Deutsche Bibelgesellschaft

Jugendtheologie

Schlagworte: Theologisieren mit Jugendlichen, Theologie mit, Theologie für, Theologie von Jugendlichen, Kindertheologie, Jugendphilosophie

(erstellt: Januar 2015)

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1. Was ist Jugendtheologie?

Das religionspädagogische Konzept von Jugendtheologie lässt sich am besten in Anlehnung an bzw. durch die Abgrenzung von der → Kindertheologie verstehen: Gemeinsam ist beiden Konzepten das Anliegen, Heranwachsende in ihrem theologischen Denken, Fragen und Suchen ernst zu nehmen, d.h. insbesondere auch sie als prinzipiell gleichberechtigte Dialogpartner wertzuschätzen. Sowohl aus kinder- als auch aus jugendtheologischer Sicht gilt es, die theologischen Deutungen der Heranwachsenden wahrzunehmen und zu deuten, um sie anschließend ergänzen, differenzieren und flexibilisieren zu können.

Dieser Dreischritt von Wahrnehmung, Dialogisierung und Differenzierung erfordert zunächst einmal fachliche, fachdidaktische sowie reflexive Kompetenzen (→ Kompetenzen, religionspädagogische) auf Seiten der religionspädagogisch Verantwortlichen (im Folgenden: Lehrkraft). Die jugendtheologische Aufgabe, sich mit Elementen der geschichtlichen, gegenwärtigen oder persönlichen Glaubenspraxis reflexiv auseinanderzusetzen, verlangt dann auch den Jugendlichen Kompetenzen in unterschiedlichen Bereichen ab: Wahrnehmung und Darstellung, Deutung, Urteil, Dialog, Gestaltung und Handlung (Schlag/Schweitzer, 2011, 138). In Anlehnung an Mirjam Zimmermann können diese religiösen Kompetenzen explizit an die theologische Denktradition zurückgebunden und zum Begriff der „theologischen Kompetenz“ zusammengefasst werden (Zimmermann, 2012, 131-164). Diese zeigt sich in der Fähigkeit Heranwachsender, „eigene Gedanken und Vorstellungen zu theologischen Fragen nicht nur zu artikulieren, sondern auch gedanklich zu durchdringen und weiterzuentwickeln“ (Reiß/Freudenberger-Lötz, 2012, 133).

In dieser Beschreibung ist angedeutet, in welchem Sinne Jugendliche als Theologen zu verstehen sind: Ihre → Theologie vollzieht sich nicht auf wissenschaftlichem, sondern auf Laien-Niveau. Diese Abgrenzung gilt es im Blick zu haben, um eine Degradierung wissenschaftlicher Theologie und eine Überforderung der Heranwachsenden zu vermeiden (Schlag/Schweitzer, 2011, 47).

Gelten die vorangegangenen Überlegungen für die Kinder- und für die Jugendtheologie gleichermaßen, so sind auch grundlegende Differenzen zwischen beiden einzutragen: Das Jugendalter lässt sich aus → entwicklungspsychologischer und soziologischer Sicht von der Kindheitsphase abgrenzen. Mit der Entwicklung vom Kind zum Jugendlichen stehen dem Heranwachsenden neue Denkmöglichkeiten zur Verfügung. Das hypothetische Denken stellt eine Fähigkeit dar, die es dem Jugendlichen erlaubt, Hypothesen aufzustellen und kognitiv zu bearbeiten. Dies hat auch Auswirkungen auf die soziale Entwicklung: Die Eigen- und vor allem auch Fremdsicht auf die eigene Person und ihr Verhalten gewinnen an Bedeutung (Dieterich, 2012, 33f.).

Diese entwicklungspsychologischen Veränderungen implizieren schließlich die Möglichkeit und letztlich auch Notwendigkeit, religiöse Vorstellungen und Glaubensinhalte der Kindheit in Frage zu stellen und neu zu justieren. Jugendtheologie kann zu diesem religiösen Bildungsprozess (→ Bildung, religiöse) einen zentralen Beitrag leisten, indem sie den Fokus auf die theologischen Fragen und Suchbewegungen Heranwachsender richtet und sie in einen Kontext bettet, der dem Jugendlichen hilft, sich (neu) zu orientieren und die eigene theologische Kompetenz zu erweitern. Zu beachten ist dabei eine wichtige Eigenschaft jugendlicher Theologie: Thomas Schlag und Friedrich Schweitzer sprechen in Anlehnung an Ottmar Fuchs von „Jugendlichen als Propheten“ und machen so auf das kritische und herausfordernde Potenzial aufmerksam, mit dem Jugendliche der gesellschaftlichen Wirklichkeit gegenübertreten (Schlag/Schweitzer, 2011, 30).

2. Entwicklung der Jugendtheologie

Der Begriff „Jugendtheologie“ ist relativ jungen Datums. So fragte Friedrich Schweitzer 2005 ausgehend von der → Kindertheologie, ob auch Jugendliche Theologen seien (Schweitzer, 2005). Er bejahte diese Frage nachdrücklich und von da an nahmen die jugendtheologische Forschung und ihre Umsetzung in die religionspädagogische Praxis an Fahrt auf.

Das die Jugendtheologie charakterisierende Interesse am theologischen Denken Jugendlicher sowie an der jugendgemäßen Vermittlung christlich-theologischer Inhalte hat jedoch eine weitaus längere Geschichte: Publikationen, in denen jugendliche Äußerungen zu theologischen Fragen und Themen vorgestellt und analysiert werden, lassen sich bis in die 80er Jahre datieren (Schuster, 1984 und Nipkow, 1987). Und das Bemühen, Theologie jugendgemäß aufzubereiten, hat eine bemerkenswerte Tradition. Man denke an Luthers Kleinen Katechismus von 1529 sowie an die Unterrichtswerke von → Comenius oder Ritschl (Dieterich, 2007, 122).

Worin aber liegt dann das innovative Potenzial von Jugendtheologie?

Die Antwort auf diese Frage verweist auf die unter 1. genannte prinzipielle Gleichberechtigung im Dialog. Auch wenn diese Forderung aufgrund der Einbettung von Jugendtheologie in öffentliche Bildungseinrichtungen letztlich nicht einzulösen ist, so stellt sie doch eine – aus jugendtheologischer Sicht unaufgebbare – Zielperspektive dar.

Mittlerweile gibt es eine Reihe von Veröffentlichungen, in denen die Rahmenbedingungen jugendtheologischer Bildungsarbeit eruiert sowie erste Umsetzungsversuche dieser Arbeit dokumentiert und ausgewertet werden (Schlag/Schweitzer, 2011 und 2012; Dieterich, 2012; Freudenberger-Lötz, 2012a; Freudenberger-Lötz/Kraft/Schlag, 2013). Gleichwohl gibt es zahlreiche offene Fragen, die es in Zukunft zu bearbeiten gilt. Auf diesen Umstand weisen auch Schlag und Schweitzer hin, die sich mit ihrer 2011 publizierten Monografie der Aufgabe stellen, das Projekt „Jugendtheologie“ systematisch und aus unterschiedlichen (religionspädagogischen) Perspektiven zu beleuchten (Schlag/Schweitzer, 2011, 5-7). Dazu differenzieren sie die bekannten Dimensionen von Jugendtheologie (Theologie von, für und mit Jugendlichen; vgl. dazu 3.) weiter aus und zeigen so auf, dass es neben einer expliziten auch eine implizite Form von Theologie zu berücksichtigen gilt (Schlag/Schweitzer, 2011, 179). Es scheint geradezu ein Spezifikum von Jugendtheologie zu sein, dass die Heranwachsenden theologische Grundfragen und -themen in ihrer (Jugend-)Sprache verhandeln und die begleitende Lehrkraft ihre Aufgabe der Wahrnehmung dementsprechend sorgfältig auszuüben hat.

Mit dem Verweis auf die implizite Theologie Heranwachsender geht die grundlegende Frage einher, wie weit Jugendtheologie letztlich zu fassen ist: Inwiefern ist sie von einer → Jugendreligiosität oder -spiritualität zu unterscheiden? Wenn hier keine Differenzierungen eingetragen werden, droht die Jugendtheologie letztlich ihr Profil innerhalb der → Religionspädagogik zu verlieren. Somit ist der Theologiebegriff herauszustellen, da er die maßgeblichen Inhalte sowie deren kognitive Verarbeitung im Konzept der Jugendtheologie in den Fokus rückt (Dieterich, 2012, 37). Hieraus ergibt sich dann auch eine Abgrenzung zur Jugendphilosophie, der es um die Befähigung Heranwachsender geht, grundlegende Fragen zum Woher, Wozu und Wohin des Lebens zu stellen und zu bearbeiten – ohne den „theologischen Zusatz“ der Lebensgewissheit.

Ein Überblick über aktuelle Publikationen zur Jugendtheologie zeigt den Facettenreichtum jugendtheologischer Forschung, die sich unterschiedlicher, in der Regel qualitativer → Methoden bedient (vgl. 4.), unterschiedliche Themenfelder fokussiert (so z.B. → Gotteslehre, → Christologie, → Schöpfungslehre) und unterschiedliche → Lernorte als Setting (insbesondere Schule und → Gemeinde) auswählt (Dieterich, 2012; Schlag/Schweitzer, 2012; Freudenberger-Lötz/Kraft/Schlag, 2013).

Eine wichtige Aufgabe jugendtheologischer Forschung wird es zukünftig sein, die Ergebnisse aktueller Studien aus verschiedenen Wissensbereichen zur Kenntnis zu nehmen: Dazu zählen nicht nur sämtliche theologische Disziplinen, sondern insbesondere auch die → Entwicklungspsychologie, die Auskunft gibt über die kognitive Entwicklung Heranwachsender. Unter Berücksichtigung dessen lassen sich Untersuchungen konzipieren, die das Potenzial sowie die Grenzen jugendtheologischer Arbeit auszuloten vermögen (Büttner/Dieterich, 2013).

3. Binnendifferenzierung: Jugendtheologie als Theologie von, für und mit Kinder(n)

Aufgrund der Entwicklung des Begriffs der Jugendtheologie aus dem Konzept der Kindertheologie heraus erschien Friedrich Schweitzers Vorschlag, die Differenzierung einer Theologie von, für und mit Jugendlichen aus der Kindertheologie zu übernehmen (Schweitzer, 2005, 46f.), plausibel. Mirjam Zimmermann hat diese Differenzierung im Blick auf den zugrunde liegenden Theologiebegriff, die Rolle des → Kindes sowie des Lernenden, die Methode(n), die (religions-)pädagogischen Ziele und die Grenzen bzw. Probleme befragt. Die Ergebnisse dessen hat sie in einer Tabelle zusammengefasst ( → Kindertheologie).

In weiten Teilen gelten die Inhalte dieser Tabelle auch für die Jugendtheologie. Ergänzen und weiter ausdifferenzieren lassen sie sich durch die von Friedrich Schweitzer und Thomas Schlag vorgeschlagene Unterscheidung unterschiedlicher Spielarten, in denen Jugendtheologie zum Ausdruck kommen bzw. kommuniziert werden kann: implizit, persönlich, explizit, mit Hilfe der theologischen → Dogmatik oder in Form ausdrücklich theologischer Argumentation (Schlag/Schweitzer, 2011, 59f.).

Nachfolgend erfolgt eine kurze inhaltliche Einführung in diese mehrdimensionale Binnendifferenzierung innerhalb der Jugendtheologie.

3.1. Theologie von Jugendlichen

Diese Dimension von Jugendtheologie umfasst Gedanken, Deutungen oder auch Erklärungsmodelle, die Jugendliche zu theologischen Fragen und Themen artikulieren. Diese Artikulation kann in mündlicher, schriftlicher oder künstlerischer Form erfolgen. Dabei gewinnen im Vergleich zur → Kindertheologie die schriftlichen Ausdrucksformen an Bedeutung, da sich die dazu erforderlichen Kompetenzen mit zunehmendem Alter erweitern.

Nicht zuletzt hängt die Form, in der die Theologie der Jugendlichen zum Ausdruck kommt, von dem Setting ab, in dem sie erhoben wird. In Frage kommen beispielsweise der Austausch in einer Gesprächsrunde, das Anfertigen einer Zeichnung oder das Verfassen eines Briefes – jeweils zu einem ausgewählten theologischen Thema.

Hier wird nun deutlich, dass die Theologie von Jugendlichen immer nur in Ausschnitten und perspektivisch zu erfassen ist. Der „Output“ ist nicht unabhängig vom „Input“ zu denken, d.h. die Wahl des Themas, die Formulierung der Themenstellung und die Vorgabe möglicher Artikulationsformen nehmen entscheidenden Einfluss auf die Fokussierung innerhalb einer Theologie der Jugendlichen.

Als Beispiel sei die von Ingrid Grill herausgegebene Sammlung von Unterrichtsgesprächen in der gymnasialen Oberstufe angeführt: Hier ist gut zu beobachten, wie die unterschiedlichen Settings, in denen das Thema der Rechtfertigungslehre bzw. die Perikope von Jesus und der Ehebrecherin (Joh 8,2-11) unterrichtlich verhandelt werden, zu verschiedenen Gesprächsverläufen führen (Grill, 2005). Aus dem Bereich der → Kindertheologie gibt es vergleichbare Beobachtungen (zum Beispiel Dieterich, 2004, und Fricke, 2005, die mit Kindern über die biblischen Schöpfungserzählungen gesprochen haben).

3.2. Theologie für Jugendliche

Hierunter ist jegliches Material zu fassen, das Jugendliche dazu anregt, ihre Theologie zu artikulieren, zu konkretisieren und zu differenzieren.

Eine Anregung zur Artikulation der eigenen Theologie bieten Impulse, die in Abstimmung auf die jugendlichen Adressaten ausgesucht werden. So zum Beispiel eine – gegebenenfalls verfremdete oder übertragene – → biblische Geschichte, ein → Bild, ein Zitat oder eine Frage. Für die Konkretisierung und Differenzierung bedarf es der Begegnung mit theologischen Inhalten, die die eigenen Gedanken in irritierender, bestätigender oder kontextualisierender Weise aufnehmen. Dies können abermals biblische Geschichten, Bilder oder Zitate sein; denkbar ist aber vor allem auch jegliches Material, das die Rezeptionsgeschichte des jeweiligen theologischen Themas beleuchtet. Auf diese Weise erfährt die Theologie der Jugendlichen eine (vertiefte) Anbindung an die Tradition – in biblischer, systematisch-theologischer oder historischer Form.

Als Beispiel sei Hanna Rooses Vorschlag angeführt, das Thema → „Sünde“ jugendtheologisch zu bearbeiten (Roose, 2012): Die Sündenvorstellungen der Heranwachsenden werden erhoben und den systematisch-theologischen Begriffskonzepten gegenüber gestellt. Die Perikopen vom verlorenen Sohn, von den anvertrauten Geldern und vom Menschen unter der Macht der Sünde (Röm 7) beleuchten den Sündenbegriff aus biblischer Perspektive. Auf diese Weise erfahren die Sündenvorstellungen der Jugendlichen eine (theologische) Präzisierung bzw. Erweiterung.

Dieses Beispiel macht zum einen deutlich, dass die Theologie für Jugendliche als Dimension von Jugendtheologie nicht ohne den Bezug zur Theologie der Jugendlichen gedacht bzw. inhaltlich gefüllt werden kann. Zum anderen ist darauf hinzuweisen, dass sich Jugendtheologie nicht im Austausch bereits vorhandener Begriffskonzepte und Erklärungsmodelle erschöpft. Das heißt die Anbindung an die theologische Tradition gehört wesentlich zum Konzept „Jugendtheologie“.

3.3. Theologie mit Jugendlichen

Diese dritte Dimension fokussiert den dialogischen Charakter von Jugendtheologie. Hier geht es darum, dass die Theologie von Jugendlichen mit der Theologie für Jugendliche ins Gespräch gebracht wird.

Diese Dimension ist also eine umfassende und von daher kommt ihr auch eine besondere Bedeutung innerhalb der jugendtheologischen Diskussion zu:

So konzentrieren sich einige der zwischenzeitlich veröffentlichten Publikationen im Bereich der Jugendtheologie auf die Theologie mit Jugendlichen (Freudenberger-Lötz, 2012a; Dieterich, 2012). Dabei machen die in diesen Veröffentlichungen verwendeten Begriffe „Theologisieren“ und „Theologisches Gespräch“ auf mögliche Alternativen zur Bezeichnung „Theologie mit Jugendlichen" aufmerksam (kritisch dazu Schlag/Schweitzer, 2011).

Unabhängig von der gewählten Begrifflichkeit geht es bei dieser Dimension von Jugendtheologie im Wesentlichen um die Erhebung der Theologie von Jugendlichen, ihre Strukturierung sowie ihre Dialogisierung mit der Theologie für Jugendliche. Petra Freudenberger-Lötz hat dazu drei Kernaufgaben der → Lehrkraft unterschieden (Freudenberger-Lötz, 2012a, 15-18; Reiß/Freudenberger-Lötz, 2012, 137-141): Im Blick auf ein theologisches Thema gilt es, die Deutungen der Heranwachsenden wahrzunehmen (aufmerksames Beobachten), ins Gespräch zu bringen (stimulierende Gesprächspartnerschaft) und weiterzuführen (begleitende Expertise). Diese dreifache „Rollenmodulation“ ist eine komplexe Aufgabe, die der Übung – auch auf Seiten der Jugendlichen – bedarf. Dabei ist zu bedenken, dass die Handhabung dieser drei Rollen nicht starr, sondern flexibel zu gestalten ist.

Die bislang erschienenen Publikationen zur Theologie mit Jugendlichen zeigen, dass sich in der religionspädagogischen Praxis eine Bandbreite an Themen, → Methoden, → Sozialformen und → Medien anbietet, derer sich das Theologische Gespräch bedienen kann.

Entscheidend ist die tatsächliche Dialogisierung der Theologie von mit der für Jugendliche. Verzichtet man auf die erstgenannte Dimension, endet das Unternehmen „Jugendtheologie“ in dem Versuch, Fachwissen zu vermitteln – ohne die „theologischen Bedürfnisse“ der Jugendlichen und ihre Rezeption des Fachwissens im Blick zu haben. Auf der anderen Seite darf auch auf die Theologie für Jugendliche nicht verzichtet werden, da Theologisieren mit Jugendlichen mehr ist als der Austausch der eigenen Fragen und Gedanken zu einem theologischen Thema.

3.4. Ausdrucksformen von Jugendtheologie

Wenn Jugendliche sich mit Fragen und Themen auseinandersetzen, die ihrer Ansicht nach nichts mit Religion zu tun haben, denen jedoch aus Expertensicht ein theologischer Gehalt zugesprochen werden kann, so kann man von „impliziter Theologie“ sprechen (Schlag/Schweitzer, 2011, 59f.).

Vertreten Jugendliche hingegen eine eigene – gegebenenfalls auch von anderen geteilte – religiöse Position, so kommt darin ihre „persönliche Theologie“ zum Ausdruck. Bei der „expliziten Theologie“ wiederum steht das Nachdenken über einen religiösen Gegenstand im Vordergrund, es ist also „der Sache nach theologisch bestimmt“ (Schlag/Schweitzer, 2011, 60).

Und schließlich gibt es noch die Formen von Jugendtheologie, in denen die theologische → Dogmatik bemüht wird beziehungsweise in denen die Jugendlichen ausdrücklich theologisch argumentieren.

Mit dieser Differenzierung ist zunächst einmal die Theologie der Jugendlichen im Blick. Diese Perspektive ist jedoch aus jugendtheologischer Sicht nicht ohne die Perspektiven der Theologie von und mit Jugendlichen zu denken. Auch innerhalb dieser Dimensionen gilt es also, die unterschiedlichen Ausdrucksformen von Jugendtheologie zu berücksichtigen.

Gleichwohl ist zu bedenken, dass die zuvor skizzierte Binnendifferenzierung lediglich den Versuch darstellt, die Komplexität von Jugendtheologie einzufangen und handhabbar zu machen. Für die jugendtheologische Praxis kommt dieser Strukturierung wohl im Wesentlichen eine hermeneutische Funktion zu.

4. Methoden der Jugendtheologie

Bezüglich der Methoden in der Jugendtheologie lassen sich zwei Bereiche unterscheiden: Die jugendtheologische Praxis zum einen und die jugendtheologische Forschung zum anderen.

4.1 Methoden in der jugendtheologischen Praxis

Der Wortbedeutung nach fragt der Begriff „Methode“ nach dem „Weg zu etwas hin“. Von daher ist an die Ziele jugendtheologischer Praxis zu erinnern: Es geht darum, Glaubensvorstellungen Heranwachsender einzufangen, zu strukturieren und zu kontextualisieren – geleitet von der Idealvorstellung eines gleichberechtigten Dialogs, d.h. Jugendliche sind in ihrem Fragen und Denken als Theologen anzuerkennen und zu unterstützen.

Wie der nachfolgende Überblick zeigt, stehen für jedes der drei Ziele unterschiedliche Methoden zur Verfügung.

1) Glaubensvorstellungen Jugendlicher erheben

Es gibt geplante und ungeplante Theologische Gespräche – letztere werden oftmals eingeleitet von drängenden (Schüler-)Fragen, die sich aus dem (Unterrichts-)Kontext ergeben.

Für das geplante Theologisieren kommt es entscheidend auf den eröffnenden Impuls an; denkbar und geeignet sind sogenannte Glaubensfragen (d.h. keine Wissensfragen; zur Unterscheidung Freudenberger-Lötz, 2012a, 14), Texte (z.B. Bibeltexte oder Zitate) oder Bilder.

Die Form, in der sich die Jugendlichen zu dem Impuls äußern, kann mündlich oder schriftlich, in der individuellen Auseinandersetzung oder im gemeinsamen Austausch erfolgen. Wichtig ist, dass die Beiträge früher oder später schriftlich fixiert werden, so dass im weiteren Verlauf des Theologischen Gesprächs darauf zurückgegriffen werden kann.

Um ihre Aufgabe der sensiblen Wahrnehmung zu bewältigen, kann die Lehrkraft auf Gesprächstechniken zurückgreifen: Rückfragen, Spiegeln oder auch Innehalten – insbesondere dann, wenn sich die Lehrkraft durch die Gedanken der Jugendlichen überrascht oder irritiert fühlt (Reiß/Freudenberger-Lötz, 2012, 138).

Von Bedeutung ist außerdem das Bemühen der Lehrkraft, die Theologie der Heranwachsenden nicht zu selektieren. Alle Beiträge haben das Recht, wahr- und ernst genommen zu werden. Diese Aufgabe bedeutet für die Lehrkraft eine besondere Herausforderung auf zwei Ebenen: Zum einen muss sie die Gedanken der Jugendlichen fachlich angemessen einordnen können. Zum anderen muss sie die eigene Deutung des theologischen Themas zurückstellen können, um für abweichende Deutungsperspektiven offen zu sein.

2) Glaubensvorstellungen strukturieren

Auf die Erhebung der jugendlichen Glaubensvorstellungen folgt deren Strukturierung. Dazu werden das zentrale Thema des Theologischen Gesprächs herausgearbeitet, Fragen gesammelt und Positionen formuliert. Um eine derartige Strukturierung vornehmen zu können, ist es wichtig, die Beiträge der Jugendlichen schriftlich zu fixieren. Werden die Heranwachsenden in die Verschriftlichung ihrer Gedanken einbezogen, trägt das zur Präzisierung und vertieften Reflexion ihrer Vorstellungen bei.

Die Lehrkraft kann im Rahmen der Strukturierungsarbeit auf sogenannte Gesprächsförderer zurückgreifen (Reiß/Freudenberger-Lötz, 2012, 139):

  • Auf den Punkt bringen: Beiträge werden zu einer zentralen Aussage zusammengefasst.
  • In Beziehung setzen: Es wird untersucht, in welchem Verhältnis Äußerungen zueinander stehen.
  • Voraussetzungen klären: Beiträge werden auf mögliche Implikationen hin untersucht.
  • Fragen weitergeben: Fragen einzelner Gesprächsteilnehmer werden an das Plenum weitergegeben.
  • Fragen kategorisieren: Es erfolgt eine Unterscheidung von Glaubens- und Wissensfragen.

Das Ergebnis der Strukturierungsarbeit kann beispielsweise ein Mindmap, ein → Bodenbild oder ein Plakat darstellen. Mit Hilfe dieser Visualisierung kann dann im Sinne des Theologisierens weitergearbeitet werden.

3) Glaubensvorstellungen kontextualisieren

Auf der Grundlage der erfolgten Strukturierung wählt die Lehrkraft Material aus, mit der die Theologie der Jugendlichen kontextualisiert werden kann. In der Regel geschieht dies mit Hilfe von Texten: biblische Texte, Sachtexte, Quellentexte (→ Quellenbearbeitung) etc.

Wichtig bei der Auswahl des Materials ist, dass die Beiträge der Jugendlichen aufgenommen werden und dass sie eine Anbindung an die Tradition erfahren. Darüber hinaus ist darauf zu achten, dass die Kontextualisierung die Vielfalt biblischer, systematischer und historischer Positionen berücksichtigt. Nur so kann der Anspruch, den Jugendlichen im theologischen Dialog auf Augenhöhe zu begegnen, auch eingeholt werden. Methodisch umsetzen lässt sich diese Kontextualisierung z.B. in Form einer Lerntheke, die es den Jugendlichen ermöglicht, individuelle Schwerpunkte in der Auseinandersetzung mit dem theologischen Thema zu setzen (weitere Hinweise zu Methoden im Theologischen Gespräch sind zu finden bei Freudenberger-Lötz, 2012a, 84-154).

Es sind aber auch handlungsorientierte und kreative Methoden denkbar: In einer „Talkshow“ beispielsweise können die Jugendlichen ihre unterschiedlichen Positionen zum Ausdruck bringen und argumentativ entfalten. Unabhängig von der Wahl der Methode sollte diese den Jugendlichen die Begegnung mit unterschiedlichen Positionen zum Thema sowie die Verknüpfung mit den eigenen Glaubensvorstellungen ermöglichen.

Abschließend ist daran zu erinnern, dass diese drei Schritte jugendtheologischer Praxis eine Lehrkraft verlangen, die bereit ist, ihre eigenen theologischen Denkmodelle so weit zurückzustellen, dass sie sich in einen möglichst vorurteilsfreien und richtungsoffenen Dialog mit Jugendlichen begeben kann. Gleichwohl kann es angebracht und gegebenenfalls sogar notwendig sein, dass sich die Lehrkraft zu gegebenem Zeitpunkt mit ihrer individuellen Theologie einbringt – dies jedoch nur auf transparente und reflektierte Weise.

4.2 Methoden in der jugendtheologischen Forschung

Aufgrund des jungen Entstehungsdatums der Jugendtheologie stecken diesbezügliche Forschungen noch in den Anfängen. Gleichwohl liefert die kindertheologische Forschung Anhaltspunkte für potenziell geeignete Methoden (Zimmermann, 2006).

Im Folgenden werden Überlegungen zur → Forschungsmethodik in der Jugendtheologie nach ihren Dimensionen unterschieden.

1) Theologie von Jugendlichen

In den letzten Jahrzehnten publizierte Forschungsarbeiten zeigen auf, welche Methoden sich zur Erforschung der Theologie von Jugendlichen eignen können. Dies sind vorwiegend qualitative Methoden, da es ihnen darum geht, „Lebenswelten ‚von innen heraus‘ aus der Sicht der handelnden Menschen zu beschreiben“, um so „zu einem besseren Verständnis sozialer Wirklichkeit(en) bei[zu]tragen und auf Abläufe, Deutungsmuster und Strukturmerkmale aufmerksam [zu] machen“ (Flick u.a., 2007, 14) – ein Untersuchungsinteresse, dass das Grundanliegen von Jugendtheologie aufnimmt.

Für die Erhebung der Daten stehen Methoden wie die Gruppendiskussion oder das (halb standardisierte) → Interview zur Verfügung. Robert Schusters Idee in den 1980er Jahren, Schülertexte zu einem theologischen Thema zu erheben und auszuwerten (Schuster, 1984), fand in der religionspädagogischen Forschung breiten Anklang.

Auswerten lässt sich das Material mit kategorisierenden Methoden wie der qualitativen Inhaltsanalyse oder den Auswertungsverfahren der → grounded theory. Beide Methoden erlauben induktive sowie deduktive Zugänge zu den Daten. Im Ergebnis liefern die so gewonnen Kategorien einen Überblick über mögliche Rezeptionsstrukturen eines Themas. Gegebenenfalls kann im Anschluss daran die quantitative Verteilung der Kategorien innerhalb einer ausgewählten Stichprobe ermittelt werden.

Die Dissertation von Tobias Ziegler ist ein Beispiel für eine qualitative Studie zur Theologie von Jugendlichen, genauer: zu deren → Christologie (Ziegler, 2006). Ziegler hat Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe II Texte verfassen sowie in Gruppen diskutieren lassen. Dieses empirische Material hat er mit Hilfe der qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertet. Im Ergebnis liefert Ziegler ein Kategorienspektrum zur Christologie Jugendlicher.

2) Theologie mit Jugendlichen

Forschungsvorhaben, mit denen diese dialogische Dimension von Jugendtheologie erfasst werden soll, sind auf Methoden der → Unterrichtsforschung verwiesen. Schließlich sind der Religions- (→ Religionsunterricht, evangelisch; → Religionsunterricht, katholisch) und der → Konfirmandenunterricht die Orte, an denen „institutionalisiertes Theologisieren“ stattfindet bzw. stattfinden soll.

Für die Erforschung der Theologie mit Jugendlichen gilt es also, Unterrichtssituationen einzufangen und zu analysieren. Dazu eignen sich Audio- oder Videoaufnahmen (→ Unterrichtsforschung, videographiebasiert) sowie die teilnehmende Beobachtung. Methoden wie das nachträgliche laute Denken ermöglichen die Perspektivierung der erhobenen Daten.

Die Auswertung der verschriftlichten Unterrichtsaufnahmen kann wiederum mit Hilfe kategorisierender Methoden (qualitative Inhaltsanalyse oder Auswertungsverfahren der grounded theory) erfolgen. Dabei ist zu bedenken, dass die Erforschung einer derart komplexen Kommunikationssituation wie Unterricht ein besonderes Maß an Sensibilität erfordert: Phänomene sind isoliert zu betrachten, aber auch stets an ihren Kontext rückzubinden.

Ein Beispiel für die Forschung im Bereich der Theologie mit Jugendlichen bietet die Religionspädagogik der Universität Kassel (Petra Freudenberger-Lötz): Auf der Grundlage qualitativer Forschungsdesigns werden Theologische Gespräche zu unterschiedlichen Themen und im Bereich der Sekundarstufe I und II untersucht. Schwerpunkte dieser Forschungsarbeit bilden die → Professionalisierung Studierender zum einen sowie die → Biografiearbeit Jugendlicher im Theologischen Gespräch zum anderen (Freudenberger-Lötz, 2012b; Freudenberger-Lötz, 2013).

3) Theologie für Jugendliche

Diese Dimension von Jugendtheologie ist bislang am wenigsten erforscht und auch die kindertheologische Forschung bietet nur wenige Anhaltspunkte.

Ausgehend von den Forschungsarbeiten zu den anderen beiden Dimensionen von Jugendtheologie wird der Forschungsbedarf im Bereich der Theologie für Jugendliche deutlich.

Untersuchungen zur Theologie von Jugendlichen geben Einblicke in die jugendlichen Rezeptionsstrukturen unterschiedlicher theologischer Themen. Sie zeigen auf, welche Fragen die Heranwachsenden bewegen, welcher Sprachmuster sie sich in der Auseinandersetzung mit einem Thema bedienen, über welche Deutungsmodelle sie verfügen, wo ihre „theologischen Bedürfnisse“ liegen.

In Abstimmung auf diese Rezeptionsstrukturen gilt es, Material im Sinne einer Theologie für Jugendliche zu entwickeln. Dieses Material muss also den bekannten Kriterien genügen: Anbindung an die Tradition, Deutungsvielfalt und -offenheit. Darüber hinaus gilt es, dieses Material in der Praxis zu erproben und diese Erprobung zu evaluieren. Geeignete Studiendesigns könnten beispielsweise aus einer Kombination qualitativer und quantitativer Elemente bestehen – so wie es in der Lehr-Lernforschung üblich ist.

Literaturverzeichnis

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  • Dieterich, Veit-Jakobus (Hg.), Theologisieren mit Jugendlichen. Ein Programm für Schule und Kirche, Stuttgart 2012.
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  • Zimmermann, Mirjam, Wie mache ich gute kindertheologische Forschung?, in: Bucher, Anton A. (Hg. u.a.), „Vielleicht hat Gott uns Kindern den Verstand gegeben". Ergebnisse und Perspektiven der Kindertheologie, Jahrbuch für Kindertheologie 5, Stuttgart 2006, 69-77.

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