Unterrichtsmethoden
(erstellt: Januar 2015)
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Digital Object Identifier: https://doi.org/10.23768/wirelex.Unterrichtsmethoden.100110
1. Problemanzeige
Entgegen der seinerzeit sicherlich zutreffenden Feststellung, Methoden seien neben einer inhalts- und zielfixierten Didaktik „wieder hoffähig und aktuell diskussionswürdig“ (Adam/Lachmann, 2010a, 15) geworden, muss man heute wohl keine große Überzeugungsarbeit mehr bei angehenden und praktizierenden Lehrkräften leisten, um sie für neue Methoden im Religionsunterricht (→ Religionsunterricht, evangelisch
Zugleich wird damit die notwendige ,Dauerfrage‘ wach gehalten, wie Inhalte und Lerngegenstände (Was? Warum?), Ziele (Wohin?), Lerngruppe (Wer?) und Methoden (Wie?) für jeden konkreten Lernprozess sinnvoll in Beziehung zu setzen sind. Rechtfertigt beispielsweise ein bestimmtes Lernziel oder ein komplexer Kompetenzerwerb den Einsatz einer zeitaufwändigen Methode? Ist ein bestimmter Lerngegenstand gerade mit dieser konkreten Methode ‚am besten um der Sache willen‘ zu erschließen? Wie gut funktioniert der Einsatz einer ausgewählten Methode in dieser konkreten Lerngruppe? Didaktische Fragen dieser Art können und müssen dazu dienen, der Gefahr eines bloßen Methodenpragmatismus (Schulte, 2001, 1334), einer Technokratisierung des Unterrichts oder einer „Mechanisierung von Bildung und Erziehung“ (Lämmermann, 2007, 1) insgesamt konstruktiv zu begegnen. Schließlich gilt es, auch Methodenfragen an einem „Qualitätsmaßstab ,guter Unterricht‘“ (Hilger, 2012, 228) zu messen, insbesondere um eine kognitive Aktivierung der Schülerinnen und Schüler zu erlangen (Helmke, 2012, 205-220) sowie die effektive Lernzeit im Unterrichtsprozess zu erhöhen (Meyer, 2011c, 39-46).
2. Begriff, Definition und historischer Kontext
Der gemeinsame Nenner einer unübersichtlichen Vielfalt von Begriffsbestimmungen liegt wohl im etymologischen Kern des Begriffs. Von seinem griechischen Ursprung (
meta = nach, hodos = Weg) her bezeichnet „Methode“ wörtlich einen „Weg zu etwas hin“ oder ein „Auf-dem-Weg-Sein“. Methoden sind deshalb primär Wege und „Werkzeuge zur Erreichung bestimmter Ziele“ (Weinert, 1998, 8) oder „Verfahren der Vermittlung kultureller Inhalte“ (Kron/Jürgens/Standop, 2014, 31) unter Einschluss der erforderlichen Mittel, → Medien
Hilbert Meyer definiert Unterrichtsmethoden als „Formen und Verfahren, in und mit denen sich Lehrer und Schüler die sie umgebende natürliche und gesellschaftliche Wirklichkeit unter institutionellen Rahmenbedingungen aneignen“ (Meyer, 2011a, 45). Hierbei tritt eine Differenzierung zwischen Lehr- und Lern-Methoden in Erscheinung, die auf den engen Zusammenhang zwischen dem Lehren der Lehrkraft und dem Lernen des Schülers aufmerksam macht und darüber hinaus auch das gleichzeitige Lernen des Lehrers mit in den Blick nimmt. Mit Meyer lassen sich zu Ordnungszwecken drei Ebenen (oder „Aggregatzustände“) des methodischen Handelns von Lehrern und Schülern je nach Umfang und Reichweite unterscheiden (Meyer, 2011a, 116-147): zunächst die
Mikromethodik mit den sinnlich-anschaulich fassbaren Inszenierungstechniken (beispielsweise zeigen, fragen, → erzählen
Dass insbesondere religionsdidaktische Konzeptionen und Methodenfragen eng miteinander zusammenhängen, offenbart zunächst ein kurzer historischer Rückblick: Zu Beginn des 20. Jahrhunderts sorgte auf katholischer Seite die „Münchener Methode“ erstmals für eine intensive Reflexion sowohl auf methodische Prozesse im Unterricht als auch auf die lernpsychologischen Voraussetzungen der Adressaten (→ Entwicklungspsychologie
Aus heutiger Sicht ist resümierend festzustellen, dass einerseits Methoden und andererseits Unterrichtsinhalte, Unterrichtsstile oder gar die Haltung und das Charisma der Unterrichtenden (Lämmermann, 2007, 5-7) nicht gegeneinander auszuspielen sind. Die Vermeidung solcher Einseitigkeiten gelang zumindest in konzeptioneller Hinsicht wohl erst mit den zugleich subjekt- und inhaltsorientierten Ansätzen wie z.B. der → Korrelationsdidaktik
3. Eine religionsdidaktisch orientierte Methodenlehre
3.1. Didaktik und Methodik
Vor dem Hintergrund der bisherigen Ausführungen muss eine Methodenlehre für den Religionsunterricht didaktisch eingebunden sein. Insofern behält auch hier Wolfgang Klafkis Satz vom Primat der Didaktik und der Zielentscheidungen gegenüber der Methodik (Klafki, 1977, 28) seine Geltung. Allerdings ist dieser linear anmutende Satz insofern zu präzisieren, als es näherhin um ein Verhältnis der Interdependenz (Adam/Lachmann, 2010a, 21f.; Hilger, 2012, 231; Meyer, 2011a, 77) verschiedener Unterrichtsfaktoren gehen muss. Dieses wäre darüber hinaus genau dann sogar dialektisch zu nennen, wenn methodisch geschickt arrangierte Lernprozesse ein hohes Maß an unterrichtlicher Öffnung produzieren sowie die → Kreativität
3.2. Kriterien für den Methodeneinsatz im Religionsunterricht
Die Beantwortung der Frage nach fachspezifischen Methoden für den Religionsunterricht bleibt kontrovers und wird nicht selten im Interesse einer allgemein vergleichbaren Bildungsrelevanz des Faches negiert (Adam/Lachmann, 2010a, 29f.; Husmann, 2008). Allerdings ergeben sich aus dem zentralen Gegenstandsbereich eines Schulfachs auch spezifische methodische Erfordernisse, was insbesondere auch für den Religionsunterricht zu gelten hat. Das isoliert ein religiöses Lernen nicht von einem mathematischen oder sprachlichen Lernen, sondern profiliert es vielmehr im Gesamtgefüge schulischen und außerschulischen Lernens. Deshalb gilt es, den Methodeneinsatz im Religionsunterricht kriteriengeleitet zu reflektieren, wie das folgende religionsdidaktische Schema vorschlägt. Es greift einerseits auf den kriterialen Dreischritt aus Ziel-/Sachgemäßheit, Schüler-/Lehrergemäßheit und Situationsgemäßheit (Adam/Lachmann, 2010a, 32-38) zurück und verschränkt ihn andererseits mit den Dimensionen des religionsdidaktischen Modells der →
Elementarisierung
1)
Angemessenheit gegenüber elementaren Sachstrukturen. Spezifische Lerngegenstände sind mit entsprechenden Methoden zu erschließen: beispielsweise biblische Texte mit ausgeprägten Formen des biblischen Lernens, bestimmte Medien mit jeweils adäquaten Formen des ästhetischen Lernens, die Thematisierung der Gottesfrage unter Beachtung → kinder-
2) Den intendierten Lernzielen gemäß. Guter Religionsunterricht ist an konkreten Zielen zu orientieren, zu deren Erlangung wiederum Methoden die notwendigen Wege und Werkzeuge bereitstellen. Geht es beispielsweise um die Ausbildung einer ethischen Urteilsfähigkeit, sind dem Ziel solche Methoden eher gemäß, die vom Lernenden Selbsttätigkeit, Positionierungs- und Kommunikationsfähigkeit verlangen und beispielsweise weniger Methoden des memorierenden Lernens von bestimmten Ge- und Verboten. Selbstverständlich sollten die ausgewählten Methoden dabei den Lernprozess schrittweise näher zum Ziel führen.
3) Die Wahrheitsfrage ermöglichend. Religiöses Lernen und Lehren hat multiperspektivisch die Frage nach den elementaren Wahrheiten zu stellen, sowohl seitens der zu behandelnden Sache als auch bei den beteiligten Subjekten. Damit Fragen und Antworten innerhalb eines Lernprozesses Raum gewinnen können, sind solche Methoden hilfreich, die einerseits eine persönliche Argumentationsfähigkeit stärken und andererseits eine entsprechende Gesprächskultur innerhalb der Lerngruppe bereiten können (kooperatives Lernen). Darüber hinaus sind, wenn auch nicht in jeder Phase des Unterrichts, regelmäßig offene Aufgabenstellungen und entsprechende Methoden (s.u. 5.3.) einzusetzen.
4) Multiple Erfahrungsebenen öffnend und verschränkend. Gemäß der hinsichtlich eines ausgewählten Lerngegenstands zu erhebenden elementaren Erfahrungen sowohl auf der Seite der Subjekte als auch auf der Objekt- und Sachseite sind solche Methoden auszuwählen, die gerade die Erfahrungen der Lernenden in den Lernprozess aktiv mit einbinden, miteinander verschränken und gegebenenfalls auch mit ‚Erfahrungen des Anderen‘ konfrontieren können. Dazu dienen ganzheitliche Methoden (Rendle, 2008) und Formen eines handlungsorientierten und erfahrungsorientierten Lernens (Schulte, 2001, 1337f.).
5) Den am Lehr-Lern-Prozess beteiligten Akteuren gemäß. Mit den beiden vorausgegangenen Kriterien ist bereits evident geworden, dass Methoden sowohl auf die Voraussetzungen und elementaren Zugänge der Lerngruppe abzustimmen sind als auch mit dem jeweiligen Habitus der unterrichtenden Lehrkraft im stimmigen Einklang stehen müssen, mithin schüler- und lehrergemäß (Adam/Lachmann, 2010a, 34f.) sein sollen. Bleibt einer der beiden Faktoren unberücksichtigt, laufen Lernprozesse Gefahr, ‚unpünktlich‘ zu bleiben, d.h. ohne subjektiven Lernfortschritt oder frei von objektiver Relevanz und argumentativer Überzeugung. Eine besondere Herausforderung stellt dabei die zunehmend auftretende Forderung nach Individualisierung und innerer Differenzierung im Lernprozess dar (s.u. 5.2.).
6) Der spezifischen Lernsituation gemäß. Entsprechend den auf Subjekt und Inhalt abgestimmten elementaren Lernwegen innerhalb des Elementarisierungsmodells sind Methoden mit Rücksicht auf die jeweilige Lernsituation einzusetzen. Lachmann (Adam/Lachmann, 2010a, 36) sieht diese durch drei Bedingungen beeinflusst: institutionell-strukturell (Lernort Schule oder Lernort Gemeinde, konkretes Schulsystem etc.); technisch-organisatorisch (Räumlichkeiten, technische Ausstattung etc.); aktuell-situativ (Klassenarbeit, Unterrichtsstörungen etc.). Darüber hinaus ist der Methodeneinsatz ebenso schulformspezifisch wie schulstufenspezifisch zu reflektieren.
7) → Religiöse Bildung
3.3. Spezifische Perspektiven religionspädagogischer Methodik
Vor dem Hintergrund eines umfassenden Blicks auf die Breite religionspädagogischer Lernorte, in denen es sowohl um Prozesse des religiösen Lernens im Allgemeinen als auch um Prozesse des ausdrücklichen Glauben-Lernens im Besonderen geht, sind die folgenden Perspektiven einer religionspädagogisch reflektierten Methodenlehre besonders relevant:
1) An allen religionspädagogischen Lernorten, ob Religionsunterricht (→ Religionsunterricht, evangelisch
2) Lernprozesse, in denen es insbesondere um Glauben (im umfassenden Sinn als fides quae
und fides qua) geht, berühren hinsichtlich der Methodenfrage eine besondere Problematik, denn ein ausdrückliches Glauben-Lernen steht immer in der Dialektik zwischen unverfügbarer Gnade und menschlicher Freiheit, zwischen Geschenk und Aneignung, zwischen Gott und Mensch als jeweils handelndem Subjekt. Glauben-Lernen oder Christsein-Lernen ist Leben-Lernen und bleibt von daher im Letzten unverfügbar. Dennoch kann man neben Zielen und Aufgaben auch Methoden einer „Glaubensdidaktik“ (Bitter, 1995) formulieren, die den Wegcharakter des Glaubens selbst aufgreifen. Ein entsprechendes methodologisches Lehrstück liegt mit der nachösterlichen Emmauserzählung vor (Lk 24,13-35
3) Zweifelsohne schließt Glauben-Lernen auch spirituelles Lernen mit ein. Daher sollte auch religiöses Lernen spiritualitätsdidaktische Fragen und Konzepte im Blick behalten. So können →
Stilleübungen
4. Doppelte Methodenkompetenz
Während in der Vergangenheit eine Methodenkompetenz ausschließlich auf die Person der/des Unterrichtenden bezogen war, ist zukünftig, nicht zuletzt aus der Perspektive eines an Kompetenzen ausgerichteten Unterrichtens, auch die Person der Schülerin/des Schülers mit in den Blick zu nehmen.
1. Auf Seiten der Lehrenden ist Methodenkompetenz wesentlicher Bestandteil einer umfassenden Professionalität, die eine zielorientierte und situationsadäquate Handlungsfähigkeit im konkreten Lehr-Lerngeschehen garantieren soll. Dazu zählt insbesondere der Rückgriff auf ein Methodenrepertoire, das unterrichtliche Methodenvielfalt und sinnvollen Methodenwechsel ermöglicht (vgl. das entsprechende Kriterium guten Unterrichts bei Meyer, 2011c; Helmke, 2012). Mit dem Begriff einer „methodischen Handlungskompetenz“ (Adam/Lachmann, 2010b, 22; Reil, 2005, 195f.) ist allerdings noch mehr beabsichtigt: Denn diese soll nicht nur (1) Methodenkenntnis, (2) Problembewusstsein gegenüber methodischen Einseitigkeiten und Verkürzungen sowie (3) methodische Urteils- und Kritikfähigkeit für einen didaktisch reflektierten Methodengebrauch im Unterricht beinhalten (Adam/Lachmann, 2010b, 22), sondern meint auch die Kompetenz von Lehrenden, die Lernenden zum Erwerb einer Methodenkompetenz anzuleiten.
2. Damit wäre auch von einer Methodenkompetenz der Schülerinnen und Schüler zu sprechen, das heißt einer Fähigkeit, den eigenen Arbeitsprozess, aber auch den eigenen religiösen Lernprozess reflektiert und zielorientiert zu gestalten (vgl. auch Mattes, 2011; Meyer, 2011a; Klippert, 2007). Insbesondere aus einer kompetenzorientierten Perspektive des eigenständigen Erwerbs von Fähigkeiten und Fertigkeiten ist die (auch methodische) Verantwortung für den eigenen Lernprozess nicht hoch genug einzuschätzen (vgl. das entsprechende kompetenzorientierte Kriterium der „Metakognition“ bei Feindt/Meyer, 2010). Eine diesbezügliche Methodenkompetenz ist auch im Sinne → religiöser Bildung
5. Offene Fragen
5.1. Kompetenzorientierung
Nicht selten ist auf dem Rücken von Unterrichtsmethodik gegen das die gegenwärtigen Bildungsdebatten und alle Fachdidaktiken beherrschende Prinzip der Kompetenzorientierung (→ Kompetenzorientierter Religionsunterricht
5.2. Methodischer Umgang mit Heterogenität
Die gewiss nicht neue, aber doch zunehmende Herausforderung durch heterogene ( →
Heterogenität
5.3. Balance im Unterrichtsgeschehen
Schließlich ist an die eingangs benannte gegenwärtige Problemanzeige anzuknüpfen, aus der heraus die didaktisch-methodische Ausbalancierung des Unterrichtsgeschehens als wesentliche Aufgabe bestehen bleibt: zwischen einem eher lenkenden und einem eher moderierenden Lehrertypus, zwischen damit einhergehenden lehrerzentrierten und schülerorientierten Unterrichtsprozessen, zwischen dementsprechenden instruktiven und konstruktiven Lernwegen (vgl. das Themenheft „Klug vermitteln“ der Katechetischen Blätter, Heft 5/2010; sowie die kleine Kontroverse in den Religionspädagogischen Beiträgen, Heft 69/2013, 17-32), zwischen eher zentrierenden Methoden (ergebnisorientiert, effektiver Lernzuwachs) und eher öffnenden Methoden (prozessorientiert, Selbstständigkeit und Kreativität fördernd), zwischen den verschiedenen → Sozialformen
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