Textarbeit
(erstellt: Januar 2015)
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Digital Object Identifier: https://doi.org/10.23768/wirelex.Textarbeit.100032
1. Texte lesen und verstehen
Texte zu lesen und zu verstehen, gilt als selbstverständliche Kulturtechnik. Bei der Planung und Gestaltung → religiöser Bildungsprozesse
1.1. Lesekompetenz und Lesemotivation
Die Ergebnisse der PISA-Studie (→ Bildungsstudien
Die Lesesozialisationsforschung verweist auf eine deutliche Motivationskrise im Leseverhalten ab dem 12. Lebensjahr. Während in der → Kindheit
Bei der Planung und Gestaltung religiöser Bildungsprozesse, welche die Erkundung, Erschließung und Weitergestaltung eines Textes in den Mittelpunkt stellen, sollte im Vorhinein diagnostiziert werden, welche Lesekompetenzen, -motivationen und -interessen die Zielgruppe charakterisieren, um passende Textmedien und Lernwege (→ Unterrichtsmethoden
1.2. Verstehensprozesse
Das Verstehen und Interpretieren von Texten ist → entwicklungspsychologisch
Religionsdidaktisch besonders zu berücksichtigen ist die Entwicklung von einem wörtlichen hin zu einem symbolischen Verstehen (→ Symboldidaktik
2. Texte in religiösen Bildungsprozessen verorten
Bei der Planung und Gestaltung von Bildungsprozessen, die ein Textmedium favorisieren, sind die zuvor genannten anthropologisch-psychologischen Voraussetzungen der Zielgruppe (Lesefähigkeit und -motivation, Vorwissen, Entwicklung des literarischen Verstehens) einzubeziehen.
2.1. Intentionen und Funktionen der Textarbeit
Ebenso ist zu verantworten, welche Intentionen mit der jeweiligen Textarbeit verfolgt werden. Hier helfen zur Orientierung die globalen Zielbestimmungen, wie sie für den Umgang mit Texten im literarischen Bildungskontext diskutiert werden: Beim Ziel des Informationslesens wird ein Text in erster Linie als Mittel zum Aufbau von versierten Wissens- und Argumentationsstrukturen in einem, in diesem Falle dem → theologischen
2.2. Strukturierung einer Textarbeit
Jeder Text, der zum Einsatz kommt, ist im Vorfeld der Planung sorgfältig zu erkunden, um beurteilen zu können, wo Schwerpunkte, Besonderheiten und Probleme des Textes liegen, welche Erschließungswege und Lernaktivitäten sich eignen und welche Erwartungen wie Intentionen mit dem Einsatz des Textes in der jeweiligen Zielgruppe verbunden sind. Dabei kann die Orientierung an den folgenden fünf Phasen der Textarbeit hilfreich sein (vgl. u.a. Niehl, 2002, 489; Röckel/Bubolz, 2006, 109-128):
1. Textbegegnung: Hier ist die Frage leitend, wie die Rezipientinnen und Rezipienten dem Text erstmals begegnen werden: in welcher Version (Originalsprache, Übersetzung, Übersetzungsvarianten), in welcher Form (Buch, Folie, Textblatt, Arbeitsblatt mit Impulsen u.a.), mit welcher Leseweise (laut/leise, individuell/gemeinsam, abschnittsweise/im Ganzen, als → Erzählung
2. Textwirkung: Die unmittelbaren Eindrücke und Wirkungen, welche ein Text hinsichtlich Inhalt, Sprache und Verständlichkeit während der Erstbegegnung hervorruft, sind sowohl Chance als auch Hindernis bei der nachfolgenden Aneignung und sollten aus diesem Grund nicht übergangen werden (Röckel/Bubolz, 2006, 80). Nach der Textbegegnung bietet sich deshalb eine Phase an, in welcher der Einzelne seine Eindrücke sprachlich, schriftlich, bildlich oder körperlich darstellen und sortieren sowie gezielt in die Gruppe einbringen kann (z.B. Blitzlicht, Punkte kleben, Positionslinie, Fragekarten).
3. Texterschließung: Um einem Text in seinem Eigenwert gerecht zu werden und eine produktive Aneignung desselben zu ermöglichen, welche über das bloße Beantworten von Fragen hinausgeht, empfiehlt sich als dritter Schritt eine sorgfältige Erkundung und Deutung der formalen Strukturen und der Inhalte des Textes. Dabei ist festzulegen, welches Verfahren der Texterschließung sowohl für das → Medium
Das textnahe sowie das inhaltsichernde Lesen basieren auf dem genauen, langsamen und in der Regel chronologischen Erfassen des Textes unter Einsatz passender Lesestrategien (z.B. Unterstreichen, farbig Markieren, Lücken füllen, auf Fragen zu Textinhalt und -struktur antworten); dies verlangt von den Lesenden ein erhöhtes Maß an Aufmerksamkeit und Konzentration und setzt das Beherrschen verschiedener Lesetechniken voraus (Paefgen, 2008, 199). Da Kinder und Jugendliche, aber auch Erwachsene, im Alltag eher selten textnah lesen, kann diese Art der Texterschließung schnell als anstrengend, wenig gewinnbringend oder sogar als bevormundend empfunden werden. Einer solchen Demotivierung kann durch gezielte Methodenwahl und überlegte Impulsformulierungen vorgebeugt werden.
Bei der methodischen Gestaltung können rezeptiv-analytische Verfahren oder handlungs- und produktionsorientierte Aktivitäten favorisiert und eine sinnvolle Verschränkung beider Verfahrensweisen angestrebt werden (vgl. Methodensammlungen: Brenner, 2010; Niehl/Thömmes, 1998). Bei rezeptiv-analytischen Verfahrensweisen dominieren untersuchende, erörternde, begründende und argumentierende Aktivitäten (Röckel/Bubolz, 2006, 252), während bei handlungs- und produktionsorientierten Verfahren die Rezipientinnen und Rezipienten selbst schöpferisch tätig werden, „indem sie Texte ergänzen, umschreiben, imitieren, antizipieren, szenisch umsetzen und in andere Medien transformieren (Malen, Vertonen, Filmen, …)“ (Spinner, 2008, 184). Letztlich sind allerdings nicht die zum Einsatz gebrachten → Methoden
4. Textbewertung und -diskussion: Nach der intensiven Analyse und Deutung sollte den Rezipientinnen und Rezipienten erneut die Möglichkeit zur Distanzierung gegeben werden, indem sie sich vorläufig zu einem Text positionieren und/oder ausgewählte Textaspekte kritisch beurteilen (z.B. Bepunktung; Bewertung nach Nützlichkeit, Informationsgehalt, Diskussionsstoff, Anregungspotenzial, o.ä.; Fortführung von Impulssätzen; geleitete Debatte; Rezension zum Text; Parodie oder Dekonstruktion eines Textes).
5. Textgestaltung und -verarbeitung: Der schöpferische und kreative Umgang mit einem Text sollte nicht nur ein abwechslungsreicher Ausklang der ansonsten überwiegend rezeptiv-analytisch orientierten Texterschließung sein. Vielmehr ist danach zu fragen, wie handlungs- und produktionsorientierte Verfahren bereits bei der Analyse, Deutung und Bewertung eines Textes gezielt zum Erkenntnisgewinn eingesetzt werden können.
Die abschließende Textgestaltung ist von der Intention getragen, bewusst über den Text hinauszugehen und die individuellen Erfahrungen und Erkenntnisse, welche durch die Textarbeit ausgelöst wurden, gestalterisch zu verarbeiten (z.B. → kreative Schreibformen
Abschließend sei auf drei literaturwissenschaftliche sowie „didaktische Untiefen“ (Gattermaier/Siebauer, 2009, 116) verwiesen, welche bei der Textarbeit prinzipiell kritisch zu prüfen sind: Dazu gehört zunächst die Vorannahme einer ein-linearen Dekodierung des Textes durch die Lesenden, welche letztendlich zu einer vorab als „richtig“ festgelegten Interpretation oder Autorintention führt (vgl. 3.2.2.). Kritisch zu sehen sind im Weiteren die Zielsetzung einer explizit theologischen Deutung des Textes mit allgemeinverbindlichem Anspruch sowie die Reduktion eines Textes auf einen moralischen Lehrsatz. Drittens ist der übermäßige Einsatz eines engführenden Unterrichtsgespräches, welches bei der Autorintention oder einer expliziten ‚Botschaft‘ des Textes landen soll (vgl. Verlegenheitsfrage: „Was wollte uns der Autor damit sagen?“), sowie die Aufgabe, bestimmte Textaussagen auf das eigene Leben zu übertragen, fragwürdig, da auf diese Weise sowohl die Autonomie des Textes als auch die der Leserin und des Lesers untergraben werden.
3. Texte erkunden, erschließen, bearbeiten
Im Folgenden werden grundlegende Merkmale von Sach-, literarischen und religiösen Texten sowie mögliche Erschließungswege aufgeführt. Selbst wenn die formale Typisierung und Gattungszuordnung von Texten in den Literaturwissenschaften hinreichend problematisiert und kritisiert wurde (Röckel/Bubolz, 2006, 33), soll die folgende Systematisierung zu einem ersten Überblick verhelfen und dafür sensibilisieren, dass unterschiedliche literarische Formen ein Ausdruck unterschiedlicher Erfahrungen sind und folglich verschiedene Bezüge zur Wirklichkeit herstellen (Schmid, 2008, 65; Epping, 2009).
3.1. Sachtexte
Sachtexte helfen dabei, sich über religiöse Themen, Sachverhalte und Fragestellungen in kognitiver, argumentativer und diskursiver Hinsicht zu informieren, um bereichsspezifische Wissensstrukturen aufzubauen und in religiösen Fragen urteils- und kommunikationsfähig zu werden.
3.1.1. Merkmale von Sachtexten
Sachtexte wollen in erster Linie informieren, beschreiben, analysieren, ein Problembewusstsein wecken, die Meinungsbildung der Leserinnen und Leser beeinflussen, von einem Standpunkt überzeugen oder an Einstellung und Haltung appellieren. Insofern sind Sachtexte fakten- und/oder meinungsbetont. Sie beziehen sich auf nachweisbare Tatsachen, Ereignisse und Vorgänge, welche sie in argumentativer Weise aufbereiten und beurteilen. Ihr Wahrheitsgehalt ist durch den ausdrücklichen Wirklichkeitsbezug jederzeit nachprüfbar (Niehl, 2002, 485; Röckel/Bubolz, 2006, 39f.). Üblicherweise werden Aufsätze, Berichte, Beschreibungen, Essays, Gesetzes- und Lehrtexte, Lexikonartikel, Reden, Werbesprüche sowie die journalistischen Schreibformen (Nachricht, Leitartikel, Kommentar, Glosse, Reportage, Interview) zu den Sachtexten gezählt.
Sachtexte weisen in vielen Fällen eine interne Gliederung durch Zwischenüberschriften und Absätze auf; diese vorgegebene Strukturierung ist bei der Textanalyse zu nutzen. Darüber hinaus kennzeichnet Sachtexte die Verwendung von Fachbegriffen und fachspezifischen Wissensstrukturen sowie von visuellen Elementen (Fotos, Grafiken, Statistiken, Tabellen), mit deren Dekodierung Leserinnen und Leser vertraut sein müssen, um den Informations- und Argumentationsgehalt des Textes umfassend zu erschließen.
3.1.2. Erschließung von Sachtexten
Bei der Arbeit mit Sachtexten ist wiederum zuerst die grundlegende Intention zu bestimmen: Sollen aus dem Text Informationen entnommen, die Argumente für einen bestimmten Standpunkt erarbeitet und diskutiert oder soll die Stellungnahme der Autorin oder des Autors kritisch beurteilt werden. Auch ist zu eruieren, ob die Zielgruppe mit den Wortbedeutungen und spezifischen Wissensstrukturen eines Textes hinreichend vertraut ist. Denn die Ergebnisse der kognitionspsychologischen Forschung zeigen, dass Informationen aus Texten nicht einfach mechanisch übernommen, sondern ausgehend von persönlichen Erwartungen, Voreinstellungen und dem bereichsspezifischen Vorwissen ausgewählt und in das bereits bestehende Wissensnetz eingepasst werden (Rösch, 2010, 242). Dieses Wissensnetz der Leserinnen und Leser ist gezielt in einer Vorphase zu aktivieren, indem einerseits Methoden zur Vorstrukturierung desselben angeboten (z.B. ABC-Liste, Bildkartei, Cluster, Placemat, Struktur-Lege-Karten, Wortgeländer zum Thema) und andererseits Leseerwartungen anhand der Bewertung von Titelblatt, Überschrift oder erstem Satz bewusst gemacht werden (Kunze, 2005, 86; Rösch, 2010, 243). Ebenso sollten nach der Textaufnahme spontane Reaktionen zu Inhalt, Sprache und Verständlichkeit des Textes möglich sein (Röckel/Bubolz, 2006, 131). Zudem sind spezifische Vokabeln des Christentums oder einer anderen Religion, welche im Text als bekannt vorausgesetzt werden, in ihrem Bedeutungsumfang und -spektrum und gegebenenfalls in ihrer Begriffsgeschichte zu erschließen (zu Methoden der Begriffsbildung vgl. Schwarz, 2007).
Um der Tendenz zum Überfliegen von Texten entgegenzuwirken, welche sich im Zuge der alltäglichen Nutzung von Bildschirmtexten fast zwangsläufig ausbildet (Kunze, 2005, 85), ist ein Sachtext mithilfe verschiedener Lesestrategien zu bearbeiten: Der Text kann in sinnvolle Abschnitte gegliedert oder vorgegebene Überschriften den einzelnen Abschnitten zugeordnet werden, Schlüsselbegriffe und Kernaussagen können farbig hervorgehoben, unwichtige Informationen eingeklammert oder weggestrichen, Wissensinseln, Unklarheiten, Fragen, Diskussionswürdiges können mit Zeichen am Textrand markiert, Argumentationsstrukturen eingezeichnet werden. Durch Multiple Choice, Richtig-Falsch-Beurteilungen, Fragen mit zunehmendem Komplexitätsgrad, freie Textwiedergabe, Reduktion auf Spickzettelgröße oder durch Umwandlung der Textinformationen in Schaubilder und Grafiken kann das Erfassen und Verarbeiten der Textinhalte instruiert sowie überprüft werden. Auch bei der Arbeit mit Sachtexten sind reproduktions- wie produktionsorientierte Methoden einsetzbar (zu Methoden vgl. Kunze, 2005, 86f.).
Die abschließende Textbewertung und -gestaltung kann mittels spontaner Positionierung (z.B. Meinungslinie, Fragebogen), themenbezogener Anwendung (z.B. Umschreiben in appellative Textsorte; Aufbereitung der Textinhalte für spezifischen Adressatenkreis) oder kommunikativer Stellungnahme (z.B. Interview, Statement zum Text) erfolgen.
3.2. Literarische Texte
Literarische Texte sensibilisieren im Kontext religiöser Bildung für bildhafte Sprache und symbolische Wirklichkeitsdeutung(→ Symboldidaktik
3.2.1. Merkmale literarischer Texte
Literarische Texte unterscheiden sich von Sachtexten durch ihre Fiktionalität. Die Leserin oder der Leser tritt einer erdachten, aber durchaus möglichen und denkbaren Wirklichkeit gegenüber. Dementsprechend verhandeln literarische Texte keine Tatsachenwahrheit, sondern umkreisen eine tiefere → Wahrheit
Als literarische Großgattungen sind die erzählenden (Epik), die szenischen (Dramatik) und die versgebundenen Texte (→ Lyrik
Während das wichtigste Kennzeichen der Epik die narrative Struktur ist, welche von einem fiktiven Erzähler dargeboten wird, stellen dramatische Texte, deren Zweck primär in der Aufführung liegt, die Handlung über Dialoge her und werden von einem zentralen Konflikt gelenkt, dessen Lösung den Charakter des Dramas als tragisch, komisch oder absurd bestimmt (Wilpert, 2013, 187-189). Neben den klassischen, schul-curricularen Dramentexten können Drehbücher, Hörspiele, Rollentexte, Dialogszenen, Sketche (Gattermaier/Siebauer, 2009, 117) und die bislang noch kaum beachteten Mysterienspiele Potenzial für die Textarbeit im religiösen Bildungsbereich bergen. Auffällige Merkmale lyrischer Texte sind die Versform, die konzentrierte Verwendung sprachlicher Bilder und rhetorischer Mittel sowie die inhaltliche Intensität.
3.2.2. Erschließung literarischer Texte
Das Deuten und Verstehen von Texten ist ein aktiver Konstruktions- und Interpretationsprozess des Einzelnen. Bereits in den 1960er Jahren betonte die Rezeptionsästhetik die zentrale Rolle der Leserinnen und Leser: „Bedeutungen literarischer Texte werden überhaupt erst im Lesevorgang generiert; sie sind das Produkt einer Interaktion von Text und Leser und keine im Text versteckten Größen, die aufzuspüren allein der Interpretation vorbehalten bleibt. Generiert der Leser die Bedeutung eines Textes, so ist es nur zwangsläufig, wenn diese in einer je individuellen Gestalt erscheint“ (Iser, 1970, 7). Zugleich stellen poststrukturalistische Ansätze – insbesondere durch ihre Absage an eine im Text auffindbare Autorintention, welche die Richtigkeit der Interpretation zu normieren vermag, – die Vorstellung einer endgültigen Sinnfindung in Frage. Das Interesse richtet sich folglich „auf den Prozesscharakter des Textes, d.h. auf die Sinnproduktion und die Strukturierungsleistung im Vollzug des Lesens, wobei ‚Sinn‘ grundsätzlich als unfest und fließend betrachtet wird (vgl. Literaturtheorien im Netz: http://www.geisteswissenschaften.fu-berlin.de/v/littheo/methoden/poststrukturalismus/
Ausgehend von der Zuordnung zu einer der drei Großgattungen können bei der Erschließung literarischer Texte folgende Strategien hilfreich sein: Bei erzählenden Texten (→ Narratologische Analyse; Erzähltextanalyse
Mit Blick auf die Gestaltung religiöser Lernprozesse für Heranwachsende bietet die Genrefülle der (religiösen) → Kinder- und Jugendliteratur
Bei dramatischen Texten kann sich die Textarbeit auf die Erschließung einzelner Szenen konzentrieren, deren Aufbau, Handlung, Figuren und Figurenkonstellation, Kommunikationsstrukturen sowie Welt- und Menschenbild im Rückgriff auf handlungs- und produktionsorientierte Verfahren (z.B. innere Stimme einer Figur, Szene in Gegenwart versetzen, neue Szenen erfinden und spielen) analysiert und konstruiert werden.
→ Lyrische
3.3. (Fremd)religiöse Texte
Eine tragende Rolle im religiösen Bildungsbereich spielen Texte der eigenen religiösen Tradition sowie aus fremden Religionen. Neben der Analyse steht bei Texten der eigenkulturellen Religion vor allem deren persönliche Aneignung und mitunter Verinnerlichung im Zentrum, während Texte aus anderen religiösen Traditionen meist unter dem Aspekt des Kennenlernens und Vergleichens bearbeitet werden.
3.3.1. Merkmale religiöser Texte
Texte, die aus einer bestimmten religiösen Tradition stammen und im Leben ihrer Glaubensgemeinschaft den Status eines → Offenbarungs
Religiöse Texte können anhand ihrer Intention systematisiert werden, sodass sich eine Unterscheidung in narrativ-bildhafte (Mythos, Sage, Märchen, Legende), appellative (Lehrrede, Orakel, Prophetie, Predigt, Sittengesetz), rituell-performative (Anrufung, Bekenntnis, Bitte, Fluch, Gelübde, Gebet (→ Beten, christliche Perspekitve
3.3.2. Erschließung (fremd)religiöser Texte
Bei der didaktischen Planung sind zum einen Eigenart und Stellenwert des religiösen Textes in seiner Herkunftstradition und zum anderen die Einstellungen und Haltungen der Zielgruppe zu bedenken. Die Bestimmung von Textsorte und primärer Intention kann hilfreich sein, um passende Zugänge für die fünf Phasen der Texterschließung zu entdecken.
Da religiöse Texte die → Wahrheit
Bei fremdreligiösen Texten ist zudem ein → Perspektivenwechsel
Es stellt sich also die religionsdidaktische Aufgabe, bei der Textarbeit einen respektvollen Raum zu erschließen, der für die Heiligkeit sowie Besonderheit eines religiösen Textes sensibilisiert und sowohl für diejenigen, die daran glauben, als auch für diejenigen, die sich von dem Text distanzieren wollen, Platz schafft (Mitchell, 2005, 576). Ästhetische Zugänge sowie Auslegungsmethoden, Lesarten und wirkungsgeschichtliche Zeugnisse derjenigen religiösen Tradition, aus welcher der Text stammt, können ebenso wie die interreligiöse Kommunikation über einen Text einen solchen Raum erschließen (→ Interreligiöses Lernen
Mit Sorgfalt zu planen sind Textvergleiche zwischen verschiedenen Religionen aufgrund der unterschiedlichen Sinn gebenden Mitte (z.B. im Christentum eine Person, im Islam ein Buch, im Buddhismus eine Erkenntnis; vgl. Tworuschka, 2008, 18) und der Gefahr unsachgemäßer Vergleiche anhand qualitativer Kategorien im Sinne von besser-schlechter. Auch performative Zugänge zu (fremd)religiösen Texten sind abhängig von der Zielgruppe mit Vorsicht einzubringen (z. B. Nachspielen der Pessach-Feier im Unterricht), insofern sie möglicherweise die religiöse Selbstbestimmung des Einzelnen oder auch (fremd)religiöse Gefühle tangieren können.
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