Heiliger Geist
Schlagworte: Pneumatologie
(erstellt: Januar 2015)
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Digital Object Identifier: https://doi.org/10.23768/wirelex.Heiliger_Geist.100064
1. Heiliger Geist als Thema der Kinder- und Jugendtheologie
In kinder- und jugendtheologischen Untersuchungen (→ Kindertheologie
Allerdings finden sich in den Untersuchungen auch symbolische Vorstellungen, jedoch meist nur bei Kindern und Jugendlichen mit religiöser Sozialisation, oder wenn die Gespräche zum Heiligen Geist in ein entsprechendes Unterrichtssetting eingebunden sind. Die häufigste Umschreibung ist die der Seele: „Ich glaube, dass Gott irgendwie alles ist. Und der Geist ist eigentlich nur das Innenleben. Von dem, was gerade ist. Also […] die Seele“ (Gerth, 2011, 235). Daneben gibt es auch Vorstellungen vom Heiligen Geist als „Geistesblitz“, „(Gottes) Gedanken in uns“, „warmer Wind und gutes Gefühl“ oder als „anderer Name für Gott“. Nur selten nennen die Schülerinnen und Schüler das Symbol der Taube. Erst in weiterführenden Klassen nähern sich die Bilder vermehrt den christlichen Metaphern an. „Er gibt ihnen Kraft und bewirkt die Talente. Man könnte den Hl. Geist aber auch als Boten oder den Atem Gottes bezeichnen“ (Bergmayr, 2004, 47). Befragt zum Wirken des Geistes, äußern die Schülerinnen und Schüler, er passe auf die Menschen auf, schütze sie vor Unfällen, Krankheiten und Krieg oder rette sie aus Gefahrensituationen. Darüber hinaus bewirke er Freude, gebe den Menschen Energie, schaffe Frieden, nehme Ängste, gebe Kraft und Mut, bewirke Gemeinschaft oder Verständigung, ermögliche eine Verbindung zu Gott, oder er wirke als „Bote“ und Sprachrohr Gottes.
Oberstufenschüler eines katholischen Gymnasiums beschreiben den Heiligen Geist als „etwas Abstraktes, Unvorstellbares […] Flüchtiges“, das man nicht „begreifen“ könne. Er zeige sich im Handeln, als innere Energie oder Gewissen. Er sei „Vermittler zwischen Mensch und Gott“, „das Göttliche in uns“ und ein „treuer Begleiter“. Viele Äußerungen beschreiben den Heiligen Geist auch als Lebensspender oder Lebenskraft. Ein Schüler definiert den Heiligen Geist als den Teil, den man bei Erzeugung eines künstlichen Menschen nicht herstellen könne (Bergmayr, 2004, 51f.).
Ähnlich wie die akademische → Theologie
Spricht man mit Kindern, ausgehend von der Pfingstgeschichte über den Heiligen Geist, treten personale Vorstellungen deutlich zurück (Maurer, 2005; Freudenberger-Lötz/Schreiner, 2004). Die Schülerinnen und Schüler nutzen dann kreativ die in der Pfingstgeschichte angelegten Metaphern. In der vierten Klasse beschreiben sie den Geist Gottes als Sturm, der die bösen Gedanken wegbläst, als Jesus, der den Jüngern ins Herz kommt, als Geistesblitz, der die Jünger motiviert und antreibt, oder als Stimme, die ihnen Mut macht. Achtklässler sehen hingegen kaum noch einen Zusammenhang zwischen dem Wirken des Geistes und der Pfingsterzählung. Sie sind zwar fasziniert vom Sprachenwunder, erklären dies aber vornehmlich naturwissenschaftlich oder als Trick. Es spricht also vieles dafür, die Pfingstgeschichte – anders als dies viele Schulbücher tun – bereits im Grundschulalter einzusetzen.
2. Heiliger Geist in der wissenschaftlichen Theologie
2.1. Impulse der biblischen Theologie
2.1.1. Altes Testament
Die Rede vom „heiligen Geist“ ist primär ein christlicher Ausdruck. Im Alten Testament kommt die Wendung nur an zwei Stellen vor, in Psalm 51,13
Am häufigsten wird ruach mit „Wind“ wiedergegeben, was ein breites Bedeutungsspektrum abdeckt, angefangen vom leichten Luftzug wie in 1Kön 19,12
Eine zweite Bedeutung des Wortes ruach ist die des (hörbaren) Atems oder der geschenkten Lebenskraft (Ez 37,14
In einem weiteren Verwendungszusammenhang steht die ruach für eine besondere Gottesgabe. So taucht sie erstmals in der Frühzeit Israels auf (z.B. Ri 3,10
Auch wenn ruach und Wirken Gottes eng verknüpft sind, so denkt das Alte Testament in seiner Entwicklung streng monotheistisch. Die ruach bleibt Gott untergeordnet und wird nirgends als (göttliche) Person gedacht.
2.1.2. Neues Testament
Das Neue Testament verwendet das griechische Wort pneuma, ein Neutrum, für den Geist. Neben den Bedeutungen „Wind“ und „(Lebens-)Atem“ kann es auch den menschlichen Geist (z.B. Röm 1,9
Das Neue Testament verknüpft die Rede vom heiligen Geist aufs Engste mit Jesus Christus. Er ist entweder von Geburt an mit dem Geist Gottes verbunden (Mt 1,18
Die stärksten pneumatologischen Akzente innerhalb der Evangelien finden sich bei Johannes (Schnelle, 2007, 664). In den johanneischen Abschiedsreden wird der Geist charakterisiert als „anderer Beistand“, griechisch parakletos, oder als Geist der Wahrheit, als nachösterliche Gabe des Erhöhten an die Gemeinde, der die Kontinuität der Lehre Jesu gewährleistet: Er tröstet die Jünger und zeigt ihnen, dass sie in Wahrheit nicht verwaist sind (Joh 14,18
Auch bei Paulus sind Geist und → Christus
Die für den schulischen Kontext wohl bedeutsamste Bibelstelle ist die Pfingsterzählung (Apg 2
2.2. Impulse der theologischen Tradition
Die ersten Gemeinden wussten sich als Geistbeschenkte aufs Engste verbunden mit dem Geist Jesu/dem Geist Gottes und erkannten in ihrem Leben zahlreiche Wirkungen des Geistes (siehe oben). Trinitarische Formeln wie die Taufformel (Mt 28,19
In der Folgezeit stand das Nachdenken über den Geist meist im Kontext der Trinitätslehre, der Auseinandersetzung mit den Sakramenten und der Verfasstheit der Kirchen und deren Ämtern, wobei sich evangelische und katholische Pneumatologie nicht fundamental voneinander unterscheiden. In beiden Konfessionen rückte der Heilige Geist als eigenständige Größe immer weiter in den Hintergrund, so dass sowohl von evangelischer als auch von katholischer Seite zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine „Geistvergessenheit“ konstatiert wurde (Sattler, 2011, 401).
2.3. Impulse der neueren theologischen Diskussion
In beiden Kirchen ist seit Mitte des letzten Jahrhunderts eine Rückbesinnung auf die Pneumatologie festzustellen. Dies ist auch den charismatischen und pfingstlerischen Bewegungen zu verdanken, die vermehrt auf die Bedeutung spezifischer Geisterfahrungen verweisen, sowie der feministischen Theologie, die durch die Rede vom Heiligen Geist als „weiblichem Teil Gottes“ zu einem neuen Nachdenken über zeitgemäße Sprachformen anregt. Die Friedens- und Umweltbewegung verweist vermehrt auf die Bedeutung des Geistes für die Schöpfungstheologie, während die Befreiungstheologie das motivierende Potenzial des Geistes im Kampf gegen Unterdrückung und Unrechtsstrukturen erkennt. Die ökumenische Bewegung ringt um eine neue Positionierung des Heiligen Geistes innerhalb der Trinitätslehre und gibt dabei neue Impulse für ein pneumatologisch begründetes Amtsverständnis der Kirchen.
Wichtige Impulse erhielt die Pneumatologie auf katholischer Seite durch Beiträge von Yves Congar, José Comblin, Hans Urs von Balthasar und Bernd-Jochen Hilberath, auf evangelischer Seite durch Karl Barth, Wolfhart Pannenberg, Jürgen Moltmann und Michael Welker, um nur einige wichtige Theologen zu nennen. Betrachtet man die Publikationen der letzten 50 Jahre, so werden sehr unterschiedliche Akzente und Wirkweisen des Heiligen Geistes betont. Er erscheint als konstitutives Element der Kirche (Congar), als Einführer in die göttliche Wahrheit und deren Ausleger (von Balthasar), als Stimme und Kraft der Kraftlosen (Comblin), als Offenbarungsweise (→ Offenbarung
Nichtsdestotrotz gilt: „Der Geist lässt sich nicht ,definieren‘ […]. Der Heilige Geist verweigert sich, unverrückbares konstitutives Element einer Systematischen Theologie zu sein; er will sie vielmehr durchwehen und durchdringen“ (H.-M. Barth, 2001, 414) Damit bleibt die Pneumatologie auch weiterhin sensibel für alle zeitbedingten Entwicklungen innerhalb der Theologie (Sattler, 2011, 410).
3. Heiliger Geist und religiöse Vermittlungsprozesse
Orientiert an der biblischen Aussage, allein der Geist wirke im Gläubigen die Gotteserkenntnis (1Kor 2,10-12
Eher dem zweiten Pol zuzuordnen ist beispielsweise das Bestreben der liberalen Religionspädagogik, eine neue religiöse Gesinnung zu schaffen. Dabei rückte Jesus als sittliches und moralisches Vorbild ins Zentrum der religiösen Vermittlung, der Geist wurde christologisch bestimmt als Geist, der in Jesus Christus Gestalt gewonnen hat und so in Schule und Gemeinde wirkt. Ein direkter Bezug auf die Unverfügbarkeit des Geisthandelns in der religiösen Vermittlung findet sich in der Evangelischen Unterweisung. Theologisch orientiert sich diese an der Dialektischen Theologie Karl Barths, die das Offenbarungshandeln Gottes im Wort betont. Hier kommt dem Heiligen Geist ganz im Sinne Luthers eine wichtige Vermittlungsposition zu: Er bewirkt das Verstehen des Wortes und wirkt dadurch im Menschen den Glauben. Religiöse Vermittlung setzt daher auf eine Begegnung mit der Bibel, aber auch auf ein spirituelles Erleben, etwa im gemeinsamen Beten. Die Methode rückt dabei in den Hintergrund: „Die Bitte um den Heiligen Geist, der durch das Wort zum Glauben ruft, ist schlechthin wichtiger als jede Methode“ (Heckel, 1930, 29). Eine deutliche Hinwendung zum zweiten Pol gibt es im Hermeneutischen Religionsunterricht. Hier geht es um eine kriteriengeleitete Auslegung der biblischen Schriften. Das Wirken des Geistes als Inspirator ist dabei eher an den Verstand des Menschen gebunden als an den Glauben. Weder die Problemorientierung noch die erfahrungsorientierten Ansätze reflektieren die Stellung des Heiligen Geistes oder lassen ein pneumatologisches Profil erkennen. Die Symboldidaktik greift zwar, ausgehend von der Pfingsterzählung, die Festsymbole Wind/Sturm, Atem und Feuer/Feuerzungen auf, räumt ihnen jedoch wenig Gewicht ein. Erst die Bibeldidaktik (→ Bibeldidaktik, Grundfragen der
4. Perspektiven für die Rede vom Heiligen Geist in Schule und Gemeinde
Vergleicht man die Äußerungen der Schülerinnen und Schüler mit dem, was die akademische Theologie zum Heiligen Geist sagt, so werden zwar zahlreiche Anknüpfungspunkte deutlich, es zeigen sich aber – im Gegensatz zu vielen Untersuchungen zu Gottesbild und Christologie – viel deutlichere Differenzen. Die Vorstellung vom Heiligen Geist als „liebes Gespenst“ ist theologisch kaum haltbar, und auch wenn es etwa bei Barth oder Pannenberg Ansätze gibt, Heiligen Geist und Engel zusammen zu denken, so ist auch die Schutzengelvorstellung theologisch fragwürdig (Barth, 1967, 580; Pannenberg, 1991, 127). Ferner zeigt sich, dass die personalen Vorstellungen vom Heiligen Geist bei der Deutung biblischer Erzählungen durchaus hinderlich sein können. Hilfreich erscheinen dagegen die zahlreichen, sehr differenzierten Überlegungen der Schülerinnen und Schüler zum Wirken des Heiligen Geistes. Auch theologisch spricht einiges dafür, den Heiligen Geist nicht primär als „Wesenheit“ in den Blick zu nehmen, sondern seine Wirkungen zu betrachten (vgl. 2.).
Verbindet man die Ergebnisse der empirischen Untersuchungen mit den rechtlichen Vorgaben, so rückt in der Grundschule vor allem das Pfingstfest als Vermittlungszusammenhang in den Blick. Hier kann man die Empathie der Schülerinnen und Schüler als Verstehensschlüssel für die Erzählung nutzen und so die Gefühle der Jünger sowie ihre durch den Geist gewirkte Veränderung in den Blick nehmen. Anschließend kann man Erlebnisse der Kinder aufgreifen, die um die Themen „aus Mutlosigkeit wird Mut“, „aus Verzweiflung wird Zuversicht“ oder „aus Sprachlosigkeit wird Verständigung“ kreisen oder nach weiteren Feldern des Geistwirkens fragen. Gute Impulse, auch für den Kindergottesdienst, finden sich im Materialband „Pfingsten“ von Eva Jürgensen. Ein Unterrichtsmodell, das als detektivische Spurensuche nach dem Wirken des Heiligen Geistes fragt, hat besonders Jungen als Subjekte des Religionsunterrichts im Blick (Gerth, 2014, 95-100).
Mit Jugendlichen ist eine Auseinandersetzung mit der Pfingsterzählung aus Sicht der Jünger wenig vielversprechend – zu groß wird die eigene Distanz zum Bibeltext empfunden. Hier kann Pfingsten als konstitutives Element für die Entstehung der ersten christlichen Gemeinden behandelt werden. Mögliche Zugänge zum Wirken des Geistes sind z.B. die Themen „Spiritualität“, „gelebter Glaube“ und die inspirierende und motivierende Kraft des Geistes (Mendl, 2014; DVD „Spirit“), oder Fragen, woran man einen Christen erkennt (z.B. an den Werken des Geistes), oder wie Glaube entsteht. Nicht zuletzt stellt das Thema „Trinität“ sowohl für Kinder als auch Jugendliche einen spannenden Zugang zum Wirken des Geistes dar.
5. Offene Fragen
Innerhalb der wissenschaftlichen Theologie scheint der Heilige Geist sein Schattendasein überwunden zu haben, und auch in der Religionspädagogik gibt es eine Entwicklung, den Heiligen Geist als selbstständiges Thema zu würdigen. Zwar stecken hier die empirischen Untersuchungen zur Kinder- und Jugendtheologie noch in den Anfängen, doch zeigen die bisherigen Ergebnisse, dass gelungene Unterrichtsideen zu erstaunlichen Überlegungen der Kinder und Jugendlichen führen können, auch wenn diese zuvor über wenig Vorwissen verfügten. Hier wird klar, wie wichtig eine Wahrnehmung der Pneumatologie als eigenständiges Thema in der Religionspädagogik ist. Gleichzeitig ergibt sich aus der Differenz zwischen theologischer Rede vom Heiligen Geist und Schülervorstellungen ein spannendes Feld für zukünftige Überlegungen: sowohl für die wissenschaftliche Theologie, die ihre bisherigen Sprachmuster zu überdenken aufgerufen ist, als auch für die Religionspädagogik, die die Aufgabe hat, nach neuen Vermittlungsstrategien zu suchen. Vielleicht kann gerade die Frage nach dem Heiligen Geist hilfreich sein für eine genauere Verhältnisbestimmung zwischen Laientheologie und akademischer Theologie, da hierfür seit jeher eine metaphorische, von spirituellen Erfahrungen geprägte Sprache vonnöten war. Das Gespräch mit den Pfingstkirchen trägt als wichtigen Impuls in die religionspädagogische Diskussion ein, dass zukünftig die Dimension der eigenen christlichen Erfahrung stärker wahrzunehmen ist (Strübind, 2011, 205f.). Die pfingstkirchliche Tradition versteht den Heiligen Geist in der Tradition der ersten christlichen Gemeinden und bezieht sich auf ein sehr viel unmittelbareres Geistverständnis. Hier kann die Religionspädagogik lernen, neue Impulse für Geist-Wirken und Geist-Erfahrungen zu finden und diese für Schule und Gemeinde fruchtbar zu machen, ohne dabei eine „Scheidung der Geister“ aus den Augen zu verlieren.
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