Religionskunde
Schlagworte: bekenntnisunabhängiger Religionsunterricht; konfessionell nicht gebundener Religionsunterricht
(erstellt: Februar 2017)
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Digital Object Identifier: https://doi.org/10.23768/wirelex.Religionskunde.100127
1. Was ist Religionskunde?
Religionskunde ist der im deutschen Sprachraum gängige Begriff für einen → konfessionell
Die meisten -kundlichen Fächer sind zwischenzeitlich aus dem schulischen Fächerkanon verschwunden und anderen Fachbenennungen gewichen. Religionskundlichen Unterricht gibt es in der Bundesrepublik nur im Land Brandenburg im Schulfach → Lebensgestaltung – Ethik – Religionskunde
Unterricht über Religion in der allgemeinbildenden → öffentlichen Schule
Die genannten Eckpfeiler religionskundlichen Unterrichts, wonach der Staat einen bekenntnisneutralen Unterricht für alle Schülerinnen und Schüler anbietet, bei dem auch die Lehrkraft zu keinem spezifischen Bekenntnis verpflichtet ist (ähnlich Bleisch/Desponds/Durisch Gauthier/Frank, 2015, 10), kommen im Kontext von Begriffsklärungen nicht alle gleichermaßen zum Zuge. Es wird hingegen häufig auf eine der genannten Bedingungen zurückgegriffen, vor allem den integrativen und verpflichtenden Charakter des Unterrichts in einem allgemeinbildenden Schulfach für alle Schülerinnen und Schüler. So plädiert Lott (2005, 78-80) für einen solchen integrativen Unterricht, der die Versäulung des Religionsunterrichts hinter sich lässt. Auch Alberts stellt den integrativen Charakter ins Zentrum, betont aber, dass integrativer Unterricht nicht per se religionskundlich ist (Alberts, 2012, 302-303). Dies bewahrheitet sich allein im deutschen Kontext, denn weder der Bremer noch der → Hamburger Religionsunterricht
Eine weitere Bestimmung religionskundlichen Unterrichts, ausgehend von einer → empirischen
2. Ausprägungen von Religionskunde
Religionskunde kommt in der öffentlichen Schule in unterschiedlichen Varianten vor:
1.) In der Großform als allgemeinbildendes Schulfach. In der Bundesrepublik Deutschland existiert Religionskunde nicht als eigenständiges Schulfach, im schweizerischen Kanton Zürich wird das Fach „Religion und Kultur“ angeboten.
2.) Häufig ist Religionskunde Bestandteil bzw. Dimension eines Faches oder eines Lernbereichs bzw. Fächerverbundes, wie es bei LER der Fall ist. In Norwegen (Alberts, 2011) ist Religionskunde eingebunden in das Fach RLE („Religion, livssyn og etikk“), in der Provinz Québec in Kanada (Estivalèzes/Lefebvre, 2012) in das Fach ECR („Ethique et Culture Religieuse“).
Bestandteil eines Lernbereichs ist Religionskunde im deutsch-schweizerischen „Lehrplan 21“, in dem Religionskunde im Fachbereich „Natur – Mensch – Mitwelt“ angesiedelt ist (Helbling, 2015).
In beiden Varianten steht Religionskunde meist im Zusammenhang mit Fragen der Lebensorientierung bzw. der ethischen Orientierung.
3.) Religionskundliche Anteile sind ebenso in den werteorientierten Alternativfächern zum Religionsunterricht enthalten, z.B. im Fach „Werte und Normen“, allerdings ohne Nennung in der Fachbezeichnung.
3. Religionskunde vor dem Hintergrund von Pluralisierung und Säkularisierung
Die grundgesetzliche Konzeption des Religionsunterrichts in Deutschland geht mit einer Homogenitätserwartung einher und ist verbunden mit der stark vom Christentum geprägten Nachkriegsgesellschaft samt einer breiten Mitgliedschaft in den Kirchen. Die Kooperation des Staates mit den Religionsgemeinschaften im konfessionellen Religionsunterricht ist aus dieser Situation heraus zu verstehen. Die heutige gesellschaftliche Situation unterscheidet sich freilich sehr deutlich von der damaligen und ist geprägt von zwei Entwicklungen, die meist unter den Stichworten religiöser → Pluralismus
1.) Mit zunehmender Pluralisierung und der Etablierung neuer konfessioneller Religionsunterrichte nimmt die Versäulung des Religionsunterrichts zu, was in der Bundesrepublik in den vergangenen Jahren mustergültig an der Einführung eines islamischen Religionsunterrichts zu beobachten ist. Verschiedene Religionsunterrichte befördern und pflegen aber gerade nicht die Kommunikation zwischen Menschen mit unterschiedlichen religiösen Orientierungen.
2.) In den Genuss eines eigenen Religionsunterrichts kommen nur die großen Religionsgemeinschaften, während Schülerinnen und Schüler aus kleineren religiösen Gruppierungen das Ersatz- bzw. Alternativfach wählen oder in einen der ‚klassischen‘ Religionsunterrichte gehen können. Hier ist also eine hochgradige Ungleichbehandlung religiöser Gruppen am Werk, die durch einen gemeinsamen Unterricht überwunden wäre.
3.) In der bundesrepublikanischen Konstruktion, wie sie sich angesichts zunehmender Säkularisierung seit den 70er Jahren herauskristallisiert hat, ist für diejenigen Kinder und Jugendlichen, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen wollen, ein Ersatz-/Alternativfach im Wertebereich vorgesehen. Die Bildung in religionsbezogenen Fragen bleibt für säkulare Schülerinnen und Schüler also beschränkt auf kleinere religionskundliche Anteile innerhalb der Wertefächer, was eine umfassende Bildung auf dem Feld der Religion nicht ersetzen kann. Ferner wird auch hier ein Austausch verhindert, nämlich der zwischen säkularen und religiösen Schülerinnen und Schülern. Das Säkularisierungs-Argument, wonach auch säkulare Schülerinnen und Schüler Anspruch auf religionsbezogene Bildung haben, war bei der Einführung des Schulfachs LER entscheidend. Denn gerade hier war abzusehen, dass das herkömmliche bundesdeutsche Modell mit der ostdeutschen Situation einer mehrheitlich säkularen Bevölkerung nicht kompatibel ist. Bildung im Hinblick auf religionsbezogene Fragen sollte auch säkularen Schülerinnen und Schülern zuteilwerden, was für einen religionskundlichen Unterricht sprach.
4. Religionskundedidaktik
Vordringliche Aufgabe einer Didaktik der Religionskunde ist es, den Wissensbereich Religion in bekenntnisneutraler Darstellung in die schulische Bildung zu integrieren sowie eine bekenntnisneutrale Vermittlung des Gegenstands Religion auszubuchstabieren. Die Didaktik steckt noch in den Kinderschuhen, so dass die bisherige starke Orientierung an der wissenschaftlichen Bezugsdisziplin → Religionswissenschaft
Auf der Agenda steht ferner die Frage, wie mit der Erbschaft religionskundlicher Didaktik, der Weltreligionendidaktik (Tworuschka, 1982), umzugehen ist. So lag in den 80er und 90er Jahren der Schwerpunkt der Religionskunde bei der phänomenologischen Darstellung der Weltreligionen; diese Vorgehensweise weicht nach und nach der differenzierten Darstellung verschiedener Formen religiösen Lebens sowie von Religionen, wie sie in den regionalen Kontexten von Kindern und Jugendlichen auftauchen (Jackson, 1997; Bleisch/Desponds/Durisch Gauthier/Frank, 2015, 16-19).
In der Zukunft wird eine religionskundliche Fachdidaktik auf unterschiedlichen Ebenen von Unterricht zu entwickeln sein. Dabei ist zu klären, welche didaktischen Felder überhaupt zu erarbeiten sind, wobei die bescheiden klingende Definition von Jank und Meyer (2014) hilfreich sein könnte. Sie schlagen zehn zentrale didaktische Felder vor: „Die Didaktik kümmert sich um die Frage, wer was von wem wann mit wem wo wie womit und wozu lernen soll“ (Jank/Meyer, 2014, 16). Übertragen auf die Religionskunde lässt sich diese berühmte Sammlung von W-Fragen als Aufgabenbeschreibung einer religionskundlichen Didaktik auffassen. Es wäre dann zu entwickeln, wie sich Bekenntnisneutralität jeweils für jedes Feld auswirkt: Wie kann an den Verstehenshorizont der Lernerinnen und Lerner (wer), ihre Interessen und Fragen angeknüpft werden, sodass sie die Relevanz religionsbezogener Fragen für das Leben in einer modernen pluralen Gesellschaft verstehen lernen. Wie können Inhalte (was) alters- und entwicklungsangemessen (wann) im religionskundlichen Unterricht thematisiert werden und welche Inhalte sind in welcher Darstellung besonders relevant? Ein weiteres Feld ist eine zu entwickelnde Professionstheorie (von wem), in der u.a. der neutrale Umgang mit unterschiedlichen religiösen Bekenntnissen (sowie Bekenntnislosigkeit) zu debattieren ist. Des Weiteren sollten Lerngruppen und ihre Kontexte (mit wem) im Blick sein sowie unterschiedliche → Lernorte
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