Jürgen (Hg.), Anfänge der dialektischen Theologie, Teil I, München 1977, 197-218.
- Barth, Karl, Kirchliche Dogmatik I/1, Zürich 1932.
- Böhnke, Michael, Kirchenglaube und Kinderglaube. Zum Verhältnis von Dogmatik und Religionspädagogik, in: Katechetische Blätter 129 (2004) 3, 193-201.
- Dalferth, Ulrich (Hg.), Eine Wissenschaft oder viele? Die Einheit evangelischer Theologie in der Sicht ihrer Disziplinen, in: Forum Theologische Literaturzeitung 17, Leipzig 2006.
- Ebeling, Gerhard, Die Bedeutung der historisch-kritischen Methode für die protestantische Theologie und Kirche, in: Zeitschrift für Theologie und Kirche 47 (1950) 1, 1-46.
- Ebeling, Gerhard, Kirchengeschichte als Geschichte der Auslegung der Heiligen Schrift, Tübingen 1947.
- Englert, Rudolf, Auffälligkeiten und Tendenzen in der religionsdidaktischen Entwicklung, in: Biehl, Peter (Hg. u.a.), Religionsdidaktik, Jahrbuch der Religionspädagogik 18, Neukirchen-Vluyn 2002, 233-248.
- Kasper, Walter, Der neue Katholische Erwachsenenkatechismus, in: Katechetische Blätter 110 (1985) 5, 363-370.
- Laube, Martin, Vor welchen Anfragen sieht sich die Systematische Theologie heute?, in: TheoWeb. Zeitschrift für Religionspädagogik 12 (2013) 2, 22-33.
- Lämmermann, Godwin, Grundriß der Religionsdidaktik, Stuttgart u.a. 2. Aufl.1998.
- Pemsel-Maier, Sabine, Jenseits von Dogmatismus und radikalem Konstruktivismus. Perspektiven aus der Systematischen Theologie zur gegenwärtigen Religionspädagogik, in: Religionspädagogische Beiträge 66 (2011) 1, 60-69.
- Rothgangel, Martin, Religionspädagogische Theologie – ein Desiderat angesichts einer sich ausdifferenzierenden Theologie, in: Theo-Web. Zeitschrift für Religionspädagogik 12 (2013) 2, 71-81.
- Rothgangel, Martin/Thaidismann, Edgar (Hg.) Religionspädagogik als Mitte der Theologie? Theologische Disziplinen im Diskurs, Stuttgart 2005.
- Schleiermacher, Friedrich D. E., Der christliche Glaube nach den Grundsätzen der evangelischen Kirche im Zusammenhange dargestellt, 2. Aufl. 1830/31, hg. v. Rolf Schäfer, Berlin/New York 2008.
- Schleiermacher, Friedrich D. E., Über die Religion. Reden an die Gebildeten unter ihren Verächtern (1799), in: Schleiermacher, Friedrich D. E., Kritische Gesamtausgabe, Bd. I/2: Schriften aus der Berliner Zeit 1769-1799, hg. v. Günter Meckenstock, Berlin/New York 1984.
- Schmidt, Heinz, Religionspädagogische Rekonstruktion. Wie Jugendliche glauben können, Stuttgart 1977.
- Schwöbel, Christoph, Art. Theologie, RGG 4. Aufl., VIII (2005), 255-306, bes. 255-259.
- Wegenast, Klaus, Didaktik des Religionsunterrichts, in: Westermanns Pädagogische Beiträge 30 (1978), 226-232.
- Werbick, Jürgen, Vom Realismus der Dogmatik. Rückfragen an Walter Kaspers These zum Verhältnis von Religionspädagogik und Dogmatik, in: Katechetische Blätter 110 (1985) 6, 459-463.
- Zimmermann, Mirjam, Art. Theologie, in: Andresen, Sabine (Hg. u.a.), Erziehung. Ein interdisziplinäres Handbuch, Stuttgart/Weimar 2013, 254-259.
PDF-Archiv
Alle Fassungen dieses Artikels ab Oktober 2017 als PDF-Archiv zum Download: